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PRESSEKONFERENZ/2003: Regierungspressekonferenz vom 28. Februar 2020 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 28. Februar 2020
Regierungspressekonferenz vom 28. Februar 2020

Themen: Termine der Bundeskanzlerin (Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern von Migrantenorganisationen und Religionsgemeinschaften anlässlich der rassistischen Morde von Hanau, 11. Integrationsgipfel, Kabinettssitzung, Sitzung des Digitalrats der Bundesregierung, Trauerfeier für die Opfer der Gewalttat in Hanau, Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille an die Bundeskanzlerin), Coronavirus, Lage in Syrien, Studie des Umweltbundesamtes zu den Auswirkungen eines Tempolimits auf Autobahnen, Entschädigungen für Käufer von VW-Dieselfahrzeugen, Fall eines als rechtsextrem eingestuften Mitarbeiters eines AfD-Bundestagsabgeordneten, Personalie

Sprecher: StS Seibert, Wackers (BMG), Buser (BMVI), Alter (BMI), Grave (BMWi), Wogatzki (BMF), Stoltenberg (BMAS), Breul (AA), Haufe (BMU), Zimmermann (BMJV), Collatz (BMVg)


Vors. Welty eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Vors. Welty: Ich denke, wir starten mit den Terminen der Kanzlerin für die kommende Woche.

StS Seibert: So ist es. - Guten Tag!

Am Montag, dem 2. März, trifft die Bundeskanzlerin gemeinsam mit der Staatsministerin für Integration, Frau Widmann-Mauz, und Bundesminister Seehofer von 10.30 Uhr bis 12 Uhr im Kanzleramt etwa 50 Vertreterinnen und Vertreter von Migrantenorganisationen und aller Religionsgemeinschaften zu einem Gespräch anlässlich der rassistischen Morde von Hanau.

Anschließend, ab 12.30 Uhr, leitet die Kanzlerin dann den 11. Integrationsgipfel im Bundeskanzleramt. Auch dieser Integrationsgipfel wird sich mit den rassistischen Taten von Hanau und den anderen Anschlägen der jüngsten Zeit beschäftigen. In einem ersten Teil werden die Teilnehmer des Gipfels darüber diskutieren, wie wir unsere freiheitliche Demokratie gegen Rassismus, Antisemitismus, antimuslimische Hetze, Rechtsextremismus und alle anderen Formen von Menschenfeindlichkeit verteidigen und welche Konsequenzen aus den jüngsten Ereignissen gezogen werden. In einem zweiten Teil des Integrationsgipfel geht es dann um die Ergebnisse der ersten Phase des Nationalen Aktionsplans Integration - das hatten wir Ihnen hier anlässlich der Kabinettsbefassung schon genauer vorgestellt. Es geht in dieser Phase darum, wie schon im Herkunftsland systematisch damit begonnen werden kann, Einwanderinnen und Einwanderer auf Deutschland vorzubereiten.

Am Mittwoch tagt um 9.30 Uhr wie immer das Kabinett unter Leitung der Bundeskanzlerin.

Im Anschluss tritt der Digitalrat, ebenso unter der Leitung der Bundeskanzlerin, zu seiner 6. Sitzung zusammen. Die Hauptthemen der Sitzung werden die Ideen des Digitalrats zur Datenstrategie der Bundesregierung sowie weitere Vorschläge zum Themenbereich "Digitales Lernen" sein.

Zur Datenstrategie der Bundesregierung würde ich Ihnen gerne noch die Zusatzinformation geben, dass heute ab 12 Uhr die Onlinekonsultation zur Datenstrategie der Bundesregierung beginnt. Das heißt, interessierte Bürger und natürlich auch die Fachöffentlichkeit können unmittelbar Ideen in diese Datenstrategie einbringen. Das ist eine Konsultation, die online über fünf Wochen läuft und unter www.datenstrategie-bundesregierung.de zugänglich ist.

Zurück zu den Terminen der Bundeskanzlerin: Am Mittwochabend gegen 18 Uhr wird die Bundeskanzlerin in Hanau an der Trauerfeier für die Ermordeten dort teilnehmen. Die Planungen hierzu sind zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen. Über Details werden wir Sie rechtzeitig informieren.

Am Sonntag, dem 8. März, wird die Bundeskanzlerin dann mit der Buber-Rosenzweig-Medaille geehrt werden. Diese Medaille vergibt seit 1968 der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit jeweils Anfang März zum Auftakt der bundesweiten Woche der Brüderlichkeit. Die Veranstaltung findet im Kulturpalast Dresden statt und beginnt um 11.30 Uhr. Die Medaille ist nach den jüdischen Philosophen Martin Buber und Franz Rosenzweig benannt. Der Koordinierungsrat ehrt mit dieser Auszeichnung jährlich Personen, Institutionen oder Initiativen, die in besonderer Weise zur Verständigung zwischen Christen und Juden beigetragen haben.

Soweit die Terminvorschau.

Frage: Herr Seibert, ist das Gespräch anlässlich der rassistischen Morde von Hanau am Montagvormittag von 10.30 bis 12 Uhr auch presseöffentlich? Es gibt ja anscheinend Statements am Anfang um 10.30 Uhr.

Zweitens zur Trauerfeier in Hanau am Mittwoch: Wird die Bundeskanzlerin dort mit Hinterbliebenen, mit Angehörigen zusammenkommen, und wird sie dort eine Rede halten?

StS Seibert: Die Planungen für den Besuch der Trauerfeier in Hanau sind noch nicht abgeschlossen, aber die Bundeskanzlerin wird keine Rede halten. Wen sie dort trifft und ob es zu Begegnungen mit Angehörigen der Ermordeten kommt - für die ja letztlich auch diese Trauerfeier mit ausgerichtet wird - , werden wir Ihnen dann rechtzeitig sagen.

