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PRESSEKONFERENZ/1831: Regierungspressekonferenz vom 11. März 2019 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 11. März 2019
Regierungspressekonferenz vom 11. März 2019


Themen: Konferenz zur Rüstungskontrolle "2019. Capturing Technology. Rethinking Arms Control.", Absturz eines Flugzeugs des Typs Boeing 737 MAX 8 in Äthiopien, Rüstungsexporte in den Nahen Osten, zehnter Jahrestag des Amoklaufs in Winnenden, Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei, Lage in Venezuela, Europa-Konzept von Annegret Kramp-Karrenbauer

Sprecher: StS Seibert, Burger (AA), Strater (BMVI), Geißler (BMWi), Petermann (BMI)

Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Burger: Guten Tag! Für Freitag, den 15. März, lädt Außenminister Maas zu einer Konferenz zur Rüstungskontrolle ins Auswärtige Amt. Bei der Konferenz "Capturing Technology. Rethinking Arms Control." wollen wir gemeinsam mit Diplomaten, Militärs und Wissenschaftlern über die Risiken diskutieren, die mit der militärischen Verwendung neuer Technologien verbunden sind. Diese können die Kriegsführung nachhaltig verändern und wurden bislang von Überlegungen der Rüstungskontrolle zu wenig erfasst. Die Konferenz widmet sich dabei vor allem den Bereichen letaler autonomer Waffensysteme, neuer Trends der Raketentechnologie, Cyberinstrumenten und des möglichen Missbrauchs von Biotechnologie.

Wir erwarten 400 Experten, vor allem aus Nato- und aus EU-Staaten, aber auch aus China, Russland, Japan und Indien. Auch die schwedische Außenministerin Margot Wallström und der niederländische Außenminister Stef Blok werden dabei sein. - Vielen Dank.

Frage: Können Sie uns sagen, wer aus Russland und China teilnehmen wird? Sind das Regierungsvertreter?

Burger: Ja, aus China und Russland erwarten wir Regierungsvertreter auf hoher Arbeitsebene.

Frage: Meine Frage geht an das Verkehrsministerium. Es gibt Berichte, wonach verschiedene Fluggesellschaften prüfen, ob bei dem Modell, das in Äthiopien abgestürzt ist, möglicherweise ein Problem vorliegt, das auch für andere Abstürze verantwortlich war.

Laufen in Ihrem Haus schon irgendwelche Untersuchungen an, oder wissen Sie auf europäischer Ebene schon etwas?

Strater: Zunächst gebe ich den Hinweis, dass für die Musterzulassung von Luftfahrzeugen die europäische Luftfahrtbehörde EASA zuständig ist.

Derzeit wird unsererseits in Zusammenarbeit mit der nationalen Fachbehörde, also dem Luftfahrt-Bundesamt, und der EASA geprüft, welche Maßnahmen anlässlich der Ereignisse mit dem Flugzeugmuster Boeing 737 MAX 8 zu treffen sind. Ich kann Ihnen jetzt noch keine weiteren Schritte nennen. Vielleicht nur der Hinweis, dass nach dem jetzigen Kenntnisstand von deutschen Luftfahrtunternehmen keine Flugzeugmuster Boeing 737 MAX 8 im gewerblichen Flugbetrieb eingesetzt werden.

Zur Flugunfalluntersuchung: Natürlich hat auch unsere Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung diesen Absturz im Blick. Sie wissen, dass die deutschen Behörden, sobald Deutsche beteiligt sind, nicht nur die Möglichkeit, sondern auch das Recht haben, sich an dieser Untersuchung zu beteiligen. Es wird gerade geprüft, inwieweit das erfolgt.

Das ist der Stand, den ich Ihnen im Moment dazu nennen kann.

