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PRESSEKONFERENZ/1322: Merkel, Schäuble, Sellering und Haseloff, 14. Oktober 2016 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz in Berlin - Freitag, 14. Oktober 2016
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel, Bundesminister Schäuble, Ministerpräsident Sellering und Ministerpräsident Haseloff


BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen mitteilen, dass wir uns zwischen Bund und Ländern geeinigt haben - was ein großes Stück Arbeit war, was harte Diskussionen erfordert hat, aber wo man auch sagen kann, dass das Ergebnis die Beziehungen zwischen Bund und Ländern für die nächsten Jahre prägen wird. Dass das ein hartes Ringen war, ist, glaube ich, nicht verwunderlich. Wir haben uns aber geeinigt, und das ist das, was für die Menschen zählt und was vor allen Dingen auch für die Berechenbarkeit der Finanzen in vielen Bundesländern zählt; denn das macht Investitionen für die nächste Periode möglich, wenn die mittelfristige Finanzplanung bis zum Jahr 2020 und darüber hinaus aufgestellt werden muss.

Wir haben auch einen Fokus gesetzt auf die Frage der Kohärenz zwischen den Bundesländern. Das ist nicht ganz einfach, denn es gibt in den Ländern sehr unterschiedliche Situationen. Der Bund hat natürlich ein Interesse daran, gerade auch denen, die schwieriger zu lösende Probleme haben - zum Beispiel in den neuen Ländern, aber auch in Ländern in der alten Bundesrepublik -, zu helfen. Auf der anderen Seite gibt es legitime Interessen derjenigen Länder, die heute einen großen Teil zum Bundesfinanzausgleich zahlen. Wir sind dann nach vielen Diskussionen zu Resultaten gekommen, die, glaube ich, auch noch einmal von denen, die mehr Detailwissen haben, im Einzelnen dargestellt werden.

Für uns von der Bundesseite - das möchte ich noch erwähnen - war sehr wichtig, dass wir nicht nur Finanzbeziehungen verändern, sondern dass wir vor allen Dingen auch die Frage "Wie funktionieren Bund und Länder gemeinsam?" diskutieren und dabei auch bestimmte Formen der Zusammenarbeit stärken.

Dabei ist das Thema der Stärkung des Stabilitätsrates diskutiert worden. Wir alle werden ab 2020 - beim Bund ist das bereits so, aber dann gilt das auch für die Länder - die Schuldenbremse einzuhalten haben. Das hat natürlich in den Diskussionen eine große Rolle gespielt. Das Bekenntnis zu dieser Schuldenbremse ist ein ganz wichtiges generationenpolitisches Signal für die Menschen in Deutschland - gerade auch für die jungen Menschen in Deutschland -, aber es erfordert natürlich bei der Umsetzung gerade auch von den Bundesländern erhebliche Anstrengungen. In diesem Kontext wurde natürlich auch immer der Bund-Länder-Finanzausgleich gesehen.

Wir haben dann eine Reihe von Maßnahmen zur Verbesserung der Aufgabenerledigung im Bundesstaat besprochen. Da geht es um eine Infrastrukturgesellschaft Verkehr und da geht es um die Digitalisierung - gerade aus der Perspektive des Bürgers. Der Bürger ist nicht daran interessiert, ob für die Dienstleistung, die er gerade sucht, die Kommunen, das Land oder der Bund zuständig ist; vielmehr will er mit einem Portal zugreifen können. Das wollen wir gemeinsam umsetzen. Wir wollen Investitionen besser fördern - dazu wird der Bundesfinanzminister gleich im Anschluss noch etwas sagen -, wir wollen als Bund Kontrollrechte - das ist für unsere Bundestagsfraktionen sehr wichtig - für die Teile, zu denen der Bund bei Mischfinanzierungen Geld beisteuert, und wir wollen auch die Rechte des Bundes in der Steuerverwaltung stärken.

Wir haben uns dann noch über das Thema des Unterhaltsvorschusses, das vor einigen Tagen schon im Zusammenhang mit der Koalitionsrunde eine Rolle spielte, unterhalten. Ich freue mich sehr, dass die Länder sehr aufgeschlossen sind, wenn es darum geht, dass wir hier die Altersgrenze anheben und die Bezugsdauergrenze aufheben.

