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PRESSEKONFERENZ/1435: Regierungspressekonferenz vom 7. April 2017 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 7. April 2017
Regierungspressekonferenz vom 7. April 2017

Themen: Massaker mit chemischen Waffen in Chan Scheichun und darauf folgender US-Luftschlag, Termine der Bundeskanzlerin (Gespräch mit den Vorsitzenden von OECD, IWF, Weltbank, WTO und ILO, Sitzung des Bundeskabinetts, Sitzung des Kabinettsausschusses "Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union", Besuch des Unternehmens Viessmann), Formulierungshilfen zum Thema NPD-Finanzierung, Internetvideo des IS zur Durchführung von Messerattacken, Fall Deniz Yücels und weiterer fünf in der Türkei inhaftierter Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit, Gesetzespaket zur besseren Überprüfung vom Gesundheitszustand von Piloten, Pflegeberufegesetz, drohender Staatsbankrott in Venezuela, Hacking-Aktivitäten des US-Geheimdienstes CIA

Sprecher: StS Seibert, Nannt (BMVg), Fischer (AA), Baron (BMWi), Plate (BMI), Scholz (BMJV), Strater (BMVI), Kempe (BMFSFJ), Kalwey (BMF)


Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Meine Damen und Herren, guten Tag! Sie wissen, dass die Bundeskanzlerin und der französische Präsident heute Vormittag telefoniert haben und danach eine gemeinsame Erklärung zu den Ereignissen in Syrien abgegeben haben.

Nach dem Chemiewaffenmassaker an der Zivilbevölkerung von Chan Scheichun und den US-Luftschlägen heute Nacht sind sich die Bundeskanzlerin und der französische Präsident darüber einig, dass Präsident Assad die alleinige Verantwortung für diese Entwicklung trägt. Deutschland und Frankreich werden nun ihre Bemühungen fortsetzen, gemeinsam mit ihren Partnern und im Rahmen der Uno den kriegsverbrecherischen Einsatz von international geächteten chemischen Waffen zu sanktionieren und Präsident Assad für seine Taten zur Rechenschaft zu ziehen.

Unser Appell an die internationale Staatengemeinschaft ist heute mehr denn je: Setzen wir uns geschlossen gemäß der UN-Resolution 2254 und gemäß dem Genfer Kommuniqué für einen politischen Übergang in Syrien und für eine demokratische Beendigung des Assad-Regimes ein!

Ich kann noch hinzufügen, dass die Bundeskanzlerin außer mit dem französischen Präsidenten heute Morgen natürlich auch bereits mit Außenminister Gabriel, mit dem SPD-Vorsitzenden Martin Schulz und gerade eben auch noch mit Ministerpräsident Gentiloni aus Italien gesprochen hat.

Frage : Ich hätte erwartet, dass Sie vielleicht auch über ein Telefonat mit dem US-Präsidenten berichten können. Der hat ja offenbar Russland über seine Pläne für diesen Schlag vorinformiert. Gab es in irgendeiner Weise so etwas wie eine Vorinformation, einen Hinweis der US-Regierung an die deutsche Regierung, dass so etwas bevorsteht?

Zu meiner zweiten Frage: Nachdem wir noch bei der letzten Regierungspressekonferenz von der Regierung gehört haben, dass sie sich auf Basis der gegenwärtigen Erkenntnislage jedenfalls nicht traut, die Verantwortung für diese Giftgasattacke eindeutig bei der syrischen Regierung zu verorten, muss die deutsche Regierung sich nicht Sorgen machen, dass künftig allein das Urteil eines Mannes im Weißen Haus ausreichen kann, um solche Schläge durchzuführen, wenn es ihm gemäß erscheint? Ich habe zum Beispiel nur die Androhung im Kopf, in Sachen Nordkorea alleine zuzuschlagen. Ist dieses Risiko damit nicht gestiegen?

StS Seibert: Eine Menge Fragen auf einmal! Was die Information betrifft, kann ich Ihnen sagen, dass die US-Regierung das Kanzleramt und die Verteidigungsministerin in der Nacht informiert hat. Die Bundeskanzlerin selbst ist heute Nacht von der Verteidigungsministerin und von ihrem sicherheitspolitischen Berater zeitnah über die Ereignisse informiert worden. Über weitere Informationsketten kann sicherlich auch der Sprecher des Verteidigungsministeriums Auskunft geben.

Zusatzfrage : War das vor oder nach der Attacke?

Nannt: Die Verteidigungsministerin wurde durch ihren amerikanischen Amtskollegen James Mattis kurz vorher vorab über den Luftschlag informiert.

Fischer: Es ist ja so, dass das syrische Regime bereits in der Vergangenheit Chemiewaffen eingesetzt hat. Dafür gibt es von unabhängiger Stelle vielfältige Beweise. So schreibt der Joint Investigative Mechanism der Organisation für das Verbot chemischer Waffen, OVCW, und der Vereinten Nationen in einem Bericht vom Herbst 2016 dem Regime die Verantwortung für mehrere Chemiewaffeneinsätze zu.

Vor diesem Hintergrund, vor dem Hintergrund der Erkenntnisse unserer Partner in den USA, in Frankreich und in der Türkei, aber auch durch Berichte, die wir von unseren Kontakten vor Ort in der Region erhalten haben, erscheint es sehr, sehr plausibel, dass die Verantwortung für diesen brutalen und menschenverachtenden Chemiewaffenangriff auf Chan Scheichun bei dem Assad-Regime liegt.

StS Seibert: Dennoch, wenn ich das hinzufügen darf - natürlich in völliger Übereinstimmung mit dem Auswärtigen Amt -, ist es unsere Überzeugung, dass eine Untersuchung der UN über die Verantwortung möglichst sofort durchgeführt werden sollte und dass das eine Untersuchung sein muss, die keinerlei Bedingungen unterliegt, die das Regime in Damaskus stellt, und die auch nicht zeitlich verzögert werden darf.

Fischer: Vielleicht ganz kurz zur Ergänzung: Die OVCW ist auch schon aktiv geworden. Es wird in den nächsten Tagen eine Sondersitzung geben. Ein Team der OVCW befindet sich bereits in der Türkei, um Untersuchungen anzustellen. Sie wissen, dass einige der Verletzten in die Türkei gebracht worden sind. Von türkischer Seite hat es dort Untersuchungen gegeben, die nach allem, was uns die türkische Seite berichtet, die Erkenntnis gebracht hat, dass tatsächlich ein Nervengas eingesetzt worden ist. Wir begrüßen es sehr, dass die OVCW jetzt auch mit einem eigenen Team zumindest schon einmal in der Türkei ist, und hoffen, dass sie auch bald Zugang zum Ort dieses furchtbaren Angriffs bekommen wird.

Zusatzfrage : Ich wiederhole die Frage noch einmal: Machen Sie sich angesichts dieses doch einseitigen Schrittes Sorgen, dass die US-Regierung auf künftigen Konfliktfeldern ebenso einseitig und ohne Einbeziehung der Partner nach eigenem Gutdünken entscheidet, wo sie zuschlägt oder nicht?

Fischer: Dieser Einsatz hat ja eine lange Vorgeschichte; das hat der Minister ja auch heute Morgen in seiner Erklärung betont. Chemiewaffen sind international geächtete Waffen. Dieses Regime hat Chemiewaffen schon 2013 eingesetzt, hat sich dann dazu verpflichtet, alle seine Chemiewaffen an die internationale Gemeinschaft zu übergeben, und schon damals, vor vier Jahren, hat der Sicherheitsrat in seiner Resolution 2118 von 2013 ausdrücklich angekündigt, die Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung der Beseitigung der syrischen Chemiewaffen zu autorisieren, wenn es zu weiteren Einsätzen von Chemiewaffen in Syrien kommt.

Der Sicherheitsrat war blockiert, und in dieser Situation haben die Vereinigten Staaten mit einem Angriff gegen die militärischen Strukturen des Assad-Regimes reagiert, von denen dieses grausame Kriegsverbrechen ausging. Das war auch in den Worten unseres Außenministers nachvollziehbar.

Insofern gibt es da momentan keine Vergleichbarkeit, weil wir in Sachen Nordkorea innerhalb der internationalen Gemeinschaft auf diplomatischem Wege arbeiten, und wir sind uns ja auch sehr einig, wie wir damit umgehen, nämlich zum Beispiel mit sehr strikten und sehr harten internationalen Sanktionen.

Frage : Herr Seibert, Herr Fischer, auch wenn Sie es für nachvollziehbar halten: Halten Sie es denn für richtig? Hätte die Bundesregierung zu genau diesem Schritt geraten?