Für Montag ist im Anschluss an den Integrationsgipfel gegen 15.30 Uhr eine Pressekonferenz geplant. Die Begegnung mit den Vertretern der Migrantenorganisationen und der Religionsgemeinschaften ist nicht presseöffentlich.

Zusatzfrage: Wir haben aber gehört, dass der Termin am Anfang zumindest für Bildpresse öffentlich ist, und es heißt, es werde auch Statements der Kanzlerin, des Innenministers und der Integrationsbeauftragten geben.

Frage: An das Gesundheitsministerium zum Coronavirus: Gibt es schon Empfehlungen zur Absage der Tourismusbörse ITB?

StS Seibert: Wenn ich darf, würde ich dazu gerne einige Bemerkungen vorab machen, und dann werden die Kollegen aus den Ministerien sicherlich ergänzen.

Ich möchte Sie gern darüber informieren, dass die Bundeskanzlerin heute Vormittag ausführlich mit Bundesgesundheitsminister Spahn und mit Bundesinnenminister Seehofer über die Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland und die staatlichen Maßnahmen dagegen beraten hat. Es ging um die Themen, die auch am Nachmittag den dann wieder zusammentretenden Krisenstab beschäftigen werden. Das heißt, über allem steht unsere Zielsetzung, die Ausbreitung des Coronavirus bei uns einzudämmen beziehungsweise zu verlangsamen, alles zu tun, damit Infizierte alle erforderliche medizinische Behandlung bekommen, das Gesundheitssystem auf mögliche steigende Fallzahlen vorzubereiten und nicht zuletzt die Menschen darüber zu informieren, wie sie mit relativ einfachen Verhaltensweisen ihr Ansteckungsrisiko erheblich mindern können.

Die Bundesregierung stimmt sich in diesem ganzen Themenkomplex engstens mit den Ländern und den Kommunen hier in Deutschland ab, aber natürlich auch mit unseren europäischen Partnern, und auch dieser Informationsfluss war Gegenstand der Beratungen heute Morgen.

Wie gesagt, der Krisenstab unter gemeinsamer Leitung von Bundesgesundheitsministerium und Innenministerium kommt heute wieder zusammen, und im Anschluss, also gegen Abend, werden Sie darüber dann informiert.

Ich will noch ein Wort zu der Frage loswerden, die jetzt natürlich viele Bürger umtreibt, nämlich: Wo finde ich zuverlässige Informationen? Das Robert-Koch-Institut informiert regelmäßig in Pressegesprächen über das Geschehen rund um das Coronavirus. Gestern fand das erste solche Pressegespräch statt. Wer befürchtet, sich mit dem Coronavirus infiziert zu haben, weil er vielleicht Kontakt mit einer infizierten Person hatte oder eine Reise in ein Risikogebiet unternommen hat, der kann sich telefonisch an die zentrale Rufnummer 116 117 wenden - die sollte man sich wirklich merken -, und in jedem Fall sollte bei Krankheitszeichen vorab telefonischer Kontakt mit der Arztpraxis oder dem Krankenhaus erfolgen.

Also: Zuverlässige Informationen, ständig aktualisiert, gibt es auf den Internetseiten des Robert-Koch-Instituts, der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, des Gesundheitsministeriums sowie der Bundesregierung insgesamt, sodass alle - die Bürger, das medizinische Personal, die Vertreter der Presse - jeweils auf dem neuesten Stand befindliche, zuverlässige Informationen finden können.

Zusatz: Dann war da noch die Frage nach der ITB.

Wackers: Zur ITB und sonstigen Großveranstaltungen, aber auch Kleineren Veranstaltungen - wie gestern auch schon hier in der gemeinsamen Pressekonferenz der Minister Seehofer und Spahn gesagt -, das ist eine Entscheidung der Behörden vor Ort. Das Infektionsgesetz sieht vor, dass die zuständigen Behörden vor Ort die erforderlichen Maßnahmen ergreifen. Warum ist das so? Nur die Behörden vor Ort können wissen, wer an der Veranstaltung teilnimmt. Sind das Teilnehmer aus möglichen Risikogebieten? Wo findet die Veranstaltung statt? Gab es in der letzten Zeit hier irgendwelche Infektionsfälle? Werden die Hygieneauflagen eingehalten? Das sind alles Entscheidungen, die nur vor Ort bewertet werden können. Deshalb wird diese Entscheidung, ob Veranstaltungen stattfinden oder nicht, auch von den Behörden vor Ort getroffen.

Ich kann Ihnen aber - wenn ich das noch kurz ergänzen darf; der Regierungssprecher erwähnte es ja schon - sagen, dass heute Nachmittag zum zweiten Mal der Krisenstab von BMI und BMG tagt. Dort wird auch das Thema Großveranstaltungen besprochen werden. Es wird darum gehen, Kriterien zu entwickeln, die den Behörden vor Ort Unterstützung geben können, so eine Entscheidung zu treffen. Aber wie das dann aussehen wird, das kann ich Ihnen nicht sagen. Da kann ich den Ergebnissen nicht vorgreifen.

Zusatzfrage: Wird es da eine Empfehlung geben, oder ist das noch nicht klar?

Wackers: Es wird an Kriterien gearbeitet. Das ist Thema. Wir werden danach unterrichten. Dann wird das Ergebnis feststehen. Eine Empfehlung wird es nicht geben. Es wird Kriterien geben, die den Behörden helfen, die Entscheidung zu treffen. Die Entscheidung bleibt bei den Behörden vor Ort.

Zusatzfrage: Meine zweite Frage, weil es ein bisschen schwierig ist, den Überblick zu behalten, ist: Können Sie eine Gesamtzahl für alle bestätigten Infektionsfälle nennen?

Wackers: Meinen Sie jetzt weltweit oder in Deutschland?

Zusatz: In Deutschland, sorry.

Wackers: Also in Deutschland sind es derzeit knapp 60 Fälle. Aber es ist ein dynamisches Geschehen - wie wir ja nicht müde werden zu erwähnen.

