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PRESSEKONFERENZ/1520: Regierungspressekonferenz vom 18. August 2017 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 18. August 2017
Regierungspressekonferenz vom 18. August 2017

Themen: Terroranschläge in Barcelona und Cambrils, Termine der Bundeskanzlerin (Eröffnungsrede auf der Gamescom 2017, Kabinettssitzung, Besuch des Start-ups Kiron Open Higher Education), Tag der offenen Tür der Bundesregierung, Sommerkino am Bundespresseamt, Einrichtung einer Such- und Rettungszone vor der libyschen Küste, Medienberichte über vorübergehende Rückreise von Asylbewerbern in ihre Heimatländer, Ermittlungen nach Tod eines Bundeswehrsoldaten bei einem Übungsmarsch in Munster, Insolvenz der Fluggesellschaft Air Berlin, Nationales Forum Diesel, Entwicklung des Euro-Dollar-Wechselkurses, Lage der deutschen Gefangenen in der Türkei, Phoenix-Interview mit der Bundeskanzlerin, Beschimpfungen und Bedrohungen von Politikern bei Wahlkampfauftritten und mögliche Konsequenzen für den Personenschutz

Sprecher: StS Seibert, Schäfer (AA), Dimroth (BMI), Flosdorff (BMVg), Wagner (BMWi), Susteck (BMVI), von Tiesenhausen-Cave (BMF), Fichtner (BMUB),


Vorsitzende Maier eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Morgen, meine Damen und Herren! Nachdem sich die Bundeskanzlerin vor einer halben Stunde bereits geäußert hat, möchte auch ich kurz für die Bundesregierung auf die Terroranschläge von Barcelona und Cambrils eingehen.

Unsere tiefe Anteilnahme gilt allen Opfern dieser Barbarei; sie gilt den Familien der Toten, die jetzt solchen Schmerz ertragen müssen, und sie gilt den vielen, vielen Verletzten. Wir denken an sie und wir senden ihnen unsere Genesungswünsche.

Ich möchte auch von dieser Stelle aus den Sicherheitskräften in Spanien danken, den Rettungskräften und allen, die sich in Barcelona seit gestern Abend schon um die Betroffenen kümmern.

Wieder einmal hat uns der islamistische Terrorismus angegriffen, mit dem Einzigen, was er hat: Mit Hass und Gewalt. Ich sage "uns angegriffen", weil wir uns an einem solchen Tag der Trauer den Menschen in Barcelona, in Katalonien, in ganz Spanien so nahe fühlen, weil wir an Manchester und London denken, an Brüssel, Paris, Nizza, natürlich an Berlin und zuletzt Hamburg, an Stockholm, Istanbul, Sankt Petersburg und an viele weitere Anschläge dieser Art in Afrika und in Asien, weil wir wissen, dass das, was uns eint - die Freiheit, das offene Leben, die Demokratie und der Respekt vor den Menschen, vor allen Menschen und vor allen Religionen - genau das ist, was die Terroristen nicht ertragen. Es ist aber auch genau das, was uns stark macht und weswegen wir und unsere Art zu leben sich durchsetzen werden.

So viel dazu. Die Bundeskanzlerin hat heute Morgen mit dem spanischen Ministerpräsidenten Rajoy telefoniert und ihm im eigenen Namen wie auch im Namen der Bundesregierung und der Menschen in Deutschland noch einmal ihre tiefe Anteilnahme übermittelt.

Schäfer: Vielleicht geben Sie mir die Gelegenheit, dass ich Ihnen in wenigen Sätzen etwas zu unseren Erkenntnissen über deutsche Staatsangehörige sage, die von diesen Anschlägen betroffen sind.

Die spanischen Behörden sprechen inzwischen von 13 Toten und von über hundert Verletzten. Ich kann Ihnen mit Bedauern und Trauer sagen, dass sich unter den Verletzten auch zahlreiche deutsche Staatsangehörige befinden. Wir gehen nach jetzigem Stand davon aus, dass es 13 deutsche Staatsangehörige gibt, die bei dem Anschlag auf Las Ramblas verletzt worden sind - einige von ihnen schwer, und zwar so schwer, dass sie noch mit ihrem Leben kämpfen müssen. Unser Generalkonsulat hat bereits gestern Abend und in der Nacht die betroffenen 13 Deutschen in Krankenhäusern aufgesucht und besucht und konsularisch betreut.

Ich möchte das, was Herr Seibert gerade gesagt hat, ausdrücklich bestärken und unterstützen, nämlich dass unser Dank den sehr effizienten, sehr professionell handelnden, aber auch sehr mitfühlend handelnden spanischen Sicherheitsbehörden gilt. Wir hatten von Anfang an einen engen, guten und vertrauensvollen Draht zu den zuständigen Behörden der spanischen Regierung und der Regierung Kataloniens.

Ob unter den Todesopfern auch deutsche Staatsangehörige sind, können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bestätigen; wir können das aber auch nicht ausschließen. Das ist unter den Umständen, unter denen solche Anschläge erfolgen, misslich, aber es ist gleichzeitig nicht ungewöhnlich, weil es immer wieder passiert, dass es Zeit braucht, bevor die zuständigen Behörden - in diesem Fall die spanischen Behörden - ihre Arbeit der Identifikation gemacht haben. Sie werden sicherlich verstehen - jedenfalls haben wir Verständnis dafür -, dass bei so etwas jeder Zufall, jeder Fehler ausgeschlossen werden muss. Deshalb kann ich Ihnen versichern, dass wir gemeinsam mit den spanischen Behörden weiter mit allergrößtem Nachdruck auch dieser Frage nachgehen. Ich bitte Sie um Verständnis dafür, dass es zum jetzigen Zeitpunkt für mich und für das Auswärtige Amt noch nicht möglich ist, Ihnen dazu eine abschließende Antwort zu geben.

Vorsitzende Maier: Bevor wir zu den Fragen zu diesem Thema kommen, würde ich gerne noch die öffentlichen Termine der Bundeskanzlerin vorab behandeln, wenn das geht.

StS Seibert: Das geht, und das geht auch schnell.

Am Dienstag, dem 22. August hält die Bundeskanzlerin ab 13 Uhr eine Eröffnungsrede bei der Computerspielemesse Gamescom 2017 in Köln. Sie wird dann einen Messerundgang machen, einige Stände besuchen und sich dort über aktuelle Trends bei Computerspielen, über die Arbeit deutscher Spieleentwickler, über die Bedeutung von Spielen als Innovationstreiber und auch über die Bedeutung von Spielen beim Thema digitale Bildung, spielebasiertes Lernen und Wissensvermittlung informieren. Wie Sie wissen, ist das eine bedeutende und auch noch wachsende Branche.

Am Mittwoch, dem 23. August, tagt dann wie immer das Bundeskabinett unter Leitung der Bundeskanzlerin.

Am Freitag, dem 25. August, besucht die Kanzlerin hier in Berlin um 11 Uhr das soziale Start-up Kiron Open Higher Education, auch bekannt als Kiron University. Bei dieser Einrichtung können sich Flüchtlinge auf ein Studium in Deutschland vorbereiten, zum Beispiel in den Bereichen Wirtschaft, IT, Maschinenbau und auch soziale Arbeit. Das macht eine eigens konzipierte Online-Bildungsplattform möglich. Nach zwei Jahren können die Teilnehmer dann an eine von 45 Partnerhochschulen von Kiron wechseln und dort den Bachelor erwerben. Dieses Programm ist gebührenfrei und ortsungebunden. Es kann unabhängig vom rechtlichen Aufenthaltsstatus begonnen werden, und es wird ergänzt durch Präsenzangebote, Sprachkurse und Patenprogramme für Flüchtlinge. Die Bundeskanzlerin wird sich bei ihrem Besuch über dieses Konzept informieren und mit Studentinnen und Studenten sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ins Gespräch kommen.

Dann würde ich Sie gerne noch auf das letzte August-Wochenende - genauer gesagt auf den 26. und 27. August - hinweisen, denn das steht für die Bundesregierung ganz im Zeichen unseres alljährlichen Tages der offenen Tür - eigentlich das ja zwei Tage der offenen Tür. Es ist das 19. Mal, dass die Bürger die Möglichkeit haben, das Kanzleramt, das Bundespresseamt und alle Bundesministerien hier in der Hauptstadt zu besuchen und mit uns ins Gespräch zu kommen. Ich möchte Sie dazu alle ganz herzlich im Namen der Bundesregierung einladen.

Die Bundeskanzlerin wird - auch das ist schon traditionell - am Tag der offenen Tür am Sonntagnachmittag mit einem Rundgang im Kanzleramt teilnehmen. Sie freut sich, auf der Bühne im Kanzlerpark unter anderem Fußballnationalspieler und Fußballweltmeister Sami Khedira begrüßen zu können und mit ihm ein Gespräch zu führen. Ansonsten werden wir sie über das sehr reichhaltige Programm des Tages der offenen Tür am kommenden Dienstag, dem 22. August, um 10 Uhr im Rahmen eines Pressefrühstücks mit meiner Kollegin Frau Demmer informieren. Auch dazu sind Sie herzlich eingeladen.

