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PRESSEKONFERENZ/1941: Regierungspressekonferenz vom 28. Oktober 2019 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 28. Oktober 2019
Regierungspressekonferenz vom 28. Oktober 2019

Themen: aktuelle Lage in Äthiopien, Berichte über den Tod des IS-Chefs al-Baghdadi, Forderungen nach einem Demokratiefördergesetz, Vorschlag der Bundesverteidigungsministerin zur Einrichtung einer Schutzzone in Nordsyrien, Antisemitismus und Rechtsextremismus in Deutschland, Behinderung einer Seenotrettungsaktion der "Alan Kurdi" vor der libyschen Küste, Flüchtlings- und Asylpolitik, Nahostkonflikt, erweiterte Befugnisse der Ermittler bei der DNA-Analyse in Strafverfahren, Initiative zur Einrichtung einer Nachtzugverbindung zwischen Berlin und Brüssel für die Zeit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, Zahl der Inlandsflüge von Mitarbeitern der Bundesregierung und angeschlossener Behörden, Brexit

Sprecher: StS Seibert, Breul (AA), Ruwwe-Glösenkamp (BMI), von Plüskow (BMVg), Krüger (BMJV), Audretsch (BMFSFJ), Strater (BMVI), Fichtner (BMU)


Vorsitzende Welty eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Breul: Guten Morgen! Ich würde zu Beginn gern ein paar Worte zur aktuellen Lage in Äthiopien sagen.

In der vergangenen Woche kam es dort zu gewaltsamen Protesten und nach Polizeiangaben zu fast 70 Toten und vielen Verletzten. Wir sprechen den Betroffenen unsere Bestürzung und aufrichtige Anteilnahme aus. Angesichts der angespannten Stimmung und des hohen Gewaltpotenzials der Proteste machen wir uns große Sorgen. Politisch und ethnisch motivierte Gewalt kann das Land dauerhaft destabilisieren und die Reformfortschritte des letzten Jahres zunichtemachen. Wir rufen daher alle Beteiligten zur Ruhe auf. Nur durch friedlichen Austausch können die zugrundeliegenden Konflikte dauerhaft gelöst werden.

Die Bundesregierung trägt ihren Teil dazu bei. Wir fördern über die Berghof Stiftung mit Expertise und finanzieller Unterstützung einen offenen Reformdialog im Land. Wir tun dies, weil wir in der derzeitigen Transformation Äthiopiens eine einmalige Chance für Frieden, Freiheit und wirtschaftliche Entwicklung sehen, die jetzt nicht aufs Spiel gesetzt werden darf.

Ministerpräsident Abiy - wir haben uns vor zwei Wochen hier auch schon über ihn unterhalten - hat diesen Wandel in atemberaubendem Tempo eingeleitet. Aber jetzt ist auch klar, dass einige Reformen Jahre brauchen werden, bevor sie ihre Effekte voll entfalten können und das Wohlstandsniveau spürbar steigern. Nur ein geeintes und friedliches Äthiopien wird in der Lage sein, diesen Prozess erfolgreich fortzuführen.

Frage: Ich würde nach der gestrigen Meldung zum Tod des IS-Chefs al-Baghdadi Herrn Seibert fragen, ob die Bundesregierung in irgendeiner Weise an der Mission, ihn aufzuspüren und zu neutralisieren, beteiligt war und ob sich die Bundeskanzlerin über den Ausgang dieser Operation freut.

StS Seibert: Bei der Nachricht vom Tod dieses Mannes denkt die Bundesregierung an all die Opfer des IS-Terrors, an all die Ermordeten oder versklavten Jesiden und Jesidinnen, an die Menschen, die die Fanatiker in ihrer Willkür in den vom IS kontrollierten Gebieten ermordet haben, sowohl einheimische Muslime wie ausländische Geiseln. Wir denken an die Menschen hier in Europa und auf der Welt, die in terroristischen Anschlägen des IS ihr Leben verloren haben. An all diese Menschen und an diejenigen, die um sie trauern, denken wir anlässlich der Nachricht vom Tode al-Baghdadis und dass er solche mörderischen Befehle nun nicht mehr geben kann. Das heißt aber nicht, dass der Kampf gegen den IS damit beendet ist.