Burger: Ich denke, das gehört an dieser Stelle traurigerweise zur Vollständigkeit, auch wenn es der eine oder die andere von Ihnen vielleicht schon gesehen hat: Wir müssen traurigerweise bestätigen, dass mindestens fünf deutsche Staatsangehörige unter den Todesopfern sind. Das Auswärtige Amt und die betroffenen Auslandsvertretungen, insbesondere die Botschaft in Addis Abeba, stehen mit den Angehörigen in Kontakt und werden sie, so gut es bei derart schrecklichen Ereignissen möglich ist, betreuen. Der Minister hat sich bereits gestern dazu geäußert und den Angehörigen der Opfer sein tief empfundenes Beileid ausgesprochen. - Danke.

Frage: Können Sie etwas über die Identität der deutschen Staatsangehörigen sagen, die dort zu Opfern geworden sind, wenn schon nicht die Namen, dann aber vielleicht die Zugehörigkeit? Waren es Uno-Mitarbeiter, oder waren sie vom World Food Programme?

Burger: Ich muss um Verständnis dafür bitten, dass ich mit Rücksicht auf die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen keine weiteren Angaben zu den Identitäten der Betroffenen machen kann.

Frage: Meine erste Frage geht an Herrn Seibert und das Wirtschaftsministerium. Gibt es einen aktuellen Stand zu der anstehenden Entscheidung zu Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien?

Meine zweite Frage bezieht sich auf die heutige Veröffentlichung des Berichts des Friedensforschungsinstitutes SIPRI, worin das Institut zu dem Ergebnis kommt, dass es auch in Deutschland einen Anstieg der Rüstungsexporte gebe und auch aus Deutschland vor allen Dingen der Export in Länder des Nahen und Mittleren Ostens gewachsen sei. Wie geht das mit der restriktiven Rüstungsexportpolitik zusammen, die sich darauf richtet, nicht in Konflikt- und Krisenregionen zu liefern, und von der hier immer die Rede ist?

StS Seibert: Zum ersten Teil Ihrer Frage kann ich Ihnen nichts Neues bieten. Wir haben hier in der vergangenen Woche zweimal darüber gesprochen. Ich kann es nur noch einmal wiederholen: Wir wissen, dass die Zeit drängt, dazu zu Entscheidungen zu kommen. Deswegen führen wir in der Bundesregierung zu dem ganzen Themenkomplex intensiv Gespräche. Wir werden im Laufe des Monats März, der nun gerade begonnen hat, eine Entscheidung über das weitere Vorgehen treffen.

Zu SIPRI: Ich will einfach wiederholen, dass sich an den Grundsätzen, denen wir uns als Bundesregierung verpflichtet fühlen, nichts geändert hat, auch nicht an der Befolgung dieser Grundsätze. Ich habe Ihnen genannt, welche das sind. Das sind die politischen Grundsätze aus dem Jahr 2000; das ist der gemeinsame Standpunkt des Rates der EU aus dem Jahre 2008; das ist der Vertrag über den Waffenhandel aus dem Jahre 2014. Es ist und bleibt so, dass Genehmigungen erst nach eingehender Prüfung im Einzelfall erteilt werden. Insbesondere wird auch geprüft, ob deutsche Rüstungsgüter für Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden können. Genauso gehören zu der Prüfung, ob genehmigt werden kann oder nicht, außenpolitische und sicherheitspolitische Fragen.

Geißler: Zu SIPRI kann ich sagen, dass diese Studie andere Prüffaktoren hat als der Rüstungsexportbericht Deutschlands, nicht die tatsächlichen Ausfuhren, sondern sogenannte "trade values", die sich anhand der Produktionskosten von Rüstungsgütern bemessen. Daraus kann man nicht ableiten, ob tatsächlich eine mehr oder weniger restriktive Rüstungspolitik Deutschlands passiert. Wir werden im April einen neuen Rüstungsexportbericht vorlegen. Darin werden die tatsächlichen Genehmigungen, die tatsächlichen Fälle veröffentlicht werden. Insofern ist das für uns jetzt nicht aussagekräftig.

Zum Problem "Naher Osten" kann man hier nur ein Stichwort sagen: Zum Nahen Osten gehört auch das Land Israel. - Mehr kann ich dazu nicht sagen.

