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PRESSEKONFERENZ/1348: Regierungspressekonferenz vom 23. November 2016 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 23. November 2016
Regierungspressekonferenz vom 23. November 2016

Themen: Medienberichte über einen im Bundesfinanzministerium tätigen angeblichen Interessenvertreter des Bankenverbandes, Flüchtlingsstatus für syrische Asylbewerber, finanzielle Lage Griechenlands, Kirchenasyl, nationalistische Tendenzen in den USA, Geschäftsgebaren der "Vorwärts"-Tochter NWMD, Abgasmanipulationen der Autoindustrie, Beschluss des Bundesgerichtshofs hinsichtlich der Vernehmung des Zeugen Edward Snowden im NSA-Untersuchungsausschuss

Sprecher: StS Seibert, von Tiesenhausen-Cave (BMF), Dimroth (BMI), Schäfer (AA), Rülke (BMJV), Daldrup (BMAS), Herb (BMFSFJ)


Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage: Ich habe eine Frage an das Finanzministerium. Frau von Tiesenhausen, heute gibt es einen nicht ganz taufrischen Bericht in der "Bild"-Zeitung über einen Maulwurf des Bankenverbandes in Ihrem Ministerium.

Meine erste Frage ist: Gab es diesen Maulwurf, oder hat er als Maulwurf gearbeitet?

Meine zweite Frage: Hat er bei Gesetzen rund um die Cum-Ex-Problematik mitgewirkt?

von Tiesenhausen-Cave: Ich kann "unter eins" zu dem Cum-Ex-Komplex nur Folgendes sagen: Das ist derzeit Gegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Das BMF arbeitet sehr konstruktiv mit diesem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zusammen. Die Aufarbeitung des Sachverhalts erfolgt dort.

Insofern kann ich mich zu einzelnen Aspekten "unter eins" nicht äußern. Ich kann aber anbieten, dass wir hier "unter drei" zu diesem Komplex vielleicht ein paar Anmerkungen machen.

Vorsitzender Mayntz: Damit sind wir "unter drei". Was das für die Besuchergruppen bedeutet, erkläre ich ihnen hinterher.

- Es folgt ein Teil "unter 3" -

Vorsitzender Mayntz: Gibt es noch Nachfragen "unter drei"? - Dann wechseln wir auf "unter eins" zurück.

Frage: Frau von Tiesenhausen, wie geht das BMF mit Beamten um, die Nebenjobs ausüben wollen, die möglicherweise zu Interessenkonflikten führen?

von Tiesenhausen-Cave: Sie wissen, dass wir hier innerhalb der Leitplanken des Beamtenrechts verfahren müssen. Es ist aber so, dass das BMF seit einiger Zeit eine restriktivere Linie fährt, was Nebentätigkeiten angeht. Das heißt, dass Nebentätigkeiten, die von unseren Beschäftigten außerhalb bei Veranstaltungen ausgeübt werden, grundsätzlich bei einer höheren Einstufung, also vom Unterabteilungsleiter aufwärts, mit dem Hauptamt abgegolten werden; das heißt, es gibt kein Honorar. Zudem sind wir noch stärker in der Prüfung, ob es bei Nebentätigkeiten zu einem Interessenkonflikt, zu einer Beeinträchtigung dienstlicher Interessen kommt, und genehmigen Nebentätigkeiten sehr restriktiv.

Frage: Frau Tiesenhausen, stimmt denn, was die "Bild"-Zeitung schreibt, nämlich dass es einen Maulwurf im BMF gegeben hat, oder weisen Sie das zurück? Wenn Sie es nicht zurückweisen, können wir ja gar nicht darüber berichten, dass Sie es zurückweisen, beziehungsweise allein über den Umstand nicht.

von Tiesenhausen-Cave: Ich bitte um Verständnis, dass wir zum Komplex Cum-Ex-Geschäfte auf den Untersuchungsausschuss verweisen. Alle Details, die dort besprochen werden, unterliegen der Hoheit dieses hohen parlamentarischen Gremiums. Ich habe mich Ihnen gegenüber dazu jetzt auch "unter drei" geäußert, und ich bin jetzt nicht in der Lage, Ihnen zu einzelnen Details ganz konkret etwas zu sagen. Ich muss Sie um Verständnis bitten; das ist nicht das ist, was Sie sich vorstellen, aber wir bleiben hier parlamentarisch sauber.

