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PRESSEKONFERENZ/1384: Statements von Kanzlerin Merkel und dem ukrainischen Präsidenten Poroschenko, 30.01.2017 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz in Berlin - Montag, 30. Januar 2017
Pressestatements von Bundeskanzlerin Merkel und dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)


BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, ich begrüße den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko ganz herzlich. Ich möchte aber, bevor ich auf die ukrainische Situation eingehe, aus aktuellem Anlass etwas zum Thema Einreiseverbot durch die Vereinigten Staaten von Amerika für Bürgerinnen und Bürger bestimmter Länder sagen.

Der notwendige und auch entschiedene Kampf gegen den Terrorismus rechtfertigt in keiner Weise einen Generalverdacht gegen Menschen bestimmten Glaubens, in diesem Falle gegen Menschen muslimischen Glaubens oder Menschen einer bestimmten Herkunft. Das Vorgehen widerspricht nach meiner Auffassung dem Grundgedanken der internationalen Flüchtlingshilfe und der internationalen Kooperation.

Das Bundeskanzleramt setzt gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt alles daran, insbesondere für die betroffenen Doppelstaatler die rechtliche Lage zu klären und deren Interessen mit Nachdruck zu vertreten, das heißt, Rechtssicherheit zu bekommen. Wir sind über diese gesamte Fragestellung natürlich auch mit unseren europäischen Partnern im engen Gespräch.

Jetzt komme ich zu dem Besuch des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko. Ich freue mich, ihn wieder in Berlin begrüßen zu können. Der Zeitpunkt zeigt auch: Wir haben vor 25 Jahren diplomatische Beziehungen aufgenommen, und in diesen Jahren ist zwischen unseren Ländern eine enge Freundschaft entstanden. Diese Freundschaft - das will ich ausdrücklich sagen - hat sich gerade in den letzten zwei oder zweieinhalb Jahren auch sehr bewährt. Wir wollen diese vertrauensvolle Zusammenarbeit weiter ausbauen und der Ukraine umfassend mit Rat und Tat weiter zur Seite stehen.

Ich möchte ausdrücklich die Reformen, die in der Ukraine durchgeführt wurden, begrüßen. Es ist ein schwieriges IWF-Programm zu meistern. Die Ukraine hat bisher alle Meilensteine erfüllt. Wir unterstützen diese Schritte der ökonomischen Umordnung und der Umordnung des gesamten Staates natürlich durch deutsche Beratung, und wir werden heute natürlich auch über die wirtschaftliche Lage in der Ukraine sprechen.

Wir freuen uns, dass die Ukraine nach einer wirklich schweren Zeit und harten Reform jetzt wieder Wirtschaftswachstum zu verzeichnen hat. Wir wissen, dass 1200 Unternehmen in der Ukraine mit deutscher Kapitalbeteiligung tätig sind. Wir haben eine Außenhandelskammer gegründet, und unsere Exporte in die Ukraine sind in den ersten drei Quartalen des Jahres 2016 um fast 17 Prozent gestiegen.

Wir werden heute natürlich auch über die Fragen sprechen, in denen wir sonst noch zusammenarbeiten. Hier geht es natürlich vor allen Dingen um die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen. Wir haben in den letzten Stunden wieder erfahren, dass der Waffenstillstand nicht existiert und dass es gefallene Soldaten zu beklagen gibt. Deshalb muss ich sagen, dass die Sicherheitslage an der Kontaktlinie besorgniserregend ist. In diesem Konflikt sind nach Angaben der Vereinten Nationen bisher über 10 Menschen ums Leben gekommen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir alles tun, um auf der Grundlage, die wir haben - und das ist das Minsker Abkommen - voranzukommen, auch wenn sich das als sehr schwierig erweist. Wir glauben, dass das Normandie-Format gemeinsam mit Frankreich der richtige Weg ist, um trotz vieler Widerstände weiter am Thema Frieden in der Ukraine, einer stabilen politischen Situation und der territorialen Integrität der Ukraine zu arbeiten, und dass das nur durch diesen Prozess zu schaffen ist - auch wenn der Weg mühsam ist.

Darüber werden wir heute sprechen, und wir werden im Anschluss, da beim Anschlag auf dem Breitscheidplatz auch ein ukrainisches Opfer zu beklagen war, gemeinsam zum Breitscheidplatz fahren und dort der Opfer gedenken.

Herzlich willkommen, Petro Poroschenko!

P Poroschenko: Vielen Dank, sehr verehrte Frau Bundeskanzlerin! Verehrte Journalisten, meine Damen und Herren! Ich möchte mich zuerst bei der Frau Bundeskanzlerin für diese freundliche Einladung nach Berlin und für ihre traditionelle Gastfreundschaft bedanken. Ich freue mich außerordentlich, dass die Dynamik unserer zwischenstaatlichen Beziehungen auf der höchsten Ebene sehr gut ist. Es ist mein zehnter Besuch in Berlin und unser zehntes Treffen.

Wir sind Deutschland sehr dankbar. Deutschland ist eine führende Macht in der EU, und wir bedanken uns für die standhafte Position, für die Unterstützung unserer Souveränität und unserer territorialen Integrität, für die Position hinsichtlich der Unterstützung im Normandie-Format und für den deutschen Beitrag bei der Unterzeichnung des Abkommens von Minsk. Ich möchte noch einmal unterstreichen: Die Ukraine steht hinter den Minsker Vereinbarung. Ich sage noch einmal: Es gibt keine Alternative zur Umsetzung der Vereinbarungen von Minsk.

