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PRESSEKONFERENZ/1221: Regierungspressekonferenz vom 20. Mai 2016 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 20. Mai 2016
Regierungspressekonferenz vom 20. Mai 2016

Themen: Termine der Bundeskanzlerin (UN World Humanitarian Summit in Istanbul, Klausurtagung des Bundeskabinetts, G7-Gipfel in Japan, Gedenkfeier zum 100. Jahrestag der Schlacht von Verdun), Festakt anlässlich des 30-jährigen Bestehens des Bundesumweltministeriums, EU-Türkei-Abkommen, Umsetzung der europäischen NIS-Richtlinie in Deutschland, Aufhebung der Immunität türkischer Abgeordneter durch das türkische Parlament, Interviewäußerungen von Staatssekretärin Haber zu Moscheegemeinschaften, erhöhte CO2-Emissionen bei verschiedenen Automodellen, Antrittsrede der neuen Präsidentin Taiwans/Ein-China-Politik, Anerkennung des Völkermords an den Herero und Nama, Inkrafttreten des Tabakerzeugnisgesetzes, Transatlantisches Freihandelsabkommen, DFB-Pokalfinale, mögliche Steuersenkungen

Sprecher: StS Seibert, Stamer (BMUB), Dimroth (BMI), Chebli (AA), von Sartori (BMBF), Friedrich (BMVI), Urban (BMEL), Audretsch (BMWi)


Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Wie Sie schon wissen, wird die Bundeskanzlerin am Sonntag nach Istanbul reisen und dort am Montag, den 23. Mai, am UN World Humanitarian Summit teilnehmen. Darüber haben wir hier schon gesprochen.

Deswegen komme ich gleich zum nächsten Dienstag und Mittwoch: Da wird das Bundeskabinett zu einer Klausurtagung in Schloss Meseberg zusammenkommen. Es wird dort am zweiten Tag dieser Klausurtagung auch eine reguläre Kabinettsitzung stattfinden. Schwerpunktthema der Klausurtagung sind die Fortschritte bei der Digitalen Agenda der Bundesregierung mit ihren verschiedenen Handlungsfeldern: der digitalen Wirtschaft, dem digitalen Arbeiten, dem Schutz und der Sicherheit in der digitalen Welt, der digitalen Infrastruktur, der vernetzten Gesellschaft sowie dem Wertewandel der Jugend und anderer gesellschaftlicher Gruppen durch die Digitalisierung. Das werden einige der Aspekte sein, die dort angesprochen werden.

Es sind zwei externe Gastredner eingeladen, zum einen der estnische Ministerpräsident Taavi Rõivas - er wird am Nachmittag zum Thema "Moderner Staat und Cyber-Sicherheit" sprechen - und zum anderen der EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft, Günther Oettinger, der ein Eingangsstatement zur Digitalisierung in Europa abgeben wird.

Bei der Fortsetzung am Mittwoch werden dann die Integrationsmaßnahmen der Bundesregierung auf der Tagesordnung stehen.

Nach Abschluss der Sitzung werden die Bundeskanzlerin und Bundesminister Gabriel gegen 10.30 Uhr der Presse die Ergebnisse mittteilen.

Falls Sie das interessiert: Für den Ankunftszeitpunkt am Dienstag sind ab 11.30 Uhr Bildtermine vorgesehen.

Am 26. und 27. Mai wird die Bundeskanzlerin in Japan am G7-Gipfel teilnehmen. Sie wird also noch am Mittwoch dorthin fliegen. Themen des Gipfels werden sein: Weltwirtschaft, Handel, Außen- und Sicherheitspolitik, Klimawandel und Energie, Stabilität und Wohlstand Asiens - dazu sind auch Outreach-Partner eingeladen -, Entwicklungspolitik und Afrika. Auch aus Afrika sind Outreach-Partner eingeladen. Einige Schwerpunkte der deutschen G7-Präsidentschaft werden durch die japanischen Gastgeber fortgeführt werden, vor allem das Thema Gesundheit. Es geht um die Unterstützung der G7 und darum, die aus der Ebola-Krise gezogenen Lehren fortzusetzen. Außerdem geht es um das Oberthema "Stärkung von Frauen/Frauenerwerbstätigkeit/Zugang von Frauen zu technischen und naturwissenschaftlichen Berufen".

Der Gipfel wird am Donnerstag mit der offiziellen Begrüßung durch den japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe am Ise-Schrein beginnen, dem in der japanischen Kultur eine sehr wichtige spirituelle Bedeutung zukommt.

Wir werden Sie gleich im Anschluss an diese Pressekonferenz ab 12.30 Uhr ausführlicher über den G7-Gipfel unterrichten, und zwar durch den G7-Sherpa, Herrn Röller, sowie den außenpolitischen Berater, Herrn Heusgen.

Am Sonntag, den 29. Mai, wird die Bundeskanzlerin dann nach Verdun reisen. Sie wird dort gemeinsam mit dem französischen Staatspräsidenten François Hollande an der zentralen Gedenkfeier zum 100. Jahrestag der Schlacht von Verdun teilnehmen.

Das war eine - ich brauche Sie wahrscheinlich nicht zu erinnern, aber tue es trotzdem - für den Verlauf des Ersten Weltkriegs entscheidende Schlacht. Sie begann am 21. Februar 1916, dauerte bis in den Dezember 1916 und kostete mehr als 300 deutsche und französische Soldaten das Leben. Verdun ist Synonym für eine Materialschlacht bis dato ungekannten Ausmaßes, für damals moderne Kriegstechniken wie Luftangriffe und Giftgaseinsatz. Zum 100. Jahrestag dieser entsetzlichen Schlacht wollen die Bundeskanzlerin und der französische Präsident ein weiteres Zeichen der Aussöhnung und der Freundschaft unserer beiden Länder setzen.

Der Tag beginnt mit einem gemeinsamen Besuch auf dem deutschen Soldatenfriedhof Consenvoye und einer Kranzniederlegung dort. Dann werden die Kanzlerin und der Präsident die Stadt Verdun besuchen und dort am Denkmal für die toten Kinder der Stadt einen weiteren Kranz niederlegen. Dann werden auf der Brücke über die Maas, der "Pont Chaussée", 100 Schülerinnen und Schüler Friedensballons steigen lassen. Es wird dann ein Arbeitsmittagessen des Kanzlerin und des französischen Präsidenten geben. Anschließend werden sie beim Mémorial von Verdun auf den Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, auf den Präsidenten der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, sowie den Präsidenten des Europäischen Rats, Donald Tusk, treffen. Es wird eine gemeinsame Gedenktafel enthüllt und eine Dauerausstellung besucht werden.

Dann folgt die zentrale Gedenkzeremonie an der Nationalnekropole von Douaumont, künstlerisch inszeniert vom deutschen Filmregisseur Volker Schlöndorff unter Beteiligung von 3000 jungen Deutsche und jungen Franzosen. Ansprachen der Bundeskanzlerin und des Staatspräsidenten sind geplant.

So weit der Blick auf die kommende Woche.

Stamer: Im Bundesumweltministerium steht ein besonderes Jubiläum an: Das Ministerium begeht sein 30-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass lädt Bundesumweltministerin Hendricks zu einem Festakt ein, und zwar am 6. Juni um 12 Uhr. Ort der Veranstaltung ist das E-Werk. Neben den bisherigen Umweltministern und Umweltministerinnen sind viele Gäste aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft eingeladen.

Natürlich sind auch Sie herzlich eingeladen, an der festlichen Veranstaltung teilzunehmen. Bitte beachten Sie, dass für die Teilnahme eine Akkreditierung erforderlich ist. Sie werden von uns in Kürze die entsprechenden Hinweise für die Akkreditierung sowie auch Angaben zu dem Programm erhalten. Vielen Dank.