All diese von mir jetzt genannten Punkte, die für den Bund von großer Bedeutung sind - natürlich neben den Finanzbeziehungen, die wir auch unterstützen -, sind aus meiner Sicht qualitative Fortschritte. Sie müssen natürlich im Detail diskutiert werden. Dazu wird der Chef des Bundeskanzleramtes mit den Chefs der Staatskanzleien sprechen. Wir wollen das quasi auch auf der Ebene der Ministerpräsidenten und des Kanzleramts ansiedeln - natürlich unter Beteiligung der Fachminister.

Das wird noch viel Arbeit erfordern, weil das zum Teil qualitativ sehr neue Vorhaben sind. Uns war es aber wichtig, beide Beziehungen im Zusammenhang zu sehen. Wir werden in diesem Zusammenhang eine ganze Reihe von Grundgesetzänderungen durchführen müssen. Da werden sich sozusagen die Zusammenarbeit und das Ringen um ein gemeinsames Ergebnis noch einmal an vielen Stellen bewähren müssen. Aber nach dieser Kraftprobe und nach diesem erfolgreichen Abschluss sind wir, glaube ich, dafür gewappnet, auch weitere schwierige Hürden zu überspringen.

Es war nicht leicht, aber für die Menschen im Land - ich glaube, das dürfen wir heute sagen - ist es eine gute Nachricht, dass wir uns geeinigt haben.

BM Schäuble: Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will zu dem, was die Bundeskanzlerin gesagt hat, nur noch ganz wenige Bemerkungen hinzufügen.

Wir haben ja immer gesagt: Was den eigentlichen Teil des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems anbetrifft - nämlich die Frage, wie wir zwischen Bund und Ländern ab 2020 die Leistungen nach dem Auslaufen der jetzigen Regelungen ein Stück weit neu justieren -, war die Größenordnung 2020 nicht so sehr der große Streitgegenstand. Die zentrale Frage war eher, wie sich das im Laufe der Jahre entwickeln wird. Das kann am Ende niemand genau vorhersehen, weil es von vielen Annahmen abhängt. Keiner weiß genau, wie sich das Wirtschaftswachstum entwickelt, wie die demografischen Bewegungen aussehen und vieles andere mehr.

Dem Bund war es aber wichtig - darum haben wir gestern auch lange gerungen, und ich glaube, wir haben am Ende einen fairen Kompromiss erreicht -, dass wir gesagt haben: Von den zusätzlichen Milliarden, die der Bund als Umsatzsteueranteile in den Länderumsatzsteuerverteilungsmechanismus gibt - die Hauptsumme dabei sind 4,02 Milliarden Euro -, bleiben 2,6 Milliarden Euro - das ist die Größenordnung der Ende 2019 noch bestehenden Entflechtungsmittel, die immer als Festbeträge im Länderfinanzausgleichssystem - als Festbeträge im System bestehen, während die restlichen 1,42 Milliarden Euro Umsatzsteueranteile und damit dynamisiert sind; denn Umsatzsteueranteile sind dynamisiert, während Festbeträge ihrer Definition nach Festbeträge sind.

Insofern glaube ich, dass wir nach einem Ringen gestern oder heute Morgen ein für alle Seiten auskömmliches und befriedigendes oder jedenfalls befriedendes Ergebnis erzielt haben. Wir werden das jetzt umsetzen müssen. Ein Teil dieser Umsetzungen erfordert Grundgesetzergänzungen, denn das ist ja zum Teil im Grundgesetz festgeschrieben. Daran wird mit Hochdruck gearbeitet, und dazu wird es natürlich auch einer Abstimmung mit den Verfassungsressorts bedürfen.

Wir werden den Punkt, der gerade für die neuen Länder besonders wichtig ist - nämlich dass Sonderergänzungszuweisungen zum Ausgleich unterdurchschnittlicher Finanzkraft geleistet werden - verfassungsfest machen; das haben wir ausdrücklich vereinbart, und wir werden natürlich ausdrücklich auch vorschlagen, das Grundgesetz entsprechend zu ergänzen, damit die neuen Länder, für die das ein ganz zentrales Element in dem ganzen System ist, sich darauf verlassen können.