Ist dieser Luftangriff aus Ihrer Sicht vom Völkerrecht gedeckt?

Fischer: Ich glaube, das, was sowohl die Bundeskanzlerin, der französische Präsident als aber auch der Außenminister gesagt haben, steht für sich. Wenn wir glauben, dass der Angriff nachvollziehbar war und dass Assad letztlich die Verantwortung dafür trägt, dann beantwortet das, glaube ich, Ihre erste Frage.

Ich glaube, bei Chemiewaffen muss man einfach sehen, dass der Einsatz von Chemiewaffen seit Langem durch die Völkergemeinschaft geächtet ist und der Einsatz von Chemiewaffen ein eklatanter und brutaler Verstoß gegen das Völkerrecht ist. Chemiewaffen gehören zu den furchtbarsten Waffen, die die Menschheit kennt und deren Einsatz deshalb völkerrechtlich zu Recht verboten ist.

Wie schon dargestellt, gibt es ja eine lange Vorgeschichte des Einsatzes von Chemiewaffen durch das Assad-Regime. Das war nicht der erste Einsatz von Chemiewaffen, der sich wahllos gegen wehrlose Menschen in Syrien, gegen Männer, Frauen und Kinder, gerichtet hat. Schon vor vier Jahren war die internationale Gemeinschaft knapp vor einer Intervention, die Syrien nur durch seinen sehr eiligen Beitritt zum Chemiewaffenübereinkommen und seine Bereitschaft zum Abbau der Chemiewaffenvorräte abgewendet hat.

Wir müssen heute davon ausgehen, dass das Assad-Regime die Weltöffentlichkeit sehr bewusst getäuscht hat und nicht alle Chemiewaffen vernichtet worden sind. Das ist für sich genommen allein schon ein schwerer Bruch völkerrechtlicher Verpflichtungen und von Resolutionen des Weltsicherheitsrats.

Wie gesagt: Bereits vor vier Jahren, also 2013, hat der Sicherheitsrat in der Resolution 2118 ausdrücklich angekündigt, die Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung der Beseitigung der syrischen Chemiewaffen zu autoririsieren, wenn es zu einem nochmaligen Einsatz dieser Chemiewaffen in Syrien kommt. Mit dieser Umsetzung ist der Sicherheitsrat, wie wir alle gesehen haben, gescheitert. Wie der Außenminister sagt, war es kaum erträglich, mit ansehen zu müssen, dass der Weltsicherheitsrat nicht in der Lage war, klar und eindeutig auf den barbarischen Einsatz dieser chemischen Waffen gegen unschuldige Menschen in Syrien zu reagieren. Es kann also letztlich niemand sagen, dass keine anderen Wege gesucht worden sind oder gesucht worden wären, um den Einsatz chemischer Waffen zu verhindern oder zu beenden. Insofern halten wir den Einsatz gegen die militärischen Strukturen des Assad-Regimes, von dem dieser wirklich grausame Angriff ausgegangen ist, für nachvollziehbar.

Zusatzfrage : Vielleicht noch einmal: Herr Seibert, hätte die Bundesregierung das genauso gemacht? Oder hat sie Trump ermutigt, ohne weitere Unterstützung anderer internationaler Partner alleine loszuschlagen?

StS Seibert: Ich kann mich Herrn Fischer und dem Auswärtigen Amt wirklich nur anschließen. Die Bundesregierung insgesamt empfindet es als zutiefst bedauerlich, dass es nicht möglich gewesen ist, eine Resolution des UN-Sicherheitsrats in der Sache dieser entsetzlichen Angriffe auf Chan Scheichun zu verabschieden. Die Kanzlerin sprach gestern von einer Schande, dass eine solche Resolution blockiert worden ist.

Wer so gegen sein eigenes Volk vorgeht, wer Chemiewaffen - eines der wirklich denkbar schlimmsten Kriegsverbrechen - einsetzt, und zwar mehrfach und immer wieder, den kann man nicht einfach gewähren lassen. Gleichzeitig bleibt es richtig, dass man jetzt alle Kraft in einen politischen Prozess legt, an dessen Ende ein anderes, ein stabiles Syrien steht, in dem alle Bürger repräsentiert sind und in dem auch die Menschenrechte aller syrischen Bürger gewährleistet sind. Das ist das, was ich dazu zu sagen habe.

Man darf nie vergessen, dass es sich um ein wirklich schweres, abscheuliches Kriegsverbrechen handelt, um einen begrenzten und gezielten amerikanischen Luftschlag und dass der natürlich vorzuziehende Versuch, dieses mit anderen Mitteln zu beenden oder für die Zukunft zu verhindern, auch wegen der Blockade in der UN bisher nicht fruchten konnte.

Frage : Herr Seibert, Sie sagen, dass die Kanzlerin sich mit Herrn Hollande einig ist, dass das Assad war.

Herr Fischer, Sie sagen, Sie glauben, dass Assad die Verantwortung trägt. Ich verstehe das so, dass Sie es nicht wissen, geschweige denn eindeutig zweifelsfrei und eindeutig wissen. Sie wünschen sich eine unabhängige Untersuchung, die jetzt stattfinden soll, aber die Reaktion hat auf diesen Angriff, der auch auf völkerrechtsfragwürdigen Beinen steht, hat es schon gegeben. Warum haben Sie nicht erst das Ergebnis einer unabhängigen Untersuchung abgewartet, bevor Sie sich auf die Seite von Herrn Trump stellen?

Fischer: Ich hatte dazu anders ausgeführt, als Sie das hier darlegen. Ich glaube, ich habe gesagt: Wir kennen alle die Bilder von vor Ort, die wir zum großen Teil für authentisch halten. Es gibt Informationen von unseren Partnern zum Beispiel aus den USA, aus Frankreich, aber eben auch aus der Türkei. Und wir kennen eigene Berichte von Kontakten, die wir vor Ort haben, die es alles sehr plausibel machen, dass die Verantwortung für diesen Angriff beim Assad-Regime liegt. Das hat nichts mit glauben zu tun, das hat etwas mit Plausibilität zu tun. Wie gesagt, für uns ist es sehr plausibel, dass es so gewesen ist.

Darüber hinaus ist es, wie Herr Seibert gesagt hat, natürlich wichtig, diesen Angriff mit den Mitteln der Vereinten Nationen vollständig aufzuklären, die sozusagen das, von dem wir glauben, dass es so ist, noch einmal von anderer Seite bestätigen. Aber wie es so ist: Bestimmte Dinge brauchen ein wenig mehr Zeit. Dieser Angriff hat stattgefunden, hat vielen Menschen das Leben gekostet. Hier gilt es auch, einem Tabu, das die internationale Gemeinschaft aufgestellt hat, nämlich dass der Einsatz von Chemiewaffen überhaupt jeden Staat außerhalb der Völkergemeinschaft stellt, wieder zu seinem Recht zu verhelfen. Denn es kann ja durchaus sein, dass eine Nichtreaktion und die Blockade des Sicherheitsrats dazu führen, dass erneut Chemiewaffen eingesetzt werden. Dieses Risiko ist, glaube ich, etwas, was man auch in die Betrachtung einbeziehen muss.

Zusatzfrage : Herr Nannt, waren die Bundeswehrtornados in irgendeiner Weise an diesem Angriff durch Aufklärungsarbeit oder Luftbetankung der amerikanischen Bomber beteiligt?

Herr Seibert, Deutschland hat in den letzten Jahren über 100 Tonnen an Chemikalien an das Assad-Regime geliefert. Hat die Bundesregierung Hinweise darauf, dass diese Chemikalien bei dem Giftgasangriff eingesetzt wurden?

StS Seibert: Ich bin wirklich kein Militärexperte, aber so viel weiß ich, dass nach allen Berichten keine amerikanischen Bomber im Einsatz waren, sondern die Marschflugkörper von Schiffen aus geschossen wurden. Daher erübrigt sich die Frage der Luftbetankung.

Ansonsten übernimmt jetzt sicherlich Oberst Nannt.

Nannt: Die Bundeswehr war an dem Luftschlag nicht beteiligt.

Vorsitzender Mayntz: Die Frage nach den Chemikalien?

Fischer: Es gibt keine Hinweise darauf, dass irgendeine Art von Chemikalie, die dort möglicherweise zum Einsatz gekommen ist, aus Deutschland stammen könnte - zumindest liegen mir dazu keine Hinweise vor.