Frage: Eine Frage noch einmal an Herrn Seibert. Sie haben eben gesagt, die Bundeskanzlerin habe sich mit dem Gesundheitsminister und mit dem Innenminister heute früh beraten. Gibt es etwas Konkreteres, was Sie uns dazu mitteilen können? Wie zufrieden ist sie mit dem Krisenmanagement in diesem Fall? Gibt es eine Überlegung, dass sie sich zu diesem Thema mit den anderen europäischen Staatschefs in einen engeren Austausch begibt, um vielleicht eine gemeinsame Strategie zu entwickeln?

StS Seibert: Ich habe ja bereits gesagt, dass wir uns bei den europäischen Partnern bei diesem Thema, das ein grenzüberschreitendes ist und mehrere europäische Staaten, viele europäische Staaten intensiv beschäftigt, natürlich eng austauschen. Dieser Austausch läuft natürlich auch auf der Ebene des Gesundheitsministers, des Innenministers und bei Bedarf auch durch die Bundeskanzlerin selber. Wir werden Sie informieren, wenn es entsprechende Gespräche gegeben hat.

Ich habe Ihnen die Themen genannt, um die es geht. Der Krisenstab wird das heute natürlich in viel mehr Details besprechen. Die Kanzlerin - da seien Sie versichert - wird sich tagtäglich über den Fortgang der Ereignisse, sowohl was das Ausbreitungsgeschehen betrifft als auch den Stand der Vorbereitungen, informieren.

Frage: Ich wollte gern das Bundesinnenministerium und das Verkehrsministerium fragen: Gestern war in der Pressekonferenz von den Ministern Seehofer und Spahn offengeblieben, ob es Maßnahmen oder Vorkehrungen für die Logistikbranche gibt. Ich denke besonders an LKW-Fahrer, die ja europaweit unterwegs und potentielle Überträger von Viren sind. Gibt es da inzwischen Maßnahmen? Ich habe gestern, wenn ich das richtig verstanden habe, mitbekommen, dass Ihr Minister da so eine Art Auftrag erteilt hat.

Alter: Ja, das ist zutreffend. Der Minister hat gestern das Wesentliche umschrieben und hat auch darauf verwiesen, dass all diese Detailfragen von dem zuständigen Expertengremium bewertet werden müssen, dem Krisenstab, der in einer Konfiguration zusammengestellt ist, dass sichergestellt ist, dass aus allen Ressortbereichen die Experten zusammenkommen und diese Fragen erörtern können.

Es bleibt dabei, dass das Bundesinnenministerium sich durchaus für zuständig hält, wenn es um die Frage geht, ob man Gefahren bei der Einreise auf allen Verkehrswegen abwenden kann. Das ist unser ureigenster Auftrag. Dementsprechend werden wir nicht nur den Luft-, See- und Schienenverkehr bewerten, sondern auch den Straßenverkehr. Wenn ich Straßenverkehr sage, dann meine ich in der Bewertung natürlich jegliche Form von Straßenverkehr, das heißt nicht ausschließlich Personenverkehr, sondern auch den Güterverkehr.

Zu welchen Ergebnissen man da kommen wird, das kann ich nicht vorwegnehmen. Heute Nachmittag ist die Krisenstabssitzung. Der Anspruch des Krisenstabs ist es, sich so mit den Fragen zu beschäftigen, dass die Entscheidungsträger in Bund und Ländern eine Handlungsorientierung haben und dann auf der Grundlage auch konkrete Entscheidungen treffen können. Das müssen wir abwarten.

Zusatzfrage: Ich habe ja gelernt, dass es einen neuen Begriff gibt, der heißt "Aussteigerkarten". Ist geplant oder angedacht, so etwas auch für LKW-Fahrer, Lokführer etc. einzuführen?

Alter: Der Stand ist im Moment der, dass wir auf bestimmten Flugverbindungen und im Schiffsverkehr diese Anordnung bereits haben, dass durch die Betreiber dieser Verkehrsmittel diese Karten ausgegeben werden, damit die Passagiere an Bord dort die notwendigen Daten eintragen können. Wir werden heute im Krisenstab erleben, dass die Experten sich auch mit der Frage beschäftigen, wie man so etwas im Schienen- und grenzüberschreitenden Busverkehr realisieren kann. Das wird natürlich immer schwieriger, je weiter man in den Individualverkehr hineinkommt. Sie können sich vorstellen, es muss irgendeine Stelle geben, die diese Zettel ausgibt, und dann müssen sie ausgefüllt und wieder eingesammelt werden. Da ergeben sich schwierige Fragestellungen, die immer auch sozusagen die Überlegung beinhalten: Was kann man tatsächlich und realistisch auch leisten und umsetzen? Die Frage wird sicherlich diskutiert. Zu welchen Ergebnissen man kommen wird, das kann ich im Moment nicht vorhersagen.

Buser: Ich kann den Ausführungen meines Kollegen nichts weiter hinzufügen.

Frage: Frau Wackers, ich habe eine Frage bezüglich dieser Zahl 60 Infizierte. Sind in dieser Zahl die Menschen mit enthalten, die bereits genesen sind? Wie viele sind in den letzten drei oder vier Tagen erkrankt?

Wackers: Grundsätzlich werden die Daten von den Behörden, den Ärzten und den Laboren vor Ort erhoben. Diese melden die bestätigten Fälle dann an das Gesundheitsamt. Das Gesundheitsamt meldet an das Landesministerium und das Landesministerium an das Robert-Koch-Institut. Das ist der Meldeweg.

Wir hatten diese 16 Fälle, die sich aus den zwei Wuhan-Rückkehrern und dem Cluster in Bayern zusammensetzten. Diese Menschen sind genesen. Diese Zahl, knapp 60 Infizierte, enthält auch schon die genesenen Fälle. Die Zahlen zu den letzten Tagen habe ich jetzt nicht da. Vor zwei Tagen - glaube ich - hatten wir diese Fälle in Nordrhein-Westfalen und in Baden-Württemberg. Die sind jetzt dazu gekommen.