Zusatzfrage: Ich hatte ja auch gefragt, ob Deutschland in irgendeiner Weise an dieser Operation beteiligt war. Das war in den Aussagen von Herrn Trump nicht zu hören. Das Einzige, das er über Deutschland gesagt hat, war die wiederholte Kritik darüber, dass Deutschland angeblich die deutschen IS-Mitglieder nicht zurücknimmt. Gibt es darauf irgendeine Reaktion?

StS Seibert: Ich habe dem, was ich jetzt zu dieser Nachricht gesagt habe, nichts hinzuzufügen. Ich habe auch keine Informationen für Sie in die Richtung Ihrer ersten Frage.

Frage: Eine Frage an das Bundesinnenministerium: Gibt es nach der Tötung al-Baghdadis irgendwelche höheren Sicherheitsvorkehrungen in Deutschland?

Ruwwe-Glösenkamp: Grundsätzlich ist es so, dass US-amerikanische Einrichtungen in Deutschland immer einer erhöhten abstrakten Gefährdung unterliegen. Das war vorher so, und das ist selbstverständlich auch im Moment so.

Konkrete Hinweise auf eine erhöhte Gefährdung dieser Einrichtungen oder auch sonstige Gefährdungen anderer Einrichtungen liegen den Sicherheitsbehörden im Moment aber nicht vor.

Frage: Genau da noch einmal nachgefragt: Es gibt jetzt also keine erhöhte Bereitschaft oder Sie sehen keine erhöhte Gefahr von Anschlägen, sozusagen als Rache? Man verändert jetzt nicht die Sicherheitsvorkehrungen? Habe ich das richtig verstanden?

Ruwwe-Glösenkamp: Die Sicherheitsbehörden beobachten selbstverständlich wie immer sehr aufmerksam die Entwicklung der Lage und auch die Entwicklung der Gefährdungslage. Aber eine grundsätzliche Änderung der Gefährdungslage gibt es nach unserer Einschätzung und der Einschätzung der Sicherheitsbehörden nicht.

Frage: Herr Seibert, woher weiß die Bundesregierung, dass dieser Mann tot ist?

StS Seibert: Ich habe Ihnen auf die Nachricht vom Tode dieses Mannes die Haltung der Bundesregierung dargelegt. Ich habe keine Erkenntnisse. Wir nehmen das an, was der Welt mitgeteilt worden ist. Darauf habe ich reagiert.

Zusatzfrage: Wussten Teile der Bundesregierung vorab von diesem Spezialeinsatz?

StS Seibert: Ich kann Ihnen dazu keine Informationen geben.

Frage: Meine Frage zielte eigentlich in die ähnliche Richtung wie die Frage von meinem Kollegen. Es ist mittlerweile die dritte Meldung in den letzten Jahren, dass al-Baghdadi tot sein soll. Deshalb hat sich die Frage wahrscheinlich erledigt. Ich wollte nämlich auch fragen, ob die Bundesregierung gesicherte Erkenntnisse über den Tod von al-Baghdadi hat.

StS Seibert: Dann hat sich die Frage möglicherweise erledigt.

Frage: Ich habe eine Frage an das Bundesinnenministerium. Es gibt einen Zeitungsbericht vom Wochenende, wonach das Bundesinnenministerium mit dem Familienministerium in Gesprächen über dieses sogenannte Demokratiefördergesetz ist, das die Ministerin schon seit längerem fordert, um Präventionsmaßnahmen eine dauerhafte Förderung zu geben. Gibt es da einen Wandel der Haltung im Bundesinnenministerium? Denkt jetzt der Minister doch darüber nach, so ein Gesetz zu befürworten?

Ruwwe-Glösenkamp: Sie haben die Meldungen vom Wochenende und die Medienberichterstattung dazu angesprochen. Der Minister hat sich in der letzten Woche dazu schon öffentlich geäußert und betont, dass er Prävention für eine ganz wichtige Aufgabe im Bereich des Kampfes gegen Rechtsextremismus hält und er sich zum Thema Prävention in Gesprächen mit der Bundesfamilienministerin befindet. Zu diesem Sachstand hat sich seitdem keine Änderung ergeben.