Frage : Herr Nannt, eine Frage zur Information der Verteidigungsministerin. Was heißt, dass Sie kurz zuvor informiert wurde? Können Sie das bitte zeitlich präziser fassen? Ich will das gerne wissen, weil die französische Regierung vorher informiert worden ist. Wann wurde die Verteidigungsministerin informiert und wann hat sie die Kanzlerin informiert?

Ich hätte gerne gewusst, ob die Verteidigungsministerin, die vielleicht einen anderen Blick auf die Lage hat, diesen Angriff auch für nachvollziehbar hält, so wie es der Außenminister sieht.

StS Seibert: Wie es auch die Bundesregierung insgesamt sieht. Ich habe das auch versucht auszudrücken.

Zusatz : Mir war das bisher nicht so klar. Danke!

Nannt: "Kurz vorher" kann ich nicht genauer präzisieren, aber es war wirklich kurz vorher.

Die Einlassung der Ministerin haben wir gerade eben verschickt, aber ich kann die Einlassung der Ministerin auch vorlesen:

"Heute Nacht hat mich mein Kollege James Mattis über den Luftschlag auf eine syrische Luftwaffenbasis informiert. Wir dürfen nicht vergessen, dass Assad seit sieben Jahren gegen seine Bevölkerung Krieg führt, dem 400 000 Menschen zum Opfer gefallen sind und der 12 Millionen Menschen in die Flucht getrieben hat.

Bereits 2013 haben die VN eindeutig festgestellt, dass Assad Chemiewaffen gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt hat. Es kann nicht sein, dass in Idlib wieder Chemiewaffen eingesetzt wurden und die Welt nur zuschaut. Assad trägt für sein Handeln die volle Verantwortung. Der Einsatz von Chemiewaffen muss nicht nur geächtet sein, sondern muss auch Konsequenzen haben. Die VN müssen hier Handlungsfähigkeit zeigen. Zugleich ist wichtig, dass der politische Prozess in Genf weiter geht und alle auf eine Zukunft Syriens ohne Assad hinarbeiten."

Frage: Herr Fischer, Herr Seibert, gehen Sie davon aus oder rechnen Sie damit, dass es zu weiteren Militäraktionen beziehungsweise Aktionen der amerikanischen Regierung kommen könnte, die im direkten Zusammenhang mit dem Giftgasangriff stehen?

Ist eine Bitte an die deutsche Regierung herangetragen worden, sich in irgendeiner Form daran zu beteiligen und sei es bei der Hilfe zur Einrichtung von Flucht- und Hilfskorridoren?

Fischer: Wenn ich anfangen darf: Wir - das ist unser Stand jetzt um 11.50 Uhr - halten das für einen gezielten und begrenzten Angriff. Von daher ist das alles, worüber wir mit unseren Partnern gesprochen haben. Die Kolleginnen und Kollegen in unserer Vertretung in Washington waren die ganze Nacht über in Kontakt mit ihren amerikanischen Partnern. Der Eindruck, der uns übermittelt wurde, ist, dass es sich hier um einen gezielten und begrenzten Einsatz handelt.

Was Hilfe angeht, so sind wir nach meiner Information nicht um Hilfe im militärischen Bereich gebeten worden. Hierzu - das wissen Sie - würde es ja auch eines Mandats des Deutschen Bundestags bedürfen. Aber natürlich sind wir mit unseren amerikanischen Partnern, aber auch mit allen anderen Partnern immer im Gespräch darüber, wie sich die Situation in Syrien zum Besseren wenden lässt. Deswegen unterstützen wir ja auch den politischen Prozess der Vereinten Nationen, der darauf hinzielt, zum Beispiel eine Übergangsregierung zu bilden, der darauf hinzielt, freie Wahlen zu ermöglichen, der darauf hinzielt, jetzt erst einmal einen Waffenstillstand zu ermöglichen. Daran arbeiten wir natürlich mit ganzer Kraft.

Wir arbeiten auch an anderen Ecken und Enden. Das ist zum Beispiel der humanitäre Bereich, wo Deutschland, wie eigentlich kaum ein anderes Land, dafür Sorge trägt, dass die syrischen Flüchtlinge in den Nachbarländern versorgt werden, aber eben auch die Syrerinnen und Syrer, die noch in Syrien geblieben sind, mit humanitärer Hilfe versorgt werden, dass dort zum Beispiel in den Gebieten in Nordsyrien eine rudimentäre Krankenversorgung aufgebaut werden kann. Dazu - Sie werden sich erinnern - gab es Anfang dieser Woche eine große Syrienkonferenz in Brüssel, wo der Außenminister namens der Bundesregierung noch einmal knapp 1,2 Milliarden Euro an zusätzlichen Mitteln für humanitäre Hilfe, Stabilisierung, Bildung und Ausbildung der Syrerinnen und Syrer in der Region, aber eben auch in Syrien zugesagt hat. Wir arbeiten auf ganz vielen Ebenen - im Rahmen des politischen Prozesses, des humanitären Prozesses -, sodass sich Ihre Frage in diesem Sinne auch beantwortet.

Frage: Herr Seibert, Russland hat auf diesen Anschlag kritisch reagiert. Sucht die Bundeskanzlerin das Gespräch mit Herrn Putin?

Herr Nannt, ich wollte mich noch einmal vergewissern: Deutschland ist von amerikanischer Seite nicht um Beteiligung oder Hilfe gebeten worden?

Nannt: Ich kann anfangen: Ja, ich kann es noch einmal bestätigen: Die Bundeswehr war daran nicht beteiligt. Wie Sie wissen, haben wir dort ein ganz klares Mandat, und das ist der Kampf gegen den IS. Der IS - es gibt Aufklärungsbilder - ist nicht in dieser Region eingesetzt. Es gab also keine Beteiligung der Bundeswehr.

StS Seibert: Die russische Kritik ist ja nicht überraschend, wenn man weiß, dass Russland sehr eng an der Seite von Präsident Assad steht. Ich werde Sie informieren, wenn die Bundeskanzlerin das nächste Mal mit Präsident Putin spricht.

Frage: Herr Nannt, als Reaktion auf den US-Schlag hat Russland das Memorandum ausgesetzt, mit dem Zusammenstöße im syrischen Luftraum vermieden werden sollen. Was bedeutet das für den Einsatz der Tornados?

Nannt: Ich kann derzeit keine neue Qualität erkennen. Sie wissen, dass der Einsatz in Syrien insgesamt gefährlich ist - das haben wir auch immer so kommuniziert -, und das gilt unverändert.

Frage: Herr Fischer, können Sie noch einmal präzisieren, was genau das für Hinweise sind, die Sie zu dieser Plausibilitätsvermutung führen? Sind das Zeugenaussagen, Satellitenbilder, Geheimdiensterkenntnisse?

Fischer: Ich glaube, ich habe relativ genau erläutert, was die Quellen gewesen sind. Was zum Beispiel die Kontakte vor Ort angeht, die wir haben, macht es wahrscheinlich wenig Sinn, darüber öffentlich zu sprechen, damit diese Kontakte nicht gefährdet werden. Sie können aber davon ausgehen, dass natürlich die Kolleginnen und Kollegen bei uns im Haus, die sich mit Syrien beschäftigen, trotz Abwesenheit einer deutschen Botschaft in Syrien über ein Kontaktnetzwerk in bestimmten Bereichen verfügen. Dazu gehören die von der Opposition gehaltenen Bereiche.

Wir sind dort im Rahmen der humanitären Hilfe aktiv und haben dort also Kontakte. Es gibt durchaus auch Kontaktpersonen von uns, die Zugang haben. Sie wissen, dass Verletzte in die Türkei gebracht worden sind. Die Türkei ist ein Partner im Rahmen der Nato und tauscht diese Informationen mit uns aus. Der Außenminister hat zum Beispiel gestern Abend mit seinem türkischen Amtskollegen zu Syrien telefoniert und hat ihm den türkischen Kenntnisstand weitergegeben. Von daher gibt es eine große Anzahl von verschiedenen Informationen und Quellen, die alle darauf hindeuten - und es damit sehr hoch plausibel machen -, dass dieser Angriff durch das Assad-Regime durchgeführt wurde.