Dann noch einmal in eigener Sache: Für das Bundespresseamt möchte ich Sie auf den Start unseres Sommerkinos am kommenden Mittwoch hinweisen. Nachdem wir in den letzten beiden Jahren zum BPA-Sommerkino sehr guten Zuspruch hatten, haben wir uns entschieden, auch in diesem Jahr wieder Freiluftkino am Reichstagufer zu veranstalten. Wir zeigen vom 23. bis 26. August, also an vier Abenden, bekannte und mit Mitteln der deutschen Filmförderung - also auch mit Bundesmitteln - geförderte Spielfilme. Damit möchte das BPA die Bedeutung des Filmstandortes Berlin, nein des Filmstandortes Deutschland - Berlin auch -, sowie die Bedeutung der Filmförderung für deutsche und internationale Koproduktionen in den Blickpunkt rücken. - Das war es.

Frage (zu den Anschlägen in Spanien): Herr Dimroth, gibt es irgendwelche Signale, irgendwelche Informationen im Hinblick auf die Ermittlungen zu den Spanien-Attentaten, die Deutschland betreffen beziehungsweise die auf Deutschland hindeuten?

Zweite Frage: Hat sich an Ihrer Bewertung der aktuellen Sicherheitslage in Deutschland angesichts irgendetwas verändert?

Dimroth: Vielen Dank für die Fragen. - Der Bundesminister des Innern hat sich gestern Abend ja auch selbst schon zu den schrecklichen Ereignissen in Spanien geäußert. Wie Sie sich denken können und wie es üblicherweise in solchen Stunden der Fall ist, stehen die deutschen Sicherheitsbehörden mit den spanischen Kolleginnen und Kollegen in einem sehr engen Austausch - wiewohl die Kollegen vor Ort jetzt natürlich vor allem damit beschäftigt sind, die Lage zu bewältigen und, soweit sich da die ersten Ansätze ergeben, auch die Ermittlungen aufzunehmen.

Was ich Ihnen zur Stunde über einen möglichen Deutschlandbezug sagen kann, ist, dass die Informationen, die wir von den spanischen Kollegen erhalten haben, bisher keinen Deutschlandbezug aufweisen. Ich will aber ausdrücklich hinzufügen, dass das ein sehr dynamischer Prozess ist, sodass das allenfalls ein Zwischenstand ist; insofern kann sich das natürlich bei zunehmendem Informationsfluss auch noch einmal ändern. Für den Moment ist es so, dass die Informationen, die vorliegen und die geprüft werden konnten, jedenfalls in Bezug auf Verdächtige oder Täter keinen Deutschlandbezug aufweisen. Noch einmal: Ich möchte das ausdrücklich mit dem Hinweis verbinden, dass das natürlich eine sehr dynamische Nachrichtenlage ist, sodass das allenfalls ein Zwischenbefund sein kann.

Was die Gefährdungsbewertung anbetrifft, ist es so, dass wir seit Längerem von einer hohen Gefährdung ausgehen. Wir wissen, dass wir in Europa einen gemeinsamen Raum der Werte bilden und damit für die Terroristen auch einen gemeinsamen Zielraum darstellen. Die Gefährdungslage ist hoch, sie war vor den schrecklichen Ereignissen von gestern hoch und sie wird auch morgen hoch bleiben. Das ist nicht neu, und die Sicherheitsbehörden haben sich ja auch mit einer Reihe von Maßnahmen darauf eingestellt. Auch der Gesetzgeber ist, wie Sie wissen, in dieser Legislaturperiode alles andere als untätig gewesen, angefangen bei den so noch nie dagewesenen personellen Aufstockungen zugunsten der Sicherheitsbehörden, insbesondere der Bundespolizei und des Bundeskriminalamts, über eine Reihe von Gesetzgebungsmaßnahmen bis hin auch zu organisatorischen Entscheidungen des Bundesministern des Innern. Ich erinnere nur an die Entscheidung zum Neuaufbau einer eigenen robusten, zusätzlichen Einheit bei der Bundespolizei, die sogenannten BFE Plus - Beweis- und Festnahmeeinheiten Plus -, die hier eine zusätzliche Institution für entsprechend robuste Einsatzlagen bieten.

Ich möchte der Vollständigkeit halber noch zwei Dinge hinzufügen: Der Bundesminister des Innern hat heute Trauerbeflaggung für die Bundesdienstgebäude angeordnet, und unter dem Dach des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe ist die sogenannte NOAH, die Koordinierungsstelle Nachsorge, Opfer- und Angehörigenhilfe, eingesetzt. Das heißt, Verletzte, aber auch Angehörige können sich dorthin wenden - weitere Informationen finden Sie auf der Webseite des BBK -, um entsprechende Hilfe zu erfragen, zu erbitten. Die Kolleginnen und Kollegen sind hochprofessionell im Umgang mit solchen Situationen und stehen gerne zur Verfügung.

Frage: An das BMI: Es gibt ja auch Kritiker, die sagen, dass der Datenaustausch innerhalb Europas zwischen den Behörden auch nach den vielen Terroranschlägen, die es gegeben hat, immer noch nicht gut genug funktionieren würde. Teilen Sie diese Kritik, dass es immer noch keinen eigenen europäischen Datentopf gebe, und falls ja, wo sehen Sie Nachbesserungsbedarf?

Dimroth: Vielen Dank. - Es ist ja tatsächlich so, dass insbesondere in der deutsch-französischen Achse zwischen den Innenministern, aber zuletzt auch beim deutsch-französischen Ministerrat in Richtung Kommission darauf gedrungen wurde, Verbesserungen unter dem Gesichtspunkt der sogenannten Interoperabilität zu erwirken. Wir haben hier in Deutschland mit dem sogenannten Kerndatennetz im Zusammenhang mit der Flüchtlingssituation sehr gute Erfahrungen mit einem solchen interoperablen Ansatz gemacht. Deswegen haben wir sehr frühzeitig in Richtung der Kommission darauf gedrungen, dass dort auch entsprechende Gesetzgebungsvorschläge erarbeitet und vorgelegt werden, um hier eben eine deutliche Verbesserung in der IT-Landschaft herbeiführen zu können. In der jüngeren Vergangenheit sind hier auch schon deutliche Verbesserungen erreicht worden, beispielsweise im Schengener Informationssystem, in dem bestimmte Informationen jetzt auch für die Personen, die mit dem Außengrenzschutz betraut sind, im täglichen Arbeiten sichtbar gemacht werden, die früher nicht sichtbar waren. Der Kreis derjenigen, für die die dort eingestellten Daten sichtbar sind, ist also deutlich erweitert worden. Aus unserer Sicht gibt es auch durchaus Schritte in die richtige Richtung, was die Zusammenarbeit und auch die Bereitschaft der Zusammenarbeit auf europäischer Ebene anbetrifft. Bilateral funktioniert das mit den Partnerbehörden aus unserer Sicht ohnehin in der Regel sehr gut.

Zusammengefasst: Es gibt da eine Reihe von Schritten in die richtige Richtung. Wir begrüßen es auch sehr, dass die Kommission inzwischen grundsätzlich diesen Ansatz der Interoperabilität verfolgt. Jetzt ist es aber tatsächlich an der Kommission, auch entsprechende Legislativvorschläge zu unterbreiten, um dann hier auch die nächsten Schritte gemeinsam gehen zu können.

Zusatzfrage: Können Sie noch einmal konkret sagen, was Sie sich an Nachverbesserungen erhoffen?

Dimroth: Na ja, das wäre eine vollständige, oder sagen wir einmal, letztlich eine grundsätzliche Umstrukturierung der Dateninfrastruktur auf europäischer Ebene, hin zur Interoperabilität. Das ist das, wozu wir in Deutschland mit der Reform des Bundeskriminalamtgesetzes in dieser Legislaturperiode gerade den Grundstein gelegt haben. Dabei geht es darum, dass man im Prinzip einen Kerndatenkranz hat, der beispielsweise Dinge wie Name, Anschrift - soweit bekannt - und ähnliches umfasst, und von diesem Kerndatenkranz aus auf weitergehende Informationen zugreifen kann, die jetzt in Datensilos lagern, wo also keine Interoperabilität zwischen verschiedenen Datenbeständen - beispielsweise im ausländerrechtlichen Bereich und im sicherheitsbehördlichen Bereich - gewährleistet ist. Es geht dabei also darum, dass immer dann, wenn eine Behörde nachvollziehbar - sozusagen zur Aufgabenwahrnehmung - ein Interesse daran hat, von diesem Ausgangsdatum aus auf den Gesamtdatenbestand zugreifen zu können, dies auch möglich gemacht wird.

Da liegt noch viel Arbeit vor der Kommission, das ist völlig richtig; das hat man heute ja aus dem politischen Bereich gehört. Da gibt es entsprechende Initiativen Deutschlands, im engen Schulterschluss insbesondere mit Frankreich. Noch einmal: Wir haben diese Forderung in Richtung Brüssel zuletzt auch auf dem deutsch-französischen Ministerrat sehr deutlich artikuliert - in der Hoffnung, dass sie dort auch gehört wird.