Es ist, glaube ich, wichtig - das hat die Bundeskanzlerin schon erwähnt -, dass wir eine Reihe von Maßnahmen besprochen haben, die den Bundesstaat insgesamt handlungsfähiger machen. Das fängt an bei der Infrastrukturgesellschaft Verkehr, geht über die Vereinbarungen zur Digitalisierung und beinhaltet auch die Stärkung der Rechte des Bundes in der Steuerverwaltung. Das sind wichtige Dinge, die uns - Bund und Ländern - die Arbeit im Alltag nicht nur ein Stück weit erleichtern, sondern sie auch effizienter machen werden.

Ich bin froh, dass die Koalition gestern und heute auch die Ministerpräsidentenkonferenz im Grundsatz meinem Vorschlag gefolgt ist, dass wir den Fonds, den wir Anfang dieser Legislaturperiode zur Förderung von Investitionen in finanzschwachen Gemeinden eingeführt haben, aufstocken können und die Zielsetzung durch eine Modifizierung im Grundgesetz in Richtung kommunaler Bildungsinfrastruktur für finanzschwache Kommunen erweitern; denn die Regelungen des Grundgesetzes beinhalten bisher die Beschränkung darauf, dass wir auch finanzschwache Gemeinden nur im Rahmen grundgesetzlicher Zuständigkeiten fördern können. Wir haben ausdrücklich gesagt: Das soll sich am bisher laufenden Bundesprogramm orientieren.

Das sind auch nicht Maßnahmen, die sich auf den Zeitraum ab 2020 beziehen, sondern Maßnahmen, die wir möglichst schon jetzt für die kommenden Jahre in Kraft setzen wollen, um insbesondere im Bereich der Bildungsinfrastruktur - insbesondere bei Schulen mit Blick auf die notwendigen Sanierungen - den finanzschwachen Gemeinden Anstöße zu geben, um da schnell zu Verbesserungen zu kommen. Ich glaube, es ist ein wichtiger Erfolg, dass wir das vereinbart haben; denn für viele Mitbürgerinnen und Mitbürger ist der Hinweis auf unterschiedliche Finanzverantwortung - die dann immer dazu führt, dass Probleme, die man als dringend empfindet, nicht gelöst werden - nicht ausreichend. Damit hat sich auch in diesem Punkt die Handlungsfähigkeit unseres föderalen Systems bewährt.

Wir haben also lange gearbeitet, wir haben hart gerungen, und wir haben für das Land und die Bürgerinnen und Bürger ein gutes Ergebnis erzielt.

MP Sellering: Aus Sicht der Länder kann ich sagen: Wir freuen uns sehr, dass es heute zu dieser Einigung gekommen ist. Das war ja vermutlich die letzte Chance, so ein großes Werk noch vor der Bundestagswahl zu beenden. Diese Chance ist genutzt worden, und ich meine, wir sind zu einem guten Kompromiss gekommen.

Damit enden Verhandlungen von, ich glaube, über zwei Jahren. Am Anfang stand, dass wir auch in dieser Konstellation zusammengesessen haben und gesagt haben: Um weiterzukommen, müssen zunächst einmal die Länder eine gemeinsame Position entwickeln. Das war sehr schwer, weil es sehr unterschiedliche Interessen gibt: Es gibt die Geberländer - nur noch eine kleine Zahl von Geberländern -, die sagen: Das ist zu viel, wir können das nicht leisten. Es gibt Konsolidierungsländer, die dringend auf Hilfen angewiesen sind. Es gibt die ostdeutschen Länder, die einen großen Aufholprozess hinter sich haben, aber immer noch nicht vollständig aufgeschlossen haben. Da einen Kompromiss hinzubekommen, hinter dem alle 16 Ministerpräsidenten stehen, war sehr schwer. Das ist im letzten Jahr gelungen, und seitdem gibt es die Gespräche darüber, wie wir damit jetzt im Bund weiterkommen und ob wir das gemeinsam auf den Weg bringen können. Auch das ist gelungen.

Wir sind im Wesentlichen bei dem von den Ländern entwickelten Vorschlag geblieben. Es war nicht einfach zu erreichen, dass der Bund gesagt hat: Das nehme ich weitestgehend als Grundlage. Das können wir alle gut verstehen, aber wir sind froh, dass es am Ende gelungen ist. Deshalb hat der Vorschlag natürlich auch die vollständige Unterstützung aller 16 Ministerpräsidenten gefunden.