Frage: Herr Fischer, es ändert aber nichts daran, dass Plausibilität doch immer noch eine fundamental andere Kategorie als Beweis ist, auch wenn sie sich verdichtet. Für wie plausibel halten Sie die Ausführungen von Herrn Lüders, einem Nahost- und Terrorismusexperten, der, glaube ich, auch mit Ihrem Haus im Kontakt steht, der vor zwei Tagen gesagt hat, es sei in den Diensten allgemein bekannt, dass die Giftgaseinsätze 2013 von Rebellen mit Sarin durchgeführt worden seien, das in der Türkei hergestellt und an sie geliefert worden sei? Können Sie bestätigen, dass diese Theorie in den Diensten kursiert? Kennen Sie sie und für wie plausibel halten sie die?

Zweite Frage: Welche Perspektive sehen Sie jetzt nach dem Schlag? Es gibt im Grunde zwei Szenarien: Das eine ist die Befürchtung, hier werde eine Eskalationsgewaltspirale in Gang gesetzt. Das andere besagt genau das Gegenteil, nämlich dass dadurch, dass man hier eine Grenze gezogen hat, Assad oder wer auch immer sich nicht trauen werde, diese Spirale in Gang zu setzen. Welche Theorie halten Sie für die wahrscheinlichere und richtigere?

Fischer: Ich kenne die Äußerungen von Herrn Lüders nicht, von daher kann ich die auch nicht bewerten. Ich kenne aber die Entscheidungen des Sicherheitsrats von 2013, die alle davon ausgehen, dass das syrische Regime diese Chemiewaffen eingesetzt hat - was ja auch dazu führte, dass die internationale Staatengemeinschaft einen so hohen Druck auf das Regime ausgeübt hat, dass es seine Chemiewaffenvorräte - zumindest den großen Teil der Chemiewaffenvorräte, wie wir jetzt leider feststellen mussten - noch nicht vollständig an die internationale Gemeinschaft zur Vernichtung übergeben hat.

Wir kennen hingegen keine Berichte, dass Sarin oder ähnliche Stoffe bislang von Rebellen eingesetzt worden sind. Die internationalen Mechanismen - OVCW und andere -, die ja auch in den letzten Jahren, nach dem Chemiewaffeneinsatz von 2013, noch weitere Untersuchungen durchgeführt haben, sind danach zu dem Schluss gekommen, dass das Assad-Regime noch einmal Chemiewaffen eingesetzt hat - allerdings andere; das war, glaube ich, Chlorgas - und dass der IS Chlorgas eingesetzt hat. Es gab bis jetzt aber keinen Hinweis, dass das von Rebellenorganisationen ausgegangen ist.

Wenn man sich also das Gesamtbild anschaut - der Sicherheitsrat hat sich damals im Konsens, also einschließlich Russlands und Chinas, entschieden und ist zu der Erkenntnis gekommen, dass damals dieser Einsatz durch das Regime durchgeführt worden, und hat schon damals dem Regime militärische Gewalt für den Fall angedroht, dass es zu weiteren Chemiewaffeneinsätzen kommt - und wenn man sich die Berichte der unabhängigen internationalen Organisationen anschaut, die Chemiewaffeneinsätzen in Syrien nachgegangen sind, dann spricht, glaube ich, vieles oder eigentlich alles dafür beziehungsweise ist über jeden Zweifel erhaben, dass es damals, 2013, das Regime war, das diese Chemiewaffen eingesetzt hat.

Zusatzfrage: Und die zweite Frage zum weiteren Szenario - Eskalation oder Deeskalation?

Fischer: Ich glaube, dieser gezielte Einsatz dient ja gerade dem Zweck, weitere Chemiewaffeneinsätze durch das Assad-Regime zu verhindern und damit dafür zu sorgen, dass es nicht wieder zu so grauenhaften und wirklich menschenverachtenden Verbrechen kommt. Trotzdem ist natürlich richtig, dass wir weiterhin mit aller Kraft daran arbeiten, dass es eine tatsächliche Waffenruhe gibt und dass wir zu einer politischen Lösung des Konflikts unter dem Dach der Vereinten Nationen kommen. Denn der Gesamtkonflikt - das ist ja auch klar - ist mit militärischen Mitteln nicht zu lösen; das haben nun die letzten sechs Jahre des syrischen Konflikts eindeutig genug gezeigt. Aber in dieser spezifischen Frage der Sanktionierung des Einsatzes von international geächteten Waffen mag es dazu beitragen, dass ein zukünftiger Einsatz solcher Waffen verhindert wird, und das ist der Grund, warum wir gesagt haben: Dieser Einsatz war nachvollziehbar.

Zusatzfrage: Russland war vorab informiert, hat aber nicht seine Raketenabwehr gegen die anfliegenden Tomahawks mobilisiert. Werten Sie das als Indiz dafür, dass Russland zumindest nicht in eine Eskalation eintreten will und sozusagen über die Pflichtproteste hinaus diese Aktion vielleicht sogar billigt?

Fischer: Die Bewertung will ich Ihnen überlassen, aber die Fakten, die Sie geschildert haben, sprechen ja für sich.

Vorsitzender Mayntz: Damit sind wir am Ende der ersten Fragegrunde angekommen und beenden deswegen auch die Phase, die für eine Liveübertragung eröffnet wurde. Ich bitte die Sender, entsprechend zu verfahren. - Wir kehren zu den gewöhnlichen Regeln der Bundespressekonferenz zurück.

Frage : Befürchten Sie jetzt eigentlich eine neuerliche Belastung der Beziehungen Deutschlands sowohl zu Russland als auch zu Iran? Daraus ergibt sich noch eine Folgefrage: Gibt es irgendwelche vorbeugenden Schritte, irgendwelche Initiativen, verstärkt mit Blick auf das, was da gestern passiert ist, das Gespräch mit diesen beiden Ländern zu suchen?

Zweitens an das Wirtschaftsministerium: Können Sie nachvollziehen, dass der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages heute Morgen schon zumindest gewarnt hat, dass, wenn sich im Verhältnis der beiden Großmächte Russland und USA etwas negativ verändert, dies dann letztlich auch wirtschaftliche Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft haben wird?

Fischer: Wir stehen ja auf den verschiedensten Kanälen mit unseren russischen Freunden, aber auch unseren iranischen Ansprechpartnern in Kontakt. Da spielt Syrien immer eine wichtige Rolle. Ich glaube, wichtig ist, dass wir uns weiterhin gemeinsam darauf verständigen, dass wir eine politische Lösung für diesen Konflikt im Rahmen der Vereinten Nationen suchen. Nach allem, was wir wissen, ist der nächste Schritt, den es im Rahmen dieser politischen Lösungssuche gibt, ein trilaterales Treffen zwischen Russland, Türkei, Iran und Teheran, das demnächst stattfinden soll, sowie ein erneutes Astana-Treffen unter Beteiligung der Konfliktparteien. Insofern gehen wir davon aus, dass der politische Prozess fortgesetzt wird, und wir unterstützen dies auch mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln, auch gegenüber Russland und Iran.

Baron: Wir haben diese Äußerungen zur Kenntnis genommen. Die deutsche Wirtschaft ist in robuster Verfassung, und das gilt auch weiterhin. Natürlich ist es so, dass internationale Krisenherde auch Unsicherheiten in der Weltwirtschaft hervorrufen, aber wir haben gerade ja auch wieder die aktuellen Zahlen veröffentlicht, und derzeit sehen wir da keine Auswirkungen. Das liegt eben vor allem daran, dass wir von einer starken Binnenkonjunktur und einem starken Konsum getragen sind.

Frage : Herr Seibert, ist die Bundesregierung, ist die Kanzlerin durch Herrn Trump vorab von seinen Plänen informiert worden? Es gab ja am Mittwoch ein Telefonat, in dem es nach bisheriger Mitteilung nur um Afghanistan und Ukraine ging, aber haben da - oder auch bei weiteren Kontakten - möglicherweise auch entsprechende Pläne eine Rolle gespielt?

Zweitens wüsste ich gerne, welche Rolle eigentlich der UN-Sicherheitsrat hat, wenn man eine Entscheidung - die ja auch eine Nichtentscheidung durch eine Blockade sein kann - dergestalt verarbeitet, dass man dann einfach militärisch losschlägt.

StS Seibert: Ich dachte, ich hätte die Antwort auf die erste Frage eigentlich schon gegeben: Die Bundeskanzlerin ist heute Nacht zeitnah zu den Ereignissen von der Verteidigungsministerin und vom außen- und sicherheitspolitischen Berater Heusgen informiert worden. Zuvor war die Verteidigungsministerin durch ihren amerikanischen Kollegen informiert worden. Das ist das, was ich Ihnen dazu sagen kann.