Frage : An Herrn Schäfer zur Situation in Libyen beziehungsweise vor Libyen: Das Auswärtige Amt hat sich in Sachen Search-and-Rescue-Zone geäußert, dass es diese 70-Meilen-Zone mit dem Seerecht für vereinbar hält. Könnten Sie uns das einmal erläutern? Es gibt ja die 12-Meilen-Zone, für die ein Staat zuständig ist, und dann gibt es noch die Möglichkeit einer zusätzlichen 12-Meilen-Zone, also die Möglichkeit einer 24-Meilen-Zone, der sogenannten Anschlusszone. Das ist alles noch mit dem Seerecht vereinbar. Wenn man mit mehreren Experten spricht - Seevölkerrechtsexperten usw. -, dann erfährt man, dass sie die 70-Meilen-Zone für rechtswidrig halten. Warum finden Sie das nicht?

Schäfer: Es ist völlig eindeutig - ich glaube, darüber gibt es auch keine Meinungsverschiedenheiten, weder mit der libyschen Regierung noch mit sonst jemandem -, dass eine solche Search-and-Rescue-Zone die Hoheitsgewalt, die Souveränität eines Staates über die 12-Meilen-Zone hinaus nicht ausweitet. Vielmehr haben wir eine Situation, in der die libysche Regierung die zuständige internationale Organisation gebeten hat zu prüfen, ob Libyen eine erweiterte Search-and-Rescue-Zone einrichten könne, in der Libyen, wie wir in deutscher Bürokratensprache vielleicht sagen würden, die Federführung für alle Maßnahmen der Rettung von Personen, die sich in Seenot befinden, übernimmt.

Wenn ich das richtig sehe, läuft diese Prüfung der IMO, der zuständigen internationalen Organisation, noch. Sie haben recht, aus einer solchen Entscheidung der libyschen Regierung - nehmen wir einmal an, sie würde von der zuständigen internationalen Organisation als richtig und machbar angesehen - ergeben sich im Wesentlichen zusätzliche völkerrechtliche Pflichten, aber keine zusätzlichen völkerrechtlichen Rechte - nämlich die völkerrechtliche Pflicht, sich in ganz besonderer Weise für in Seenot befindliche Boote und Personen einzusetzen.

Zusatzfrage : Sie sagen, dass Sie mit "Libyen" gesprochen haben. Mit welcher Regierung denn da?

Schäfer: Wenn die Bundesregierung mit Vertretern Libyens spricht, dann mit der Regierung Libyens unter Führung von Ministerpräsident Sarradsch, die aus unserer Sicht die einzig legitime ist. Natürlich sind von unserem Botschafter auch in dieser Frage bereits Gespräche mit den Vertretern der Küstenwache Libyens, mit dem Ministerpräsidenten und mit anderen Vertretern der libyschen Regierung geführt worden.

Frage: Herr Schäfer, zum einen würde mich interessieren: Unterstützt die Bundesregierung eigentlich diesen Plan von Libyen, diese Zone so weit auszuweiten? Welche Erkenntnisse hat man eigentlich darüber, dass die Libyer das von ihrer Kapazität her überhaupt können? Dazu müssten ja allein aufgrund der angeblich engen Zusammenarbeit mit der Operation Sophia Erkenntnisse vorliegen.

Dann würde ich gerne wissen, ob dieser sozusagen Ausschluss, nämlich die Aussage "In diese Zone fährt niemand mehr hinein" eigentlich auch für die Schiffe der Europäischen Union gilt, also für die deutschen Schiffe der Operation Sofia. Ist es sozusagen auch schon so mitgeteilt, dass sich auch diese Schiffe aus dieser Zone heraushalten sollen?

Schäfer: Wir nehmen die libyschen Pläne zur Kenntnis, und wir versuchen, damit umzugehen. Wir haben in den Gesprächen, auf denen ich auf die Fragen Ihres Kollegen gerade eingegangen bin, deutlich gemacht, dass das aus unserer Sicht zu keiner Einschränkung der Seenotrettungsmaßnahmen führen darf, also das Schutzniveau für in Seenot geratene Menschen nicht sinken darf.

Darüber hinaus hatte ich, glaube ich, eben schon gesagt, dass es ziemlich eindeutig ist, dass aus völkerrechtlicher Sicht mit der Beschreibung, Benennung und Kennzeichnung einer Search-and-Rescue-Zone keine sonstigen völkerrechtlichen Folgen verbunden sind - außer die Pflicht, sich in dieser Zone ganz besonders um in Seenot befindliche Schiffe und Personen zu kümmern. Das bedeutet natürlich, dass es keine Einschränkungen der Möglichkeit der Durchfahrt geben darf und geben soll, weil das schlicht und ergreifend Gewässer sind, die nicht zum Hoheitsgebiet Libyens gehören.

Zusatzfrage: Sind die Libyer nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes in der Lage, diese Zone - ich sage es ein bisschen zynisch - sozusagen zu bewirtschaften? Wir haben hier ja dutzende Male über die lybische Küstenwache geredet. Sie kennen wahrscheinlich noch viel detailliertere Berichte als ich. Aber alles, was man darüber liest, ist, dass die nicht dazu in der Lage sind.

Schäfer: Wenn wir der Meinung wären, dass die lybische Küstenwache schon ohne weitere Unterstützung und Hilfe von außen in der Lage wäre, die Aufgaben so wahrzunehmen, wie wir das von unseren Küstenwachen erwarten würden, dann hätten wir als Europäische Union auch nicht ein Projekt aufs Gleis gesetzt, dessen Ziel es ist, die lybische Küstenwache zu ertüchtigen und insbesondere mit Wissen, Technik und Know-how zu versehen, wie man eben der ganzen Bandbreite der Aufgaben nachkommen kann, einschließlich den Aufgaben der Seenotrettung.

Frage : Herr Schäfer, wenn diese Zone keine Einschränkung in Bezug auf die Seenotrettung hat, warum warnt die Leitstelle für Seenotrettung in Rom die freiwilligen Helfer vor dem Eindringen? Geben Sie den freiwilligen Seenotrettern Entwarnung und ermutigen Sie sie, wieder reinzufahren, aber ist die Warnung - -

Schäfer: Ich weiß nicht, warum Sie das von mir verlangen. Ich kann von hier aus weder Entwarnung geben noch ermutigen. Es darf, glaube ich, jeder selbst entscheiden, wie er das machen möchte. Wir respektieren die Entscheidungen der NGOs, die dort am Werk sind, etwas zu tun oder etwas nicht zu tun.

Was Äußerungen der italienischen Behörden angeht, die Sie hier infrage stellen, bitte ich Sie, sich an die italienischen Behörden zu wenden. Ich glaube, es ist nicht meine Aufgabe, die zu kommentieren oder zu kritisieren.

Zusatzfrage : Deswegen die Verständnisfrage. Sie haben eben ein bisschen Entwarnung gegeben. Es hat sich für die Seenotretter nichts geändert, aber gleichzeitig werden die freiwilligen Seenotretter gewarnt, dort einzudringen. Ich hatte es so verstanden, dass es gar keiner Warnung bedarf, weil Sie sagen, dass sich nichts geändert hat.

Schäfer: Ich habe nicht gewarnt, ich habe auch nicht ermutigt.

Frage: Herr Dimroth, es gibt Medienberichte, wonach Asylbewerber mit einem Schutzstatuts zunehmend für einen begrenzten Zeitraum in ihre Heimatländer zurückreisen. Die Ausländerbehörden in Baden-Württemberg sprechen akut von 100 Fällen allein dort. Können Sie diesen Trend bestätigen? Gibt es dazu vielleicht auch aktuelle Zahlen?

Dimroth: Vielen Dank für Ihre Frage. - Eine bundeseinheitliche Statistik über dieses Phänomen wird nicht geführt. Wie Sie richtigerweise sagen, liegen solche Erkenntnisse zunächst jedenfalls in der Regel auch bei den Ausländerbehörden der Länder vor und nicht dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, sodass ich Ihnen keine Zahlen nennen kann.

Dieses Phänomen ist uns aber durchaus bekannt; das hat ja der Gesetzgeber durchaus in den Blick genommen. Es gibt für diejenigen, die in einem laufenden Asylverfahren sind, nach dem geltenden Recht gemäß 33 Absatz 3 Asylgesetz die klare Regel, dass, wenn derjenige, der freiwillig in den Staat zurückreist, dessen Verfolgung er als Grundlage eines Asylgesuchs in Deutschland vorgetragen hat, dieser Asylantrag in Deutschland als zurückgenommen gilt. Das ist ja schon eine sehr einschneidende Folge für diejenigen, die noch im Verfahren sind, was auch nachvollziehbar ist, weil der Vortrag des Schutzbedarfs aus dem vermeintlichen Verfolgungsstaat mindestens an Plausibilität verliert, wenn man freiwillig dorthin - beispielweise zu Urlaubszwecken - zurückreist.

Anders ist es bei der Frage derjenigen, die hier schon einen anerkannten Status als Flüchtling oder als Asylberechtigter haben. Da sieht das europäische Recht vor, dass es sozusagen keine Standardwirkung in jedem Einzelfall hat, wenn bekannt wird, dass der Betroffene in den Staat zurückreist, aus dem er wegen dortiger Verfolgung nach Deutschland geflüchtet ist, dass es aber sehr wohl in Einzelfällen auch dort dazu führen kann, dass entsprechende Bescheide mit der Folge zurückgenommen oder widerrufen werden, dass dieser Schutzstatus wegfällt.