Wie die Frau Bundeskanzlerin schon gesagt hat, ist es symbolisch, dass unser Treffen heute stattfindet, denn wir feiern heute den 25. Jahrestag der diplomatischen Beziehungen zwischen der souveränen Ukraine und Deutschland. Ich möchte das noch einmal unterstreichen: In dieser Zeit ist unsere Partnerschaft auf ein sehr hohes Niveau des Vertrauens gelangt. Jetzt ist es sehr wichtig, und wir bestehen auch darauf: Wir brauchen ein starkes Deutschland, ein Deutschland, das als Kraft fungiert und Europa vereint, weil Europa jetzt auch vor vielen Herausforderungen steht, aber Europa vereint bleiben sollte. Wenn man mich fragt, was wir von der Europäischen Union vor allem erwarten, ist meine Antwort immer sehr einfach: Wir brauchen Einigkeit in der EU, und wir brauchen eine EU, die uns zur Seite steht, die mit uns solidarisch ist. Die Frage ist, ob die Europäische Union heute auf der Basis des internationalen Rechts und der demokratischen Werte zusammenhalten kann, sich konsolidieren kann.

Was das Minsker Abkommen und die Situation im Osten der Ukraine angeht, möchte ich Sie informieren, dass gestern fünf ukrainische Soldaten gestorben sind. Zwölf Soldaten wurden verwundet. Heute früh gaben noch zwei Soldaten ihr Leben für die territoriale Integrität der Ukraine, und noch einmal fünf wurden verwundet. Das war Artilleriefeuer, Artilleriebeschuss. Das waren Waffen, die durch die russischen Kämpfer in den Wohngebieten in Donezk und Jassynuwata installiert wurden, damit die ukrainischen Truppen gar keine Möglichkeit haben, zurückzuschießen. Das sind barbarische Kriegsführungsmethoden. Wir haben sofort die OSZE zurate gezogen und informiert. Ich möchte unterstreichen, dass die russische Seite nicht reagiert hat, weder auf unsere Anfragen noch auf Anfragen seitens der OSZE.

Wir sind uns sicher, dass wir heute vereinte und sehr entschiedene Handlungen brauchen, um die russische Seite zu motivieren, sich an den Verhandlungstisch zu setzen, um das Minsker Abkommen im vollen Umfang zu implementieren, vor allem die Sicherheitskomponente dieses Abkommens, damit das Töten aufhört und damit die Zivilpersonen nicht mehr sterben, auch nicht im Donbass. Das ist nicht zulässig.

Wir müssen unsere Handlungen koordinieren, was heute sehr wichtig ist. Wir werden heute die Roadmap zur Umsetzung von Minsk besprechen, die wir in Berlin während des Normandie-Gipfels festgelegt haben. Ich möchte unseren deutschen und französischen Kollegen nochmals für ihre standhafte und prinzipielle Position sowie für die Unterstützung der Ukraine danken. Ich hoffe, dass wir bestimmte Argumente oder genügend Argumente finden werden, damit sich Russland wieder an den Verhandlungstisch begibt und es endlich mit der Implementierung des Minsker Abkommens vorangeht. Wenn dies nicht der Fall sein wird, dann müssen die Sanktionen, so denken wir, nicht nur aufrechterhalten, sondern womöglich auch verstärkt werden, also: Druck auf die Russische Föderation. Ich bin Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, sehr dankbar für Ihre prinzipielle Position in dieser Frage.

Vor diesem Treffen hatte ich ein Treffen mit Vertretern der deutschen Wirtschaft und deutscher Unternehmen. Zahlreiche davon sind jetzt in der Ukraine aktiv. Für mich war es sehr angenehm zu hören, dass sie es so bewerten, dass sich das Investitionsklima entschieden verbessert hat. Der Umfang unserer Kooperation und der direkten deutschen Investitionen in die ukrainische Wirtschaft wächst stetig. Deutsche Exporte, ukrainische Importe - wie Frau Bundeskanzlerin schon gesagt hat, ist das um fast 20 Prozent gewachsen. Das kompensiert für die deutsche Wirtschaft, so hoffe ich, einige Verluste, die mit den Sanktionen vielleicht verbunden sind. Ich konstatiere mit Freude, dass sich die deutschen Unternehmen in der Ukraine wohlfühlen.

Ich denke, wir sollten auch darüber sprechen, wie man dem hybriden Krieg widersteht, dieser hybriden Propaganda des Kremls, die sowohl der Ukraine als auch Deutschland schadet und auch gegen andere Staaten gerichtet ist.

Ich werde die Bundeskanzlerin über die positiven Prozesse bei der makroökonomischen Stabilisierung informieren. Wir werden auch über eine schnellstmögliche Realisierung unserer Abkommen mit der EU sprechen, also über die endgültige Ratifizierung des Assoziierungsabkommen, über die Visafreiheit und auch über die volkswirtschaftlichen, makroökonomischen Hilfen, die vereinbart wurden, sowie über andere Abkommen, die zurzeit zwischen der EU und der Ukraine sowie zwischen Deutschland und der Ukraine bestehen.

Ich hoffe, dass wir auch in der Frage der Energie unterstützt werden. Wir versuchen, zusammen bestimmte Beschlüsse zu finden, was Nord Stream 2 angeht. Ich denke, dass uns unsere Partnerschaft in dieser Frage vielversprechend ist. Deutschland ist einer der wichtigsten Handelspartner für die Ukraine in der ganzen Welt. Wir wollen eine Reihe von Projekten in der Investitionsbranche starten. Wir warten auf die deutschen Investoren. Wir haben jetzt umfangreiche Privatisierungsprozesse, bei denen wir uns ebenfalls Hilfe erhoffen.

Ich lade Frau Bundeskanzlerin in die Ukraine ein, sobald es für sie möglich ist, und bedanke mich nochmals für ihre Gastfreundschaft.

Montag, 30. Januar 2017

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 30. Januar 2017
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2017/01/2017-01-30-statement-merkel-poroschenko.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Januar 2017

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