Frage: An das BMI: Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat kürzlich in einem Urteil gesagt, dass allen nach Syrien zurückkehrenden Asylbewerbern generell die Gefahr der Folter droht; Flüchtlinge in Deutschland sollten deshalb den vollen Flüchtlingsstatus statt nur subsidiären Schutz erhalten. Sieht die Bundesregierung irgendeine Veranlassung, die Asylpraxis für Syrer zu ändern?

Dimroth: Vielen Dank für die Frage. Das gibt mir zunächst einmal Gelegenheit, darauf zu verweisen - was ich hier allerdings auch schon vielfach getan habe - dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bei syrischen Antragstellern - wie im Übrigen bei allen anderen Antragstellern auch - selbstverständlich im Lichte des Schutzvortrags jedes einzelnen Antragstellers zu einer individuellen und einer individuell angemessenen Entscheidung kommt, die dann selbstverständlich von den Verwaltungsgerichten überprüfbar ist, wenn der Betroffene meint, dass Rechtsfehler vorliegen. Daran ändert auch die Rechtsprechung, die Sie gerade zitieren, nichts. Im Gegenteil: Sie fragen ja, ob wir daran etwas ändern wollen; das würde ja geradezu insinuieren, dass wir auf diese Entscheidungspraxis des BAMF Einfluss nehmen - in welche Richtung auch immer. Die Entscheidungen des BAMF basieren auf den dafür einschlägigen rechtlichen Grundlagen, nicht auf Weisungen aus dem BMI heraus.

Ich möchte im Übrigen noch darauf hinweisen, dass es obergerichtliche Rechtsprechung des OVG Münster gibt, das geradezu die gegenteilige Rechtsauffassung vertritt, die wir - so darf ich das sagen - auch für zutreffend halten, nämlich dass es gerade keinen Automatismus gibt, der, wie das VG Düsseldorf annimmt, lautet: Jemand, der aus Syrien kommt und in Deutschland einen Asylantrag stellt, bedarf schon deswegen des Schutzes nach Genfer Flüchtlingskonvention, weil per se in jedem Einzelfall allein durch diesen Sachverhalt feststeht, dass eine politische Verfolgung in seinem Herkunftsland die Folge ist. Diesen Schluss jedenfalls sehen wir so absolut nicht als zulässig an, und das ist letztlich auch die streitige Rechtsfrage. Noch einmal: Das Oberverwaltungsgericht Münster stützt hier unsere Rechtsauffassung, und wir sind guter Hoffnung, dass auch andere obere Verwaltungsgerichte diese Rechtsauffassung teilen. Wir sind deswegen auch unterwegs - das BAMF jedenfalls -, entsprechende obergerichtliche Klärungen herbeizuführen.

Frage: An das Finanzministerium: Es gab ja einen Bericht über ein bevorstehendes Treffen in Sachen Griechenland; der ist von Ihrem Ministerium dementiert worden. Was mich interessiert, ist: Was ist dementiert worden? Ist dementiert worden, dass es ein Treffen am Freitag in Berlin gibt, oder ist auch dementiert worden, dass es in diesen Tagen überhaupt ein solches Treffen gibt? Anders herum gefragt: Gibt es in Sachen Griechenland in diesem Jahr noch ein Treffen der Finanzminister in einem Ausschnitt der Eurogruppe?

Zweite Frage: Muss die Entscheidung über eine Beteiligung des IWF am Rettungspaket für Griechenland unbedingt noch dieses Jahr fallen, oder ist es für das Finanzministerium auch akzeptabel, wenn diese Entscheidung erst Anfang nächsten Jahres fällt?

von Tiesenhausen-Cave: Das war ja eine spitzfindige Frage.

Zusatz: Gelle?