Es hat eine Zeit lang Konflikte in der Frage gegeben, wie groß die Summe ist, die der Bund beisteuert, damit wir diesen Kompromiss auch gangbar machen können. Ich freue mich, dass es jetzt gelungen ist, mit den 9,6 Milliarden Euro eine Summe zur Verfügung zu stellen, die dazu ausreicht. Ich will aber gerne hervorheben, dass es am Ende gar nicht so sehr um Summen, um Mechanismen, um Einzelheiten geht. Es geht vielmehr um die große Frage, ob es gelingt, durch den Länderfinanzausgleich mithilfe des Bundes das große Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland - dass Kinder in Schwerin und in Düsseldorf die gleichen Chancen haben, dass Menschen, die in Vorpommern oder im Emsland leben, im Wesentlichen gleiche Möglichkeiten vorfinden - so weit wie möglich zu verwirklichen. Das haben wir erreicht, und das freut mich sehr. Es gibt jetzt den notwendigen Ausgleich zwischen den finanzstärkeren, wirtschaftsstärkeren Ländern und den etwas schwächeren Ländern. Ich hoffe sehr, dass dieser Mechanismus für viele Jahre die Voraussetzung für ein gutes Miteinander in Deutschland bietet.

Ich will noch drei Punkte ansprechen, die aus der Sicht der SPD besonders wichtig sind.

Das ist erstens das große Schulsanierungsprogramm in den Kommunen, für das das bisherige Investitionsprogramm von 3,5 Milliarden Euro auf 7 Milliarden Euro aufgestockt wird. Das ist eine längst überfällige Öffnung des bisherigen totalen Kooperationsverbotes in Bildungsfragen und öffnete ein bisschen den Pfad dahin. Darüber freuen wir uns sehr.

Ganz wichtig ist das Programm, bei dem es im Grunde um die Bekämpfung von Kinderarmut geht, nämlich darum, dass die Situation von Alleinerziehenden verbessert werden muss. Der Unterhaltsvorschuss für Kinder - also wenn sich ein Elternteil dem Unterhalt entzieht - wird deutlich verbessert. Sie wissen alle, dass dann der Staat hilft und den Elternteil nicht darauf verweist, dass er sinnlos versuchen muss, ständig und immer wieder neu dem Geld hinterherzulaufen, sondern das übernimmt der Staat, geht zu der entsprechenden Stelle und versucht, das Geld zurückzubekommen.

Das ist bisher begrenzt, was das Alter der Kinder und die Dauer angeht. Das wollen wir ausweiten, um dadurch ganz deutlich zu helfen. Ich finde, das ist ein sehr wichtiges sozialpolitisches Anliegen. Wir werden noch darüber diskutieren müssen, wie das im Einzelnen zu finanzieren ist.

Dann möchte ich noch darauf hinweisen, dass es in Bezug auf die hier schon angesprochene Infrastrukturgesellschaft für Bundesautobahnen und Bundesfernstraßen keine Privatisierung geben wird. Es geht uns darum, dass die bisherige gute Arbeit in den Ländern und im Bund noch besser zusammengeführt und verzahnt wird. Deshalb ist uns auch die Botschaft an die Beschäftigten wichtig, dass sich keiner Sorgen um seinen Status und seinen Arbeitsplatz machen muss. Es wird in einem langfristigen Prozess darum gehen, das einfach schneller und besser zu organisieren.

MP Haseloff: Sehr geehrte Damen und Herren, das Ergebnis der beiden Tage lässt sich aus unserer beziehungsweise meiner Sicht wie folgt zusammenfassen: Erstens hat Deutschland politische Handlungsfähigkeit gezeigt. Wir haben zu einem ganz elementaren und zentralen Projekt des Koalitionsvertrags der Bundesregierung ein Ergebnis präsentieren können, das, so denke ich, vieles von dem widerspiegelt, was an Bedürfnissen in den letzten Jahren aufgewachsen ist und sich in Bezug auf besondere Entwicklungen auch ergeben hat.

Wenn ich den Bundesfinanzminister in einem Punkt korrigieren darf, dann ist das nicht nur ein befriedigendes Ergebnis, wenn es auch befriedend wirkt, sondern es ist ein sehr gutes Ergebnis. Ich bin zwar kein Lehrer, aber das, was wir jetzt gemeinsam hingelegt haben, war mindestens eine Eins minus, also nicht bloß eine Drei. Ich denke, das kann sich sehen lassen. Dafür danke ich ausdrücklich, weil ich weiß, was es für Kräfte gekostet hat, zu diesem Ergebnis zu kommen und dass es auch eine gemeinsame Verpflichtung gibt, dieses Ergebnis verantwortungsvoll über die laufenden Legislaturperioden hinaus auszufüllen und wirklich zu dem zu machen, was die Bundeskanzlerin schon gesagt hat, nämlich für Nachhaltigkeit in der Entwicklung unserer Nation zu sorgen und für die nachwachsende Generation Perspektiven zu eröffnen.