Frage: Frau Petermann, heute jährt sich zum zehnten Mal der Amoklauf in Winnenden. Das heißt, auch das Thema des privaten Waffenbesitzes ist heute wieder aktuell. Die Grünen haben dazu zum Beispiel schon einen Vorstoß gewagt und gesagt, der private Besitz von Waffen müsse endlich schärfer reglementiert werden. Auch die Gewerkschaft der Polizei ist für ein rigideres Waffenrecht und macht sich zum Beispiel Sorgen über den enormen Anstieg der Zahl der Anträge für den Kleinen Waffenschein.

Ist das Problembewusstsein bei Ihnen im Hause da, und ist dazu irgendetwas geplant?

Petermann: Selbstverständlich ist das Problembewusstsein da. - Sie haben das Thema "10 Jahre Winnenden" angesprochen. Auch damals hat es im Nachgang zu dieser Bluttat, bei der die verwendete Waffe ja dem Vater gehört hat, der Sportschütze war und die Waffe nicht ordnungsgemäß aufbewahrt hatte, eine Änderung des Waffengesetzes gegeben. Zum Beispiel wurde damals die Mindestaltersgrenze für das Schießen mit sogenannten großkalibrigen Waffen im Schießsportverein von 14 auf 18 Jahre angehoben. Für die Waffenbehörden wurde die Möglichkeit geschaffen, ohne Ankündigung verdachtsunabhängig zu kontrollieren, ob die Waffen ordnungsgemäß aufbewahrt werden. Es gab die Amnestie bis 2009, eine auf zwölf Monate befristete Amnestie, damit Besitzer illegaler Waffen diese straffrei abgeben konnten. Das führte immerhin dazu, dass 71 000 Waffen abgegeben wurden. Außerdem wurde vorzeitig das Nationale Waffenregister eingeführt.

Derzeit befindet sich der Referentenentwurf des Dritten Waffenrechtsänderungsgesetzes in der Abstimmung. Es ist eigentlich vom Grundsatz eine Umsetzung der novellierten EU-Feuerwaffenrichtlinie in deutsches Recht. Hintergrund waren die Terroranschläge in Paris im Januar und im November 2015. Ziel dieser Überarbeitungsnovelle ist es, die Nutzung von Schusswaffen für terroristische und kriminelle Zwecke zu erschweren, zum Beispiel durch die Begrenzung der Magazinkapazität bei Halbautomaten, durch die regelmäßige Pflicht zur Überprüfung der Erlaubnisvoraussetzungen, also auch die Prüfung des Bedürfnisses, was neu ist, und auch durch Vorgaben zur Verbesserung der Nachverfolgbarkeit von Waffen im Nationalen Waffenregister, zum Beispiel durch Kennzeichnungspflichten und die Pflicht zur Registrierung in einem Waffenregister.

Wir glauben, dass das ein sehr angemessener Ausgleich zwischen den Belangen der Sicherheit auf der einen Seite und den legitimen Interessen der Jäger sowie der Sport- und Brauchtumsschützen ist.

Frage: Frau Petermann, was für Waffen waren diese innerhalb der Amnestie abgegebenen 31 000 Waffen? Waren das Jagdgewehre, die vielleicht vom Opa zum Enkel übergegangen sind, oder waren das Pistolen aus dem Zweiten Weltkrieg? Können Sie dazu etwas Näheres sagen?

Petermann: Wenn Sie mir einen Augenblick Zeit lassen, finde ich vielleicht etwas dazu.

Vorsitzender Mayntz: Gibt es zu dem Thema noch eine andere Frage, die wir dann vorziehen können? - Nein. Dann geben wir Ihnen einen Augenblick Zeit.

Petermann: Sie können ruhig fortfahren. Ich schaue in meinen Unterlagen, ob ich dazu noch eine genaue Aufschlüsselung habe.

Vorsitzender Mayntz: Gut, dann kommen wir zum Thema Türkei.