Da mag es durchaus Einzelfälle geben, in denen es nachvollziehbare Gründe für diese Rückreise gibt - beispielsweise ein Familienbesuch, Krankheitsfall in der Familie oder Ähnliches -, wo der Betroffene meint, für einen kurzen Zeitraum mehr oder weniger gefahrlos in sein ursprüngliches Heimatland reisen zu können. Es verbietet sich also sozusagen pauschal, hieran eine Rechtsfolge zu knüpfen, wenn das bekannt wird. Aber es ist sehr wohl im Einzelfall auch dort möglich, bis hin zur Rücknahme und Widerruf eines entsprechenden positiven Bescheides zu reagieren.

Frage: Eine Frage an das BMVg. "Spiegel ONLINE" hatte berichtet, dass es im Fall des verstorbenen Soldaten in Munster neue Erkenntnisse gibt. Ich wüsste gerne, was Sie genau zum angeblichen Strafmarsch sagen können und wie Sie es bewerten, dass die betreffenden Ausbilder offenbar krankgeschrieben sind.

Flosdorff: Lassen Sie mich grundsätzlich dazu etwas sagen: Die Untersuchungen zu diesen tragischen Vorkommnissen Mitte Juli in Munster laufen und dauern weiterhin an. Ich muss hier an dieser Stelle ausdrücklich davor warnen, voreilige Schlüsse zu ziehen oder auch nur Aspekte herauszugreifen, die vielleicht in eine Richtung führen, die am Ende gar nicht die entscheidende Richtung ist, um dieses sehr komplexe Gesamtgeschehen zu erklären und aufzuarbeiten.

Sowohl die zuständige Staatsanwaltschaft und auch die eingesetzte Untersuchungsgruppe mit Fachleuten des Sanitätsdienstes der Bundeswehr und des Heeres ermitteln weiterhin in alle Richtungen. Insbesondere werden medizinische, aber auch truppendienstliche Aspekte sowie die an diesem Tag herrschenden Umwelteinflüsse intensiv betrachtet. Wichtige Puzzlestücke dazu fehlen noch. Die Ministerin lässt sich laufend über den Fortgang dieser Ermittlungen unterrichten.

Die Untersuchungsgruppe hat in den letzten Wochen eine große Anzahl von Soldatinnen und Soldaten gehört. Insgesamt wurden 35 Offiziersanwärter gefragt, die dort teilgenommen haben, und es wurden acht Ausbilder befragt. Es konnten noch nicht alle befragt werden, was auch mit Krankschreibungen, Urlauben usw. zu tun hat. Insofern kann ich das nicht so stehen lassen, wie Sie es interpretieren.

Wichtig ist, dass man hier nicht auf bestimmte Einzeleinflüsse eingeht, ohne dass man einmal das Gesamtbild in Betracht genommen hat. Es haben zwei Märsche stattgefunden, und ein Marsch war der Eingewöhnungsmarsch. Es hat ein weiterer Marsch davor stattgefunden, und zwar nach einem Appell, bei dem die Ausrüstung auf Vollzähligkeit untersucht wurde. Die Mehrzahl des Zuges, also 29 von 44 Offiziersanwärtern, ist in die Kaserne zurückmarschiert und hat die fehlenden Ausrüstungsgegenstände geholt.

Wenn Sie das hier als "Strafmarsch" bezeichnen, dann ist das nicht das Wort, das die Ausbilder der Bundeswehr gebrauchen würden. Es werden im Rahmen des Grundwehrdienstes 20 000 Ausbildungen im Jahr absolviert. Viele Soldatinnen und Soldaten, auch die Vorgesetzten und die für die Ausbildung zuständigen Fachstränge innerhalb der Bundeswehr würden das sicherlich aus ihrem eigenen Erleben einordnen können.

Was ist jetzt genau der Stand? Wir wissen es im Moment noch nicht. Wir haben das Parlament darüber unterrichtet, was alles an Anstrengungen unternommen worden ist. Ich möchte Ihnen einfach einmal eine Idee davon geben, was in den vergangenen Wochen außer diesen Befragungen alles stattgefunden hat.

Das wird alles aufgeklärt. Es ist auch nicht so, dass alles als gegeben hingenommen wird. Alles wird hinterfragt. Wir schauen, ob das, was an diesem Tag stattgefunden hat, der Weisungs-, Befehls- und Vorschriftenlage entspricht. Es hat Ortsbegehungen gegeben; man hat die Streckenführung, die Entfernungen angeschaut; man hat die Geländeprofile, die Lichtverhältnisse angeschaut. Wie waren die Außentemperaturen? War es schattig? War das im offenen Gelände? Die Arbeitsgruppe Sanität hat die medizinischen Ursachen erkundet. Die Wehrpharmazie hat geschaut, ob es vielleicht Interaktionen mit bestimmten Medikamenten gab, die eingenommen wurden. Wie waren die Ergebnisse bei der Musterung beziehungsweise bei den Medizinchecks? Alle wurden als Offiziersanwärter vorher einem Sportcheck unterzogen, also hatten den Basisfitnesstest bestanden. Man hat sich die Wehrergonomie und Leistungsphysiologie und hat sich die Intervalle dort angeschaut. Welche Ausrüstung, welche Bekleidung hatten sie? Es wurden sogar noch internationale externe Experten zu Rate gezogen, um zu schauen, ob sich Hitze bei einer bestimmten Temperatur verbunden mit einer bestimmten Ausrüstung stauen kann. Man hat den Inhalt der Spinde untersucht. Man hat Blut- und Urinproben genommen sowie Medikamente, Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel, leistungssteigernde Substanzen und Rauschmittel untersucht.

Das sind alles Puzzle- und Mosaiksteine. Alles ist bisher nicht dazu geeignet gewesen, dieses sehr komplexe Gesamtbild an dem Tag zu erklären.

Der Marsch, auf den Sie sich beziehen, ist der erste Marsch, der an diesem Tag stattgefunden hat. Das war ein Drei-Kilometer-Marsch in Richtung der Unterkünfte. Am Ende dieses Marsches ist der erste Soldat, der leider danach verstorben ist, kurz vor Erreichen des Geländes - 150 Meter vor der Kaserne - und nach einer Marschleistung von etwa rund drei Kilometern kollabiert. Die anderen sind wieder drei Kilometer zurück zum Ausbildungsplatz marschiert, nachdem sie die Ausbildungsgegenstände ergänzt hatten. Das waren dann sechs Kilometer. Danach gab es eine mehrstündige Ruhepause mit Mittagessen, und es haben Übungen stattgefunden. Dann gab es den Eingewöhnungsmarsch von sechs Kilometern.

Wenn man sich insgesamt diese Teilaspekte anschaut, ist es sicherlich eine sehr hohe Ausfallrate. Es ist sehr bedauerlich, und es sind sehr gravierende Folgen, die an dem Tag eingetreten sind. Man muss sich jeden Aspekt ganz genau anschauen, weil sich zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten über den Verlauf des ganzen Tages und an ganz unterschiedlichen Streckenabschnitten Beschwerden ergeben haben. Es gibt im Moment keine große Hauptursache, auf die man dieses tragische Gesamtgeschehen zurückführen kann, das sich an diesem Tag ereignet hat. Deswegen bitte ich um Geduld. Diese Untersuchungen laufen weiter. Es gibt jetzt erste Ergebnisse der Staatsanwaltschaft, die parallel ermittelt, so zum Beispiel den Obduktionsbericht des verstorbenen Soldaten, der für sich gesehen auch noch nicht aufschlussreich ist. Es stehen aber noch andere Befragungen aus; das ist richtig. Es gibt auch noch Untersuchungen darüber hinaus. Man kann Zelluntersuchungen vornehmen, und man kann Untersuchungen in Bezug auf genetische Prädispositionen anstellen.

Das muss nachher alles miteinander abgeglichen werden. Das ist ein großes Puzzlespiel, und entscheidende Puzzleteile fehlen noch. Ich kann nur davor warnen, hier vorschnell in eine bestimmte Richtung zu interpretieren Wir haben das Anfang der Woche erlebt, als es hieß, dass die Soldaten Aufputschmittel genommen haben. Am Ende stellte sich heraus, dass sich ein Soldat gemeldet hatte, dass er in einer Pause bis zu einer Dose von einem Energydrink zu sich genommen hatte. Das war alles, was an der Meldung dran war. Das war sehr belastend für die Angehörigen der betroffenen Soldaten, weil das zuerst als Ursache in Richtung der Soldaten wies und am Ende des Tages hat man gesagt: Na ja, bei näherer Betrachtung wird es das wohl nicht gewesen sein, was jetzt alles erklärt. - Genauso vorsichtig wäre ich an der Stelle, was diesen extra Marsch angeht und welche Bedeutung das am Ende hat - ob das kausal war, ob das mitursächlich war oder ob das vielleicht ein Faktor von vielen war, der in der Summe des Tages zu dem tragischen Geschehen geführt hat.