Denn das sei an dieser Stelle gesagt: Ein wesentliches Element des vorgelegten Vorschlags und Modells besteht darin, dass wir alle - Bund und Länder - nach diesen Vorstellungen an der Dynamik in den nächsten Jahren - mindestens bis 2030 - partizipieren können. Das heißt, dass, wenn Deutschland wächst, unsere Erträge auf allen Ebenen entsprechend berücksichtigt werden und wir sie einsetzen können. Ich glaube, es dient auch dem gedeihlichen Miteinander von Bund, Ländern und Kommunen, dass wir gemeinsam die Herausforderungen der nächsten Jahre entsprechend bewältigen.

Für die ostdeutschen Länder sei gesagt: Für uns ist von hoher psychologischer Bedeutung, dass wir zu diesem Ergebnis gekommen sind, weil wir damit eine belastbare verfassungsfeste Lösung gefunden haben, wie der Bundesfinanzminister schon gesagt hat, was auch dazu führt, dass wir nicht im Sinne der Handhabung in Bezug auf den Haushalt auf Dauer zu Bittstellern werden, sondern dass wir selbstbewusst ein Parteisystem haben, das objektiv und unabhängig von den aktuellen Haushaltaufstellungsverfahren zu den entsprechenden Verteilmechanismen kommt und damit die vergleichbaren Lebensverhältnisse in den nächsten Jahren sicherstellt beziehungsweise sukzessive erreichen lässt.

Die letzte Bemerkung in diesem Zusammenhang: Es ist für uns insgesamt - nicht nur für die B-Seite, die eine sehr große Spreizung vom Geberland Hessen und Bayern bis hin zu den ostdeutschen Ländern, aber auch zum Saarland aufweist- vor allen Dingen sehr wichtig, dass es gelungen ist, ein Modell zu finden, das diese große Heterogenität und Komplexität dieser Bundesrepublik Deutschland auch im Ausgleich hält. Das ist die Voraussetzung. Wenn wir kein Modell gefunden hätten, wäre der Föderalismus in der Form und der Breite, wie wir ihn historisch entwickelt haben, auf Dauer nicht verwerfungsfrei aufrechtzuerhalten gewesen. Ich denke, wir haben mit diesem Modell dem Föderalismus einen richtig guten Dienst erwiesen und dafür gesorgt, dass wir beieinander bleiben und trotzdem die Spezifika unserer jeweiligen Bundesländer weiterentwickeln können.

Deswegen an dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank für die gemeinsamen Bemühungen, die hart waren, was das Erkämpfen angeht, aber sich im Ergebnis wirklich sehen lassen können. Deswegen noch einmal: mindestens eine Eins minus.

Frage: Ich habe eine Frage an den Bundesfinanzminister. Ihr Ziel war es ja, sicherzustellen, dass die finanzstärkeren Länder auch künftig mit Verantwortung für die finanzschwächeren Länder tragen. Wie gelingt das in diesem Kompromiss?

Meine zweite Frage geht auch an Sie. Der Bundesrechnungshof hat in den vergangenen Tagen eine Untersuchung vorgelegt, wonach der Bund schon sehr viel getan hat, um die Länder zu entlasten. Es wurde gefragt, ob der Bund nicht ausblute. Wie stellen Sie sicher, dass der Bund bei seinen Transfers an die Länder nicht ausblutet?

BM Schäuble: Zur ersten Frage: Das ist in dem Modell, auf das sich zunächst die Ministerpräsidenten verständigt haben - unter den Herausforderungen, die von den beiden Ministerpräsidenten zutreffend beschrieben worden sind - , gelöst. Es ist ja nicht einfach. Der Gesamtstaat kann nur gedeihen, wenn es zwischen den ganz unterschiedlichen Interessenlagen eine gemeinsame Lösung gibt. Der Bund hat die Aufgabe, das zu befördern und zu unterstützen.