Die aktuelle Zahl finden Sie immer auf der Seite des Robert-Koch-Instituts und auch auf unserer Seite.

Frage: Frau Wackers, in der Schweiz, die eine ähnliche föderale Struktur wie Deutschland hat, wurde heute entschieden, eine besondere Lage auszurufen, die es den Bundesbehörden erlaubt, Entscheidungen zu treffen, die bisher den kantonalen Behörden vorbehalten waren, darunter auch die Entscheidung, Veranstaltungen mit mehr als 1000 Personen vorerst zu verbieten.

Gibt es in Deutschland ähnliche Gesetze, die zulassen würden, dass der Bund solche Maßnahmen ergreift, beispielsweise Großveranstaltungen grundsätzlich zu verbieten, oder bleibt das immer den lokalen Behörden vorbehalten?

Wackers: Das kann ich jetzt nicht beurteilen. Aber wir haben im Moment keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass an der Aufgabenverteilung und an der Verantwortlichkeit etwas geändert werden muss. Das Infektionsschutzgesetz - ich kann Ihnen nur empfehlen, lesen Sie sich den 28 durch - sieht vor, dass das die Entscheidung der zuständigen Behörden ist.

Zusatzfrage: Das heißt, dass die Behörden diese Entscheidungen jeweils einzeln, vor dem Hintergrund ganz unterschiedlicher Überlegungen treffen müssen. Das sieht dann - jedenfalls von außen - so aus, als ob es in Deutschland bei der Bekämpfung dieser Situation etwas chaotisch vorgeht, auch wenn man sich die Kommunikationslage anschaut: Da kommunizieren Krankenhäuser, Bundesbehörden und lokale Behörden - koordiniert scheint das nicht zu sein.

Wackers: Wie Sie wissen, haben wir den Krisenstab auf Bundesebene eingerichtet. Das RKI hat eine Koordinierungsfunktion und ist im ständigen Austausch - mehrmals täglich - mit den Ländern und dadurch auch mit den Gesundheitsbehörden. Die Koordinierungsfunktion des Robert-Koch-Instituts ist zu Beginn der Infektionen auch noch einmal ausgebaut worden. Ich hatte Ihnen gerade auch schon geschildert, warum das Infektionsschutzgesetz so ist, wie es ist. Das ist so, weil die Behörden vor Ort die Lage am besten beurteilen können. Sie kennen die Örtlichkeiten, und sie haben die Genehmigungsunterlagen für eine Veranstaltung. Dort gibt es das Wissen über die Umstände einer Veranstaltung, das erforderlich ist, um zu beurteilen, ob die nun stattfinden kann oder nicht. Insofern ist das auch sachgerecht.

Alter: Ich würde gern noch ergänzen. Die Funktion des Krisenstabs darf man nicht Kleinreden oder unterschätzen. Es ist schon so, dass dieser Krisenstab auf Bundesebene unter Berücksichtigung der Aufgabenverteilung und der Kompetenzverteilung in Bund und Ländern zusammenkommt. Gleichwohl hat er den Anspruch, Handlungsorientierung in der Form zu geben, dass die zuständigen Behörden - ob im Bund oder in den Ländern - in der Lage sind, in vergleichbaren Sachverhalten vergleichbare Entscheidungen zu treffen. Das ist das Ziel der Krisenstabssitzungen - in unterschiedlichen Themenbereichen.

Da muss man jetzt nicht über Kompetenzveränderungen nachdenken, denn es bleibt am Ende so: Auch wenn man die Kriterien hat, die Handlungsunterstützung geben sollen, können sich die jeweiligen Situationen voneinander unterscheiden. Das ist das, was die Kollegin gerade skizziert hat. Das heißt also, die Entscheidung im konkreten Einzelfall kann im Zweifel unterschiedlich sein, weil die Situation, über die entschieden wird, nicht vergleichbar ist. Aber in vergleichbaren Situationen - das ist der Anspruch des Krisenstabs - sollen einheitliche oder vergleichbare Entscheidungen möglich sein. Das ist der Anspruch, mit dem dieser Krisenstab diese Fragen erörtern wird.

StS Seibert: Ich möchte diesen Eindruck, den Sie da äußern, auch zurückweisen. Das föderale System in Deutschland ist erprobt. Es hat sich schon in vielerlei herausfordernden Lagen bewährt. Die Menschen können sich darauf verlassen, dass alle staatlichen Ebenen, Bund, Länder und Gemeinden, eng miteinander abgestimmt, gut voneinander und übereinander informiert am gleichen Ziel arbeiten werden, nämlich die Ausbreitung dieses Virus in Deutschland einzudämmen beziehungsweise zu verlangsamen.

Frage: Herr Alter, können Sie ganz kurz sagen, wie Sie nachher, heute Abend, dann informieren? Gibt es eine Pressekonferenz oder eine Pressemitteilung?

Alter: Das ist noch nicht ganz geklärt. Wir werden Sie über den Verlauf und gegebenenfalls die Ergebnisse der Krisenstabssitzung informieren. In welcher Form, ist noch offen.

Frage: Vielleicht noch einmal kurz zu den wirtschaftlichen Auswirkungen. Es gibt immer mehr Forderungen nach einem Konjunkturpaket - nicht nur für Deutschland, sondern abgestimmt für ganz Europa. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt lässt so etwas zu. Auch die Schuldenbremse lässt Ausnahmen zu. Eine Seuche wäre ein klassischer Fall für so etwas.

Frage dazu: Gibt es auf europäischer Ebene zu dem Thema Abstimmungen? Für Deutschland gefragt: Gibt es konkret Maßnahmen, die jetzt umgesetzt oder vorgezogen werden sollen?