Vorsitzender Mayntz: Das kommt bei ihm vor.

von Tiesenhausen-Cave: Ich kann wiederholen, was wir auch den Kollegen der Agenturen schon gesagt haben: Wir weisen den Bericht der "Süddeutschen Zeitung" zurück. Ein solches Treffen, wie es dort beschrieben wird, findet nicht statt.

Wenn Sie jetzt nach weiteren Treffen in diesem Jahr fragen, dann sage ich Ihnen: Wir sind in der Eurogruppe in regelmäßigem Austausch. Am Montag findet zum Beispiel ein Treffen der Euro-Arbeitsgruppe statt und am 5. Dezember findet ein Treffen der regulären Euro-Gruppe auf Ministerebene statt. Auch zwischen solchen Fixterminen gibt es regelmäßigen Austausch - bilateral, in kleineren Gruppen, in größeren Gruppen. Insofern kann ich gar nicht für die Zukunft irgendwelche Formate ausschließen. Ich kann aber den Bericht, der von einem angeblichen Krisentreffen schreibt, zurückweisen, weil es gar keine Krise gibt. Wir sind jetzt sehr konstruktiv im zweiten Review des aktuell laufenden dritten Griechenland-Programms, und dieser Bericht ist nicht zutreffend.

Zusatzfrage: Ihre Antwort auf die Frage zum IWF steht noch aus. Wann muss eine Entscheidung fallen?

Darüber hinaus wollte ich nicht wissen, ob Sie etwas ausschließen können - vielleicht haben Sie mich da falsch verstanden. Ich wollte vielmehr wissen: Gibt es konkrete Pläne in einem Ausschnitt der Eurogruppe, sich in den nächsten Tagen noch einmal zum Thema Griechenland zu treffen?

von Tiesenhausen-Cave: Zur der Frage zum IWF: Die beschriebenen Verfahren sind so, dass der IWF zugesagt hat, nach Abschluss des zweiten Reviews, also der zweiten Programmüberprüfung, in seinem Board eine Beteiligung am laufenden Programm zu empfehlen. Das ist also gekoppelt an den Abschluss des zweiten Reviews, und insofern müssen wir jetzt den Abschluss dieses Reviews abwarten.

Was die Frage nach Planungen angeht, halte ich es, wie Herr Seibert es auch mit allen anderen Terminen der Bundesregierung hält: Wir können Ihnen darüber Auskunft geben, ob Termine stattfinden oder ob sie nicht stattfinden. Über Wasserstände, Intentionen, Planungen, Dinge, die nicht bestätigt und gefestigt sind, kann man nur spekulieren, und an solchen Spekulationen beteilige ich mich nicht.

Frage: Frau Tiesenhausen, der griechische Finanzminister, Herr Tsakalotos hat vor ein paar Minuten in Athen gesagt, dass es ein solches Krisentreffen in Berlin geben werde. Er meint wahrscheinlich: geheim?

von Tiesenhausen-Cave: Ich sage Ihnen - ich kenne die Äußerungen von Herrn Tsakalotos nicht - als Sprecherin des Bundesfinanzministeriums: Es findet am Freitag kein Treffen statt. Der Bericht ist nicht zutreffend.

Frage: Ich möchte aber noch einmal fragen: War laut Ihrem Informationsstand überhaupt so ein Treffen geplant?

Eine zweite Frage dazu: Geht das Bundesfinanzministerium immer noch davon aus, dass der IWF die Entscheidung für die Beteiligung am griechischen Programm noch in diesem Jahr fällt? Denn das hängt ja davon ab, wie die laufende Überprüfung weitergeht. Was ist Ihr Informationsstand mit Blick auf die Überprüfung?

von Tiesenhausen-Cave: Noch einmal: Ich äußere mich hier dazu, ob Treffen stattfinden oder nicht. Und ich sage Ihnen: Ein solches Treffen findet nicht statt.

Was die Arbeiten im zweiten Review angeht, so ist mein Kenntnisstand von vor einigen Tagen, dass die Arbeiten sehr konstruktiv verlaufen und dass der IWF auch schon operativ an Bord und beteiligt ist, denn das Ziel dieses Reviews ist es ja, eine sogenannte gemeinsame Konditionalität zwischen den bisher beteiligten Institutionen und dem IWF herzustellen. Wie lange das jetzt dauert, liegt nicht in meinem Ermessen, und darüber mag ich jetzt auch nicht spekulieren.