Zusatzfrage: Können Sie dann vielleicht noch einmal sagen, wie bisher die Auffassung des Ministers zum Demokratiefördergesetz war - Ja oder Nein?

Ruwwe-Glösenkamp: Ich habe Ihnen gesagt, dass der Bundesinnenminister dazu in Gesprächen mit der Bundesfamilienministerin ist und dass Prävention für ihn ein ganz wichtiges Thema ist. So ist im Moment der Sachstand.

Frage: Herr Seibert, ist die Bundeskanzlerin nach der Reise des Bundesaußenministers nach Ankara am Samstag der Meinung, dass für die Partner Deutschlands ausreichend klar ist, wo die Bundesregierung in der Frage einer möglichen von UN-Truppen geschützten Sicherheitszone in Nordostsyrien steht?

StS Seibert: Ich habe ja dazu unsere Position am vergangenen Mittwoch ausführlich dargestellt. Sie ist unverändert. Ich bin überzeugt, dass die Partner der Bundesregierung oder der Bundesrepublik Deutschland darüber auch im Bilde sind. Die Meinungsbildung innerhalb der Bundesregierung ist noch nicht abgeschlossen. Der Vorschlag der Verteidigungsministerin spielt in ihren internationalen Kontakten eine Rolle, so wie er das natürlich bei den Gesprächen am Rande des Nato-Treffens getan hat. Der Außenminister arbeitet daran, den politischen Prozess für Syrien auch im Zusammenhang mit dem Verfassungskomitee voranzutreiben. Dem diente seine Reise in die Türkei. Die Bundeskanzlerin unterstützt beide Minister in ihren Bemühungen. So habe ich es bereits am Mittwoch dargestellt. Das gilt weiterhin.

Zusatzfrage: Nachdem der Bundesaußenminister aber in Ankara klargestellt hat, dass er immer wieder hört, diese Initiative der Bundesverteidigungsministerin werde nicht als realistisch erachtet, sieht die Bundeskanzlerin Bedarf, sich vielleicht einmal mit beiden Ministern zusammenzusetzen und deren Positionen zusammenzubringen?

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin führt ja laufend Gespräche mit ihren Ministern und Ministerinnen zu den aktuellen Themen. Das heißt, dieses Thema ist seit seinem Aufkommen in der vergangenen Woche selbstverständlich auch besprochen worden.

Frage: Eine Frage an das Verteidigungsministerium zu demselben Thema. Es gab ja am Wochenende relativ konkrete Zahlen zu dem Vorschlag Sicherheitszone. Da wurden bereits Zahlen von 2500 Soldaten und auch konkrete Ausrüstungsgegenstände genannt. Ich fand das ein bisschen erstaunlich, weil der Generalinspekteur ja erst zum Verteidigungsausschuss gesagt hat, er habe zur Prüfung noch gar keinen politischen Auftrag erhalten. Er wisse noch gar nicht, welche Vorschläge man konkret zur Sicherung und zum deutschen Einsatz machen könnte. Könnten Sie mir helfen: Woher kommt dieser Vorschlag? Ist das ein offizieller Vorschlag aus Ihrem Haus?

Plüskow: Ich kann Ihnen insofern nicht helfen, als ich nicht weiß, woher dieser Vorschlag kommt.

Ich kann Ihnen aber sagen, dass grundlegende Planungen Tagesgeschäft des Militärs sind. Das ist vollkommen klar. Bevor wir allerdings nicht wissen, welchen Auftrag die Bundeswehr hat und wir viele weitere Parameter nicht kennen, die in so einem Auftrag eine Rolle spielen können, können wir zu Zahlen, Fähigkeiten und Kräften überhaupt nichts sagen.

Zusatzfrage: Es ist also kein offizieller Vorschlag aus Ihrem Haus? Sie können auch nichts dazu sagen, ob diese Zahlen realistisch sind?

Plüskow: Nein, das wäre reine Spekulation. Das liegt an so vielen Parametern. Das geht bis hin zum Gelände, wo Kräfte eingesetzt werden sollen oder nicht. Dazu kann man jetzt überhaupt nichts sagen.