Dimroth: Ich wollte noch zwei Fragen beantworten, die in der vergangenen Veranstaltung nicht beantwortet werden konnten. Das eine betrifft die Frage nach einem angeblichen Bericht der Kommission, aus dem sich ergebe, dass die Bemühungen um eine Visa-Befreiung der Türkei auch zu einer Erhöhung der terroristischen Gefährdungslage in Europa und in Deutschland führen könnten. Ich habe mir den Bericht inzwischen angeschaut. Es ist genau umgekehrt: Dort wird ausdrücklich ausgeführt, dass nicht zu erwarten ist, dass diese Maßnahmen dazu führen, dass organisierte Kriminalität oder terroristische Aktivitäten in der Europäischen Union zunehmen. Insofern ist sozusagen schon die Grundlage für die Frage entfallen, sodass sich eine weitere Bewertung erübrigt.

Das Zweite betrifft die Frage, die ebenfalls noch offen war, nämlich wo Umsetzungsbedarf in Bezug auf die von mir genannte NIS-Richtlinie, also die Richtlinie zur Erhöhung der IT-Sicherheit in Europa, im deutschen Recht gesehen wird. Abschließend kann ich das auch heute noch nicht sagen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass insbesondere für den Bereich sogenannter digitaler Dienste, also Online-Marktplätze, Suchmaschinen und Cloud-Dienste, eine Mindestanforderung und vor allem eine Meldepflicht im europäischen Recht vorgesehen sind. Die gibt es im deutschen Recht derzeit nicht. Dort werden wir also jedenfalls einen Umsetzungsbedarf haben. Ansonsten bleibt es bei der Einschätzung vom Mittwoch, dass wir hierbei in Deutschland eine Vorbildrolle eingenommen haben, sodass die Vorgaben aus Europa hier zu keinem umfassenden Umsetzungsbedarf führen.

Frage: Herr Seibert, vor wenigen Minuten hat das türkische Parlament die Aufhebung der Immunität von rund 150 Abgeordneten beschlossen, und zwar mit der verfassungsändernden Zweidrittelmehrheit. Das ist ja ein Kernanliegen des Präsidenten Erdogan. Wie beurteilt die Bundesregierung die Entscheidung des türkischen Parlamentes? Welche Belastungen könnten sich dadurch auch für die Verhandlungen zwischen der EU und der Türkei oder auch zwischen Deutschland und der Türkei ergeben?

StS Seibert: Die Bundesregierung hat das Ergebnis dieser Abstimmung gerade zur Kenntnis genommen. Grundsätzlich erfüllt uns die zunehmende innenpolitische Polarisierung, die Polarisierung der innenpolitischen Debatte in der Türkei, mit Sorge. Wir messen der Presse- und der Meinungsfreiheit eine zentrale Rolle in jeder lebendigen Demokratie bei. Das gilt nicht nur für die Arbeit der Presse. Das gilt auch für den öffentlichen Ausdruck aller Bürger, die sich am politischen und am gesellschaftlichen Diskurs beteiligen wollen, und es gilt insbesondere auch für deren gewählte Vertreter, die ihr Mandat frei und unabhängig ausüben können müssen. Für die innere Stabilität jeder Demokratie ist es wichtig, dass alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen auch parlamentarisch vertreten sind. Dieser ganze Komplex wird sicherlich auch zu den Themen gehören, die die Bundeskanzlerin am Rande des Humanitären Gipfels in Istanbul mit dem Staatspräsidenten der Türkei besprechen wird.

Zusatzfrage: Heißt das, ein bilaterales Treffen ist geplant?

StS Seibert: Ja, ein bilaterales Treffen ist für Montag geplant.

Frage: Wird sie auch den neuen türkischen Ministerpräsidenten treffen, Herrn Yildirim? Kennt sie ihn eigentlich schon? Sie war ja jetzt schon häufiger in der Türkei, und es gab, wenn ich mich recht erinnere, auch schon Regierungskonsultationen. Was erwartet sie jetzt eigentlich von ihm? Herr Davutoglu war ja für sie ein sehr vertrauenswürdiger Gesprächspartner. Erwartet Sie, dass dasselbe Vertrauensverhältnis auch mit Herrn Yildirim fortgesetzt werden kann?

StS Seibert: Wir haben ebenfalls die Berichte darüber, dass Herr Yildirim Nachfolger von Herrn Davutoglu werden soll, zur Kenntnis genommen. Jetzt gilt es, einen innerparteilichen und innertürkischen Prozess abzuwarten. Ich kann Ihnen hier nicht sagen, wann es zu einer Begegnung mit dem neuen Ministerpräsidenten kommen wird. Ich kann Ihnen jetzt hier nur sagen, dass die Bundeskanzlerin am Montag in Istanbul mit Präsident Erdogan zusammentreffen wird, der ja auch der Gastgeber des großen Gipfels dort sein wird.

Zusatzfrage: Hat sie denn schon einmal mit Herrn Yildirim zu tun gehabt?

StS Seibert: Herr Yildirim war bisher Verkehrsminister. Deswegen kann ich Ihnen nicht sagen, ob die Bundeskanzlerin ihm persönlich schon einmal begegnet ist. Das wäre bei Regierungskonsultationen durchaus möglich gewesen - da müsste ich nachschauen -, aber als Verkehrsminister hatte er innerhalb der Bundesregierung anderer Ansprechpartner.

Frage: Herr Seibert, wenn Sie von einer innenpolitischen Polarisierung sprechen, sprechen Sie dann auch von einer außenpolitischen Polarisierung?

Frau Chebli, wie bewerten Sie die gestrige Einbestellung des deutschen EU-Botschafters?

StS Seibert: Ich bin jetzt nicht sicher, was Ihre Frage war. Ich habe von einer innenpolitischen Polarisierung, einer zunehmenden Polarisierung der innenpolitischen Debatte in der Türkei gesprochen.

Zusatzfrage: Beobachten Sie auch eine außenpolitische Polarisierung der Türkei beziehungsweise zwischen Deutschland und der Türkei?

StS Seibert: Ich beobachte beziehungsweise ich beobachte nicht, sondern es ist ein Faktum, dass die Europäische Union mit der Türkei eine enge flüchtlingspolitische Zusammenarbeit verabredet hat und auch einen ganzen Aktionsplan zu diesem Thema umzusetzen begonnen hat. Aus unserer Sicht - das haben wir mehrfach gesagt - stehen Europa und die Bundesregierung zu den darin übernommenen Verpflichtungen, und sie erwarten dies auch von den türkischen Partnern.

Chebli: Zu Ihrer Frage zu Herrn Haber: Herr Haber - ich weiß nicht, ob Sie das wissen - ist zwar deutscher Diplomat, aber er ist gerade vom EAD als Delegationsleiter nach Ankara entsandt worden. Das heißt, er wurde vom Amt für die Tätigkeit im EAD beurlaubt. Deswegen hat sich gestern auch, glaube ich, die Kommission dazu geäußert. Das Auswärtige Amt hat da keine Weisungsbefugnis, und deswegen kann ich Ihnen an dieser Stelle zu diesem Fall auch überhaupt nichts sagen.

Zusatzfrage: Aber Sie könnten ja eine eigenständige Bewertung dessen vornehmen, dass die Türkei erneut einen deutschen Diplomaten - auch wenn er jetzt nicht für das Auswärtige Amt arbeitet, sondern für die EU - einbestellt hat. Das könnten Sie ja trotzdem bewerten.