Frage: Die beiden ersten Korrespondenten haben die Türkei am Wochenende verlassen. Die bisherige Reaktion der Bundesregierung war, das inakzeptabel zu nennen, und es hieß, dass das auch mit unserem Verständnis von Pressefreiheit nicht zu vereinbaren sei. Wird die Bundesregierung noch in anderer Weise auf die Türkei einwirken oder in anderer Weise reagieren?

StS Seibert: Danke, dass Sie die bisherige Reaktion der Bundesregierung in Ihren Worten zusammengefasst haben. Ich würde es gerne selber auch noch einmal sagen, weil wir ja nun gestern den traurigen Anlass der Ausreise dieser beiden Journalisten hatten:

Die Bundesregierung nimmt mit Bedauern und auch mit Unverständnis zur Kenntnis, dass drei Journalisten aus Deutschland die Akkreditierung verweigert wurde und dass zwei gestern aus der Türkei ausreisen mussten. Für uns ist diese Verweigerung der Akkreditierung nicht nachvollziehbar. Die Korrespondenten müssen in der Türkei ihre Arbeit frei tun können, und wir erwarten, dass die türkische Regierung eine rasche Lösung für die deutschen und europäischen Korrespondenten findet, die ja, wie Sie wissen, im Moment noch auf Nachricht warten, ob ihre Akkreditierung verlängert wird oder nicht. Das muss rasch gelöst werden.

Ich will es noch grundsätzlicher sagen: Der Grundsatz der Meinungs- und Pressefreiheit ist ein hohes Gut. Das heißt, dass Journalisten ganz grundsätzlich in der Türkei die freie Ausübung ihrer Tätigkeit ermöglicht wird, und dazu sind wir weiterhin mit der türkischen Regierung in engem Kontakt. Auch die Angelegenheit dieser beiden jetzt ausgereisten Journalisten ist mit der Ausreise für uns nicht erledigt, sondern wir werden deren Interessen weiter vertreten.

Burger: Wenn ich noch kurz ergänzen darf: Es gab dazu ja auch hochrangige Gespräche zwischen der Bundesregierung und der Türkei. Außenminister Maas hat dazu letzten Mittwoch mit seinem türkischen Amtskollegen telefoniert, und natürlich haben auch unsere Auslandsvertretungen in der Türkei intensiv das Gespräch mit der Türkei gesucht. Wir haben dabei unsere Haltung sehr klar gemacht: Wir erwarten, dass deutsche Auslandskorrespondenten in der Türkei unter angemessenen Bedingungen arbeiten können. Wir haben am Wochenende auch unsere Reise- und Sicherheitshinweise dazu aktualisiert, und wir werden uns auch weiter für die Pressefreiheit in der Türkei einsetzen und das Thema gegenüber den türkischen Gesprächspartnern ansprechen.

Zusatzfrage: Ist vorgesehen, den türkischen Botschafter in dieser Sache einzubestellen?

Burger: Wir werden das Thema auch weiterhin gegenüber türkischen Gesprächspartnern in der jeweils geeigneten Form ansprechen. Dazu kann ich Ihnen heute keine neuen Termine ankündigen.

Frage: (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

Burger: Wie gesagt, wir sind dazu auf den verschiedensten Ebenen im Gespräch mit der Türkei. Wir machen unsere Erwartungen immer wieder deutlich und werden das auch weiter tun und immer wieder betonen, dass die Situation so, wie sie im Moment ist, für uns nicht akzeptabel ist.

Frage: Es gab Berichte, wonach von türkischer Seite das Angebot vorlag, die betreffenden Korrespondenten durch andere auszutauschen, die dann akkreditiert würden. Gab es gegenüber der Bundesregierung eine entsprechende Kommunikation von türkischer Seite?

Burger: Ich glaube, Sie beziehen sich da auf Berichte der betroffenen Medien über die Kommunikation zwischen diesen Medien und der türkischen Seite. Ich glaube, ich würde jetzt nicht aus Sicht der Bundesregierung kommentieren wollen, welche Kommunikation da stattgefunden hat. Ich glaube, das sollten Sie bei den betroffenen Medienhäusern direkt erfragen.