Frage: Ich habe auch eine Frage an das Verteidigungsministerium. Frau Kramp-Karrenbauer hat ja in der vergangenen Woche in Brüssel das Thema Nordsyrien angesprochen beziehungsweise ihren Vorschlag dort besprochen. Gibt es Ideen beziehungsweise die Absicht, solche Themen auch mit Russland zu besprechen, um zu erfahren, wie die Kollegen in Russland dazu stehen?

Plüskow: Die Ministerin hat in der letzten Woche eine Vielzahl von Gesprächen geführt. Dazu hatte ich am Freitag bereits etwas gesagt. Ich kann im Grunde genommen dem, was Herr Seibert gerade gesagt hat, nichts weiter hinzufügen.

Frage: Ich wollte auf die Landtagswahl in Thüringen zu sprechen kommen. Es haben sich Vertreter von Minderheitenorganisationen in Deutschland besorgt darüber geäußert, dass rechtsextreme Ideen in Deutschland offensichtlich wieder mehr Gehör in der Gesellschaft finden. Ich wollte fragen, was Sie tun, um beispielsweise Juden in Deutschland das Gefühl zu vermitteln, dass die Bundesregierung alles tut, um rechtsextreme Tendenzen innerhalb der Bevölkerung entgegenzutreten.

StS Seibert: Ihre Frage steht mit den Landtagswahlen im Zusammenhang, deswegen will ich vorweg noch einmal sagen: Wir bleiben bei unserer üblichen Haltung und unserer üblichen Zurückhaltung bei der Wahlnachlese. Das wird in den Parteien intensiv betrieben; Sie haben da heute viele Gelegenheiten, Äußerungen zu bekommen. Ich gebe dazu keinen Kommentar ab.

Über das große Thema des Antisemitismus in Deutschland ist hier viel gesprochen worden, zuletzt aus dem traurigen und erschütternden Anlass des Anschlags von Halle. Ich könnte auf all diese Dinge verweisen. Die Bundesregierung hat in dieser Legislaturperiode erstmals einen Beauftragten für das jüdische Leben und den Kampf gegen Antisemitismus eingesetzt. Das ist ein sichtbares Zeichen dafür, dass wir allen Minderheiten - und Sie sprechen nun insbesondere die Juden in Deutschland an - sagen: Die Bundesregierung steht gegen jede Form von Rechtsextremismus, gegen jede Form von Ausgrenzung einzelner religiöser Gruppen, und sie steht vor dem Hintergrund unserer Geschichte natürlich gegen jede Form von Antisemitismus. Wir haben das hier schon in so vielen Schattierungen besprochen, dass es mir schwerfällt, dies jetzt noch einmal zu wiederholen. Gerade in den letzten Wochen ist dazu vieles gesagt worden.

Audretsch: Unabhängig von der Frage Thüringen - dazu hat Herr Seibert alles gesagt - würde ich eine ganz Kleine Sache ergänzen wollen: Wir haben für morgen - unabhängig von der Wahl und vielmehr generell - Vertreterinnen und Vertreter der jüdischen Gemeinde in Deutschland und auch Betroffene antisemitischer Gewalt ins Bundesfamilienministerium eingeladen. Es werden Vertreterinnen und Vertreter des Zentralrats der Juden da sein, aber zum Beispiel auch des Kompetenzzentrums für Prävention und Empowerment. Sie haben gerade auch eine Einladung dazu bekommen. Morgen um 12.45 Uhr wird es die Möglichkeit geben, Auftaktbilder zu machen, und um 15 Uhr wird sich Ministerin Giffey zu den Inhalten des Gesprächs sowie auch generell noch einmal zu politischen Fragen, die derzeit in der Debatte sind, äußern.

Frage: An das BMI: Der Thüringer Verfassungsschutz sieht Herrn Höcke ja als Extremisten an beziehungsweise meint, dass er immer extremistischere Positionen vertrete. Es ist gerichtlich entschieden worden, dass er Faschist genannt werden darf. Wie ist der Status beim Bundesverfassungsschutz?

Ruwwe-Glösenkamp: Zum Thema Flügel der AfD, -

Zusatz: Ich hatte speziell an Herrn Höcke gedacht.