Zweitens. Wir können das hier nur wiederholen: Der UN-Sicherheitsrat sollte in der Lage sein, in solchen Fällen zu agieren, und es ist eine Schande, dass er blockiert wird. Aber die Blockade des UN-Sicherheitsrats kann doch für ein Regime, das wiederholt und nachweislich seine eigene Bevölkerung mit Chemiewaffen, mit Fass- und Streubomben angegriffen hat, nicht sozusagen gleichbedeutend mit ewiger Straflosigkeit sein.

Frage : Herr Gabriel hat vor zwei Wochen noch bei einer Veranstaltung betont, wie wichtig Deutschland das Völkerrecht ist, wie unersetzlich es für Deutschland ist. Können Sie uns hier jetzt noch einmal erklären - das hatten Sie vorhin nicht getan -, inwiefern dieser Angriff mit dem Völkerrecht vereinbar ist?

Herr Seibert, die Kanzlerin betont ja immer wieder, dass der Stärke des Rechts und nicht dem Recht des Stärkeren zur Geltung verholfen werden muss. Ist das immer noch die Haltung der Kanzlerin?

Fischer: Ich habe mich dazu vorhin ja schon geäußert und werde das, glaube ich, nicht wiederholen. Wenn es um die Einhaltung des Völkerrechts geht, ist aber doch klar, dass es in diesem Fall zunächst einmal um die Einhaltung des Verbots von chemischen Waffen durch das syrische Regime geht.

Zusatzfrage : Dass der Gegner das Völkerrecht gebrochen hat, ist mir völlig klar. Mir geht es jetzt um die Aktion Ihrer Verbündeten, die Sie als nachvollziehbar bezeichnen; es geht also um den Akt der Amerikaner. Können Sie bitte erklären, wie das aus Ihrer Sicht mit dem Völkerrecht vereinbar ist? Es geht mir jetzt nicht um den Einsatz der Chemiewaffen.

Fischer: Das habe ich vorhin schon auf die Frage einer Ihrer Kolleginnen hin erläutert.

Zusatz : Nö, das haben Sie nicht.

Fischer: Doch, -

Zusatz : Nein!

Fischer: - und darüber hinaus habe ich Ihnen hier auch nichts mitzuteilen.

Zusatzfrage : KÖNNEN Sie uns das bitte erklären?

Fischer: Sie kennen meine Antwort. Ich habe Ihnen erläutert - -

Zusatz : Es gab keine Antwort, Herr Fischer.

Fischer: Doch. Im Ergebnis sind wir dazu gekommen, dass der amerikanische Luftschlag gegen eine Luftwaffenbasis, von der dieser völkerrechtswidrige Angriff mit Chemiewaffen geflogen worden ist, nachvollziehbar ist.

Zusatzfrage : Es geht um die Völkerrechtsfrage.

Fischer: Das ist das, was ich Ihnen dazu zum jetzigen Zeitpunkt sagen kann. Sie wissen, dass wir uns noch in einem sehr frühen Stadium befinden, in dem man das erörtern kann. Auch liegen uns noch nicht alle Informationen unserer amerikanischen Partner vor. Es gibt die Äußerungen des amerikanischen Präsidenten, die wir zur Kenntnis genommen haben und die analysiert werden. Es gibt über unsere Kontakte natürlich Erkenntnisse. Bislang liegt uns noch kein vollständiges Bild vor, aber das Bild, das wir haben, ist ja eines, das sehr klar die Verantwortung des syrischen Regimes für die Verbrechen, die dort stattgefunden haben, darlegt.

Vor diesem Hintergrund ist die Bundesregierung zu dem Schluss gekommen, dass das, was unsere amerikanischen Partner dort gestern Nacht gemacht haben - nämlich eine Luftwaffenbasis anzugreifen, von der aus völkerrechtswidrige Angriffe gegen die syrische Zivilbevölkerung geflogen worden sind -, nachvollziehbar ist.

Zusatzfrage : Herr Seibert?

StS Seibert: Ich habe dem, was Herr Fischer gerade für das Auswärtige Amt und für die Bundesregierung gesagt hat, nichts hinzuzufügen.

Frage : An Herrn Nannt und Herrn Fischer: Nach dem Angriff auf einen Gebäudekomplex am 20. März - bei Rakka war es, glaube ich; wir haben hier auch schon darüber gesprochen -, an dem auch Tornados indirekt beteiligt waren, war die Bundesregierung tagelang nicht in der Lage, uns über mögliche tote Zivilisten usw. zu informieren - ehrlich gesagt weiß ich auch gar nicht, ob das bis heute passiert ist, aber egal. Nach diesem Angriff können Sie schon wenige Stunden später nach Ihren Aussagen qualifizierte Angaben darüber machen, was passiert ist. Was ist der Unterschied zwischen diesen beiden Vorfällen? Haben Sie sich diesmal einfach mehr Mühe gegeben, haben Sie andere Quellen angezapft? Was ist anders?

Fischer: Die Antwort ist relativ kurz und einfach: Die Quellenlage ist eine andere. Bei Rakka gab es Informationen, die aus einer Quelle kamen und die wir ansonsten nicht weiter verifizieren konnten. Hier gibt es eine große Anzahl an Quellen, Kontakten, Informationen, die uns vorliegen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf hindeuten, dass es zu einem gravierenden Völkerrechtsverstoß gekommen ist.

Frage: Herr Nannt, können Sie noch einmal erklären, welche Bedeutung das Abkommen über die Vermeidung von Zusammenstößen im syrischen Luftraum praktisch für die Einsätze der Bundeswehr hatte? Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, ist das ja ein russisch-amerikanisches Abkommen. War Deutschland da eigentlich unmittelbar beteiligt, gibt es da Gesprächskontakte oder Verfahren, die die Bundeswehr betreffen, die jetzt im Augenblick nicht mehr stattfinden?

Eine zweite Frage allgemeinerer Art: Welche Schritte unternimmt die Bundesregierung jetzt konkret, um die von Ihnen geforderte weitere Untersuchung des Vorfalls voranzutreiben?

Nannt: Wie jetzt das genaue Verfahren ist, würde ich Ihnen lieber noch einmal nachliefern, weil ich jetzt nicht genau beschreiben kann, was die einzelnen Schritte sind. Das liefere ich aber gerne noch nach.

Vorsitzender Mayntz: Dann bitte über unseren allgemeinen Verteiler.

Zusatzfrage: Ich möchte meine zweite Frage wiederholen: Was wird die Bundesregierung nun als nächstes konkret unternehmen, um die von Ihnen geforderte Untersuchung des Angriffs voranzutreiben, und wie sollte diese Untersuchung vonstattengehen?

Fischer: Es gibt ja die für solcherlei Dinge zuständige Organisation für das Verbot chemischer Waffen in Den Haag, die auch ein entsprechendes Mandat hat und auch schon mit der Untersuchung begonnen hat. Es gibt einen Joint Investigative Mechanism der Vereinten Nationen und der OVCW, der Chemiewaffenangriffen in Syrien nachgeht. Wir unterstützen sowohl die OVCW als auch diesen gemeinsamen Mechanismus bei der Aufklärung dieser schrecklichen Vorfälle, dieser schrecklichen Verbrechen in Syrien. Da gibt es Maßnahmen, bei denen wir zusammenarbeiten - die OVCW nimmt Proben, und es gibt Vereinbarungen darüber, dass solche Proben auch in Deutschland untersucht werden können, und solcherlei Dinge. Da gibt es also auch sehr praktische Unterstützung, die wir in diesem Bereich leisten, um ein vollständiges, nach allen Seiten klares Bild der Lage zu erhalten.

Frage: Herr Seibert, mir ist leider immer noch ein bisschen unklar: War in dem Telefonat zwischen der Kanzlerin und Trump Syrien im Allgemeinen oder der Giftgasangriff im Speziellen in irgendeiner Form ein Thema?

StS Seibert: Wir haben ja nach dem Telefonat die Presse über Inhalte des Telefonats unterrichtet. Darüber hinaus ist das ein vertrauliches Gespräch gewesen.

Frage: Herr Fischer, ich möchte noch einmal auf Ihre Definition zurückkommen. Zusammengefasst hörte sich das für mich jetzt so an: Da es ein völkerrechtswidriges Verbrechen gab, ist die Reaktion darauf zunächst einmal völkerrechtskonform. Sie können mich wahrscheinlich belehren, dass das nicht so gemeint war, aber wollen Sie sich grundsätzlich einmal Expertise einholen - zum Beispiel von Juristen, etwa von Kollegen von Ihnen -, um das zu klären? Denn letztendlich hörte es sich für mich immer noch nach Ausweichen an, dass Sie sich jetzt nicht festlegen wollen, einen Angriff der Amerikaner in dieser Lage - möglicherweise auch aufgrund des bilateralen Verhältnisses - zu verurteilen beziehungsweise dessen Rechtmäßigkeit in Zweifel zu ziehen.