Grave: Vielen Dank für die Frage. Gestern hat sich Bundesminister Peter Altmaier dazu auch schon relativ lang geäußert. Derzeit haben wir noch keine übermäßigen Nachfragen nach Fördermitteln oder ähnlichen Dingen. Es gibt keine umfassenden Liefer- oder Nachfrageeinbrüche. Gewachsen ist vor allem die Unsicherheit.

Wir haben beim Wirtschaftsministerium eine Hotline für Unternehmen eingerichtet, die sich darüber informieren können, welche Förderinstrumente, welche Möglichkeiten gibt es bereits, die in Anspruch genommen werden können, wenn es derzeit irgendwelche Probleme gibt. Die Anfragen zeigen: Der Bedarf für Informationen ist da. Die ersten Anfragen handelten davon: Was passiert zum Beispiel, wenn Unternehmen geschlossen werden müssen; was passiert bei Quarantäne oder bei Lieferproblemen?

Es gibt da bereits verschiedene Förderprogramme, die in Anspruch genommen werden können, KfW-Kredite und Ähnliches. Zu weiteren Konjunkturmaßnahmen und Ähnlichem hat Herr Altmaier gestern gesagt, dass kein Konjunkturpaket geplant ist, aber konjunkturstimulierende Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen. Er hat dazu unter anderem die Unternehmenssteuerreform genannt und die steuerliche Besserstellung von Personengesellschaften. Diese Dinge waren angekündigt und stehen auch in der Mittelstandsstrategie. Dazu gibt es bereits die nötigen Vorarbeiten. Die Idee ist, die Einführung jetzt vorzuziehen.

Zusatz: Da war noch die Frage, ob es auf europäischer Ebene dazu Beratungen oder Abstimmungen gibt.

Grave: Dazu kann ich nur sagen, dass Herr Altmaier sich mit seinen europäischen Kollegen in Verbindung setzen wird und bereits gesetzt hat und dazu auch in Gesprächen ist.

Zusatz: Frau Merkel nicht?

StS Seibert: Ich sage Ihnen, wenn es dazu Gespräche gab. Ich denke, dass an der deutschen Volkswirtschaft - eng in globale Lieferketten eingebunden, wie sie nun einmal ist - diese Coronaviruskrise nicht komplett spurlos vorbeigehen wird, das kann man verstehen. Darauf sind auch alle eingerichtet. Aber im Moment ist es wirklich nicht seriös abschätzbar, wieviel Folgen es da geben wird. Das wird mit der Dauer, mit der regionalen Verbreitung des Virus zu tun haben. Das einzuschätzen, dazu ist es jetzt sicherlich zu früh.

Frage: Ich habe noch zwei Nachfragen zu der wirtschaftlichen Dimension. Als die Finanzkrise vor 10, 11 Jahren zuschlug, haben wir ganz schnell ein Bündel von Maßnahmen ergriffen: Kurzarbeiterregelung und, und, und. Haben Sie so ein Krisenszenario sozusagen in der Schublade? Wenn ich Herrn Altmaier richtig verstanden habe, dann möchte er jetzt ganz schnell die Steuerreform durchziehen, auch Personengesellschaften entlasten. Wird das demnächst vorgelegt, oder ist das erst einmal nur so eine Überlegung?

Grave: Zunächst einmal zu den Instrumenten, die bereits bestehen und eingeführt wurden. Diese Instrumente sind derzeit ausreichend. Wir können den Bedarf, der derzeit besteht, abdecken. Bei Bedarf, bei größeren Vorgängen, könnte das aufgestockt werden. Aber das ist derzeit einfach nicht gegeben. Das BMWi bereitet sich auf das Szenario vor, aber - wie gesagt -, derzeit sind die vorhandenen Fördermaßnahmen ausreichend. Über die Hotline können Sie sich darüber informieren, welche Fördermaßnahmen es für die jeweiligen Unternehmen gibt und was da vorbereitet ist.

Das BMWi ist insgesamt natürlich darauf bedacht, die Auswirkungen für die Unternehmen und die Lieferketten im Blick zu behalten und regelmäßig Lagebilder zu erstellen. Wir haben uns die unterschiedlichen Branchen angeschaut. Es gibt regelmäßige Updates. Da sind natürlich einige Branchen deutlich stärker betroffen als andere, je nachdem welche Lieferketten es gibt, ob es chinesische Vorprodukte gibt und all die Dinge mehr.

Die Vorschläge liegen bereits vor. Es gibt Diskussionen dazu. Die Vorschläge liegen vor und sind weit ausgereift.

Zusatz : Zur Steuerreform meinen Sie jetzt?

Grave: Ja.

Zusatz : Sie liegen vor, heißt? Wann werden die ins Kabinett eingebracht? Oder was muss ich mir darunter vorstellen?

Grave: Soweit es um Steuern geht, liegt die Federführung beim Finanzministerium. Die Vorschläge von Herrn Altmaier liegen vor, aber die Federführung, ob und wann das ins Kabinett kommt, liegt beim Finanzministerium.

Wogatzki: Dann möchte ich den Ball aufgreifen und Ihnen vonseiten des Finanzministers mitteilen, dass er die Lage und die aktuellen Entwicklungen im Blick behält und immer betont hat, dass sein Haushalt darauf angelegt ist, solide und zukunftsorientiert zu wirtschaften. Ein ausgeglichener Haushalt ist nie ein Selbstzweck, sondern soll die Bundesregierung in die Lage versetzen, in Krisenzeiten vollumfänglich zu handeln. Das ist die generelle Grundaussage.

Zur Frage der Steuerreform wissen Sie auch, dass der Koalitionsausschuss wieder am 8. März 2020 tagt. Da soll auch über die Frage einer Steuerreform debattiert werden.

Stoltenberg: Ich würde gern noch für das Bundesarbeitsministerium ergänzen: Wir sind mit dem Kurzarbeitergeld gut aufgestellt. Das hat der Minister heute auch noch einmal betont, dass Beschäftigte durchaus einen Anspruch haben können, wenn durch den Coronavirus Lieferengpässe entstehen, oder der Betrieb auf behördliche Anordnung hin schließen muss.