Ruwwe-Glösenkamp: - zu dem Herr Höcke ja zählt, und dem Thema Bundesverfassungsschutz ist, glaube ich, alles bekannt und ist auch alles schon gesagt worden. Es gibt umfangreiche Äußerungen und auch Berichterstattung zu diesem Thema. Dazu möchte ich mir hier heute nicht weiter äußern.

Zusatzfrage: Können Sie einmal erklären, wann ein Verdachtsfall zu einem Beobachtungsfall wird?

Ruwwe-Glösenkamp: Das sind sozusagen Feinheiten und Details der Arbeit des Bundesverfassungsschutzes und der Landesverfassungsschutzämter. Da gibt es Kriterien, die erfüllt sein müssen. Wenn Sie das interessiert, kann ich das gern nachreichen; diese Darstellung wäre auch etwas umfangreicher. Wenn Sie das wollen, kann ich das aber gerne nachholen.

Zusatz : Danke.

Frage: Ebenfalls an das BMI: Haben Sie Kenntnisse über die Vorfälle am Wochenende mit dem von der deutschen Organisation Sea-Eye betriebenen Rettungsschiff "Alan Kurdi"? Der Kapitän hatte darüber berichtet, dass in internationalen Gewässern - das Schiff hatte wohl 90 Flüchtlinge an Bord - libysche Einsatzkräfte zum Teil unter Waffeneinsatz - es waren wohl Warnschüsse in die Luft - versucht haben, Rettungsarbeiten zu behindern. Was können Sie uns darüber sagen?

Ruwwe-Glösenkamp: Zum Thema "Alan Kurdi" und dem Vorfall, den Sie ansprechen, liegen uns keine eigenen Erkenntnisse vor - gegebenenfalls dem Auswärtigen Amt.

Zusatzfrage: Das wäre dann die nächste Frage: Es müsste sich ja zumindest feststellen lassen, ob sich das Schiff in internationalen Gewässern aufgehalten hat oder nicht?

Breul: Lassen Sie mich vielleicht kurz ausholen, Herr Kollege, und noch einmal betonen, dass nach Ansicht der Bundesregierung das vorrangigste Ziel ist und bleibt, Menschen vor dem Ertrinken im Mittelmeer zu retten. Um dies zu verhindern, müssen alle zur Verfügung stehenden Kapazitäten genutzt werden. Wir haben die Berichte über eine Behinderung der Seenotretter auf der "Alan Kurdi" daher mit Sorge zur Kenntnis genommen. Die Rettung ist eine rechtliche und humanitäre Verpflichtung. Privatorganisationen leisten hier einen wichtigen Beitrag.

Es ist derzeit nicht klar, unter welcher Verantwortung die Boote standen, die versucht haben, die Alan Kurdi zu behindern. Die libysche Küstenwache hat öffentlich jede Verantwortung deutlich zurückgewiesen. Unsere Botschaft hat dennoch nochmals mit Nachdruck gegenüber der libyschen Regierung gefordert, von Gewalt oder Androhung von Gewalt Abstand zu nehmen. Ein derartiges Verhalten ist nicht akzeptabel.

Zusatzfrage: Die privaten Rettungsorganisationen sind ja auch deswegen so aktiv, weil vor kurzem ein neuerlicher Versuch, wieder eine EU-eigene Rettungsorganisation zu initiieren, nicht erfolgreich war. Ist so ein Vorfall jetzt Anlass, es noch einmal zu probieren? Ich glaube, von Ihrer Seite ist ja schon mehrfach gesagt worden, dass Sie es begrüßen würden, wenn auch seitens der EU wieder Seenotrettungsaktionen gestartet würden.

Breul: Ich denke, dieses Vorfalls hätte es dazu nicht bedurft. Wir sind uns in der Bundesregierung einig, dass da nach wie vor eine Lücke besteht und dass wir weiter daran arbeiten müssen, diese Lücke zu schließen.

Frage: An das Innenministerium: Heute hat hier im Haus die Hilfsorganisation "Open Doors" einen Bericht über eine eigens erhobene Umfrage unter zum Christentum konvertierten Asylbewerbern in Deutschland vorgestellt. Die Organisation kam zu dem Ergebnis, dass die immer seltener vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als Flüchtlinge anerkannt werden, und fordert einen Abschiebestopp für diese Flüchtlinge in islamisch geprägte Länder, wo ihnen Verfolgung droht.