Zusatzfrage: Können Sie bestätigen, dass mehr Soldaten oder Soldatinnen betroffen waren als bisher bekannt? Wenn ja, wie viele?

Flosdorff: Die Befragungen haben ergeben, dass insgesamt 11 Soldatinnen und Soldaten betroffen waren - teilweise haben sie sich erst hinterher gemeldet; das hat sich im Laufe der Befragungen der gesamten Gruppen ergeben -, und zwar von ganz unterschiedlicher Intensität. Einige waren kurzzeitig nicht ansprechbar. Dann gab es die ganz schweren Fälle, die hinterher bewusstlos waren und ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten. Einige waren für einige Sekunden und Minuten weggetreten, nicht ansprechbar. Andere hatten Beschwerden, wie sie häufiger vorkommen, und die melden sich dann und sagen: Ich bin gestolpert und habe Fußbeschwerden, ich habe Bauchbeschwerden, Kniebeschwerden. Teilweise haben sie den Marsch nicht fortgesetzt oder haben auf mehrfache Ansprache gesagt: Ich setze den Marsch fort, ich mache das irgendwie weiter. Nachdem alle 44 Soldatinnen und Soldaten befragt worden sind - bis hin zu Äußerungen wie "Mein Fuß tat weh"-, waren es 11 Soldatinnen und Soldaten, die sich gemeldet haben.

Frage: Herr Flosdorff, Sie haben gerade sehr wortreich erklärt, es sei kein Strafmarsch gewesen. Simpel zusammengefasst haben Sie die Situation aber genauso beschrieben, wie es in dem Bericht stand: Sie kommen an dem Ausbildungsplatz an, einige haben offenbar Teile ihrer Ausrüstung nicht dabei. Dann geht es sozusagen im Laufschritt und mit Liegestützen zurück zur Unterkunft und die Sachen sollen geholt werden. Sie haben gerade gesagt, viele würden dafür sicherlich einen Begriff finden. Nur welcher soll das sein? War das eine erzieherische Maßnahme? War das eine disziplinierende Maßnahme?

Flosdorff: Wenn Sie das als "erzieherische Maßnahme" betiteln wollen, hätte ich damit praktisch keine Schwierigkeiten. Sie müssen sich das so vorstellen - ich habe mir das erklären lassen, da ich selbst kein Militär bin -: Es wird häufiger in der Kaserne darauf hingewiesen: Wenn ihr draußen im Feld, im Manöver, in der Übung oder nachher im Gefecht, im Einsatz seid, dann gibt es keine Möglichkeit, Gegenstände, die man nicht dabei hat, schnell zu ergänzen. In diesem Fall hier war es so, dass sie drei Kilometer von der Kaserne entfernt waren und gemeinsam mit den Ausbildern und ohne eine konkrete Zeitvorgabe zurück zur Kaserne marschiert sind, um die Ausrüstungsgegenstände zu ergänzen.

Das ist ein Vorgang, der sicherlich nach den Beschreibungen, die ich habe, in der Bundeswehr und auch in der Ausbildungsgeschichte der Bundeswehr nicht alleine steht. Noch einmal: 20 000 Soldatinnen und Soldaten durchlaufen jedes Jahr die Bundeswehrgrundausbildung.

Frage : Ich habe eine Frage zum Thema Air Berlin. Ich würde gerne das Bundeswirtschaftsministerium fragen: Hat sich eigentlich die Bundesregierung im Gegenzug zu dem angekündigten Überbrückungskredit irgendwelche besonderen Rechte gesichert, sprich Vetorechte bei einem Übernehmer, der nicht genehm ist, oder andere Einspruchsmöglichkeiten?

Zweitens würde ich gerne wissen, ob die Bundesregierung damit rechnet, dass schon ganz kurzfristig - womöglich in der nächste Woche - eine Einigung über eine Übernahme zustande kommt und damit dieser Überbrückungskredit möglicherweise nur in einem kleinen Teil überhaupt in Anspruch genommen werden muss, weil ein neuer Eigentümer dann für die Gesellschaft einsteht.

Wagner: Vielen Dank für die Frage. - Sie wissen, dass Zweck und Ziel der Garantie zunächst einmal ist, den Flugbetrieb so lange sicherzustellen, bis die Gespräche von Air Berlin und den interessierten Airlines über den Erwerb von Vermögenswerten abgeschlossen werden können. Ziel ist ein geordneter Übergang.

Diese Gespräche werden von Airlines geführt. Die Airline befindet sich, wie Sie wissen, im Insolvenzverfahren. Die Gesellschaft ist in Eigenverwaltung gestellt, und es gibt einen Sachwalter. Das sind die beteiligten Parteien, die diese Verhandlungen führen. Die Bundesregierung ist an diesen Verhandlungen nicht beteiligt.

Zu der zweiten Frage, inwieweit mit einer kurzfristigen Einigung zu rechnen ist: Ich habe ja schon ausgeführt, was Ziel und Zweck dieses Kredits ist. Es gibt insoweit keine Zeitvorgabe oder Ähnliches, sondern der Kredit soll mindestens so lange reichen, bis eine sinnvolle und zukunftsfähige Lösung einerseits für die Beschäftigten und andererseits auch für den Wettbewerb im Luftverkehrssektor gefunden werden kann. Es gibt keine Zeitvorgabe. Jetzt müssen wir erst einmal abwarten, wie die Verhandlungen weitergehen. Was den genauen Zeitplan angeht, müssen Sie sich bitte an die Airlines wenden, die Ihnen vielleicht Näheres dazu sagen können.

Zusatzfrage : Darf ich noch einmal zur ersten Frage zurückkommen? Habe ich es also richtig mitbekommen, dass die Bundesregierung keinerlei Einfluss und keinerlei Instrument hat, um Einfluss zu nehmen? Ich frage deshalb, weil die Bundesregierung ja in Form von Stimmen verschiedener Minister zumindest für meine Begriffe den Eindruck erweckt hat, als wenn man sehr deutlich eine Präferenz für einen Erwerb - zumindest einen Teilerwerb - durch die größte deutsche Fluggesellschaft, durch die Deutsche Lufthansa, hat und daher andere Bewerber möglicherweise kritischer betrachtet. Die hat also kein Instrument, um diese Präferenz durchzusetzen?

Wagner: Zu diesem Punkt: Die Unternehmen verhandeln jetzt, wie gesagt, und die Bundesregierung ist dabei nicht mit am Tisch und steuert das auch nicht. Die Ministerin hat sich ja gestern auch zu diesem Aspekt, den Sie gerade genannt haben, noch einmal geäußert und gesagt, dass es wohl relativ klar ist, dass es am Ende nicht eine Airline sein kann. Es ist schon aus kartellrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Gründen so, dass am Ende mehrere Airlines - jedenfalls mehr als eine Airline - zum Zuge kommen müssen. Das wird aus Wettbewerbssicht so erforderlich sein. Air Berlin verhandelt ja auch mit mehreren Airlines, und das müssen wir jetzt abwarten. Aber natürlich ist die Bundesregierung da nicht vorfestgelegt, und es gibt auch keine Vorfestlegung, sondern das ist jetzt eine Frage der beteiligten Unternehmen.

Frage: Ich habe eine Frage, vermutlich an das Verkehrsministerium: Können Sie schon absehen, welche Auswirkungen Insolvenz und Übernahme in welcher Form auch immer auf die Gestaltung des BER haben werden? Die Pläne, da ein internationales Drehkreuz einzurichten, werden nämlich bei einer Zerschlagung so oder so nicht mehr realisiert werden können, und auch der Bau des einen Terminals basierte, wenn ich recht informiert bin, genau auf dieser Annahme. Können Sie also schon sagen, wie Sie sich darauf vorbereiten, dass sich diese Pläne in Bezug auf den BER vermutlich nicht realisieren lassen werden?

Susteck: Vielen Dank auch für diese Frage. Wir sind jetzt gerade erst einmal in dem Prozess, dass wir mit dem Überbrückungskredit die Möglichkeit schaffen, dass die sehr weit fortgeschrittenen Verhandlungen von Air Berlin mit mehreren Wettbewerbern erfolgreich zum Abschluss gebracht werden können. Diesen Prozess gilt es jetzt erst einmal abzuwarten.

Sie kennen den Zeithorizont. Der Minister hat es auch am Dienstag noch einmal gesagt: Wir haben jetzt mit dem Überbrückungskredit erst einmal ausreichend Zeit, auch wenn wir als BMVI davon ausgehen, dass die Verhandlungen zügig voranschreiten werden. Welche Auswirkungen das dann im Ergebnis auf den BER haben wird, diese Frage müssten Sie dann an die Flughafengesellschaft richten.

Zusatzfrage: Ja, das ist mir schon klar. Der Kredit dient ja der Aufrechterhaltung - das ist uns ja vorgestern erklärt worden - des Flugverkehrs und des Rücktransports von Reisenden. Nur werden die BER-Auswirkungen ja so oder so kommen, da es eben keine Komplettübernahme von Air Berlin oder eine Weiterführung der Gesellschaft in toto geben wird. Wenn ich es richtig sehe, dann ist ja der Bund durchaus in der Flughafengesellschaft vertreten. Deswegen sollten Sie doch ein eigenes Interesse daran haben, diese absehbaren Auswirkungen frühzeitig zu bedenken, oder?