Zusatzfrage: Ich meinte eher, ob auch an das Auswärtige Amt solch ein Vorschlag herangetragen wurde, da Sie ja im Dialog mit der türkischen Seite waren.

Burger: Ich glaube, auch der türkischen Seite ist klar, dass nicht die Bundesregierung über die Besetzung von Korrespondentenstellen entscheidet.

StS Seibert: Es würde an unserem Unverständnis über diese Verweigerung der Akkreditierungen auch nichts ändern.

Frage: Erkennt die Bundesregierung in der Verweigerung der Akkreditierung vor allem - da sie ja nicht begründet wurde - eine Strategie der Verunsicherung generell seitens der türkischen Regierung gegenüber ausländischen Korrespondenten?

Burger: Ich würde das nicht weiter interpretieren wollen. Für uns ist es in erster Linie ein Problem, weil es die Arbeitsmöglichkeiten deutscher Journalistinnen und Journalisten in der Türkei beschränkt und insofern ganz unmittelbar eine Einschränkung der Pressefreiheit ist.

Zusatzfrage: Ich frage auch deswegen, weil kritische türkische Journalisten, unter anderem solche, die in Deutschland leben und publizieren, sehr wohl eine generelle Einschüchterungsabsicht der Regierung dahinter sehen. Das möchten Sie nicht kommentieren?

Burger: Diese Einschätzung möchte ich in dieser Form nicht kommentieren. Wir haben uns hier im vergangenen Jahr häufig zum Thema Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei und zu verschiedenen Entwicklungen, die uns in dieser Hinsicht Sorgen machen, geäußert. Wir weisen in unseren Reise- und Sicherheitshinweisen beispielsweise seit geraumer Zeit darauf hin, dass Äußerungen, die in Deutschland von der Meinungsfreiheit gedeckt sind, in der Türkei strafbar sein können. Insofern ist uns die Problematik natürlich auch über den Einzelfall hinaus bekannt und ein Anliegen. Aber wie gesagt, ich würde mich hier heute nicht daran beteiligen, einen einzelnen Vorgang so zu interpretieren.

StS Seibert: Ich will auch nicht interpretieren, ich will nur wiederholen - wir hatten hier schon mehrfach Anlass, das zu besprechen -, dass wir uns der sehr schwierigen Situation des freien Journalismus in der Türkei bewusst sind. Ich habe in der vergangenen Woche auch die Besorgnis der Bundesregierung über die jetzt bevorstehenden Strafprozesse gegen eine Zahl von türkischen Journalisten, Kulturschaffenden, Intellektuellen zum Ausdruck gebracht. Das alles passt in dieses Bild.

Vorsitzender Mayntz: Frau Petermann wird die Antwort auf die Frage zu den Waffen nachreichen, sodass wir jetzt zum Thema Venezuela kommen können.

Frage: An das Auswärtige Amt: Herr Guaidó hat in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview auf die Frage, ob es nach der Ausweisung des deutschen Botschafters in Venezuela durch die Maduro-Administration nun geboten sei, den venezolanischen Botschafter aus Deutschland auszuweisen, erklärt, das sei nicht nötig, denn der werde ja schon nicht mehr anerkannt; man - in dem Fall also Guaidó - habe einen neuen Vertreter benannt. Ist das die Sachlage, wie auch das Auswärtige Amt sie sieht? Wird der bisherige venezolanische Botschafter in Deutschland nicht mehr anerkannt?

Burger: Ich kann bestätigen, dass wir am 5. März eine Anfrage erhalten haben, Herrn Otto Gebauer als Vertreter des Interimspräsidenten Juan Guaidó wahrzunehmen. Wir möchten mit Herrn Gebauer gern ins Gespräch kommen; dazu wird auf der Ebene des Chefs des Protokolls noch nach einem geeigneten Termin gesucht. Dazu ist allerdings auch zu sagen: Der bisherige Botschafter Venezuelas ist bisher nicht abberufen worden; mit ihm finden aber derzeit keine politischen Gespräche auf Botschafterebene statt.