Erste Frage: Deckt sich diese Erkenntnis, dass die Schutzquote abgenommen habe, auch mit den Erkenntnissen des Bundesinnenministeriums?

Zweite Frage: Können Sie eventuell etwas zum Stand der Gespräche über einen Abschiebestopp in diese Länder sagen, die ja der Abgeordnete Kauder führt?

Ruwwe-Glösenkamp: Der Bericht, den Sie ansprechen und der hier heute Morgen offenbar vorgestellt worden ist, liegt mir bislang nicht vor, und ich kenne diesen Bericht auch nicht. Insofern kann ich mich zu dem, was in dem Bericht gesagt wird, im Moment noch nicht äußern.

Ich kann natürlich ganz grundsätzlich immer sagen, dass das BAMF selbstverständlich jeden Fall, in dem ein Asylantrag oder ein Schutzantrag gestellt wird, individuell und sorgfältig prüft, ganz unabhängig davon, welchen Hintergrund dieser Fall hat und ob es da gegebenenfalls auch um Personen geht, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind.

Wenn Sie mich nach einer Stellungnahme zu diesem Gutachten oder zu diesem Bericht fragen, dann müsste ich mir den vorher erst einmal anschauen. Wenn ich mir das angeschaut habe, liefere ich Ihnen dazu gern noch etwas nach.

Zusatzfrage: Gibt es einen neuen Stand zum Thema Abschiebestopp?

Ruwwe-Glösenkamp: Auch dazu liegt mir im Moment kein aktueller Sachstand vor. Ich liefe das aber gerne nach.

Frage: Meine Frage richtet sich an Herrn Breul: Am Freitag gab es im Gazastreifen Proteste gegen die israelische Blockade. Dabei wurden 95 Zivilisten, darunter 43 Kinder, zum Teil schwer verletzt. Wie bewertet das Auswärtige Amt das Vorgehen der israelischen Streitkräfte in diesem Fall?

Breul: Es tut mir leid, zu diesem Vorfall liegen mir derzeit keine Informationen vor. Sie wissen, wie wir grundsätzlich zur Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit stehen und dass wir gleichzeitig die Sicherheitsinteressen Israels im Kopf haben. Sie wissen auch, dass es an der Grenze schon öfter sicherheitsrelevante Vorfälle gab. So viel als grobe Orientierung; das dürfte Ihnen aber auch bekannt sein. Wie gesagt, zum Einzelfall müsste ich mir die Informationen einmal anschauen.

Frage: An das BMJV beziehungsweise auch an das BMI: Ermittler sollen ja neue Befugnisse bei DNA-Analysen in Strafverfahren bekommen; das war hier auch letzten Mittwoch schon Thema, als es von Herrn Seibert vorgestellt wurde. Der Deutsche Anwaltverein spricht da von einem Tabubruch und kritisiert die Bundesregierung scharf dafür, dass man das jetzt probiert. Frau Krüger, wie will die Bundesregierung diese neuen Befugnisse mit den Persönlichkeitsrechten der Bürger vereinbaren?

Krüger: Vielen Dank für diese Frage. Dazu kann ich auf die Gesetzesbegründung verweisen, in der es heißt, dass die Erweiterung einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellt, der in der konkreten Ausgestaltung aber verhältnismäßig ist. Und zwar liegt das daran, dass es hier nicht darum geht, in die Persönlichkeitsrechte einer bestimmten Person einzugreifen; vielmehr dient das Instrument ja nur dazu, den potenziellen Täterkreis einzuschränken.

Zusatzfrage: Eine Befürchtung ist ja, dass die DNA-Informationen zum Beispiel gespeichert und in ein System überführt werden könnten, so dass irgendwann quasi auf DNA-Basis Rasterfahndungen durchgeführt werden könnte. Können Sie diese Bedenken, dass die DNA-Informationen weiter genutzt werden, ausräumen?