Es findet jetzt im Wesentlichen über die Verteilung der Umsatzsteuer statt. Zwar ist der Umsatzsteuervorabausgleich in die allgemeine Umsatzsteuerverteilung einbezogen worden. Aber wenn Sie sich die entsprechenden Unterlagen im Einzelnen anschauen, dann sehen Sie, dass die Umsatzsteuerverteilung pro Kopf der Bevölkerung, was die prinzipielle ist, erheblich korrigiert wird. Das ist der eigentliche Beitrag der finanzstärkeren Länder zugunsten der finanzschwächeren Länder, dass nämlich die Verteilung pro Kopf der Bevölkerung in der Umsatzsteuer wesentlich stärker als bisher korrigiert wird. Daraus wird der Länderfinanzausgleich nicht mehr eigens ausgewiesen. Das war im Interesse von Geber- und Nehmerländern, wenn ich es richtig verstanden habe. Und wenn sich alle einig sind, muss man sich auch nicht allzu sehr einmischen. Es funktioniert.

Der Bund gibt. Das war immer klar, weil wir die 2019 auslaufenden Regelungen haben. Das hat etwas mit Solidarpakt I und II und all diesen Vereinbarungen zu tun. Natürlich ist auch klar - das musste die Runde nicht sehr beschäftigen, aber jeden, der für die Bundesfinanzen Verantwortung auch für die Zeit nach 2020 empfindet -, dass der Solidaritätszuschlag nicht auf Ewigkeit im Steuersystem bleiben können wird - deswegen gibt es entsprechende Vorschläge und Überlegungen -, weil er im finanzverfassungsrechtlichen Teil des Grundgesetzes nur für eine besondere Situation überhaupt seine rechtliche Begründung hat. Wie lange und wie weit sie trägt, darüber wird man sich im künftigen Parlament verständigen müssen. Ich habe dazu Vorschläge gemacht.

Vor diesem Hintergrund - das war ja der Grund der Verhandlungen - war für den Bund vor allen Dingen die Frage wichtig - ob 9,5 oder 9,0 oder 10,0 Milliarden, ist am Ende nicht so zentral -: Wie stark werden sich die Belastungen in den kommenden Jahren dynamisieren? - Deswegen haben wir um diesen Punkt, der sich hinter dem technisch erscheinenden Detail, ob Umsatzsteuerfestbetrag oder Umsatzsteueranteil, verbirgt, lange und intensiv gerungen. Wir haben ein Ergebnis erzielt, von dem man - vielleicht wollen Sie bessere Noten vergeben - bei uns in Baden-Württemberg sagt: Nicht geschimpft ist genug gelobt. Befriedigend ist es also in jedem Fall. Ob es mehr ist - das stelle ich in Ihr Ermessen. Was den Vergleich der Qualität von Benotungen angeht: Ich bin kein gelernter Bildungspolitiker.

Den Bericht des Rechnungshofes habe ich gelesen. Ich habe bei der Einbringung des Bundeshaushalts eine nicht so dramatisch wirkende Zahl genannt. 266 Milliarden - ich weiß nicht, wie viele Jahre man zusammengerechnet hat. In einem Jahr kann es nicht sein, weil das Gesamtvolumen des Bundeshaushaltes bei etwas über 300 Milliarden liegt. Dann wären nur noch 70 Milliarden übrig. Das geht rechnerisch nicht. Allein Frau Nahles bekommt über 100 Milliarden. Manchmal kommen allein dadurch, dass man unterschiedliche Jahreszeiträume oder Zahlen zusammenfasst, unterschiedliche Zahlen zustande.

Wahr ist, dass im Bundestag von vielen, nicht nur von Haushaltspolitikern, mit großem Nachdruck gesagt wird, dass wir natürlich ein Stück weit eine Verschiebung in Richtung zu Lasten des Bundes haben. Das hören die Länder nicht gern. Sie haben es jetzt auch von mir in den letzten Tagen genügend gehört. Ich muss es nicht wiederholen. Aber wir haben versucht - das entspricht der Verantwortung der Bundesregierung und des Bundesfinanzministers im Besonderen -, das tragbar zu halten. Ich glaube, dass wir dem einigermaßen gerecht geworden sind.