Chebli: Nein, das sehe ich ein bisschen anders. Wenn ein deutscher Diplomat einbestellt wird, der für das Auswärtige Amt im Ausland als Botschafter tätig ist, dann ist es natürlich meine Rolle, das zu bewerten. Aber wenn ein deutscher Diplomat in einer anderen Institution arbeitet, vom Auswärtigen Amt quasi beurlaubt worden ist und wir ihm gegenüber nicht weisungsbefugt sind, dann sehe ich mich nicht in der Rolle, das zu bewerten.

Frage: Herr Seibert, sowohl von Abgeordneten der Union als auch der SPD hört man immer wieder, dass mit der Aufhebung der Immunität eine Grenze überschritten worden sei. Sieht die Kanzlerin das ähnlich?

StS Seibert: Ich habe Ihnen zu diesem Vorgang, der ja erst vor Kurzem passiert ist, das gesagt, was ich Ihnen jetzt für die Bundesregierung dazu sagen kann.

Frage: Herr Seibert, welche Auswirkungen hat die Entwicklung in der Türkei auf die Beitrittsverhandlungen zwischen der EU mit der Türkei? EVP-Fraktionschef Weber hat ja gestern gefordert, diese Verhandlungen nun zu beenden. Das sei eine Lebenslüge. Es werde nie eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU geben. Könnte sich die Kanzlerin dem anschließen? Erwartet sie eigentlich irgendein Signal von Erdogan bei dem Gespräch mit ihr am Montag? Wenn ja, welches?

StS Seibert: Ich möchte hier keine Erwartungen an ein Gespräch, das erst noch geführt werden muss, ausdrücken. Die Haltung, mit der die Bundeskanzlerin in das Gespräch geht, habe ich hier zu skizzieren versucht. - Was war Ihre erste Frage?

Zusatzfrage: Ob sich die Kanzlerin der Äußerung anschließen könnte, dass das eine Lebenslüge sei und dass diese Verhandlungen jetzt einmal beendet werden müssten, wenn eine derart undemokratische Entwicklung in der Türkei absehbar oder sichtbar ist.

StS Seibert: Diese Beitrittsverhandlungen werden seit langer Zeit geführt. Die Bundeskanzlerin hat immer zu dem Grundsatz "Pacta sunt servanda" gestanden. Das heißt, die Beitrittsverhandlungen, die aufgenommen worden sind, sind auch zu führen.

Die Themen, um die es hier geht - Themen der Presse- und der Meinungsfreiheit sowie der gesamten demokratischen Strukturen eines Staates -, sind ja Themen, die nirgends besser als in den sehr intensiven Verhandlungen über die einzelnen Körbe, die man bei Beitrittsverhandlungen zu besprechen hat, besprochen werden können.

Zusatzfrage: Könnte die derzeitige Entwicklung diese Verhandlungen denn Ihrer Ansicht nach belasten oder erschweren?

StS Seibert: Sie werfen jedenfalls Fragen auf - nicht Sie, sondern die Entwicklung. Sie aber auch.

Zusatzfrage: Vielleicht könnten Sie noch kurz sagen, welche Fragen das aufwirft, also was sozusagen das ganz Heikle an dieser Situation ist.

StS Seibert: Ich sprach über die zunehmende Polarisierung, die wir in der innenpolitischen Debatte innerhalb der Türkei bemerken. Ich sprach über die Frage, ob der öffentliche Ausdruck aller Bürger, die sich am politischen und gesellschaftlichen Diskurs beteiligen wollen, gewährleistet ist. Das betrifft ja auch politische Vertreter, die man im Parlament hat. Das sind Fragen, die diskutiert werden müssen.

Aber zurückkommend zu Ihrer Frage nach den EU-Beitrittsverhandlungen: Die werden durch die Europäische Union mit der Türkei geführt. Das heißt, es ist dann auch an allen europäischen Mitgliedstaaten, sich darüber zu einigen, wie sie auf bestimmte Vorkommnisse reagieren wollen.

Frage: Herr Seibert, sieht sich die Bundeskanzlerin veranlasst, von sich aus im Gespräch mit dem türkischen Staatspräsidenten die geplante Resolution des Bundestags zum Armenier-Massaker anzusprechen, zum Völkermord an den Armeniern? Wie wird sie reagieren, wenn sie mit der zu erwartenden Haltung vom türkischen Präsidenten darauf angesprochen wird?

StS Seibert: Ich möchte hier ganz grundsätzlich nicht ein Gespräch vorskizzieren, das noch gar nicht geführt worden ist. Das mache ich ganz grundsätzlich nicht.

Zum Thema der Armenien-Resolution, die vorbereitet wird, kann ich sagen, dass die Bundeskanzlerin dem Meinungsbildungsprozess in den Fraktionen und im Deutschen Bundestag nicht vorgreift.

Frage: Herr Dimroth, auf die Gefahr hin, dass Sie diese Frage hier schon beantwortet haben: Rechnen die Bundesregierung beziehungsweise das Bundesinnenministerium für den Fall einer Visafreiheit für türkische Staatsbürger dann auch mit einer steigenden Zahl türkischer Asylbewerber in Deutschland?

Dimroth: Das ist ja eine doch etwas stark prognostische Antwort, die Sie hier von mir erbitten. Darauf kann ich Ihnen aus diesem Grund auch keine abschließende Antwort geben. Was uns aber ganz wichtig ist, und dies nicht nur im Verhältnis zur derzeit laufenden Debatte über eine Visabefreiung für die Türkei, ist, dass es einen sogenannten Notfallmechanismus gibt, der es ermöglicht - eben beispielsweise für den Fall, dass bestimmte Missbräuche sichtbar werden und dass eine Entwicklung, die zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vorhersehbar ist, in Folge einer solchen Visabefreiung eintritt -, dass das dann über einen gesetzlichen europarechtlichen Mechanismus eben auch zurückgenommen beziehungsweise eingeschränkt werden kann. Das betrifft, wie gesagt, nicht nur die Türkei, sondern alle EU-Visabefreiungen. Darüber verhandeln heute die Innenminister der EU auf ihrem Rat in Brüssel. Ich erwarte, dass es dazu dann auch einen Beschluss geben wird, der auf dieser Linie liegt, nämlich dass es zukünftig einen solchen Notfallmechanismus geben wird.

Zusatzfrage: Wenn es jetzt zum Beispiel durch Angehörige der kurdischen Volksgruppe unter den türkischen Staatsbürgern eine höhere Zahl von Asylanträgen gäbe, dann wäre das wahrscheinlich kein Fall für das Greifen eines Notfallmechanismus, kein Fall von Missbrauch der neuen Visaregelungen, oder doch?

Dimroth: Es wäre aber - jedenfalls unter Bezugnahme auf Ihre erste Teilfrage - dennoch sozusagen eine rein prognostische Antwort, die ich Ihnen geben könnte. Insofern gilt der erste Teil meiner Antwort.

Zusatzfrage: Ich schließe an die Frage an - -

Dimroth: Über die konkrete Ausgestaltung dieser Klausel, die einen solchen Notfallmechanismus gesetzlich etabliert, sprechen in dieser Stunde gerade die Innenminister der EU. Wir müssten vielleicht einen Moment abwarten und die Beratungen sozusagen zu Ende gehen lassen, um dann Kenntnis darüber zu erhalten, wie genau diese Klausel ausformuliert ist. Ich vermute, dass der von Ihnen geschilderte Teilsachverhalt - jedenfalls isoliert betrachtet - nicht darunter fällt.