Krüger: Das ist ja nicht Gegenstand der Regelung. Gegenstand der Regelung ist nur eine Erweiterung der bereits bestehenden Möglichkeiten zur Analyse von DNA-Material, das an einem Tatort gefunden wurde und das keiner bestimmten Person zugeordnet werden kann. Bislang ist es eben möglich, das Geschlecht und ein mögliches Abstammungsverhältnis auszuwerten. Künftig sollen eben auch äußerliche Merkmale wie Hautfarbe, Haarfarbe, Augenfarbe und das Alter ausgewertet werden können.

Vorsitzende Welty: Möchte das BMI ergänzen?

Ruwwe-Glösenkamp: Ich kann mich dem, was meine Kollegin dazu gesagt hat, nur anschließen; das sehen wir genauso. Dem habe ich auch nichts hinzuzufügen.

Zusatzfrage: Die Trefferquote bei diesen Merkmalen - ob eine Person blond oder dunkelblond ist - liegt bei 50 bis 70 Prozent. Da kann man doch gar nicht davon ausgehen, dass das in irgendeiner Weise hilfreich ist. Warum warten Sie da nicht, bis es technische Fortschritte gibt?

Krüger: Dass die Trefferquoten grundsätzlich nur bei 50 bis 70 Prozent lägen, kann ich so nicht bestätigen. Es gibt durchaus auch Merkmale, die man mit weit über 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit bestimmen kann. Uns ist bewusst, dass die DNA-Analyse immer nur Wahrscheinlichkeiten bringt. Das ist aber, wie Ihnen bekannt ist, bei Zeugenaussagen eben auch der Fall; da haben Sie auch keine hundertprozentige Wahrscheinlichkeit. Insofern weiten wir die DNA-Analyse nur auf Informationen aus, die auch jetzt schon durch Zeugenaussagen oder Auswertung von Videomaterial ermittelbar sind.

Frage: Ich habe eine Frage an das Verkehrsministerium. Im Sommer 2020 wird Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen. Es gibt eine Initiative von EU-Abgeordneten, die gesagt haben: Wir brauchen eine Alternative zu den klimaunfreundlichen Flugreisen. Wir bräuchten einen Nachtzug von Berlin nach Brüssel und umgekehrt. Auch die Regierungsmitglieder sollten sich überlegen, ihn zu nutzen.

Kennen Sie diese Initiative, und wie stehen Sie dazu?

Strater: Nein, diese Initiative kenne ich nicht. Zu Flugreisen, zum Beispiel zu innerdeutschen Flugreisen, und zu Alternativen zu Flugreisen, nämlich der Stärkung der Bahn, haben wir jüngst im Klimaschutzprogramm sehr vieles beschlossen.

Da ich diese Initiative, wie gesagt, nicht kenne, kann ich darauf jetzt nicht im Einzelnen eingehen. Aber grundsätzlich schaffen wir mit der Stärkung der Schiene eine echte, gute Alternative zu Flugreisen, vor allem, wenn es um den innerdeutschen Verkehr geht, und zwar durch die Mehrwertsteuersenkung bei der Bahn, durch die Stärkung der Bahn mit Investitionen in Milliardenhöhe und vieles mehr. In dieser Höhe gab es das bisher noch nie. Insofern steht eine umweltfreundliche Alternative zum Flugzeug bereit, und diese stärken wir.

Zusatzfrage: Würden Sie den konkreten Vorschlag begrüßen?

Strater: Das kann ich hier und jetzt noch nicht sagen, da ich den Vorschlag noch nicht im Einzelnen kenne. Wir müssen uns genau anschauen, was darin im Einzelnen gefordert wird. Insofern muss ich zunächst einmal bei dieser grundsätzlichen Beantwortung bleiben.

Frage: Herr Seibert, vergangenes Jahr gab es insgesamt 230 000 Inlandsflüge von Mitarbeitern von Bundesbehörden, Ministerien usw.

Hat die Bundesregierung das Ziel, dass diese Zahl 2019 sinkt? Was ist der Plan für die nächsten Jahre, damit diese Zahl sinkt, oder haben Sie dieses Ziel gar nicht? Wollen Sie weiter fliegen?