Fischer: Ich kann Ihre Frage nicht nachvollziehen. Ich denke, es gibt eine große und mit vielen Experten bestückte Völkerrechtsabteilung im Auswärtigen Amt, die sich dieser Fälle annimmt. Wie ich es vorhin dargelegt habe: Wir sind in einem sehr frühen Stadium. Wir kennen noch nicht alle Informationen, die die Amerikaner dazu gebracht haben, diesen Angriff durchzuführen.

Dort gibt es auf der einen Seite bislang nur die Erklärung des amerikanischen Präsidenten und Dinge, die wir auf mehr oder weniger informeller Ebene von amerikanischen Kollegen erfahren haben. Auf der anderen Seite gibt es aber einen sehr klaren Bruch des Völkerrechts durch das Assad-Regime. Es gibt einen Verstoß gegen das Verbot des Einsatzes von Chemiewaffen. Dieses Chemiewaffenverbot ist eines der ganz zentralen Verbote im humanitären Völkerrecht. Zum einen hat der Bruch desselben durch das Assad-Regime eine sehr, sehr schwerwiegende völkerrechtliche Qualität. Zum anderen befasst sich die internationale Staatengemeinschaft schon seit sehr, sehr langer Zeit mit diesem Vorgang und hat auch in der Vergangenheit schon mit dem Assad-Regime nach vorhergegangenen Chemiewaffeneinsätzen Vereinbarungen darüber getroffen, dass die Chemiewaffen zu vernichten sind. Das alles ist nicht geschehen.

Von daher haben wir auf der einen Seite einen sehr eklatanten Bruch des Völkerrechts und auf der anderen Seite einen Angriff, der sehr gezielt und auch begrenzt gewesen ist, den wir, wie gesagt, für nachvollziehbar halten - in dieser Situation, in der der UN-Sicherheitsrat blockiert ist.

Zusatzfrage: Aber geben Sie mir recht, dass man nicht deswegen, weil man die Geduld verliert, das Siegel "völkerrechtskonform" darüberkleben kann?

Fischer: Es geht ja nicht darum, die Geduld zu verlieren.

Zuruf: So hörte sich das gerade an.

Fischer: Es ist ja der wiederholte Einsatz chemischer Waffen gewesen, der jetzt zu dieser amerikanischen Aktion geführt hat. Ich denke, man kann nach mehreren Hundert Toten, die es durch Chemiewaffeneinsätze in Syrien gegeben hat, nicht davon sprechen, dass man die Geduld verloren hat. Ich denke, 2013 sind mehr als tausend Zivilisten getötet worden. Damals hat sich der Sicherheitsrat gemeinsam dazu durchgerungen, dem syrischen Regime auch mit militärischen Maßnahmen zu drohen, wenn es noch einmal zu einem Einsatz dieser Waffen kommt. Daraufhin ist das syrische Regime dem Chemiewaffenabkommen beigetreten und hat so getan, als ob es alle seine Chemiewaffenvorräte an die internationale Gemeinschaft übereignet, sie zerstören und vernichten lässt sowie auch die Produktionsstätten vernichtet.

Von daher kann man, denke ich, nicht sagen, dass hier irgendjemand die Geduld verloren hat. Vielmehr hat das syrische Regime zum wiederholten Mal brutalstmöglich gegen Völkerrecht verstoßen.

Frage : Herr Seibert, ist die Bundesregierung eigentlich froh, dass Herr Trump jetzt so reagiert? Herr Obama hatte in den letzten Jahren ja immer wieder rote Linien gezogen und, als diese überschritten wurden, nicht reagiert. Ist man froh, dass Herr jetzt Trump in Sachen Syrien an der Macht ist?

Herr Fischer, weiß die Bundesregierung mittlerweile eigentlich, ob es bei diesem Angriff auf die syrische Schule, bei dem Sie so tun, als ob es dabei keine toten Zivilisten gab - weiß die Bundesregierung mittlerweile, dass es sie gibt?

StS Seibert: Ich kann nur wiederholen: Froh ist nicht die Kategorie, auch wenn Sie sie mir jetzt in den Mund legen wollen. Dieser Angriff ist angesichts der Dimension der Kriegsverbrechen, die ihm vorausgegangen sind, und angesichts des Leids unschuldiger Menschen nachvollziehbar.

Fischer: Ich habe mich gerade auch bei Herrn Nannt versichert. Zu dem von ihnen erwähnten Angriff gibt es keine neue Erkenntnislage. Der Angriff wird weiter aufgeklärt.

Aber, wie gesagt, die Quellenlage, dass es dort zum Tod von Zivilisten gekommen sei, ist deutlich weniger umfangreich als das, was wir jetzt gesehen haben. Auf der einen Seite gibt es eine Quelle, deren Qualität wir nicht vollständig überprüfen können. Auf der anderen Seite gibt es Aufklärungsergebnisse, die zumindest nicht bestätigen, dass es zum Tod von Zivilisten gekommen ist.

Zusatzfrage : Warum vertrauen Sie bei dem Tod von Zivilisten, wenn es unsere Koalition getan hat, auf die Untersuchungen der Täter, also der Amerikaner, und, wenn es um die Chemiewaffeneinsätze von Assad geht, auf die UN?

Fischer: Ich denke, wir haben dieses Thema schon sehr häufig besprochen. Wir haben gar nichts dagegen, wenn es auch Untersuchungen von anderen gibt. Nur hat das in einem vom IS gehaltenen Gebiet stattgefunden, in dem der Zugang nicht so ganz einfach ist. Das ist zum Beispiel auch einer der Unterschiede zwischen dem Angriff in der Nähe von Rakka und dem Angriff in der Provinz Idlib. Dort gab es Zugang. Dort gab es Bürgerjournalisten, die berichtet haben. Sie wissen, dass ein Teil der Opposition gegen das Regime immer sogenannte Bürgerjournalisten waren, die aus den Orten berichtet haben, die angegriffen wurden. Diese gibt es zum Beispiel im IS-Gebiet sehr, sehr viel weniger, weil diejenigen, die objektiv von dort berichten, über kurz oder lang vom IS hingerichtet werden oder auch in der Vergangenheit, um einer Hinrichtung zu entgehen, flüchten mussten.

Das heißt, die Quellenlage im IS-Gebiet ist sehr viel schlechter. Es ist auch für internationale Beobachter ganz offensichtlich nicht so einfach, dort hinzukommen. Insofern bleiben uns als Überprüfungsmechanismus vor allen Dingen die Mechanismen der internationalen Anti-IS-Koalition. Dort - das haben wir hier schon häufig ausgeführt - steht gerade im Mittelpunkt, das Leben von Zivilisten zu schonen und die Angriffe so zu gestalten, dass sie militärische Ziele treffen und eben keine Zivilisten.

Vorsitzender Mayntz: Wir gehen jetzt über zu den Terminen der Bundeskanzlerin in der nächsten Woche.

StS Seibert: Es geht los am Montag, den 10. April. Die Bundeskanzlerin empfängt die Vorsitzenden von fünf internationalen Wirtschafts- und Finanzorganisationen zum Gespräch im Kanzleramt. Im Einzelnen sind das der OECD-Generalsekretär Herr Gurría, die IWF-Vorsitzende Frau Lagarde, der Weltbankpräsident Jim Yong Kim, der Generaldirektor der WTO Herr Azevêdo und der Generaldirektor der ILO Guy Ryder. Aufmerksame Beobachter wissen, dass es nahezu jedes Jahr ein solches Treffen gegeben hat. Dieses ist nun das neunte. Es wird wiederum um Fragestellungen der internationalen Wirtschaftspolitik gehen. Natürlich spielt die deutsche G20-Präsidentschaft eine zentrale Rolle. Das Gespräch beginnt um 17 Uhr. Um 19 Uhr findet eine gemeinsame Pressekonferenz statt.

Am Mittwoch, den 12. April, tagt wie üblich um 9.30 Uhr das Bundeskabinett.

Im Anschluss daran tagt zum zweiten Mal der Kabinettsausschuss "Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union". Der nächste Verfahrensschritt beim Brexit ist die Festlegung der EU-Verhandlungsleitlinien. Diese sollen beim Sondergipfel am 29. April, den Ratspräsident Donald Tusk einberufen hat, beschlossen werden.