Zusatzfrage : Wenn ich kurz beim Finanzministerium nachfragen darf: Dann liegt also ein Papier, ein Vorschlag, aus dem Hause von Herrn Altmaier bei Ihnen vor, das dann wahrscheinlich erst im Koalitionsausschuss beraten wird, aber dann in das Kabinett geht? Ist das richtig so? Oder ist das bisher nur im politischen Raum?

Wogatzki: Wie Sie wissen, wurden beim letzten Koalitionsausschuss die Grundsteine für eine Diskussion gelegt. Es gibt eine sehr hochrangig besetzte Arbeitsgruppe, die unter anderem darüber diskutiert, wie die zusätzlichen Haushaltsmittel zu verwenden sind und wie man mit einer Steuerreform umgehen soll. Auch Minister Scholz hat sich wie Minister Altmaier gestern dafür ausgesprochen, dass man Personengesellschaften Kapitalgesellschaften gleicher stellen und einige Unwuchten beseitigen sollte.

Wie gesagt: Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe, die im letzten Koalitionsausschuss eingesetzt wurde, werden im nächsten Koalitionsausschuss beraten werden.

Vors. Welty: Bevor wir zu einem neuen Thema kommen, ein Nachtrag von Herr Seibert.

StS Seibert: Ja, das geht schnell. Der Kollege hatte die Frage, wie es mit der Presse aussieht bei den beiden Treffen am Montag. Es stimmt, beide Treffen, sowohl das mit den Migrantenorganisationen wie auch der eigentliche Integrationsgipfel, sind nicht presseöffentlich. Aber bei beiden werden die Auftaktstatements presseöffentlich sein und könne auch im Livestream verfolgt werden. Dann gibt es - wie ich schon gesagt hatte - zum Abschluss des Integrationsgipfels eine Pressekonferenz.

Frage: Herr Seibert, zur Lage in Syrien und dem Angriff der syrischen Armee auf türkische Soldaten gibt es jetzt aus der Türkei die Forderung, dass die Nato an der Seite der Türkei stehen soll. Im Moment ist nicht die Forderung nach einem Bündnisfall im Gespräch, aber könnten Sie dazu etwas sagen? Es gibt auch die Idee, eine Flugverbotszone über Idlib einzurichten. Wie steht die Bundesregierung dazu?

StS Seibert: Ich kann für die Bundesregierung sagen, dass wir diese jüngste militärische Eskalation in Nordwestsyrien, insbesondere in der Region Idlib, mit sehr großer Sorge sehen. Den Angriff auf türkische Stellungen, der zum Tod von über 30 türkischen Soldaten und zu einer großen Zahl von Verwundeten geführt hat, verurteilen wir.

Diese Zuspitzung der Lage macht auf dramatische Weise deutlich, wie dringend ein Waffenstillstand für die Region Idlib erreicht werden muss und dass es unerlässlich ist, dass zeitnah politische Gespräche hierüber stattfinden. Die Bundeskanzlerin und der französische Präsident Macron hatten in der vergangenen Woche sowohl gemeinsam mit Präsident Erdogan wie auch mit Präsident Putin telefoniert und genau darauf hingewiesen.

Zu der Frage nach der Nato: Heute Vormittag - das müsste schon um 10.30 Uhr gewesen sein - ist der Nordatlantikrat der Nato zu einer Dringlichkeitssitzung mit Blick auf die Entwicklung in Idlib zusammengekommen. Den Ergebnissen dieser Sitzung kann und will ich nicht vorgreifen. Sie wurde auf Bitten der Türkei unter Verweis auf Artikel 4 des Nato-Vertrags einberufen. Nach Artikel 4 kann jeder Nato-Mitgliedstaat, wenn er Bedrohungen für seine Sicherheit sieht, zu Beratungen im Nato-Kreis aufrufen.

Zusatzfrage: Eine Nachfrage, Herr Seibert. Wie ist denn der Stand der Vorbereitungen auf den wohl in Istanbul geplanten Gipfel am 5. März 2020, nachdem Herr Putin gestern hat mitteilen lassen, dass er da eigentlich andere Termine hat? Hat sich das durch die neue Lage noch einmal zugespitzt, wird es diesen Gipfel geben?

StS Seibert: Die Kanzlerin hat gemeinsam mit Präsident Macron und Präsident Erdogan ihre Bereitschaft zu einem solchen Treffen im Viererformat deutlich gemacht. Es ist jetzt an Russland, auf dieses Gesprächsangebot einzugehen. Das ist bisher nicht erfolgt. Das Angebot besteht fort.

Frage: Meine Frage richtet sich an Herrn Alter. Nach diesem Luftangriff will die Türkei eine mögliche Flüchtlingswelle aus Idlib nicht aufhalten. Wie bereitet sich das Bundesinnenministerium Deutschlands auf eine mögliche Flüchtlingswelle vor?

StS Seibert: Ich habe eines vergessen, und das passt zu Ihrer Frage. Entschuldigung. Ich wollte noch sagen, dass die Bundeskanzlerin heute Vormittag mit dem griechischen Premierminister Mitsotakis telefoniert hat und dass sie auch mit Präsident Erdogan sprechen wird.

Alter: Ich kann ergänzen, dass wir die Medienberichte über die Situation, die Sie beschreiben, kennen. Uns liegt bisher noch keine behördliche Erklärung oder Information der türkischen Seite dazu vor. Wir stehen selbstverständlich mit all unseren Gesprächspartnern - auch in der Türkei - in enger Verbindung und beobachten die Situation, wie sie sich entwickelt. Insofern ist es im Moment einfach zu früh, über konkrete Schlussfolgerungen daraus zu berichten. Im Moment ist die Informationslage, die wir dazu haben, im Wesentlichen auf Medienberichte gestützt. Wir sind derzeit dabei, das Informationsbild noch etwas aufzuklären.