Susteck: Noch einmal: Die Nachfrage im Luftverkehrsbereich wird sich ja durch die Insolvenz von Air Berlin jetzt nicht verändern. Ich kann das jetzt insofern nicht nachvollziehen, als es ja jetzt darum geht, erst einmal eine vertragliche Regelung dafür zu schaffen, welche Teile der Airline durch Wettbewerber und auch durch welche Wettbewerber übernommen werden. Das hat jetzt erst einmal keine konkreten Auswirkungen auf den Luftverkehr. Sie haben es selbst angesprochen: Die Airline fliegt erst mal weiter wie geplant, und alle weiteren Fragen werden sich daran anschließen.

Frage : Herr Wagner, ist die Ausweisung des Überbrückungskredits eigentlich an irgendwelche Garantien oder Sicherheiten geknüpft, dass das auch zurückgezahlt wird? Ich denke zum Beispiel daran, dass immer die Rede davon ist, dass man aus dem Verkauf der Start- und Landerechte hinsichtlich der Slots Geld zurückbekommen kann.

Wagner: Ich kann ja einmal anfangen, und vielleicht kann die Kollegin vom BMF das dann noch ergänzen. Grundsätzlich ist das ja erst einmal ein rückzahlbarer Übergangskredit in Höhe von 150 Millionen Euro, der gewährt werden wird. Das ist ein Massekredit in der Insolvenzmasse. Die Kollegin vom BMF hat ja am Mittwoch auch noch einmal ausgeführt, was das jetzt im Detail bedeutet. Der Kredit wird am Schluss sozusagen aus der Insolvenzmasse befriedigt werden, und natürlich stehen dann alle Vermögenswerte zur Verfügung, die in der Insolvenzmasse sind. Natürlich zählen dazu auch die Erlöse aus den sogenannten Slots.

Zusatzfrage : Jetzt machen Sie mich ganz nervös, weil Sie "am Schluss" sagten. An welchem Rang steht denn dann der Bundeskredit zur Überbrückung?

Wagner: Noch einmal: Das ist ein Massekredit. Vielleicht können die Kollegen das noch - - -

Zusatz : Wenn Sie am Schluss stehen, dann sind Sie halt dran, wenn nichts mehr da ist!

von Tiesenhausen-Cave: Nein, ich glaube, Sie müssen zwischen Ansprüchen, die vor der Insolvenz eingetreten sind - das hat der Kollege ja auch schon am Mittwoch erläutert -, und den neu zu befriedigenden Ansprüchen unterscheiden, die eben nach der Insolvenz entstanden sind. Dazu gehört dieser Kredit der KfW, der dann aus den Verkaufserlösen und nach Abzug der Kosten für die Insolvenzverwaltung zurückgezahlt werden soll. Er ist also vorrangig. Er ist privilegiert. Er hat jetzt nichts mit Verbindlichkeiten zu tun, die vielleicht im Geschäftsbetrieb über die Jahre hinweg aufgelaufen sind, sondern er kommt in einer neuen Phase und ist deshalb auch privilegiert zurückzuzahlen.

Frage : Frau Zypries hatte, wie Sie ja schon gesagt haben, erklärt, dass eine Übernahme nur durch ein Unternehmen aus kartellrechtlichen Gründen nicht möglich sei. Jetzt ist es ja so: Wenn Wöhrl das Unternehmen komplett übernehmen würde, dann würde ja letztendlich doch der Wettbewerb erweitert werden, und das Argument des einen Unternehmens bezieht sich ja letztendlich nur auf die Lufthansa, weil die eben schon eine starke Position hat. Also noch einmal kurz die Frage: Bezieht sich die Aussage der Ministerin auch auf einen Wettbewerber wie Wöhrl?

Wagner: Die Aussage der Ministerin ist erst einmal natürlich keine abschließende kartellrechtliche Bewertung, sondern wir müssen ja erst einmal abwarten, was am Schluss rauskommen wird, was für Verträge am Schluss vorliegen werden, was angemeldet wird, und dann werden am Schluss die Wettbewerbsbehörden entscheiden. Insoweit hat die Ministerin bloß erst einmal die Einschätzung abgegeben, dass man, was insoweit ja auf der Hand liegt, bei der Frage, welche Slots etc. jetzt an Vermögenswerten übergehen, natürlich schon genau prüfen muss, wie die Marktmacht auf dem Luftverkehrsmarkt in Deutschland später (aufgeteilt) sein wird. Natürlich darf es am Ende nicht sein, dass auf gewissen Strecken - es ist ja natürlich kartellrechtlich schwierig, wenn manche Strecken dann nur noch von einem Player monopolartig bedient werden können, und darauf bezog sich die Aussage der Ministerin, dass es da natürlich mehrere (geben müsse), natürlich zunächst einmal - eine Airline alles bedient.

Wenn jetzt noch ein komplett neuer Player auf den Markt kommt oder ein Player, der bisher wenig vertreten ist, dann ist natürlich wieder neu einzuschätzen, wie das mit der kartellrechtlichen Lage ist. Aber, wie gesagt, das ist eine Frage, die wir erst am Schluss klären können. Zunächst müssen die Unternehmen jetzt verhandeln und dann die Verträge vorlegen. Dann wird das angemeldet, und dann wird das von den Kartellbehörden zu prüfen sein. Eine abschließende kartellrechtliche Bewertung kann erst zu jenem Zeitpunkt gemacht werden, und dies dann auch nicht von uns, weil dafür die Wettbewerbsbehörden zuständig sind.

Zusatzfrage : Eine kleine Detailnachfrage an das Finanzministerium: Muss diese Bundesverbürgung des Überbrückungskredit eigentlich noch irgendwie in das Parlament oder in den Ausschuss? Muss das da nur zur Kenntnis genommen werden? Muss das da möglicherweise noch einmal abgestimmt werden?

von Tiesenhausen-Cave: Davon ist mir jetzt nichts bekannt. Mein Stand ist, dass diese Garantievergabe im Rahmen der wie auch bei anderen Inlandsgewährleistungen üblichen Verfahren funktioniert, und ich gehe im Moment nicht davon aus, dass das Parlament gesondert befasst werden wird.

Frage: Eine Frage zu den Expertenrunden, die beim Dieselgipfel verabredet worden sind, an das Bundeswirtschaftsministerium, das Bundesverkehrsministerium und das Bundesumweltministerium: Gibt es schon Klarheit über die Zusammensetzung und über die konstituierenden Sitzungen? Welche Vertreter der Zivilgesellschaft werden daran beteiligt?

Susteck: Ich kann gerne anfangen. Ich habe dazu keinen neuen Sachstand. Wenn es den gibt, reiche ich den gerne nach. Aber vielleicht können die Kollegen das ja auch ergänzen.

Fichtner: Genau, ich kann das für die Expertenrunde 3, die vom BMUB geleitet wird, ergänzen. Dabei geht es um den Umstieg öffentlicher Fahrzeugflotten, also zum Beispiel Busse oder Taxen. Da wollen wir am Donnerstag, dem 24. August, mit der ersten Sitzung beginnen. Wir haben uns darauf verständigt, dass es eine Kerngruppe von Vertretern öffentlich-rechtlicher Institutionen gibt, also staatliche Vertreter. Die soll um Gäste ergänzt werden. Wir haben uns darauf verständigt, dass Vertreter von Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden auch regelmäßig dabei sein sollen. Wenn es Bedarf für technische Fragen gibt, dann würden wir bei Bedarf auch Vertreter der Automobilindustrie dazu laden.

Wagner: Vielleicht noch für das Bundeswirtschaftsministerium: Ich kann Ihnen insoweit auch von keinem neuen Stand berichten, der mir jetzt bekannt wäre. Unsere Expertengruppe wird weiter vorbereitet, aber einen neuen Stand habe ich dazu nicht.

Frage : Herr Fichtner, nur zum Verständnis: Die Umweltverbände sind zu Gast, also Zaungäste. Dürfen die da wieder nicht mitreden?

Was heißt "regelmäßig"?

Fichtner: Im Gegenteil: Die sollen tatsächlich bei allen Sitzungen dabei sein und mit am Tisch sitzen. Die Unterscheidung ist einfach die, dass wir gesagt haben: Es soll eine Kerngruppe geben, in der einfach tatsächlich nur staatliche Vertreter und eben zum Beispiel nicht Vertreter der Automobilwirtschaft drin sind. Alle anderen Vertreter, die nicht staatlich sind, werden dann dazu geladen. Umwelt- und Verbraucherverbände wollen wir immer dabei haben und andere bei Bedarf.