Frage: Grundsätzlich die Frage: Sie gehen weiterhin davon aus, dass der IWF an Bord bleibt?

von Tiesenhausen-Cave: Ja, klar.

Frage: Frau von Tiesenhausen, ist es möglich, dass Berlin beziehungsweise Herr Schäuble dieses Treffen sabotiert hat?

von Tiesenhausen-Cave: Ein Treffen, das bei uns hätte stattfinden sollen? - Da fehlt mir jetzt die Fantasie, und ich kann Ihnen nicht folgen. Ich kann nur noch einmal wiederholen: Es findet kein solches Treffen statt.

Zusatz: Das war eine Information aus Brüssel.

von Tiesenhausen-Cave: Dem habe ich jetzt nichts hinzuzufügen.

Frage: Frau von Tiesenhausen, dementieren Sie, dass ein solches Treffen in irgendeiner Form und auf irgendeiner Ebene Ihres Ministeriums - Minister, Staatssekretär, Beamte - am Freitag stattfindet?

Die zweite, damit zusammenhängende Frage: Mir ist das immer noch unverständlich. Auf der einen Seite verlangen Sie die Expertise des IWF, und deshalb wollen Sie seine Beteiligung. Auf der anderen Seite aber sagt der IWF, dass die Schuldenerleichterungen für Griechenland notwendig sind, und eine solche Diskussion lehnen Sie ab. Können Sie uns diesen Zusammenhang vermitteln?

von Tiesenhausen-Cave: Ich kann mich hier nur konkret zu einzelnen Medienberichten äußern, und das habe ich getan. Es findet kein solches Treffen statt.

Zusatzfrage: Auf keiner Ebene?

von Tiesenhausen-Cave: Es findet kein solches Treffen statt.

Was das Thema mögliche Schuldenerleichterungen angeht, werden diejenigen, die öfter hier sind, ein bisschen gelangweilt sein. Es gibt einen klaren Fahrplan, was mögliche Schuldenerleichterungen angeht. Das besagt das Mai-Statement der Eurogruppe aus diesem Jahr, in dem man sich auf ein dreistufiges Konzept mit kurzfristigen Erleichterungen geeinigt hat, die schon in diesem Herbst vom ESM mit mittel- und langfristigen Maßnahmen umgesetzt wurden, die nach Bedarf und nach vollständiger Programmumsetzung im Sommer 2018 geprüft und dann gegebenenfalls umgesetzt werden.

Insofern verstehe ich Ihnen Vorwurf nicht ganz. Es gibt ein klar vereinbartes Verfahren.

Zusatz: Das war kein Vorwurf, sondern eine Frage.

Frage: Ich habe eine Frage an das Bundesinnenministerium bezüglich des Kirchenasyls. Verhandelt das Ministerium zurzeit mit den Kirchen über eine Neuregelung und eine eventuelle Einschränkung des Kirchenasyls?

Ist das aus Sicht des Ministeriums mit der geltenden Dublin-Verordnung vereinbar oder kompatibel?

Gibt es häufig Kollisionen zwischen dem Kirchenasyl und der Dublin-Verordnung? Es gibt zum Beispiel aktuell den Fall einer irakischen Familie, die zurzeit unter dem Schutz des Kirchenasyls steht und eigentlich nach Tschechien abgeschoben werden soll, um das Asylverfahren fortsetzen zu können, aber wegen des Kirchenasyls wird höchstwahrscheinlich die Überstellungsfrist ablaufen, sodass das Asylverfahren in Deutschland aufgenommen werden muss.

Dimroth: Vielen Dank für den bunten Strauß an Fragen zum Thema Kirchenasyl. - Zunächst einmal gibt mir das vielleicht Gelegenheit, um klarzustellen, dass es das Kirchenasyl nicht als Regelung im deutschen Recht gibt, sondern die Kirchen gerade eine Ausnahme für sich in Anspruch nehmen. Es gibt demnach auch keine Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und den Kirchen über eine Regelung zum Kirchenasyl, weil es eine solche Regelung schlechterdings nicht gibt.