Frage: Ich möchte eine Nachfrage zu dem Treffen in Sachen Syrien stellen. Ich habe etwas nicht ganz verstanden. Herr Seibert, Sie haben gesagt, dass Russland das Treffen bestätigen soll. Was soll jetzt passieren?

StS Seibert: Die Frage, die mir gestellt wurde, war doch, ob und wann es zu einem solchen Treffen im Viererformat, wie es das schon einmal in Istanbul gab, kommen wird. Ich kann nur sagen: Die Bundeskanzlerin, Präsident Macron und auch Präsident Erdogan haben ihre Bereitschaft zu einem solchen Treffen geäußert und auch öffentlich gemacht. Jetzt liegt es an Russland, auf dieses Angebot zu einem solchen Treffen einzugehen. Das hat Russland bisher noch nicht getan. Das Angebot, sich im Viererformat zu treffen, besteht fort.

Zusatzfrage: Bezieht sich das auf das Treffen am 5. März?

StS Seibert: Auf welches konkrete Datum es dann hinausläuft, wird man sehen müssen. Aber das Angebot, so etwas zeitnah zu machen, besteht. Die Ereignisse der letzten 24 Stunden machen uns ja noch einmal klar, wie dringlich es wäre.

Frage: Herr Alter oder Herr Seibert, Sie sagten gerade, dass Sie noch keine offiziellen Informationen zu diesen Berichten haben, dass die Türkei praktisch die Weiterreise von syrischen Flüchtlingen nach Europa erlauben möchte. Gehen Sie im Moment davon aus, dass der sogenannte Flüchtlingspakt mit der Türkei weiterhin besteht oder hat es in irgendeiner Weise in letzter Zeit von türkischer Seite Andeutungen gegeben, dass der auslaufen würde, wenn irgendetwas Bestimmtes eintritt? Wenn sich jetzt die Berichte bewahrheiten, würde Sie das unvorbereitet überraschen?

StS Seibert: Bisher gibt es Medienberichte; ich glaube, das hat auch gerade der Kollege gesagt. Uns ist nicht bekannt, dass es einen solchen Befehl, wie er in den Medienberichten erwähnt wird, von der türkischen Regierung aus auch tatsächlich gibt, dass solch ein Befehl tatsächlich erteilt wurde. Wir werden das sehr genau beobachten.

Zu Sinn, Zweck und Nutzen des EU-Türkei-Abkommens über Flüchtlinge und zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität haben wir hier oft gesprochen. Der Wert dieses Abkommens besteht aus unserer Sicht fort. Das ist ein Wert sowohl für Europa als auch für die Türkei.

Alter: Ich würde gerne noch zum zweiten Teil Ihrer Frage ergänzen, ob uns ein etwaiges Szenario unvorbereitet treffen würde.

Losgelöst von dieser allgemeinen Entwicklung und ganz allgemein haben wir auch an dieser Stelle schon häufiger erklärt und auch vermittelt, dass wir nach der Situation, die wir in Deutschland 2015 ff. erlebt haben, zahlreiche Schlüsse gezogen haben. Die Infrastruktur ist anders aufgestellt, die technischen Rahmenbedingungen zum Informationsaustausch sind anders aufgestellt. Alle beteiligten Behörden haben aus dieser Situation gelernt. Wir sind heute in einem Zustand, dass wir ganz andere Kapazitäten und eine ganz andere Resilienz für ein Ansteigen von Zugängen hätten. Ich mache aber noch einmal ganz ausdrücklich deutlich: Das ist eine ganz allgemeine Bemerkung, die nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der aktuellen Entwicklung steht.

Zusatzfrage: Ich habe ja gefragt, ob Sie in letzter Zeit von den türkischen Behörden irgendwelche Andeutungen erhalten haben, dass so ein Schritt kommen könnte? Wenn ich Sie richtig verstehe: Nein, das hat es nicht. Können Sie das bestätigen?

Alter: Zutreffend. Wir haben zu der aktuellen Entwicklung bisher nur die Medienberichte und darüber keine behördlichen Informationen und auch keine Signale von türkischer Seite.

Breul: Ich kann noch kurz ergänzen - der Punkt wird Sie nicht vollkommen überraschen -: Wir sind uns dessen bewusst, was für eine besondere Last die Türkei beim Umgang mit syrischen Flüchtlingen schultern muss. Wir unterstützen sie dabei. Das ist ja auch Sinn und Zweck des EU-Türkei-Abkommens.

Das gilt im Übrigen auch für die humanitäre Situation in Idlib, die sich an der Grenze zur Türkei abspielt, wo die Türkei Verantwortung übernimmt und wo wir auch Verantwortung übernehmen wollen. Die Bundeskanzlerin hat auch bei ihrem letzten Treffen mit Präsident Erdogan noch einmal zusätzliche Unterstützung zugesagt. Dazu stehen wir. Die humanitäre Verantwortung für Idlib ist eine der internationalen Gemeinschaft und nicht allein die der Türkei. Das werden wir der Türkei auch in den Gesprächen, die wir jetzt zu führen haben, noch einmal deutlich machen.

Frage: Ich würde gerne das Verkehrs- und das Umweltministerium zu der neuen Studie des Umweltbundesamtes fragen, wonach ein Tempolimit auf Autobahnen den CO2-Ausstoß sehr wohl deutlich mindert. Ziehen Sie dieses Gutachten mit in Betracht? Geht es auf den Autobahnen jetzt in Richtung Tempolimit?

Haufe: Das Umweltbundesamt hat - darauf beziehen Sie sich jetzt - vor, wie ich glaube, knapp einer Stunde eine Studie veröffentlicht, in der es noch einmal untersucht, inwieweit ein Tempolimit tatsächlich zu CO2-Minderungen führt. Es sind verschiedene Szenarien untersucht worden. Wir hatten ja in letzter Zeit eine ganz aktuelle Debatte über das Thema Tempolimit, in der immer wieder die Frage aufkam: Gibt es aktuelle Daten zu den möglichen Klimaschutzwirkungen eines Tempolimits? Das hat jetzt das Bundesumweltbundesamt vorgelegt.