Frage: Ich habe eine Frage zum Euro. Ich denke, das betrifft das Finanzministerium. Der Euro ist ja gegenüber dem Dollar in den letzten Wochen um 10 Prozent gestiegen. Überrascht Sie das, Frau von Tiesenhausen, oder sehen Sie darin eine nachhaltige Entwicklung? Könnte das auch zu einer Lösung - ich sage einmal, einer friedlichen Lösung - hinsichtlich der deutschen Handelsüberschüsse führen?

von Tiesenhausen-Cave: Wir telefonieren so häufig, aber wir sehen uns vielleicht selten in der Bundespressekonferenz, sodass ich Ihnen nicht ersparen kann, jetzt die übliche Antwort auf derartige Fragen zu geben: Die Bundesregierung kommentiert Wechselkursentwicklungen nicht. Das ist aber auch wirklich geübte Praxis und dürfte Sie nicht überraschen, auch wenn Sie selten hier sind.

Zusatzfrage: Zu den Handelsüberschüssen: Sehen Sie da jetzt unter diesem Aspekt keine Entspannung?

von Tiesenhausen-Cave: Die Haltung der Bundesregierung zu den Leistungsbilanzüberschüssen ist ja hier auch schon beschrieben worden. Wir gehen davon aus, und es gibt ja auch unzählige Prognosen, die das so vorhersagen, dass sich die Leistungsbilanzüberschüsse in den nächsten Jahren zurückentwickeln werden. Das liegt an mehreren Faktoren, unter anderem an der demografischen Entwicklung, unter anderem auch an der ohnehin schon stattgefundenen Rebalancierung des Wirtschaftswachstums - vermehrt durch die Inlandsnachfrage in Deutschland getrieben, die wir seit einigen Jahren verstärkt beobachten - und perspektivisch, wovon auch Beobachter ausgehen, eben auch an einer Normalisierung der derzeitigen ungewöhnlichen Geldpolitik. All das ist aber an dieser Stelle auch schon oft gesagt worden, nur werden wir einzelne Kursentwicklungen hier nicht kommentieren.

Frage : Ich wollte zu den deutschen Gefangenen in der Türkei kommen. Herr Schäfer, Sie hatten am Mittwoch beiläufig erwähnt, dass Herr Erdmann Herrn Yücel - ich glaube, in der nächsten Woche - besuchen wird, Herr Steudtner auch. Ist denn ein Besuch der anderen deutschen beziehungsweise deutsch-türkischen Gefangenen - mein Stand war, der anderen acht - auch geplant? Wenn nicht, warum nicht? Was ist mit Frau Tolu?

Schäfer: Ich habe das nicht beiläufig gesagt, sondern sehr bewusst hier gesagt. Nur weil Sie nicht da waren, war das nicht beiläufig.

Es stimmt: Nächste Woche hat unser Botschafter zwei beziehungsweise - ich kann jetzt einen weiteren Termin ankündigen - drei Termine mit deutschen Staatsangehörigen, die sich in der Türkei in Haft befinden, mit Herrn Yücel am 22. August, mit Herrn Steudtner, glaube ich, am Folgetag, und mit Frau Tolu jedenfalls auch in dieser Woche. Dass wir uns um alle deutschen Staatsangehörigen in Haft kümmern, gilt weiterhin und unbeschränkt. Dass wir uns bei allen anderen auch darum bemühen, regelmäßige Vorsprachen zur konsularischen Betreuung zu bekommen, ist völlig selbstverständlich.

Zusatzfrage : Die Frage war erstens: Gibt es immer noch die zehn deutschen beziehungsweise deutsch-türkischen Gefangenen, also die, die aus politischen Gründen gefangen sind? Gibt es mehr, oder gibt es jetzt weniger?

Besucht Herr Erdmann als Botschafter nur die Promis, wie ich es jetzt einmal nenne, oder besucht er auch die anderen, Herr Schäfer?

Schäfer: Es kann sein - da sind wir noch nicht ganz sicher; das prüfen wir zurzeit noch -, dass es einen zehnten Fall einer deutsch-türkischen Doppelstaatlerin gibt, die in den letzten Tagen auch wegen Vorwürfen politischer Natur in türkisches Polizeigewahrsam gekommen sein könnte.

Zu unseren Haftbesuchen kann ich einfach nur sagen: Unser Botschafter setzt sich sehr persönlich und mit großem Engagement dafür ein, dass alle deutschen Staatsangehörigen, die in der Türkei in Haft sind, ein faires Verfahren bekommen, dass die Untersuchungshaft auf das absolute Mindestmaß begrenzt wird und dass in den Fällen, über die wir hier reden, auch die drei Betroffenen möglichst schnell auf freien Fuß gesetzt werden, weil wir der Meinung sind, dass die Untersuchungshaft unangemessen ist und deshalb unverhältnismäßig ist und deshalb beendet werden sollte. Dieses Engagement gilt allen, die in der Türkei auf diese Art und Weise in Haft geraten sind.

Frage: Herr Schäfer, können Sie etwas zu dem zehnten Fall sagen? Handelt es sich um eine Person mit doppelter Staatsangehörigkeit? Handelt es sich um eine Person aus dem journalistischen oder dem Menschenrechtsbereich?

Zweite Frage: Nun hat Herr Erdmann für die drei prominenten Inhaftierten offenbar innerhalb sehr kurzer Zeit diese nahe beieinander liegenden Termine bekommen, nachdem Sie vorher wochen- und monatelang ohne Antwort um Einzeltermine hatten kämpfen müssen. Sehen Sie darin etwas, das man als Einlenken seitens der türkischen Regierung bezeichnen könnte?

Schäfer: All diese Termine bedürfen sehr intensiver Vorbereitung. Die müssen immer mit vielen Wochen Vorlauf beantragt werden. Manchmal werden sie genehmigt, manchmal werden sie nicht genehmigt. In diesem Fall sind sie genehmigt worden, glücklicherweise in einem zeitlichen Kontext zueinander, was zumindest die Besuche der beiden Herren, die ja im gleichen Untersuchungsgefängnis sind, etwas erleichtert. Ich wäre sehr vorsichtig damit, sozusagen die Schwalbe schon für den Beginn des Sommers zu loben. Ich glaube, da sind wir noch nicht.

Zu dem zehnten Fall: Ja - das hatte ich schon gesagt -, es geht um eine Doppelstaatlerin. Nein, sie kommt nicht aus dem Bereich des Journalismus und der Medien.

Frage: Wie sind Sie denn auf diesen zehnten Fall aufmerksam geworden? Sind Sie von der türkischen Seite darauf hingewiesen worden, oder waren das zum Beispiel andere?

Schäfer: Da bin ich nicht sicher. Das weiß ich nicht genau. Das kann ich gerne nachreichen.

Frage : Herr Schäfer, wie bewerten Sie die Haftbedingungen von Frau Tolu und Herrn Yücel? Von denen hat man ja in den letzten Tagen wieder gehört. Herr Yücel sagt zum Beispiel, dass er Briefe in deutscher Sprache nicht oder sehr viel später empfängt. Er sagt, man solle auf Türkisch schreiben. Halten Sie das für faire Haftbedingungen?

Frau Tolu hat jetzt auch gesagt, dass ihre Besuchszeiten eingeschränkt worden sind. Wissen Sie, ob ihr zweijähriges Kind immer noch bei ihr im Gefängnis ist?

Schäfer: Ja, Frau Tolu hat sich ja vor einigen Tagen in einer deutschen Tageszeitung selbst zu den Haftbedingungen und ihren Lebensbedingungen eingelassen. Das lasse ich unkommentiert. Da Frau Tolu so etwas selbst sagen möchte, möchte ich das einfach so stehen lassen. Das ist ihr gutes Recht, und das ist sicherlich leicht im Internet recherchierbar.

Jedenfalls ist es so, dass die Haftbedingungen für Herrn Steudtner, für Herrn Yücel und, denke ich, auch für die anderen deutschen Inhaftierten andere und schlechtere sind als solche, wie sie in Deutschland gewährt werden würden. Dann muss man eben in jedem Einzelfall prüfen, ob diese Haftbedingungen im Einklang sowohl mit dem türkischen Recht - in diesem Fall also dem türkischen Strafvollstreckungsrecht - als mit den sogenannten internationalen Mindeststandards sind, die es schon seit vielen Jahren gibt und an denen wir die Haftbedingungen für einen Deutschen in der Türkei oder sonst wo in der Welt natürlich in jedem Einzelfall messen. Herr Erdmann wird dann in der nächsten Woche erneut Gelegenheit haben, sich bei seinen drei Besuchen angesichts dieser Kriterien ein Bild von den Haftbedingungen der drei zu verschaffen.

Zusatzfrage : Ist das zweijährige Kind noch bei Frau Tolu?

Schäfer: Ich verweise Sie ausdrücklich auf das Interview mit Frau Tolu. Ich möchte mich zu diesen Dingen, die kleine Kinder betreffen, nur sehr vorsichtig und nur sehr zurückhaltend einlassen, weil es dabei Fragen der Privatsphäre gibt. Aber Frau Tolu hat auf die Frage von Ihnen in diesem Interview, dass ich selbst vor einigen Tagen gelesen habe, selbst Antwort gegeben. Deshalb muss ich Sie bitten und würde Sie gerne bitten, das selbst zu recherchieren.

Frage: Herr Seibert, Frau Merkel ist ja am Montag bei Phoenix aufgetreten und hat dort ein Interview zum Thema "Kampf ums Kanzleramt" gegeben, den ja die Parteivorsitzende führt. Jetzt haben Sie als Regierungssprecher darüber getwittert. Ist das Ihrer Meinung nach zulässig oder ist dafür nicht eigentlich die CDU-Pressestelle zuständig?