Zusatzfrage: Aber seine Akkreditierung beziehungsweise Anerkennung ist nicht zurückgenommen worden, wie Herr Guaidó in dem Interview insinuiert hat? Das ist nicht erfolgt?

Burger: Wie gesagt, er ist bisher nicht abberufen worden.

Zusatzfrage: Ja, aber die Wortwahl von Herrn Guaidó war ja, er werde nicht mehr anerkannt. Das insinuiert eine aktive Äußerung der Bundesregierung "Diesen Botschafter erkennen wir nicht mehr an". Eine solche Äußerung, eine solche Entscheidung gibt es aber offenbar nicht?

Burger: Ich glaube, wir haben uns hier in den vergangenen Wochen ganz ausführlich dazu geäußert, wie wir zu der Rolle von Interimspräsident Juan Guaidó stehen. Wir sind überzeugt davon und unterstützen ihn in seiner Rolle, Venezuela in der bestehenden Krise zu Neuwahlen zu führen. Ich habe auch gesagt: Wir sind daran interessiert, mit dem von Ihnen benannten Vertreter Otto Gebauer ins Gespräch zu kommen. Gleichzeitig ist es so, dass der bisherige Botschafter Venezuelas nicht abberufen worden ist. Das ist sozusagen ein formaler gesandtschaftsrechtlicher Schritt, der bisher nicht erfolgt ist.

Zusatzfrage: Entschuldigung, aber Guaidó hat gesagt, der bisherige Botschafter werde von Deutschland nicht mehr anerkannt. Das ist die Aussage eines von Ihnen als Interimspräsidenten anerkannten Politikers. Dann bitte ich doch darum, dass Sie sagen, ob er mit dieser Aussage recht hat oder ob er nicht recht hat.

Burger: Ich habe Ihnen gesagt, dass er aus unserer Sicht derzeit nicht der Gesprächspartner ist, mit dem wir politische Gespräche führen. Ich habe Ihnen auch gesagt, dass sozusagen der gesandtschaftsrechtliche Schritt der Abberufung bisher nicht erfolgt ist.

Ich glaube, aus der Lage, wie sie sich in Venezuela im Moment darstellt - wir haben ein Regime, das sich für uns und die internationale Gemeinschaft auf Grundlage inakzeptabler Wahlen weiterhin an der Macht hält, und einen Interimspräsidenten, der vom demokratisch gewählten Parlament getragen wird - ergeben sich natürlich alle möglichen Komplikationen und Widersprüche. Das werde ich für Sie hier auch in der Begrifflichkeit nicht immer auflösen können.

Aber unsere Haltung ist: Wir führen mit dem bisherigen venezolanischen Botschafter hier keine politischen Gespräche.

Zusatzfrage: (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

Burger: Also ich kann Ihnen sagen, dass es auch in den letzten Tagen Gespräche mit Herrn Guaidó gegeben hat und dass angesichts der dramatischen Lage im Land natürlich auch das Thema der Energie, der Stromausfälle im Land, dabei Thema war. Darüber hinaus kann ich Ihnen hier keine weiteren Angaben machen.

Frage: Herr Burger, wenn die Bundesregierung mit dem venezolanischen Botschafter keine politischen Gespräche führt, wie kommuniziert die Bundesregierung denn mit der von Ihnen nicht anerkannten Regierung Maduro? Oder tut man es nicht?

Burger: Wie gesagt, aus unserer Sicht ist derjenige, der die politische Legitimität in Venezuela hat, der die beste demokratische Repräsentativität hat, der Interimspräsident, Herr Guaidó. Dort, wo es in der Praxis die Notwendigkeit gibt, mit Vertretern von Regierungsinstitutionen, die im Moment dem Maduro-Regime unterstehen, Kontakte zu haben, Absprachen zu treffen, geschieht das eben auf den Arbeitsebenen, auf denen diese Themen zu besprechen sind. Aber, wie gesagt, aus politischer Sicht: Der politisch legitimierte Ansprechpartner Venezuelas ist aus unserer Sicht der Interimspräsident Guaidó.