Zusatz: Weil Ihre Mitteilung vorhin über die Entwicklung der organisierten Kriminalität oder die Terrorgefahr bei Abschaffung der Visapflicht für türkische Staatsbürger auch eine stark prognostische Komponente hatte, habe ich gedacht, es gibt vielleicht auch eine stark prognostische Komponente.

Dimroth: Das ist jedenfalls ein legitimer Versuch. Da fehlt Ihnen allerdings möglicherweise tatsächlich die Sitzung vom vergangenen Mittwoch, weil ich hier mit einer prognostischen Aussage aus einem Bericht der Kommission konfrontiert wurde. Ich habe das inzwischen nachgelesen. Diese prognostische Aussage gibt es nicht, sondern sie lautet genau umgekehrt, wie hier vorgehalten. Deswegen wollte ich das gerne klarstellen.

Frage: Frau Chebli, Minister Steinmeier hat über das Pfingstwochenende in einem Interview noch einmal bekräftigt, dass er erwartet, dass die Türkei die Vorkommnisse an der türkisch-syrischen Grenze - die Vorwürfe von Human Rights Watch - aufklärt. Ist man da inzwischen weiter?

Herr Seibert, wird das eventuell auch Thema beim Besuch der Kanzlerin sein? Ich weiß, Sie wollen das Gespräch nicht vorwegnehmen. Werden diese Vorfälle angesprochen?

Eine zweite Frage, wenn ich darf: Frau Chebli, Herr Schäfer hat nachgeliefert, dass momentan rund 80 deutsche Staatsbürger konsularisch betreut werden, weil sie in der Türkei im Gefängnis sitzen. Haben Sie Vergleichszahlen? Das erscheint ja eine relativ hohe Zahl. Sitzen in anderen Nato-Partnerländern auch so viele Deutsche in Haft, die dort konsularisch betreutet werden müssen?

Chebli: Vielleicht fange ich mit der letzten Frage an: Ich habe keine Vergleichszahlen parat. Ich kann einmal schauen, ob ich die Zahl nachliefern kann. Ich kann Ihnen aber nichts versprechen.

Zu der anderen Frage, die Sie mir gestellt haben, ob es einen neuen Stand in Sachen Erkenntnisse gibt, kann ich Ihnen keinen neuen Stand weiterleiten. Ich weiß, dass es auf verschiedenen Ebenen Gespräche gegeben hat. Wir haben hier aber keinen neuen Stand zu vermelden.

StS Seibert: Ich möchte weiterhin nicht über den Verlauf des Gesprächs mit Präsident Erdogan spekulieren. Ich glaube aber, es ist nicht verwegen, zu sagen, dass die verschiedenen Aspekte der Flüchtlingspolitik darin auch eine Rolle spielen werden.

Ich möchte eines noch zur Vervollkommnung des Programms nachreichen, da wir schon über das Gespräch mit Präsident Erdogan am Montag sprechen: Am Sonntagabend wird sich die Bundeskanzlerin in Istanbul mit Vertretern der türkischen Zivilgesellschaft treffen.

Frage : Herr Seibert, wissen Sie, ob Herr Altmaier und Frau Merkel im Bundestag für die Armenien-Resolution stimmen werden? Ich weiß, dass das nicht Ihr Ressort ist, aber vielleicht können Sie uns das trotzdem sagen.

Frau Chebli, mein Kollege hat ja gerade schon gesagt, dass Herr Steinmeier in Bezug auf die türkisch-syrische Grenze gesagt hat: "Das sind alarmierende Vorwürfe, die aufgeklärt gehören. Ankara selbst muss ein Interesse an der Aufklärung dieser Vorwürfe haben." Vorwürfe von wem? Von welchen Vorwürfen spricht er? Bis wann sollen sie aufgeklärt werden?

Chebli: Es stehen ja verschiedene Vorwürfe im Raum, zu denen Sie konkrete Fragen gestellt haben. Einmal gibt es den Bericht von Human Rights Watch zu den Schüssen an der Grenze, und es gibt Vorwürfe von Human Rights Watch zum Umgang mit der kurdischen Minderheit. Wenn Außenminister Steinmeier sagt, dass er Aufklärung fordert, dann meint er natürlich beide Fälle und dass wir eine Aufklärung erwarten.

Es gilt das, was ich Ihrem Kollegen vorhin gesagt habe: Ich kann Ihnen keine neuen Stand sagen. Wir sind im Gespräch, und wir erwarten, dass die Türkei das aufklärt. Das, was Herr Steinmeier sagt, ist, dass es eigentlich auch im Interesse der Türkei sein muss, dass die Fälle aufgeklärt werden. Ich habe in der vergangenen Regierungspressekonferenz, an der ich teilgenommen habe, gesagt, dass die Türkei selbst die VN eingeladen hat, nach Ankara oder an die Grenze zu kommen, um sich selber ein Bild von der Lage zu machen. Das ist genau der richtige Weg. Ich weiß nicht, wie weit sie mit ihren Gesprächen mit den VN gekommen sind. Wir werden weiter dran bleiben, das beobachten und weiterhin Aufklärung von der türkischen Seite fordern. Wenn es Gespräche mit unseren türkischen Partnern gibt, wird das natürlich auch eine Rolle spielen.

StS Seibert: Was Ihre Frage an mich angeht: Die Bundeskanzlerin greift, wie ich gerade gesagt habe, dem Meinungsbildungsprozess in den Fraktionen und im Bundestag nicht vor. Deswegen habe ich auch keine weiteren Ankündigungen zu machen.

Zusatzfrage: Wird die Kanzlerin die ISIS-Verbindung der türkischen Elite in den Gesprächen ansprechen?

Frau Chebli, bis wann sollen die Vorwürfe aufgeklärt werden?

Chebli: Ich kann Ihnen hier keinen Zeitpunkt nennen. Wir sind daran interessiert, dass eine Aufklärung erfolgt. Wir haben ein großes Interesse daran, dass schnell aufgeklärt wird. Ich kann jetzt kein konkretes Datum nennen. Ich glaube aber, Sie haben gewusst, dass das die Antwort sein würde.

StS Seibert: Sie stellen hier Behauptungen in den Raum. Ich sehe trotzdem keinen Grund, Weiteres über ein Gespräch auszusagen, das noch gar nicht stattgefunden hat.

Frage: Herr Seibert, Sie haben eingangs ausgeführt, wie wichtig der Bundesregierung die freie parlamentarische Repräsentanz aller gesellschaftlichen Gruppen sei. Ist für die Bundesregierung die EU-Mitgliedschaft eines Staates denkbar, in dem diese freie gesellschaftliche Repräsentanz gerade durch eine kollektive Immunitätsaufhebung mindestens ausgehebelt, wenn nicht abgeschafft wird?

StS Seibert: Die Europäische Union führt ergebnisoffene Beitrittsverhandlungen mit der Türkei - und das seit vielen Jahren und vermutlich noch für längere Zeit. Deswegen sehe ich keinen Grund, über den Ausgang dieser Beitrittsverhandlungen zu spekulieren.

Zusatzfrage: Nun ist Deutschland, die Bundesregierung kein unwesentlicher Player innerhalb der Europäischen Union. Deswegen ist es, glaube ich, legitim nachzufragen, ob sich die Bundesregierung als wichtiges Glied der Europäischen Union unter diesen Bedingungen eine Vollmitgliedschaft vorstellen kann.

StS Seibert: Ich bleibe bei meiner ersten Antwort: Wir führen ergebnisoffene Verhandlungen. Die Bundesregierung wird sicherlich die Themen, die ihr besonders wichtig sind - der Rechtstaat, die Presse- und Meinungsfreiheit, der Zustand der Demokratie - in diesen Verhandlungen auch immer zur Sprache bringen, wie es sicher viele europäische Partner auch tun werden.