Wir haben zu Beginn des letzten Jahres sehr intensiv über das Thema Kirchenasyl in der Öffentlichkeit diskutiert. Die Bundesregierung hat in Gestalt des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge auch das Gespräch mit den Vertretern der evangelischen und der katholischen Kirche gesucht. Ein Resultat dieser Gespräche war eine entsprechende Vereinbarung, die letztlich zum Kern die Aussage hat, die von den Kirchen und dem Bundesamt mitgetragen wird, dass eine solche Inobhutnahme im Rahmen des sogenannten Kirchenasyls immer eine absolute Ausnahme, eine Ultima Ratio sein muss und dass ein ständiger Gesprächskanal zwischen den Kirchen und dem Bundesamt etabliert wird, womit sichergestellt werden soll, dass beiderseitig hinreichend Klarheit darüber besteht, dass solche Fälle stattfinden.

Was die Vereinbarkeit mit den Regularien der sogenannten Dublin-Verordnung betrifft, gilt auch diesbezüglich: Da wir es beim Kirchenasyl nicht mit einem Rechtsinstitut zu tun haben, stellt sich die Frage der Vereinbarkeit in dem Sinne nicht. Immer dann, wenn sogenannte Dublin-Fälle davon betroffen sind, also möglicherweise ein anderer Mitgliedstaat zuständig wäre und ein Mensch im Kirchenasyl aufhältig so lange dort Obhut bekommt, dass Fristen nach der Dublin-Verordnung ablaufen, also eine Rücküberstellung auf Grundlage dieses europäischen Rechtsinstitut nicht mehr möglich und das sogenannte Selbsteintrittsrecht die Folge ist, also der Staat - in dem Fall dann Deutschland - nach der Dublin-Verordnung zuständig wird, ist das eine Anwendung, eine Folge der Dublin-Verordnung, aber es stellt kein Konkurrenzverhältnis in dem Sinne dar. Es stehen sich nicht zwei Rechtsinstitute gegenüber, wo man sagen könnte: Das eine stellt den Bruch eines anderen dar. Sondern das ist eine Praxis der Kirchen in Deutschland, die aus unserer Sicht eine in lediglich absoluten Ausnahmefällen zu akzeptierende Ausnahme von den geltenden Verfahren darstellt, aber es ist kein Rechtsinstitut. Insofern stellt sich auch nicht die Frage, ob das mit der Dublin-Verordnung vereinbar ist, denn die Folge ist eine Rechtsfolge, die die Dublin-Verordnung gerade vorsieht, dass nämlich in solchen Dublin-Fällen der Mitgliedstaat, den das betrifft - in dem Fall Deutschland -, zuständig wird. Es ist also kein Konkurrenzverhältnis zu der Dublin-Verordnung, sondern es ist letztlich das Herbeiführen einer Rechtsfolge, die in der Dublin-Verordnung selbst angelegt ist.

Was die Zahlen betrifft, so kann ich Sie auf eine Website verweisen, die passenderweise www.kirchenasyl.de heißt. Dort können Sie sich die Zahlen tagesaktuell anschauen. Am 20. Oktober - das sind die aktuellsten Zahlen, die ich habe - wussten wir von derzeit 304 Kirchenasylfällen mit mindestens 505 betroffenen Personen. Darunter sind ca. 205 sogenannte Dublin-Fälle, also die Fälle, die Sie ganz konkret ansprechen.

Was den konkreten Einzelfall betrifft, den Sie ansprechen, ist es jedenfalls nach unserer Kenntnis so, dass kirchenseitig Gespräche laufen, wie mit diesen Fällen umzugehen ist.

Zusatzfrage: Vielleicht habe ich das nicht richtig verstanden. Worüber verhandelt das Bundesministerium des Innern mit den Kirchen?