Ich sage auch: Wir wissen, dass wir in einer konjunkturell komfortablen Situation sind, dass wir eine gute Lage am Arbeitsmarkt haben. Aber wir wissen, dass wir eine Fülle von Unsicherheiten haben, die auch die Zeiten anstrengender machen können. Deswegen sind gelegentliche öffentliche Erscheinungen, als würde der Bund geradezu in Geld ertrinken, falsch. Wir haben begrenzte Handlungsspielräume. Wir werden anstrengende Haushaltsberatungen haben. Aber wir nutzen unsere Haushaltsspielräume, um möglichst Investitionen zu verstärken.

Das ist inzwischen nicht mehr bestritten. Nur international hat man es noch nicht ganz verstanden, dass der Engpass bei Investitionen bei uns nicht mehr an Budgetmittel, sondern nur noch an administrativen Kapazitäten, sie umzusetzen, liegt - und wenn der Gesamtstaat effizienter wird, "à la bonne heure".

MP Sellering: Ich würde gern einen Satz zu Ihrer Frage ergänzen.

Wenn wir über den Ausgleich zwischen den Ländern reden, dann könnten wir einen Gesamtbedarf an Ausgleichsbedarf definieren. Dann kann man sagen, dass der Anteil des Bundes an diesem Ausgleichsvolumen etwas größer geworden ist. Aber die Berechnungen, die wir gestern ausgetauscht haben, gehen davon aus, dass zwei Drittel des Ausgleichs auf der horizontalen Ebene der Länder untereinander geschehen und dass ein Drittel der Bund beiträgt. Das fanden wir ein angemessenes Verhältnis.

Frage: Zu den Punkten, Frau Kanzlerin, die weniger die Finanzen als die Struktur und die Zusammenarbeit betreffen, klang es ein wenig so, als würde man jetzt anfangen zu verhandeln. Wie weit sind da die Vorfestlegungen fest getroffen?

BK'in Merkel: Die Vorfestlegungen sind recht präzise getroffen. Aber da geht es ja um gewaltige Projekte. Wenn wir uns zum Beispiel die ganze Frage der Digitalisierung anschauen - Wie organisiere ich ein einheitliches Portal? Wie füge ich die verschiedenen Schnittstellen zusammen? -, dann konnten Sie bei den vielen Verhandlungen und den vielen Stunden, die wir uns schon eingesetzt haben, nicht erwarten, dass wir das jetzt alles im Detail machen.

Dazu gibt es im Übrigen ein IT-Planungsrat, wo auch vieles besprochen werden kann - Infrastrukturgesellschaft, Verkehr oder die Frage, wie besser und schneller gebaut werden kann. An vielen Dingen hängen Grundgesetzänderungen. Sie müssen mit den Verfassungsressorts besprochen werden. Aber wir haben uns hier sehr präzise verständigt.

Ich muss auch sagen: Nachdem der Bund ein Stück auf die Länder zugegangen ist in Bezug auf das, was die Finanzbeziehungen anbelangt, war es heute wieder eine sehr konstruktive Diskussion, in der auch die Länder auf den Bund zugegangen sind, sodass wir im Ergebnis einfach das Gefühl hatten, dass man schon auch die Wünsche des Bundes ernst genommen hat. Wir haben zum Beispiel Vorschläge zur Verbesserung der Steuerverwaltung - darüber hat man schon vorher am Tag in der Föderalismuskommission gestritten -, da sind wir jetzt ein Stück weiter gekommen. Also das würde ich so nicht sagen. Nur es müssen Gesetze gemacht werden, Grundgesetzänderungen vorgenommen werden. Aber die politische Richtung haben wir heute vorgegeben.

MP Sellering: Vielleicht dazu: Wir sind uns einig gewesen, dass das zusammengehört. So gesehen hätte man natürlich beides festmachen können und sollen. Nur bei diesen sieben Punkten ist das sehr schwer. Nun haben die Länder ganz klar gesagt - sie haben den Zusammenhang anerkannt -: Wir haben heute konkret das bekommen, was wir als Hauptinteresse hatten.

Wir haben deutlich gesagt: Alle sieben Punkte unterstützen wir, wollen wir machen. Alle sieben Punkte erfordern noch in der genauen Ausgestaltung viel Diskussion. Aber es sind klare Zusagen.

Freitag, 14. Oktober 2016

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Quelle:
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel, Bundesminister Schäuble,
Ministerpräsident Sellering und Ministerpräsident Haseloff, 14.10.2016
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2016/10/2016-10-14-pk-bund-laender.html;jsessionid=204E6B629CFDC4FED49557CC308ADD5A.s7t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Oktober 2016

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