Frage: Herr Seibert, Sie haben die Frage nach der Bewertung der heutigen Parlamentsentscheidung unter der Überschrift "zunehmend innenpolitische Polarisierung" subsumiert. Lässt sich eine solche Entscheidung wie die heutige tatsächlich unter so einer Gesamtüberschrift subsumieren oder bedeutet sie nicht per se eine eigene Qualität, die auch eine eigenständige Reaktion braucht?

StS Seibert: Ich habe hier eine erste Reaktion für die Bundesregierung zu einer Entscheidung abgegeben, die vor vielleicht einer Stunde gefallen ist, und habe jetzt weiteres für Sie nicht zu sagen.

Zusatz: Die Entscheidung kommt ja nicht ganz überraschend. Man konnte sich ja darauf vorbereiten.

Frage: Meine Frage richtet sich an Herr Seibert und an das Bundesforschungsministerium.

Herrn Seibert möchte ich fragen, ob Sie konkretisieren können, in welchem Rahmen das Treffen mit Vertretern der Zivilgesellschaft stattfindet, wer daran konkret teilnimmt, ob Vertreter der HDP oder kurdische Organisationen auch daran teilnehmen.

An das Bundesforschungsministerium habe ich die Frage, ob sich das, was Herr Seibert gerade als eine "polarisierte innenpolitische Situation" in der Türkei bezeichnet hat, auf die Bereiche auswirkt, in denen deutsche, vom BMBF geförderte oder getragene Forschungsinstitutionen Wissenschaftszusammenarbeit in der Türkei betreiben. Konkret: Ist die Forschungs- und Wissenschaftsfreiheit etwa für deutsche in der Türkei forschende Wissenschaftler gewährleistet?

StS Seibert: Ich kann Ihnen noch keine weiteren Angaben zu Teilnehmern an diesem Gespräch am Sonntagabend machen.

Zusatzfrage: Die kommen aber dann?

StS Seibert: Sicherlich nicht vorher.

von Sartori: Ob es eine Polarisierung gibt, kann ich so nicht sagen.

Zuruf: Das war ein Zitat von Herrn Seibert!

von Sartori: Das kann ich zumindest für die wissenschaftlichen Beziehungen nicht sagen; die bestehen weiter. Das ist immer eine Form der Zusammenarbeit, die auch in schwierigen politischen Zeiten aufrechterhalten wird. Das Thema "Freiheit der Wissenschaft" wird auch über die diplomatischen Kanäle angesprochen und ist innerhalb der Bundesregierung ein Thema.

Ansonsten bleiben die wissenschaftlichen Kooperationen, die wir mit der Türkei haben, bestehen.

Frage (zum Festakt im BMU): Wenn es alle ehemaligen Umweltminister betrifft, nehme ich an, dass die Bundeskanzlerin auch an der Feier teilnimmt?

StS Seibert: Das hat sie vor.

Frage: Herr Dimroth, Frau Haber hat heute in der "F.A.Z." mit Bezug auf Moscheegemeinschaften gesagt: "Wir müssen also wissen, was dort gepredigt wird." Zu Imame hat sie gesagt: "Diese Szene darf nicht unbeobachtet, darf nicht unkontrolliert bleiben." Sie hat auch gesagt: "Wir müssen stärker in den Blick nehmen, was sich dort abspielt. Das muss schnell geschehen." Können Sie konkretisieren, was damit gemeint ist?

Dimroth: Letztlich liegt das auf der Linie dessen, was im Zusammenhang mit einer Diskussion, die wir vor wenigen Tagen auch aufgrund von Äußerungen aus dem parlamentarischen Raum zu der Frage der Überwachung von Moscheen und Moscheegemeinden in Deutschland diskutiert wurde und was davon auch von uns kommuniziert wurde, dass selbstverständlich die Religionsfreiheit ein hohes Gut, das immer mit anderen Gütern bei der Frage, ob man bestimmte Eingriffsbefgunisse nutzt oder nicht, in Abwägung zu bringen ist.

Ebenso klar haben wir auch immer kommuniziert, dass es selbstverständlich dann, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es um extremistische Bestrebungen auch innerhalb einer Moscheegemeinschaft gibt, entsprechende Befugnisse genutzt werden, was im Übrigen auch der Fall ist, wie der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz in diesem Kontext erklärt hat. Nicht mehr und nicht weniger ist damit gemeint, dass sozusagen in diesem Spannungsfeld selbstverständlich dann, wenn solche Anhaltspunkte vorliegen, die bestehenden Befugnisse auch genutzt werden müssen, um solche Erkenntnisse an das Tageslicht zu befördern, um daraus gegebenenfalls weitere Schlüsse ziehen zu können.

Zusatzfrage: Anders als bei den Äußerungen von Herrn Kauder ist es ja dieses Mal die Ankündigung einer Ausweitung. Können Sie das konkretisieren?

Dimroth: Nach meinem Verständnis nicht, sondern es ist ein relativ langes Interview, sodass jede einzelne Äußerung immer im Kontext des Gesamtinterviews zu lesen ist.

Noch einmal: Es geht darum, dass dort, wo extremistische Strukturen erkannt werden - eben auch in Moscheen oder Moscheegemeinden -, die Sicherheitsbehörden sehr aufmerksam hinschauen müssen, ob solche extremistischen Inhalte dort verbreitet werden und aufgrund dieser gewonnenen Erkenntnisse dann gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen treffen. Aber eine substanzielle Neuausrichtung oder Ähnliches ist damit nicht gemeint.

Zusatzfrage: Wenn ich noch einmal nachfragen darf: "Wir müssen stärker in den Blick nehmen, was sich dort abspielt. Das muss schnell geschehen." Das ist nicht die Ankündigung einer Ausweitung?

Dimroth: Das ist, wie gesagt, ein Interview, das mehr Antworten als diese zwei Sätze enthält, die Sie jetzt mehrfach zitiert haben. Daraus ergibt sich ja ein sehr differenziertes Bild - sowohl, was den Salafismus betrifft, als auch, was mögliche Radikalisierungsprozesse in Moscheen im Kontext mit dem Islam ergibt. Es ist ja sehr differenziert und sehr ausführlich, was dort gesagt wird. Daraus ergibt sich, dass wir es möglicherweise in bestimmten Teilbereichen mit einer höheren Gefährdung, mit einer beschleunigten Entwicklung zu tun haben. Klar, darauf muss man reagieren. Aber damit ist nicht gemeint, dass das BMI beispielsweise neue Befugnisse oder Ähnliches fordert, sondern letztlich nur eine Sensibilisierung, dass auch in diesen Bereichen, die - noch einmal - selbstverständlich dem Grundsatz nach von Religionsfreiheit geschützt sind, genau hingeguckt werden muss und da, wo sich bestimmte Entwicklungen erkennen lassen, vielleicht auch genauer hingeschaut werden muss als in der Vergangenheit.

Frage: Herr Dimroth, planen Sie auch, die christlichen und jüdischen Szenen zu beobachten?

Dimroth: Ich habe keinerlei Zweifel daran, dass, wenn dort entsprechende Erkenntnisse über extremistische Vorgänge den Sicherheitsbehörden zur Kenntnis gelangen, ebenso verfahren würde.

Zusatzfrage: Dazu haben Sie bisher keine Erkenntnisse?

Dimroth: Ich würde die jedenfalls mit Ihnen hier nicht teilen, weil das natürlich operative Maßnahmen betrifft, die ganz grundsätzlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind.