Dimroth: Ich hatte darauf hingewiesen, dass wir im letzten Jahr eine sehr lebhafte Debatte zu dem Thema hatten, durchaus auch durch das Bundesministerium des Innern und den Minister angestoßen. Ergebnis dieses Diskurses auch mit den Kirchen ist eine Vereinbarung zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und den Kirchenvertretern, die eine Reihe von Punkten, auch Verfahrensregelungen enthält, die aber vor allem festschreibt, dass das Kirchenasyl nur als Ultima Ratio in absoluten Ausnahmefällen gewährt werden sollte und dass in diesen Ausnahmefällen das Bundesamt sehr frühzeitig über die Tatsache des Kirchenasyls in Kenntnis gesetzt wird.

Es gibt derzeit in dem Sinne keine Verhandlungen über eine veränderte Praxis oder Ähnliches, sondern es gibt ein Verfahren, das verabredet ist, wo die Vertreter der Kirchen anerkannt haben, dass es sich hier nur um eine absolute Ausnahme handeln kann und gleichzeitig ein Gesprächskanal verabredet wurde, der es ermöglichen soll, möglichst beidseitig hinreichend Klarheit darüber zu haben, ob und in welchen Fällen das geschieht.

Zusatz: Wenn ich das richtig verstehe, sind die 250 Fälle Ausnahmefälle.

Dimroth: Der Staat entscheidet in Deutschland über die Anerkennung als Flüchtling oder nicht als Flüchtling. Die dafür zuständigen und berufenen Behörden entscheiden auf Grundlage der dafür gültigen Gesetze und niemand sonst. Das ist klar und das erkennen auch alle an. Wenn aber ein Mensch beispielsweise dadurch, dass er in einer Kirche Obhut erhält, dementsprechend bestimmten staatlichen Exekutivmaßnahmen entzogen ist, kann es dazu führen, dass beispielsweise Fristen ablaufen, die eben nach der Dublin-Verordnung dazu führen, dass ein Mitgliedstaat, der eigentlich für dieses Verfahren nicht zuständig wäre, zuständig wird. Wenn das in Deutschland der Fall ist, dann ist das eben Deutschland. Genauso ist das.

Frage: Herr Seibert, in Amerika wurde vorgestern ein Video veröffentlicht, das zeigt, wie Personen bei einer politischen Veranstaltung in Washington den Arm zum Hitlergruß heben, "Heil" rufen und einer der Redner die Frage stellt, ob Juden Menschen seien. Beunruhigt dass die Bundesregierung? Sieht die Bundesregierung einen Anlass für besondere Reisehinweise?

StS Seibert: Für die Reisehinweise wäre der Kollege aus dem Auswärtigen Amt zuständig.

Ich kann nur ganz allgemein sagen: Wann immer wir - von woher auch immer - Videos sehen, auf denen Menschen die Hand zum Hitlergruß erhoben haben, ist das abstoßend für uns und widerspricht den Grundsätzen und den Werten unserer Politik.

Schäfer: Ich wäre fast versucht zu sagen, wenn es nicht schon gesagt worden wäre: Das ist aber eine spitzfindige Frage!

Zu den Reisehinweisen kann ich gar nichts sagen. Ich wüsste jetzt auch nicht auf Anhieb und müsste die Experten konsultieren, in welcher Weise das, was da geschehen ist, die Sicherheit von deutschen Reisenden in den Vereinigten Staaten von Amerika beeinträchtigen würde. Aber wenn Sie mir dazu einen Hinweis geben, dann nehme ich ihn gerne auf.

Zusatzfrage: Gerne! Es hat seit der Wahl in den Vereinigten Staaten mehrere Berichte über Übergriffe gegen Menschen, die einer Minderheit angehören, gegeben. Nun gibt es auch Deutsche, die Minderheiten angehören, seien es sexuelle, ethnische oder religiöse Minderheiten. Gibt es da irgendwelche Reisehinweise?

Schäfer: Ich kenne die Reisehinweise des Auswärtigen Amtes für die Vereinigten Staaten von Amerika leider nicht auswendig. Deshalb ist es mir auch nicht möglich, dazu jetzt etwas zu sagen. Die sind aber für jedermann in diesem Saal und im ganzen Land online verfügbar. Ich werde nachher auch gerne noch einmal nachschauen.