StS Seibert: Ich bin Sprecher der Bundesregierung und auch Sprecher der Bundeskanzlerin. Ich kenne, und ich beachte die Regeln, die dafür ganz zu Recht gelten. Das gilt hier in der Bundespressekonferenz, und das gilt selbstverständlich auch bei allen Aktivitäten in den sozialen Netzwerken.

Ich habe einen Tweet zu einer Aussage der Bundeskanzlerin über die Steigerung der Verteidigungsausgaben gemacht. Das ist ein Thema des Regierungshandelns, das wir hier schon oft besprochen haben, auch schon im Sinne des nicht vorhandenen Zusammenhangs mit der Entwicklung der Sozialausgaben.

Aber ich nehme natürlich Ihre in der Frage angedeutete Kritik zum Ansporn, auch weiterhin die Regeln, die ich, wie gesagt, für sinnvoll halte und von denen ich gesprochen habe, streng einzuhalten.

Zusatzfrage: Aber würden Sie nicht damit übereinstimmen, dass das eigentlich ein Wahlkampfinterview war, so wie es zum Beispiel auch bei den Youtubern war? Dort hat sie auch neue Aussagen getroffen, zum Beispiel zu Air Berlin. Darüber haben Sie nicht getwittert.

StS Seibert: Ich twittere ja nicht zu jeder Aussage, die die Bundeskanzlerin über Regierungshandeln macht. Ich habe an dem Tag außerdem noch zum Thema Nordkorea getwittert, was mir auch eine sinnvolle Aussage zum Regierungshandeln schien.

Zusatzfrage: Heißt das, dass es egal ist, in welchem Kontext sie das Interview gibt? Berichten Sie darüber, wenn sie meinen, dass es eine wichtige Aussage der Bundeskanzlerin ist, egal ob sie als Parteivorsitzende dort vor Ort ist?

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin ist ja auch immer Bundeskanzlerin und wird auch in Interviews regelmäßig - ich würde sogar sagen: weit überwiegend - zu Themen des Regierungshandelns befragt. So war es auch an dem Tag. Nur zu solchen Themen würde ich mich natürlich auch in den sozialen Netzwerken äußern.

Wie gesagt, ich kenne und beachte die Regeln. Ich nehme Ihre kritische Frage zum Ansporn, das auch weiterhin ganz besonders gewissenhaft zu tun.

Zusatzfrage: Ich wüsste kurz eben auch noch gern, nach welchen Kriterien - - - Weil Sie ja, glaube ich, auch sehr selektiv Interviews vereinbaren, also das mit den Youtubern. Ich glaube, das Interview mit Phoenix haben Sie auch abgesprochen, arrangiert oder beziehungsweise lief es über das Bundespresseamt, wenn ich richtig informiert bin. Nach welchen Kriterien entscheiden Sie denn, ob Sie ein Interview arrangieren oder aushandeln oder ob das die CDU-Pressestelle im Wahlkampf macht?

StS Seibert: Seit vielen Jahren und seit weit vor meiner Zeit als Regierungssprecher ist es bewährte Praxis, dass Interviews mit der Bundeskanzlerin beim Regierungssprecher oder beim Bundespresseamt angefragt werden. Dieser Praxis folge ich.

Zusatzfrage: Auch im Wahlkampf, immer?

StS Seibert: Das ist die Praxis. Die Bundeskanzlerin äußert sich, egal in welcher Zeit, ja ganz überwiegend zu Regierungshandeln und wird auch ganz überwiegend nach Regierungshandeln befragt. Diese Interviews werden auch nicht ausgehandelt, sondern sie werden angefragt. Die Entscheidung, ob sie ein Interview führt oder nicht, trifft selbstverständlich die Bundeskanzlerin. So gibt es, denke ich, eigentlich gar keinen Grund, diese seit vielen Jahren bewährte Praxis jetzt mit irgendeinem Verdacht zu belegen.

Frage : Herr Seibert, Sie sagten uns im Zusammenhang mit dem TV-Duell, dass es da Ihre traditionelle Rolle als Regierungssprecher sei, im Namen des Kanzlers beziehungsweise der Kanzlerin mit den Sendern zu verhandeln, obwohl sie ja einen CDU-Wahlkampf macht. Das sei eine Ausnahme, das sei Tradition. Jetzt diese Youtuber - da haben Sie das ja auch wieder verhandelt.

StS Seibert: Ich weiß nicht, was hier eine Ausnahme ist. Sie zitieren mich frei schwingend und sicherlich nicht richtig. Ich habe Ihnen damals gesagt: Seit es ein Fernsehduell gibt, seit dem Jahre 2002, ist es bewährte Praxis, dass der jeweilige Regierungssprecher des jeweiligen Bundeskanzlers an den Gesprächen über die Modalitäten dieses Fernsehduells teilnimmt.

Zusatzfrage : Aber jetzt geht es ja zum Beispiel um den Termin mit den Youtubern. Warum ist es jetzt auch bewährte Praxis, dass Sie Termine für die CDU-Kandidatin mit den Youtubern ausverhandeln?

StS Seibert: Es war ein Gespräch der Bundeskanzlerin mit mehreren Youtubern. Ich habe Ihnen gerade gesagt, dass es seit weit vor meiner Zeit als Regierungssprecher bewährte Praxis ist, dass Interviews mit der Bundeskanzlerin über das BPA oder den Regierungssprecher angefragt werden. Das praktizieren ja auch alle hier im Raume vertretenen Medien genau so.

Zusatzfrage : Wie sind Sie denn als Regierungssprecher mit dem Auftritt der Kanzlerin vom Mittwoch zufrieden? War es ein PR-Erfolg?

StS Seibert: Sehen Sie, das ist wiederum nicht meine Aufgabe, auf - - -

Zusatz : Ach so! Sie vermitteln die Interviews, aber wenn es um die Interviews geht, dann sagen Sie nichts dazu. Das ist ja auch interessant.

Frage : Nur ein ganz kleines Thema am Rande, mit Bezug zum Wahlkampf: Herr Dimroth, haben Sie, nachdem es auch bei den jüngsten Wahlkampfauftritten der Kanzlerin wieder Beschimpfungen und Bedrohungen gegeben hat, irgendwelche Erkenntnisse, ob in Verbindung mit dem diesjährigen Wahlkampf verglichen mit früheren Wahlkämpfen ein aggressiveres Klima vorherrscht, in dem es auch stärker zu Beschimpfungen bis hin zu Bedrohungen kommt, mit der Folge, dass man die Sicherheitsvorkehrungen für solche Persönlichkeiten dann auch hochfahren und mehr Personal vom BKA mitschicken muss?

Dimroth: Vielen Dank für die Frage. Es ist richtig, dass in Personenschutzsachen für die Mitglieder der Bundesregierung in der Regel jedenfalls das Bundeskriminalamt die Verantwortung trägt. Sie können sicher sein, dass die Kolleginnen und Kollegen tagesaktuell entsprechende Gefährdungseinschätzungen vornehmen, um adäquate, angemessene und ausreichende Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ganz unterschiedlicher Natur sein können.

Ich kann Ihnen hier aber nicht über eine generelle Veränderung und eine daraus folgende generelle Neueinordnung der Sicherheitslage diesbezüglich berichten. Noch einmal: Es kommt natürlich sehr stark auf das jeweilige Umfeld, die Örtlichkeiten, möglicherweise regionale Besonderheiten an, auch was bestimmte Protestgruppen anbetrifft. All das nehmen die Kolleginnen und Kollegen in den Blick, machen einen sehr guten Job und kommen dann zu den angemessenen, möglicherweise im Einzelfall auch divergierenden Maßnahmen, die dort ergriffen werden.

Zusatzfrage : Sie sehen aber keine Trendveränderung, oder?

Dimroth: Von einer grundlegenden Neubewertung oder einer Trendveränderung, wie Sie sie erfragen, kann ich hier nicht berichten.

Schäfer: Auf die Frage zu dem neuen Haftfall kann ich antworten, dass wir nicht von den zuständigen türkischen Sicherheitsbehörden unterrichtet worden sind, sondern von der Standesorganisation der Betroffenen.

Frage: Vielleicht haben Sie es vorhin gesagt; dann ist es mir entgangen. Wie groß war die Zeitspanne zwischen der Inhaftierung und Ihrer Information in etwa?

Sie sprachen von einer Standesorganisation. Handelt es sich um die Angehörige eines medizinischen Standes?

Schäfer: Nein. Ich sage es Ihnen. Es geht um eine Rechtsanwältin. Wir sind zurzeit in der Phase, in der die türkische Polizei eine Person nach den Regeln des türkischen Strafprozessrechtes bis zu 14 Tage in Polizeigewahrsam halten kann. Für diese Zeit ist es explizit ausgeschlossen, dass es zu einer konsularischen Betreuung kommen darf. Das ist nicht etwa so, weil wir das nicht wollten, sondern weil die Türken es nicht zulassen.

Freitag, 18. August 2017

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 18. August 2017
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2017/08/2017-08-18-regpk.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Internet: www.bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. August 2017

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