Am Mittwochnachmittag wird die Bundeskanzlerin im hessichen Allendorf das Unternehmen Viessmann besuchen, das sein hundertjähriges Unternehmensjubiläum feiert. Das ist ein international führender Hersteller von Heiz- und Kühlsystemen, ein Unternehmen, das sich ganz besonders der Nachhaltigkeit verschrieben hat und in seiner Branche ein umwelttechnologischer Schrittmacher ist. Die Bundeskanzlerin wird dort hinreisen. Sie weiht eine neue Forschungs- und Entwicklungseinrichtung des Unternehmens ein und wird bei einem anschließenden Rundgang die Produktion und dieses Entwicklungszentrum besuchen.

Soweit die Termine der kommenden Woche.

Frage : Herr Plate, können Sie sagen, wie die Formulierungshilfen ihres Hauses zum Thema NPD-Finanzen aussehen? Wenn Sie das nicht sagen können, können Sie sie uns schriftlich zukommen lassen?

Gibt es Absprachen mit dem parlamentarischen Raum? Mit welchem weiteren Verfahren rechnen Sie jetzt?

Plate: Vielen Dank für die Frage. - Ich bin mir nicht ganz sicher, was Sie mit der Frage meinen, wie sie aussehen. Ich kann vielleicht ganz grob inhaltlich skizzieren, worum es dabei geht. Das würde Ihrem Interesse wahrscheinlich am ehesten entgegenkommen.

Das sind Formulierungshilfen, die zum einen eine Änderung des Grundgesetzes in Artikel 21 beinhalten und zum anderen die Änderung einiger weiterer einfacher Gesetze, wie man juristisch sagt, also mit anderen Worten nicht der Verfassung, insbesondere des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes, und auch im steuerlichen Bereich. Der Hintergrund dessen, dass das sozusagen zwei Papiere sind, ist, dass für eine Verfassungsänderung natürlich andere Rahmenbedingungen, insbesondere andere Mehrheitsverhältnisse gelten als für die Änderung einfacher Gesetze. Deswegen sind das zwei Dokumente. Sie sind in enger Abstimmung mit dem BMJV und dem BMF entstanden, unter anderem weil für das Bundesverfassungsgerichtsgesetz eine Federführung im BMJV besteht und für die Steuerfragen eine Zuständigkeit im BMF.

Der Vorschlag ist im Aufbau im Prinzip sehr stark an das bisherige Verbotsverfahren angelehnt. Das heißt, die Formulierungshilfe sieht vor, dass der Ausspruch des Entzugs der Finanzierung durch das Bundesverfassungsgericht zu erfolgen hat. Einen solchen Antrag können zum Beispiel der Bundestag, der Bundesrat, die Bundesregierung stellen. Wenn es denn so ausgeht, wie es sich die Antragsteller in einem konkreten Verfahren vorstellen, dann erfolgt der Entzug sozusagen direkt qua Urteil. Es gibt auch mittelbare Auswirkungen. Das heißt, es wird nicht nur die direkte Finanzierung gekappt, sondern eben auch vorher bestehende steuerrechtliche Privilegierungen.

Weiter ins Detail möchte ich, ehrlich gesagt, mit Blick darauf, dass das nur, wenn man so will, eine Formulierungshilfe ist und kein Regierungsvorhaben im formalen Sinne, eher ungern gehen. Das gilt auch für den Zeitplan. Wie sie das genau handhaben wollen, obliegt jetzt natürlich dem Parlament, den Regierungsfraktionen. Jedenfalls liegen ihnen diese Formulierungshilfen vor. Damit liegt das weitere Verfahren in den Händen der Regierungsfraktionen.

Frage: Hat es bei der Formulierung dieser Hilfen Kontakte mit dem Bundesverfassungsgericht gegeben, dem man damit ja eine nicht ganz unaufwändige neue Verfahrensart aufdrückt?

Plate: Das kann ich, ehrlich gesagt, aus dem Stand nicht sagen. Ich müsste schauen, ob das nachtragfähig wäre.

Scholz: Ich weiß es auch nicht.

Vorsitzender Mayntz: Auch wenn es das nicht gegeben hätte, würde es uns interessieren.

Frage: Noch eine Frage an Herrn Plate: Es soll ein professionelles Internetvideo geben, das die Terrormiliz "Islamischer Staat" gedreht hat und in dem dargestellt wird, wie man Messerattacken durchführen kann. Wissen Sie von diesem Video? Wie gehen Sie damit um?

Plate: Vielen Dank. - Es gibt, ehrlich gesagt, sehr viele Videos des "Islamischen Staates" oder jedenfalls von Urhebern, die selber sagen, dass sie dem "Islamischen Staat" zugehören. Auch dieses konkrete Video ist den Bundessicherheitsbehörden natürlich bekannt. Es ordnet sich aber im Wesentlichen in die Gefährdungsbewertung ein, die bekannt und unverändert ist. Das ist es eigentlich, was ich dazu zu sagen habe.

Zusatzfrage: In dem Zeitungsbericht heißt es, dass es bei den Sicherheitsbehörden etwas Alarm gegeben habe, dass man damit umgehen und möglicherweise besonderen Gefährdungen entgegentreten müsse. Ist das so? Insofern hebt sich das doch ein bisschen aus der Masse der Videos heraus, die dem IS oder IS-Sympathisanten zugeschrieben werden.

Plate: Das kann ich so eigentlich eher nicht erkennen. Über ganz konkrete Sicherheitsmaßnahmen kann ich schon deswegen nicht berichten, weil solche Sicherheitsmaßnahmen, wenn sie im Einzelnen bekanntgegeben würden, möglicherweise nicht besonders erfolgreich wären. Insofern bitte ich um Verständnis dafür, dass ich dazu, was operativ genau für Vorkehrungen von den Sicherheitsbehörden getroffen werden, hier keine Angaben machen kann.

Richtig ist aber: Es hat ja den Fall der Safia S. gegeben. Da hat es schon einmal einen solchen Übergriff einer Person, die dem IS - jedenfalls nach unserer Überzeugung - im weitesten Sinne zuzuordnen ist, auf einen Polizeibeamten gegeben. Insofern ist das, was Sie schildern, nichts, was vorher noch nie passiert oder gänzlich unbekannt wäre. Ich würde Sie bitten, meine Äußerungen auf Ihre erste Frage in diesem Lichte zu verstehen.

Frage : Herr Fischer, gibt es etwas Neues in Sachen Herrn Yücels und der anderen fünf deutsch-türkischen Inhaftierten? Haben Sie jetzt regelmäßige konsularische Betreuung? Wenn nein, warum nicht?

Fischer: Wir stehen zu Herrn Yücel und auch den anderen weiterhin mit der Türkei in Kontakt. Der Außenminister hatte hierzu auch Kontakt mit seinem türkischen Amtskollegen.

Wir haben letztes Mal, als ich hier war, noch von sechs deutschen Staatsangehörigen gesprochen, die im Zusammenhang mit dem Putschversuch und nach dem Putschversuch in Haft genommen wurden. Ich kann Ihnen mitteilen, dass auch nach Einsatz und Vermittlung unserer Auslandsvertretung einer dieser Deutschen aus der Haft entlassen worden ist. Allerdings besteht ihm gegenüber eine Ausreisesperre. Das heißt, er darf die Türkei nicht verlassen. Aber immerhin ist er schon einmal aus der Haft heraus. Das heißt, es befinden sich derzeit noch fünf deutsche Staatsangehörige in türkischen Gefängnissen. Zu zwei von ihnen haben wir konsularischen Zugang. Das betrifft Herrn Yücel und eine weitere Person. Bei den anderen arbeiten wir daran.

Zusatzfrage : Können Sie uns sagen, was demjenigen, der jetzt herausgekommen ist, vorgeworfen wurde?

Sind die anderen vier neben Herrn Yücel ausschließlich Männer? Was wird ihnen vorgeworfen?

Fischer: Ich würde mich weder zum Geschlecht noch zu den konkreten Vorwürfen äußern. Ich glaube, das, was ich gesagt habe, dass sie im Zusammenhang mit dem Putschversuch festgenommen worden sind, spricht für sich. Die einzelnen Tatvorwürfe fallen, glaube ich, unter den Bereich der Persönlichkeitsrechte.

Wie gesagt: Wir setzen uns für diese Personen ein. In einem Fall ist es jetzt gelungen, dass die betroffene Person auf freien Fuß gesetzt wurde. Wir setzen uns auch weiterhin für die anderen ein.