StS Seibert: Ich kann Ihnen nicht berichten, dass es dafür quantitative Ziele gibt. Sie wissen, dass Flüge bei Dienstreisen der Bundesregierung CO2-kompensiert werden. Das ist eine notwendige und richtige Maßnahme. Ansonsten gilt, so nehme ich an, in den meisten Häusern das, was auch im Bundespresseamt gilt, dass nur die Reisen mit dem Flugzeug absolviert werden, bei denen dies notwendig ist. Alle Reisen, die man anders absolvieren kann und die dorthin gehen, wohin auch der Zug fährt, erfolgen mit dem Zug. Das ist die Haltung im Bundespresseamt. Ich denke, dass das in den meisten Häusern gilt. Aber ich kann Ihnen keine quantitativen Ziele geben.

Zusatzfrage: Warum gibt es sie nicht?

Fichtner: Ich kann gern ergänzen. - Wir haben im Klimaschutzprogramm 2030 auf Seite 142 eine Maßnahme, bei der es um die Minderung der Emissionen aus Dienstreisen geht. Sie besteht vor allem aus zwei Punkten.

Das Erste ist der verstärkte Einsatz von Videokonferenzen. Das ist gerade für die Kommunikation zwischen Bonn und Berlin interessant, weil man damit auch Dienstreisen vermeiden kann.

Das Zweite ist die Änderung des Bundesreisekostengesetzes unter Federführung des BMI. Dabei geht es darum, den Begriff der Wirtschaftlichkeit um die Aspekte der Nachhaltigkeit und der Umweltverträglichkeit zu erweitern, sodass man auch in den Fällen, in denen man bisher aus Wirtschaftlichkeitsgründen den Flug nehmen musste, weil er noch günstiger ist als eine Bahnfahrt, künftig sagen kann, dass man lieber die Bahn nutzt, sodass Bahnfahren dann tendenziell zur Regel und Fliegen zur Ausnahme wird.

Frage: Die EU hat jetzt einen weiteren Aufschub des Brexits bis zum 31. Januar 2020 angeboten. Ich nehme natürlich an, dass die Bundesregierung dahintersteht.

Was erwartet die Bundesregierung davon?

StS Seibert: Ja, die Bundesregierung steht dahinter. Die Bundesregierung findet, dass diese heute Vormittag in Brüssel erreichte Verständigung eine gute Sache und eine gute Lösung ist. Vor allem ist sehr positiv, dass die EU-27 ihre Einigkeit demonstriert haben. Jetzt liegt der Ball bei Großbritannien. Wichtig ist, dass die zusätzliche Zeit produktiv genutzt wird.

Frage: Herr Breul, ist das Auswärtige Amt, ist der Außenminister mit zwei Tagen Abstand der Meinung, dass es richtig, war, wie er sich aus Ankara über die Frage einer internationalen Schutzzone in Nordsyrien geäußert hat? Das war ja weitgehend als Kritik am Vorschlag der deutschen Verteidigungsministerin aufgefasst worden.

Vorsitzende Welty: Das Thema wurde schon aufgerufen.

Breul: Ja, und ich habe dem eigentlich nichts hinzuzufügen. In der Sache hat sich der Außenminister, denke ich, klar geäußert. Wie immer kommentieren wir von dieser Bank aus die Äußerungen unserer Chefs und aus dem politischen Raum nicht.

Zusatzfrage: Ich bitte um Entschuldigung, dass mir der erste Aufruf entgangen ist. - Vielleicht ist mir auch die Antwort auf die Frage entgangen - ansonsten stelle ich sie gern -, Herr Seibert, wie die Bundeskanzlerin den Vorgang bewertet. Sieht sie darin auch eine Verletzung des Grundsatzes, nicht aus dem Ausland deutsche Politik zu kommentieren?

StS Seibert: Ja, das ist Ihnen, wenn ich das so sagen darf, wirklich entgangen. Wir hatten das am Anfang. Aber das macht ja nichts. - Ich habe mich am Anfang dazu geäußert, dass die Position der Bundesregierung gegenüber dem, was ich hier am Mittwoch gesagt habe, unverändert ist und dass all das, was ich am Mittwoch hier gesagt habe, gilt. Deswegen kann ich dem jetzt nichts hinzufügen.

Montag, 28. Oktober 2019

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 28. Oktober 2019
https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/regierungspressekonferenz-vom-28-oktober-2019-1686128
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Oktober 2019

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