Ihre Eingangsfrage beantworte ich so, wie ich es gerade getan habe: selbstverständlich kennt weder das Grundgesetz noch kennen die einfachen Gesetze oder das Innenministerium eine Differenzierung zwischen bestimmten Religionszugehörigkeiten.

Frage: Meine Frage richtet sich an das Verkehrsministerium. Es sind Berichte über Auffälligkeiten bei Fahrzeugmodellen aufgekommen, was den Ausstoß von CO2 angeht. Können Sie etwas über diese Messungen sagen? Wer hat die vorgenommen? Wie unterscheiden die sich von den NOx-Messungen, also den Stickoxidwerten? Wie hängt das miteinander zusammen oder eben nicht?

Friedrich: Grundsätzlich kann ich Ihnen sagen, dass es so gewesen ist, dass Prüfgegenstand der Untersuchungskommission die Suche nach unzulässigen Abschaltfahrzeugen bei Dieselfahrzeugen waren, wie Sie im Fall von Volkswagen verwendet worden sind, sowie die NOx-Prüfwerte. Die Ergebnisse haben wir im Gesamtbericht der Untersuchungskommission bereits veröffentlicht. Dort sind 53 Fahrzeugtypen eingehend untersucht worden.

Der Minister hat bereits mitgeteilt, dass auffällige CO2-Werte weiter gesondert untersucht werden. Das KBA wurde mit weiteren Prüfungen beauftragt. Die Untersuchungen laufen, und die Ergebnisse werden in einem eigenen Prüfbericht veröffentlicht werden, wenn die Untersuchungen abgeschlossen sind. Der Bericht wird Messprotokolle und Einzelergebnisse transparent darstellen. Das heißt, zum jetzigen Zeitpunkt kann ich noch keine Details zu diesen Untersuchungen nennen.

Zusatzfrage: Ich habe das Gefühl, dass im Moment ganz viel in einen Topf geworfen wird. Ich würde es gerne verstehen.

Prüft das KBA die CO2-Werte? Ist das die gleiche Gruppe, die auch vorher die NOx-Prüfwerte geprüft hat? Hat die zeitweise Abschaltung der Abgaseinrichtung technisch etwas mit CO2-Werten zu tun?

Ist der Fall Fiat auch in diesem Zusammenhang zu nennen? Reden wir bei den Modellen Zafira und Fiat der letzten Tage von demselben Problem? Sind das unterschiedliche Untersuchungen, die jetzt einfach nur zeitgleich zusammenfallen? Ich verstehe das Ganze nicht. Wenn Sie mir da helfen würden.

Friedrich: Ich kann das versuchen. Die Untersuchungskommission hatte ja zunächst den Auftrag, die NOx-Prüfwerte quasi in den Blick zu nehmen. Dabei ging es in erster Linie um die Abschalteinrichtungen, die bei VW entdeckt worden sind. Daraus ergab sich dann eine Erweiterung des Prüfauftrags auf weitere in- und ausländische Hersteller. Bei diesen Prüfungen ergaben sich Anzeichen für auffällige CO2-Werte. Das heißt, diese Werte werden weiter untersucht werden.

Zusatzfrage: Von derselben Untersuchungsgruppe?

Friedrich: Sie meinen von der Untersuchungskommission?

Zusatz: Ja. Ich frage, weil Sie vorhin KBA sagten. Ist das personalidentisch?

Friedrich: Welches Personal exakt gemeint ist, kann ich Ihnen nicht sagen. Das müsste ich gegebenenfalls nachreichen. Es ist so, dass das KBA mit weiteren Prüfungen bezüglich der CO2-Werte beauftragt ist.

Zusatzfrage: Hängt der Fall Fiat mit NOx und CO2 zusammen, oder ist das noch einmal ein ganz eigenes Problem? Ich glaube, Sie haben gestern von Fiat einen Korb bekommen; es war ein Gespräch im Bundesministerium für Verkehr anberaumt, und die Italiener haben - jedenfalls habe ich das gelesen - gesagt: Wir kommen nicht. Geht es dabei um denselben Sachverhalt oder um einen anderen Sachverhalt? Was folgt daraus, wenn die jetzt nicht kommen?

Friedrich: Bei Fiat ging es darum, ob die europarechtlichen Abgasvorschriften eingehalten werden. Das heißt, Fiat - dazu hatten wir auch eine Presseinformation veröffentlicht - ist tatsächlich nicht zu dem Treffen erschienen. Der Minister hatte sich auch dazu geäußert, dass diese konkreten Vorwürfe nach wie vor im Raum stehen. Das heißt, das KBA wird Unterlagen mit Messergebnissen an die italienische Typgenehmigungsbehörde übersenden, und die italienischen Behörden müssen jetzt prüfen, ob die Vorschriften eingehalten wurden. - Soweit zu Fiat.

Bei Opel geht es ebenfalls um die Abgasreinigung beziehungsweise um die Einflussnahme auf die Abgasreinigung. Das heißt, es geht hier um neue Sachverhalte, explizit um die Einflussnahme in Bezug auf Drehzahlhöhe, Luftdruck und Geschwindigkeit. Der Minister hatte sich dazu auch schon in einem Pressestatement geäußert. Das heißt, das wird jetzt auch untersucht.

Frage: Direkt daran anschließend: Können Sie bitte vielleicht noch einmal erklären, ob es "nur" um Verbrauchertäuschung durch Angabe falscher Daten - zum Beispiel beim Verbrauch oder CO2-Werten - geht, oder ob Sie Hinweise darauf haben, dass auch bei der CO2-Problematik illegal vorgegangen wurde - denn dann wäre das ja justiziabel.

Zweitens. Der Minister hatte ja im November darauf hingewiesen, dass er, wenn sich Änderungen bei der Kfz-Steuer ergeben - und das wird im Hinblick auf den CO2-Ausstoß möglicherweise der Fall sein -, damit rechnet, dass Firmen dann für die Mehrkosten aufkommen und nicht die Autobesitzer. Ist das auch die Haltung gegenüber anderen Kraftfahrzeugherstellern?

Friedrich: Zunächst zu der Frage, ob illegal oder nicht: Es geht in erster Linie darum, dass es auffällige CO2-Werte gewesen sind. Das heißt, das wird jetzt noch untersucht, die Untersuchungen laufen noch und wir müssen die Ergebnisse erst einmal abwarten. Wenn die Untersuchungen abgeschlossen sind, wird es einen Prüfbericht geben. Das heißt, wir müssten noch warten, bis ebendieser Prüfbericht vorliegt.

Zur Kfz-Steuer kann ich persönlich Ihnen in diesem Moment nichts sagen, das müsste ich nachreichen.

Frage: Vielleicht haben Sie die Antwort gerade schon gegeben, aber um das ganz sicher zu verstehen: Geht es bei den Modellen, die Sie jetzt untersucht haben, nur um deutsche Hersteller, oder geht es da auch um andere Hersteller?

Friedrich: Kurze Rückfrage: Geht es um die CO2-Werte?

Zusatz: Ja, genau.

Friedrich: Okay. - Zu den einzelnen Fahrzeugen kann ich Ihnen jetzt leider nichts sagen; die Details habe ich nicht vorliegen. Ich kann Ihnen aber bestätigen, dass es aktuell um 30 Fahrzeuge geht, die geprüft werden. Grundlage dieser Untersuchungen sind die Fahrzeuge, die unter den 53 Fahrzeugen, die zuvor im Rahmen der Untersuchungskommission geprüft worden sind, auffällige CO2-Werte gezeigt haben.

Zusatzfrage: Deutsch oder international?

Friedrich: Ich habe es gerade schon gesagt: Das kann ich Ihnen zu diesem Zeitpunkt nicht sagen. Ich kann Ihnen lediglich bestätigen, dass es um 30 Fahrzeuge geht.