Zusatzfrage : Können Sie uns noch sagen, wie lange diese betroffene Person, die jetzt freigekommen ist, im Gefängnis gesessen hat und warum sie jetzt auf einmal freigekommen ist?

Fischer: Da gab es einen richterlichen Beschluss, der zur Freilassung geführt hat. Wie lange die Person im Gefängnis gesessen hat, kann ich Ihnen nicht sagen. Aber da es alles Fälle sind, die im Zusammenhang mit dem Putsch gestanden haben, müssen sie nach dem Putsch festgesetzt worden sein müssen.

Ich kann es nicht objektiv sagen. Das müsste ich mit den Kolleginnen und Kollegen klären, wie lange das gewesen ist. Aber wir sind alle sicher, dass sie auf jeden Fall nach dem Putsch festgenommen sein müssen.

Vorsitzender Mayntz: An der Antwort wären wir dann alle interessiert. - Dann wechseln wir das Thema. Herr Kollege!

Frage : Eine Frage zum Thema Flugsicherheit an das Verkehrsministerium. Es gibt seit etwa einem Jahr ein ganzes Gesetzespaket zur besseren Überprüfung vom Gesundheitszustand von Piloten. Heute gibt es Berichte, dass es mit der Umsetzung noch ein bisschen hapert. Eine Gesundheitsdatenbank ist wohl noch nicht betriebsbereit, die Ärztehopping verhindern soll. Außerdem fehlen Fliegerarztstellen im Luftfahrtbundesamt, und Vor-Ort-Kontrollen von Gesundheitschecks finden auch noch nicht statt. Trifft das alles so zu? Wenn ja, wie erklärt das Ministerium das, und wie will man da Abhilfe schaffen?

Strater: Vielen Dank für die Frage. Das gibt mir Gelegenheit, dem Eindruck, den der Artikel heute in der Zeitung erweckt, zu widersprechen, es gebe schwere Mängel bei den Gesundheitschecks von Piloten oder bei der Arbeit des Luftfahrt-Bundesamtes.

Dem ist nicht so. Wie Sie wissen, hat der Minister unmittelbar nach dem Absturz der Germanwings-Maschine vor zwei Jahren eine Taskforce eingesetzt, die ein Sicherheitspaket erarbeitet hat, wie man die Sicherheit im Luftverkehr noch weiter verbessern kann. Daraufhin hat es eine Diskussion gegeben, und das entsprechende Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes ist Mitte des vergangenen Jahres in Kraft getreten.

Seitdem werden die einzelnen Maßnahmen umgesetzt. Es handelt sich hier im Einzelnen um mehr Transparenz und Informationsaustausch bei den Untersuchungen, um die Einführung von Pilotenkontrollen auf Medikamenten, Drogen und Alkohol sowie die Stärkung der Anlaufstellen für Piloten. Das Beispiel, das hier in diesem Artikel genannt ist, bezieht sich auf die Kontrollen von Fliegerärzten, also flugmedizinischen Sachverständigen und flugmedizinischen Zentren. Auch hier möchte ich dem Eindruck widersprechen, das LBA käme dieser Kontrollfunktion nicht nach. Dem ist nicht so. Es verfügt über das notwendige Personal. Insofern gibt es keinen Grund, hier an der Arbeit des Luftfahrt-Bundesamtes zu zweifeln.

Zusatzfrage : Aber es stimmt schon - das geht ja aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage an Ihr Haus hervor -, dass zwei von sechs Fliegerarztstellen beim Luftfahrt-Bundesamt zur Zeit unbesetzt sind und diese medizinische Datenbank in der Tat noch nicht einsatzfähig ist? Oder stimmt das beides nicht?

Strater: Diese flugmedizinische Datenbank ist neu geschaffen worden. Zu diesem Maßnahmenpaket, das ich eben beschrieben habe, gehört im Übrigen eine weitere Maßnahme, nämlich die Aufhebung der Pseudonymisierung der flugmedizinischen Berichte. Diese Datenbank musste europaweit ausgeschrieben werden. Die Software musste kompatibel sein. Insofern wird diese Datenbank in Kürze zur Verfügung gestellt.

Was die Stellen angeht, so finden diese Kontrollen, von denen ich sprach, selbstverständlich statt. Das LBA verfügt derzeit über 18 Stellen zur Überprüfung der flugmedizinischen Sachverständigen und flugmedizinischen Zentren. Es verfügt über 6 Stellen für ärztliche Mitarbeiter. Die zwei Stellen, die Sie nannten, befinden sich derzeit in der Ausschreibung zur Nachbesetzung. Weiterer Personalaufwuchs ist geplant. Insofern bleibe ich dabei: Das LBA ist in der Lage, die Kontrollen durchzuführen.

Frage: Eine Frage an das Familienministerium zum Thema Pflegeberufegetz: Gestern gab es eine Mitteilung von Frau Reimann und Herrn Lauterbach, dass die SPD-Fraktion jetzt wohl doch dem Kompromiss mit der Union zustimmen wird. Meine Frage wäre, ob Frau Schwesig diesen Kompromiss nun auch mitträgt?

Die zweite Frage: Welche Zukunftsperspektiven ergeben sich aus Sicht von Frau Schwesig daraus für die Altenpflege?

Kempe: Wir freuen uns natürlich, dass sich die Regierungsfraktionen nach den wirklich intensiven Beratungen auf einen Kompromiss verständigt haben. Wir sind überzeugt, dass dies ein wichtiger Schritt in unserem Bemühen ist, dem Fachkräftemangel in der Altenpflege und der Krankenpflege entgegenzutreten, entgegenzuwirken. Die Ausbildung wird attraktiver und soziale Berufe werden aufgewertet. Es hat viele Gespräche gegeben. Sie wissen, das Gesetz ist seit einem Jahr im parlamentarischen Verfahren gewesen und sozusagen in den Händen der Fraktionen. Wir begrüßen, dass es diese Vereinbarung jetzt gibt. Allerdings ist es in der Fraktionen entschieden worden. Sie müssten Fragen nach Details bitte dort stellen.

Frage : Ich würde gern vom Finanzministerium wissen, ob man angesichts der turbulenten Entwicklung in Venezuela und der Erwachsenensorge, dass das Land seine Schulden nicht mehr bedienen kann, befürchtet, dass für die Finanzstabilität quasi ein neuer Brennpunkt entsteht? Ist das im Moment überhaupt ein Thema im Finanzministerium, die Entwicklung in Venezuela?

Kalwey: Wir beschäftigen uns natürlich immer mit der Lage an den Finanzmärkten auf verschiedenen Ebenen. Aber ich kann Ihnen jetzt speziell zum Thema Venezuela an dieser Stelle nichts sagen.

Frage : Herr Fischer, Herr Seibert, eventuell Herr Plate: Zum CIA-Hacking vor ein paar Wochen wollten Sie erst einmal abwarten, ob diese mehreren Tausend WikiLeaks-Dokumente, die veröffentlicht wurden, echt sind. Haben Sie das mittlerweile herausgefunden? Was ist seitdem passiert? Wie haben Sie mit den amerikanischen Partnern darüber gesprochen?

StS Seibert: Ich kann für mich als Regierungssprecher nur sagen, dass ich mich mit Sicherheit zu gehackten Dokumenten nicht äußern werde.

Plate: Für uns gilt das Gleiche, ehrlich gesagt. Da gibt es hier presseöffentlich nichts Neues zu berichten.

Zusatzfrage : Vor ein paar Wochen, als das herausgekommen ist, meinten Sie noch, dass Sie sich damit befassen. Da haben Sie noch nicht gesagt, dass Sie sich, nur weil es gehackte Dokumente sind, nicht damit befassen.

StS Seibert: Interne Befassung muss ja nicht öffentliche Stellungnahme heißen.

Vorsitzender Mayntz: Möchten Sie, dass wir dazu "unter zwei" oder "unter drei" gehen?

StS Seibert: Nein.

Zusatzfrage : Die Öffentlichkeit hat ja einen Anspruch darauf zu wissen, wie die Bundesregierung auf eine CIA-Hacking-Stelle in Frankfurt reagiert.

StS Seibert: Ich habe dem jetzt nichts hinzuzufügen.

Freitag, 7. April 2017

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 7. April 2017
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2017/04/2017-04-07-regpk.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, 10117 Berlin
Telefon: 030 18 272-0, Fax: 030 18 10 272-25 55
E-Mail: internetpost@bpa.bund.de
Internet: www.bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. April 2017

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