Frage: Der Machtkampf in Venezuela wird ja auch auf der Ebene der Deutung von Bildern und Ereignissen geführt. Zu den Ereignissen oder Nachrichten, die besondere Empörung erzeugt hatten, gehörte, dass angeblich Maduros Militär- oder Sicherheitskräfte einen Lastwagen des Hilfskonvois in Brand gesetzt hätten. Nun haben Videos, die u. a. die "New York Times" aktuell veröffentlicht hat, eher das Bild ergeben, dass dieser Lkw durch einen verunglückten Molotowcocktail eines Anti-Maduro-Demonstranten in Brand gesetzt wurde. Ich weiß nicht, ob die Bundesregierung sich damals den Vorwurf der Brandstiftung oder Inbrandsetzung zu eigen gemacht hatte. Aber wenn es sich jetzt komplett anders herum verhält, ändert das in irgendeiner Weise Ihre Einschätzung der Ereignisse?

Burger: Also ich glaube, auch über die Ereignisse eines Tages hinaus ändert das eigentlich nicht sehr viel an der Grundkonstellation, dass das Maduro-Regime ja nicht erst seit gestern und nicht erst seit der jüngsten politischen Krise die Lieferung humanitärer Leistungen, humanitärer Hilfe, in Venezuela verhindert und verweigert. Da herrscht ja nicht erst seit wenigen Monaten, sondern seit Jahren eine schwere humanitäre Krise - es gibt einen Versorgungsnotstand im medizinischen Bereich, bei Nahrungsmitteln wie bei einfachen Gütern des täglichen Bedarfs -, die wirklich viele Menschen in ihrem täglichen Leben und Überleben gefährdet. Wir sind auch nicht erst seit Januar intensiv darum bemüht, dort Hilfe zu leisten. Wir waren bisher nur in der Lage, das in den Nachbarländern zu tun, wo venezolanische Flüchtlinge sich aufhalten. Das haben wir im letzten Jahr allein mit 12 Millionen Euro gefördert, eben weil in Venezuela selbst eine solche Hilfe vom Maduro-Regime verhindert wurde.

Insofern ändert sich an unserer Einschätzung, dass es inakzeptabel ist, dass das Maduro-Regime seine Macht missbraucht, um zu verhindern, dass Menschen dringend benötigte Hilfe zukommt, überhaupt nichts.

Zusatzfrage: Wie verhält es sich mit dem deutschen Botschafter? Auch da hatte Herr Guaidó in dem Interview vergangene Woche darum gebeten, dass er auf jeden Fall wieder nach Caracas geschickt wird. Die letzte Information, die wir hier erhalten hatten, war, dass er zu politischen Gesprächen nach Deutschland zurückgeholt wurde. Hält er sich nach wie vor hier auf? Wird er wieder nach Caracas geschickt? Was können Sie uns da sagen?

Burger: Der letzte Stand ist, dass Botschafter Kriener sich auf der Rückreise nach Deutschland befindet. Er musste seine Ausreise aufgrund der Stromausfälle verschieben, weil auch der Flugverkehr schwer beeinträchtigt war. Wie gesagt, er wurde zu Konsultationen nach Berlin zurückgerufen. Diese Konsultationen werden in den nächsten Tagen stattfinden. Dann wird zu entscheiden sein, wie man weiter vorgeht.

Frage: An Herrn Burger noch eine Lernfrage, weil ich mir vorstellen kann, dass es ungewöhnlich ist, dass der noch nicht abberufene Botschafter eines Landes nicht mehr der offizielle Ansprechpartner für das Auswärtige Amt ist. Gibt es da in der jüngeren oder auch längeren Geschichte ähnliche Fälle, wo das Auswärtige Amt nicht mehr den offiziellen Botschafter als Gegenüber sah, sondern jemand anderen? Oder ist das gerade ziemlich einmalig?