Frage: Kurze Nachfrage zur Causa Fiat und dem weiteren Verfahren, wie Sie es eben beschrieben haben: Wenn ich das richtig verstehe, ist es so, dass jetzt Fragen an die italienischen Behörden weitergegeben werden, die dann von Fiat beantwortet werden müssen. Wenn das so ist, dann bestätigen Sie damit ja im Grunde die Rechtsauffassung von Fiat, dass das Unternehmen sozusagen nicht rechenschaftspflichtig gegenüber dem deutschen Verkehrsministerium sei. Dann hätte man sich doch die Einladung mit der Folge eines Korbs auch ersparen können, oder?

Friedrich: Aktuell ist es so, dass Fiat darauf besteht, dass für die Frage, ob die Fiat-Fahrzeuge die europarechtlichen Abgasvorschriften einhalten, allein die italienischen Behörden zuständig sind. Fiat beruft sich in der Tat auf europäisches Verfahrensrecht und hat das Gespräch nicht wahrgenommen. Es ist so, dass das KBA jetzt Unterlagen übersenden wird und die italienischen Behörden das prüfen.

Zusatzfrage: Ja, das habe ich schon verstanden; jetzt haben Sie sozusagen den Ablauf noch einmal wiederholt. Aber die Frage war eigentlich, ob Sie durch dieses Handeln jetzt die Rechtsauffassung von Fiat bestätigen.

Friedrich: Das kann ich so nicht kommentieren.

Frage: Gibt es einen Zeitrahmen für diesen Untersuchungsbericht, können Sie also ungefähr in Aussicht stellen, wann mit der Veröffentlichung der Ergebnisse zu rechnen ist und ob es, wie Umweltverbände fordern, die volle Transparenz geben wird und wirklich alle Werte in dem Untersuchungsbericht aufgeführt werden?

Friedrich: Zum Zeitrahmen der Veröffentlichung des Untersuchungsberichtes bezüglich der CO2-Werte kann ich jetzt noch keinen Termin nennen. Die Untersuchungen laufen aktuell noch, und sie müssen erst abgeschlossen werden; erst dann können wir den Prüfbericht präsentieren.

Können Sie die zweite Frage bitte wiederholen?

Zusatzfrage: Können Sie jetzt schon die volle Transparenz ankündigen, oder gibt es vielleicht einen Teil dieses Berichtes, den der Verkehrsminister vertraulich behandeln wird?

Friedrich: Dazu kann ich aktuell noch gar nichts sagen. Wir müssen wirklich den Prüfbericht abwarten. Es wird dann aber vollumfänglich über die Details informiert werden.

Frage: Frau Friedrich, welche Sanktionsmöglichkeit hat das Verkehrsministerium denn gegenüber Autoherstellern, die am Ende der Manipulation überführt werden?

Friedrich: Sie meinen in Bezug auf die CO2-Werte?

Zusatz: Ja. Oder auch NOx. Im Grunde haben wir ja gerade eine Häufung von Verstößen oder zumindest Auffälligkeiten, die die Hersteller am Ende vielleicht nicht erklären können. Was können Sie denn eigentlich unternehmen? Können Sie Typzulassungen wieder einkassieren; können Sie einem Hersteller verbieten, ein Auto zu verkaufen, das nicht die korrekte Abgasreinigung vornimmt? Und wie verfahren Sie gegenüber Herstellern, die ihre Modelle gar nicht in Deutschland typzulassen?

Friedrich: An dieser Stelle kann ich nur auf das verweisen, was mein Kollege schon - ich meine, in der letzten RegPK - gesagt hatte. Er hatte darauf hingewiesen, dass es die übergeordnete Rahmenrichtlinie 2007/46/EG gibt, bei der es um die EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung geht, die bereits in deutsches Recht überführt worden ist. Auch die Notifizierung erfolgte bereits. Das heißt, in diesem Fall kann ich nur noch einmal auf diese Verordnung und auf das, was mein Kollege beim letzten Mal gesagt hat, hinweisen.

Zusatzfrage: Verzeihen Sie, dass ich diese Verordnung nicht kenne: Heißt das, Sie haben mit dieser Verordnung eine Handhabe, um Zulassungen einzukassieren?

Friedrich: Es ergeben sich quasi Möglichkeiten der staatlichen Reaktion auf die Verstöße gegen die Typgenehmigungsvorschriften. Es gelten 7, 25, 27, 37 EG-FGV. Darüber hinaus bestehen die allgemeinen Strafvorschriften und verwaltungsrechtlichen Reaktionsmöglichkeiten.

Frage: An Herrn Seibert sowie Frau Chebli: Wir haben bemerkt, dass Taiwans neue Präsidentin, Frau Tsai Ing-wen, heute in ihrer Antrittsrede den Konsens von 1992 nicht deutlich anerkannt hatte. Dieser Konsens heißt: Es gibt nur ein China, und Taiwan ist ein Teil davon. Erste Frage: Was meinen Sie dazu?

Zweitens. Können Sie im Rückblick auf den Machtwechsel in Taiwan den deutschen Standpunkt wiederholen? Vertritt Deutschland wie zuvor eine Ein-China-Politik?

StS Seibert: Die heute erfolgte reibungslose Übergabe der Amtsgeschäfte in Taipeh zeigt, wie etabliert das demokratische System auf Taiwan ist. Die Bundesregierung ist an Frieden und Stabilität in der Taiwanstraße interessiert. Wir erwarten, dass beide Seiten der Taiwanstraße zu einer friedlichen Annäherung und zur Entspannung beitragen. In den Grenzen seiner Ein-China-Politik setzt Deutschland auch mit der neuen Führung auf weiterhin enge Zusammenarbeit mit Taiwan.

Frage: Zwei Fragen zu Namibia an Frau Chebli: Vertreter des Herero-Volkes hatten vorgestern angekündigt, dass sie in Den Haag eine internationale Schlichtung mit der Bundesrepublik Deutschland über die Frage, ob sie an den laufenden Verhandlungen zwischen Deutschland und Namibia über die Anerkennung des Genozids beteiligt werden können, wünschen. Meine erste Frage: Ist die Bundesrepublik Deutschland bereit, an einer solchen Schlichtung teilzunehmen?

Zweite Frage: Welche Auswirkungen hat dieser Schritt der Herero auf die laufenden Verhandlungen zwischen der deutschen und der namibischen Regierung, vor allem was die Teilnahme von Opferverbänden und Zivilgesellschaft betrifft?

Chebli: Weil ich nicht den aktuellen Stand im Kopf habe - mein Stand ist der von vor vier Wochen -, würde ich das direkt im Anschluss an die RegPK nachliefern wollen, bevor ich hier anfange zu spekulieren, was denn die Haltung des Auswärtigen Amtes sein könnte. Ich glaube, das ist ziemlich einfach.

Frage: Eine Frage an Herrn Urban zum Inkrafttreten des Tabakerzeugnisgesetzes: Mit diesem Tabakerzeugnisgesetz gelten ab heute ja auch Werbebeschränkungen für E-Zigaretten. Jetzt ist das britische Gesundheitsministerium der Meinung, E-Zigaretten könnten Rauchern dabei helfen, mit dem Rauchen aufzuhören. Können Sie noch einmal erklären, warum die Bundesregierung E-Zigaretten nicht als Hilfe zum Aufhören mit dem Rauchen sieht?