Sie können sicher sein, dass die Kolleginnen und Kollegen, die sich um diese Reise- und Sicherheitshinweise kümmern, die Entwicklung in der ganzen Welt und auch in den Vereinigten Staaten von Amerika sehr aufmerksam beobachten, und wenn es aus unserer Sicht Anlass gibt, sie im Lichte aktueller Entwicklungen zu ergänzen oder zu modifizieren, dann würden wir das natürlich tun.

StS Seibert: Ich möchte aber hinzufügen, dass wir, denke ich, großes Vertrauen in die amerikanischen Zivilgesellschaft, die amerikanischen Medien und die amerikanischen Politik haben können, solche Fehlentwicklungen, solche schlimmen Vorfälle auch entsprechend zu thematisieren. Wenn Sie sich in diesen Tagen in die amerikanische Presse und in die amerikanischen Medien vertiefen, dann können Sie ersehen, wie ernsthaft und besorgt genau das auch dort diskutiert wird.

Frage: Herr Rülke, wie teuer ist es, mit Ihrem Minister zu reden? Warum muss man das über eine SPD-Agentur organisieren? Was hat man dann von der Investition?

Frau Daldrup, vielleicht können Sie das auch für Frau Nahles sagen.

Das Familienministerium hat ja auch eine ähnliche Konstruktion.

Rülke: Da Sie mich zuerst angesprochen haben, möchte ich Sie zunächst einmal auf die Pressemitteilung des Schatzmeisters der SPD, Dietmar Nietan, verweisen. Ich weiß nicht, ob Sie die alle schon lesen konnten; deswegen erlaube ich mir, ein oder zwei Sätze kurz vorzutragen:

"Die Politikerinnen und Politiker, die in der Vergangenheit an 'Vorwärts'-Gesprächen teilgenommen haben, wurden nicht über die Art und Weise informiert, wie die Gespräche vermittelt wurden. Weder wurden sie über Details etwaiger Absprachen zwischen Sponsoren und der Agentur ins Bild gesetzt noch war ihnen die Höhe etwaiger Zahlungen bekannt. Keine und keiner der eingeladenen Politikerinnen und Politiker war über die Geschäftspraktiken, wie sie in dem "Frontal-21"-Bericht dargestellt werden, informiert."

Wenn Sie erlauben, würde ich gerne den Versuch unternehmen, auch an dieser Stelle so transparent wie möglich damit umzugehen. Wir sind natürlich wie viele andere auch von "Frontal 21" vorab gefragt worden und haben auch bereits am 11. November geantwortet. Ich darf auch aus dieser Antwort zitieren. Die erste Frage der Kollegen lautete:

"Nach unseren Recherchen bietet die SPD-Tochteragentur NWMD 'Vorwärts'-Gespräche mit Ihnen an. Ein Gespräch soll 7000 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer kosten. Haben Sie davon Kenntnis?"

Unsere Antwort lautete "Nein". Es liegt mir auf den Lippen, ein "selbstverständlich" hinzuzufügen.

Im Weiteren haben wir in dieser Antwort klargemacht, dass der Bundesminister auf Einladung des "Vorwärts"-Verlags an zwei politischen Veranstaltungen als Gast teilgenommen hat. Eine fand im Oktober 2015 statt. Dort gab es meiner Kenntnis nach kein Sponsoring. Am 12. Oktober 2016 gab es eine Veranstaltung mit dem Titel "Gesellschaft in der digitalen Welt". Dort gab es ein Sponsoring; lassen Sie mich das hier klarstellend hinzufügen. Das wussten wir auch.

Im Übrigen haben wir in der Antwort klargemacht, dass der Minister weder vorab noch im Nachgang über die Höhe der Kosten der Veranstaltung und über die Höhe der Mitfinanzierung informiert war.

Ich hoffe, dass ich Ihnen damit deutlich gemacht habe, dass wir die Geschäftspraktiken der Agentur nicht kannten.