Burger: Also ich bin immer sehr vorsichtig, solche Parallelen oder Analogien zu ziehen, weil letztlich doch jeder Fall für sich individuell zu betrachten ist und die Parallelen dann eben nur einen gewissen Tragwert haben. Deshalb würde ich hier von dieser Stelle jetzt nicht sagen: Das ist jetzt sozusagen die Analogie zu Fall XY aus der Vergangenheit.

Zusatzfrage: Aber vielleicht könnten Sie zumindest sagen, ob es einen solchen Fall gegeben hat, dass man mit dem Botschafter die politischen Gespräche abgebrochen und stattdessen mit jemand anderem in Deutschland als Vertreter gehandelt hat. Also unabhängig davon, was es für ein Fall war, könnten Sie vielleicht auch sagen, es war zweimal der Fall, ohne mir das Land zu nennen. Das könnten Sie ja wahrscheinlich sagen.

Burger: Wie gesagt: Wenn Sie solche Vergleiche zu Fällen aus der Vergangenheit ziehen wollen, dann ist das Ihr gutes Recht. Ich werde es von dieser Stelle aus nicht tun.

Frage: Herr Seibert, mich würde interessieren, ob die Kanzlerin mit allen Thesen von Frau Kramp-Karrenbauer einverstanden ist, die gestern in der "Welt am Sonntag" als Antwort auf den französischen Präsidenten veröffentlicht wurden?

StS Seibert: Ich habe ja hier in der vergangenen Woche ausführlich darüber gesprochen, wie intensiv die Zusammenarbeit zwischen der deutschen Regierung und der französischen Regierung ist, auch zwischen der Bundeskanzlerin und dem französischen Präsidenten Macron persönlich. Ich habe Ihnen auch gesagt, wie die Bundeskanzlerin den Artikel von Präsident Macron einordnet.

Dabei habe ich auch, wenn Sie sich erinnern, gesagt, dass es im beginnenden Europa-Wahlkampf - das ist ja die Zeit, in der wir uns jetzt befinden - eben die die Koalition tragenden Parteien bei uns in Deutschland sind, die den Bürgern ihre Programme vorstellen. In dem Zusammenhang hat Frau Kramp-Karrenbauer - das ist gut und wichtig - jetzt die Vorschläge der CDU dargelegt. Sie stehen im Einklang mit den Gedanken der Bundeskanzlerin. Aber Weiteres möchte ich dann wirklich den Parteisprechern überlassen. Das habe ich ja letzte Woche auch schon gesagt.

Die Kanzlerin wird in der kommenden Woche vor dem Europäischen Rat im Bundestag eine Regierungserklärung abgeben, in der sie mit Sicherheit auch über die europäischen Herausforderungen und Aufgaben sprechen wird.

Frage: In diesem Zusammenhang, Herr Seibert: Die Kanzlerin ist insofern in einer Situation, die für sie, glaube ich, neu ist, dass sehr offen diskutiert wird, auch von wichtigen Vertretern der Koalitionsparteien, ob sie überhaupt noch die volle Amtszeit durcharbeiten wird oder ein vorzeitiger Amtswechsel ansteht. Ist das etwas, was die Kanzlerin bewegt? Sieht sie sich darin in ihrer politischen Autorität eingeschränkt, erodiert?

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin hat sich im Oktober vergangenen Jahres geäußert, als sie bekannt gab, dass sie auf den Parteivorsitz verzichten würde. Diesen Äußerungen ist nichts hinzuzufügen.

Zusatzfrage: Wenn ich das richtig im Gedächtnis habe, dann waren die Äußerungen dahingehend, dass sie vorhabe, die komplette Legislaturperiode als Kanzlerin zu bestreiten. Das gilt dann nach wie vor, wenn ich mich nicht in der Erinnerung täusche?

StS Seibert: Sie haben das ziemlich richtig in Erinnerung. Sie hat damals im Oktober ihre Bereitschaft erklärt, das Amt der Bundeskanzlerin bis zum Ende der Legislaturperiode auszuüben. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Montag, 11. März 2019

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 11. März 2019
https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/regierungspressekonferenz-vom-11-maerz-2019-1588506
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. März 2019

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