Urban: Ich habe zu diesem Thema nun schon mehrfach ausgeführt, auch auf Ihre Fragen hin, Herr Hübschen. Wir sind der Meinung, dass es sich dabei um das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko handelt. Mit der Umsetzung der Tabakproduktrichtlinie und, damit verbunden, des Tabakerzeugnisgesetzes haben wir unseren Fokus darauf gelegt, den gesundheitlichen Verbraucherschutz für Kinder und Jugendliche in diesem Bereich ganz klar zu stärken. Wir sehen das Ganze so, dass E-Zigaretten Kinder und Jugendliche vor allem daran heranführen können, mit regulären Tabakprodukten in Kontakt zu kommen. Deswegen haben wir diese Regelungen so verabschiedet.

Zusatzfrage: Die Frage war ja, ob Sie E-Zigaretten als Hilfsmittel beim Aufhören betrachten oder ob sie die nicht so betrachten.

Urban: Ich habe Ihnen ja gerade schon ausgeführt, dass wir der Meinung sind, dass es Kinder und Jugendliche vor allem dazu verleiten könnte, in Kontakt mit regulären Rauchprodukten zu kommen. Deswegen haben wir die gleichgestellt und haben ebenfalls Werbebeschränkungen dafür vorgenommen.

Zusatzfrage: Sie haben jetzt ja auch die Abgabe von nikotinfreien E-Zigaretten an Jugendliche verboten. Bei Bier ist es ja so, dass alkoholfreies Bier nach dem Jugendschutzgesetz an Jugendliche abgegeben werden darf, obwohl es nach Bier schmeckt, obwohl sogar Alkohol drin ist und obwohl es aussieht wie Bier. Wo machen Sie da den Unterschied?

Urban: Das ist ganz einfach so zu begründen, dass man bei einem dosierten Gebrauch von Alkohol nicht dieselbe gesundheitliche Beeinträchtigung erleidet wie ab dem ersten Zug an einer Zigarette.

Frage: Herr Urban, plant die Bundesregierung, als nächstes auch die Werbung für Alkohol einzuschränken?

Urban: Auch das habe ich bereits - auf Ihre Frage hin, meine ich - hier an diesem Ort ausgeführt: Nein, das ist nicht der Fall. Ich habe gerade aufgrund der Nachfrage von Herrn Hübschen auch schon die Differenzierung vorgenommen.

Frage: Herr Audretsch, zum Thema TTIP-Abkommen und Schiedsgerichten ist jetzt ein Nonpaper aus dem April aufgetaucht, in dem die Bundesregierung gemeinsam mit den Österreichern, Finnen, Franzosen und Niederländern für den Erhalt privater Schiedsgerichte in der EU wirbt. Ist dieses Dokument dem BMWi bekannt?

Audretsch: Dieses Dokument steht bei uns sogar online, das können Sie auf der Homepage bei uns einsehen.

Grundsätzlich ist es so, dass die Berichte über dieses Dokument von uns nicht bestätigt werden können; sie sind schlichtweg falsch. In diesem Papier steht gerade nicht, dass private Investor-Staat-Schiedsverfahren zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten erhalten werden sollen. Es geht in dem Zusammenhang auch nicht um eine Frage, die irgendwie mit TTIP zusammenhängen würde. Der Fall ist ganz grundlegend anders gelagert. Ich kann gerne versuchen, Ihnen das einmal näherzubringen.

Seit 2009 ist es so, dass das ganze Thema Investitionsschutz mit dem Vertrag von Lissabon auf die europäische Ebene gehoben wurde und in der Zuständigkeit der europäischen Ebene ist. Dennoch gibt es nach wie vor ca. 190 bilaterale Investitionsschutzverträge unter den europäischen Ländern. Das hat nichts mit den USA, TTIP oder Ähnlichem zu tun; vielmehr geht es um Verträge zwischen europäischen Ländern. Da die Zuständigkeit jetzt auf europäische Ebene gehoben wurde, steht die Frage an, was man an der Stelle macht, um zukünftig in ganz Europa einen Investitionsschutz zu haben. Dazu sind Vorschläge unterbreitet worden, die in diesem Papier ausgeführt werden.

Diese Vorschläge beziehen sich gerade darauf, dass man in Zukunft keine privaten Investor-Staat-Schiedsverfahren haben will. Vielmehr geht es zum Beispiel darum, die Kompetenzen des Europäischen Gerichtshofs künftig auch auf diesen Bereich auszuweiten; das ist ein möglicher Vorschlag, der in diesem Papier unterbreitet wird. Ein anderer Vorschlag ist, dass diese Kompetenz bei bereits existierenden Streitbeilegungsmechanismen angedockt wird. Eine dritte Variante wäre, einen Investitionsgerichtshof zu etablieren, der dann wiederum von Europäischen Gerichtshof kontrolliert würde. All diese Vorschläge gehen aber explizit in die Richtung, private Investor-Staat-Schiedsverfahren künftig nicht mehr zu haben.

Vielleicht noch ein Satz: Diese Vorschläge sind unterbreitet. Die Kommission hat sich diesbezüglich noch nicht mit einem eigenen Vorschlag in die Debatte eingebracht.

Frage: Herr Seibert, verzeihen Sie, dass ich nicht weiß, ob Sie es vergangenen Freitag schon angekündigt haben - es geht noch einmal um Termine: Wird die Kanzlerin morgen am DFB-Pokalfinale Bayern - Dortmund teilnehmen beziehungsweise gegenwärtig sein?

Zuruf: Und in welcher Position?

StS Seibert: Sie wird weder teilnehmen noch gegenwärtig sein.

Zusatzfrage: Warum nicht?

StS Seibert: Ich glaube, ich brauche keine Erklärungen für nicht stattfindende Termine zu geben.

Zusatz: Nein, aber sie ist ja durchaus für ihre Begeisterung für den Fußballsport bekannt.

StS Seibert: Die Fußballbegeisterung der Bundeskanzlerin steht auch außer Zweifel.

Zusatzfrage: Gibt es Terminschwierigkeiten?

StS Seibert: Ich habe dazu nichts zu sagen.

Frage: Frau von Tiesenhausen, es gab heute einen Medienbericht, wonach der Finanzminister gerade durchrechnen lasse, ob Steuersenkungen ab 2018 möglich wären. Erstens: Können Sie das bestätigen?

Zweitens: Sieht der Finanzminister Spielraum für solche Steuersenkungen?

von Tiesenhausen-Cave: Ich habe den Bericht auch gelesen. Ich kann Ihnen sagen: Nein, der Bundesfinanzminister rechnet ganz bestimmt nichts für die Union durch. Es geht dabei ganz offensichtlich um frühe Überlegungen einer Partei, und da wird ja auch auf ein Treffen von führenden Vertretern dieser Partei hingewiesen, das es Ende Juni geben soll. Ich habe auch vernommen, dass es keine Beschlüsse geben soll, sondern dass es, wie gesagt, um frühe Überlegungen geht. An diesem Treffen wird Herr Schäuble auch teilnehmen, aber nicht in seiner Funktion als Bundesfinanzminister, sondern als Mitglied des CDU-Präsidiums. Was dort dann besprochen und vorbereitet wird, liegt in der Kommunikation der Partei und nicht bei mir, beim BMF.

StS Seibert: Ich möchte Ihnen noch ganz kurz mitteilen, dass die Bundeskanzlerin dem französischen Staatspräsidenten Hollande und dem ägyptischen Präsidenten al-Sisi zum Absturz der Egyptair-Maschine kondoliert hat und ihre Anteilnahme am tragischen Verlust so vieler Menschenleben ausgedrückt hat.

Freitag, 20. Mai 2016

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 20. Mai 2016
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2016/05/2016-05-20-regpk.html;jsessionid=DC94DA292BA48EDB5818D5FDD3438C31.s7t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Mai 2016

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