Daldrup: Ich kann Ihnen dazu gerne auch weitere Informationen geben. Ich schließe mich natürlich dem Kollegen an, was den Inhalt dieser Pressemitteilung angeht. Ich kann Ihnen dazu mitteilen, dass die Bundesministerin Andrea Nahles an einem Termin dieser sogenannten "Vorwärts"-Gespräche teilgenommen hat. Es gab weder im Vorfeld des Termins noch während des Termins noch im Nachhinein Informationen über ein Sponsoring dieses Termins. Auf nochmalige Nachfrage unsererseits wurde bestätigt, dass der Termin von Ministerin Nahles nicht gesponsert war. Dies haben wir auch dem ZDF frühzeitig vorab mitgeteilt.

Herb: Ich würde gerne noch ergänzen, dass Manuela Schwesig nicht als Bundesministerin an einem "Vorwärts"-Gespräch teilgenommen hat. Insofern ist es jetzt für mich als Sprecherin des Bundesfamilienministeriums auch nicht möglich, dazu Stellung zu nehmen. Ich möchte an dieser Stelle nur auf die Pressemitteilung des Willy-Brandt-Hauses verweisen.

Frage: Ich habe noch eine Frage an das Verkehrsministerium zu den Abgasmanipulationen. Die Deutsche Umwelthilfe hat heute noch einmal eine Liste weiterer Modelle veröffentlicht, bei denen angeblich getrickst wurde. Meine Frage bezieht sich darauf, dass sich langsam der Eindruck aufdrängt, dass solche Mitteilungen immer nur von außen kommen. Sind Sie eigentlich personell so gut ausgestattet, auch über das Kraftfahrt-Bundesamt, dass Sie solche Manipulationen, wenn sie denn jetzt so stattgefunden haben, selbst aufdecken können?

Zweitens hat die DUH massive Kritik am Minister geäußert und ihm unter anderem vorgeworfen, er nehme Körperverletzungen mit Todesfolge in Kauf. Was sagen Sie zu dieser Kritik?

Susteck: Vielen Dank für die Frage. Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich jetzt zu den Inhalten der heutigen Pressekonferenz der DUH noch nicht konkret Stellung nehmen kann, weil mir diese Inhalte nicht bekannt sind. Die Veranstaltung fand ja auch gerade jetzt, im Vorfeld der Regierungspressekonferenz statt.

Den Vorwurf, den Sie angesprochen haben, halte ich für vollkommen abwegig.

Frage: Das Bundesverfassungsgericht hat den NSA-Untersuchungsausschuss aufgefordert, Edward Snowden einzuladen. Ich wollte fragen, ob die Bundesregierung Sorgen hat, dass so eine Einladung internationale Beziehungen gefährden könnte. Wird sie deshalb die Einreise verhindern?

StS Seibert: Ich nehme an, Sie meinen nicht das Bundesverfassungsgericht, sondern den Beschluss des Bundesgerichtshofs.

Zusatz: Ja, Entschuldigung.

StS Seibert: Diesen Beschluss des Bundesgerichtshofs hat die Bundesregierung zur Kenntnis genommen. Die Bundesregierung hat ja umfassend gegenüber dem 1. Untersuchungsausschuss dieser 18. Wahlperiode Stellung genommen, gerade auch zu den Fragen einer möglichen Vernehmung des Herrn Snowden. Es ist allein Aufgabe des Untersuchungsausschusses, über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Wir haben großen Respekt vor der Arbeit des laufenden Untersuchungsausschusses, die wir unterstützen. Deswegen werden wir uns jetzt nicht weiter öffentlich zu diesem Thema und auch nicht zu diesem Beschluss äußern.

Zusatzfrage: Eine Einladung hätte aus Ihrer Sicht, Herr Seibert oder Herr Schäfer, also keine negativen Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen?

StS Seibert: Die Bundesregierung hat sich dazu gegenüber dem Untersuchungsausschuss ausgiebig geäußert. Sie unterstützt seine Arbeit. Jetzt gibt es diesen Beschluss des Bundesgerichtshofs, den wir zur Kenntnis nehmen. Wie mit diesem Beschluss umzugehen ist und wie das weitere Vorgehen sein soll, haben allerdings ausschließlich die Mitglieder des Untersuchungsausschusses zu entscheiden.

Mittwoch, 23. November 2016

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 23. November 2016
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2016/11/2016-11-23-regpk.html;jsessionid=461A2D87B5B086D06C4963BDB95DBB4C.s7t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. November 2016

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