Das sind alles aktuelle Emissionsdaten bezogen auf den aktuellen Fahrzeugbestand in Deutschland. Da gibt es jetzt also eine Berechnung. Es ist ja nun kein Geheimnis, dass die Bundesumweltministerin eine Verfechterin des Tempolimits ist. Sie hat sich dafür ausgesprochen, dass ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen mit der Maßgabe 130 km/h aus verschiedenen Gründen sinnvoll ist, nicht nur aus dem Grund des Klimaschutzes, sondern auch aufgrund der Verkehrssicherheit. Dabei bleibt sie. Das ist eine einfache, die ohne Kosten möglich ist.

Zusatzfrage: Sieht sich Herr Scheuer durch dieses Gutachten jetzt besonders unter Druck, doch von seiner Meinung abzugehen?

Buser: Vielleicht noch einmal generell: Für uns ist Klimaschutz ein sehr wichtiges Thema, und wir haben ja auch im Rahmen des Klimapakets schon sehr viele Dinge angepackt und sind auch momentan dabei, weitere Punkte umzusetzen.

Vielleicht noch einmal zur Erinnerung: Sowohl Bundestag als auch Bundesrat haben ein generelles Tempo abgelehnt - wie gesagt, zuletzt auch der Bundesrat erneut.

Vielleicht noch einmal eine andere Perspektive: Es geht generell ja auch darum, von dem Zeitalter der Blechschilder wegzukommen und in ein neues, digitaleres Zeitalter zu gehen. Das heißt, es geht darum, die Strecken mit intelligenten Verkehrsbeeinflussungsanlagen auszustatten; solche Anlagen können ja schon jetzt Teilnehmer informieren und ihnen auch konkrete Geschwindigkeiten vorschlagen. Das ist ja genau das, wo wir hin wollen. Das heißt, es geht darum, die Digitalisierung konkret zu nutzen, um mehr Intelligenz hineinzubringen.

Gestern war Bundesminister Scheuer auch vor Ort gewesen und hat verkündet, dass wir auf zwei Strecken den Testbetrieb aufnehmen, nämlich auf der A2 und auf der A8. Dabei geht es darum, wie wir mit Blick auf das automatisierte und vernetzte Fahren weitere neue Lösungen einbringen können. Dabei geht es um die Verkehrssicherheit, um den Verkehrsablauf und auch um die Wirkung der verschiedenen Fahrgeschwindigkeiten im Verkehr, und man will herausfinden, wie man diese neuen Technologien mit in den Verkehrsfluss integrieren kann. Dabei werden natürlich auch die Daten der nicht automatisierten Fahrzeuge mit erhoben; auch das ist ein Teil, den man dabei genau beobachten wird.

Wie gesagt, die Studie beziehungsweise Ergebnisse oder Berechnungen - wie auch immer - des Umweltbundesamts kenne ich nicht, die habe ich auch soeben erst aus der Presse erfahren; insofern müssten wir uns das erst einmal anschauen. Aber wie gesagt: Bundestag und Bundesrat haben dagegen gestimmt.

Zusatzfrage: Ganz konkret gesagt: Das Gutachten wird Herrn Scheuer nicht weiter beeindrucken?

Buser: Ich kann es nicht beurteilen, weil ich das Gutachten persönlich einfach nicht kenne. Ich weiß auch nicht, ob es ein Gutachten oder eine Berechnung ist. Das müssen wir uns erst einmal anschauen.

Frage: Das Gutachten kommt ja zu Erkenntnissen, die nicht ganz neu sind. Bleiben Sie weiter bei dem Standpunkt "Es ist uns wurscht, was das Umweltbundesamt herausgefunden hat"?

Buser: Um es vielleicht in der Tonalität noch etwas deutlicher zu machen: Wie gesagt, wir haben schon zwei Entscheidungen - wir haben die Entscheidung des Bundestags und auch die des Bundesrats. Uns geht es generell darum, nicht einfach nur mehr Blechschilder aufzustellen, sondern die digitalen Lösungen - wie intelligente Verkehrsbeeinflussungsmaßnahmen - , die wir ja schon an vielen Strecken haben, noch weiter einzusetzen und zu prüfen, wie wir neue Technologien wie das automatisierte vernetzte Fahren stärker auf die Straße bringen können - auch unter dem Aspekt der Verkehrssicherheit.

Haufe: Wir werden ja mit dem jetzt vorhandenen Klimagesetz, das gilt, noch verschiedene Möglichkeiten haben, zu schauen, wie stark die die CO2-Emissionen im Verkehrssektor nach unten gehen oder eben nicht nach unten gehen, und zu schauen, welche Maßnahme welchen Effekt bringt. Das wird uns in der nächsten Zeit immer wieder beschäftigen, und deswegen ist es gut, dass es jetzt eine ganz aktuelle Erhebung zum Thema Tempolimit gibt.

Buser: Vielleicht noch eine Ergänzung an dem Punkt: Bei solchen Studien - wie gesagt, ich kenne sie nicht - muss auch immer geschaut werden, mit welchen Fahrzeugen diese Berechnungen gemacht wurden - sind das Fahrzeuge mit alternativen Antrieben, bei denen es in den nächsten Jahren einen weiteren Hochlauf geben wird? Ein weiterer Ansatzpunkt: Auch autonom fahrende Fahrzeuge haben ganz andere Werte; auch das muss man sich anschauen und mit Blick auf die Zukunft stärker im Kopf haben. Insofern ist für uns der richtige Weg, die Straße weiterhin intelligenter zu machen.

Frage: An das Bundesjustizministerium: Sind Sie zufrieden, dass sich VW und die Verbraucherzentralen bei der Entschädigung für Dieselfahrer geeinigt haben?

In Verbindung damit: Hat die Musterfeststellungsklage damit die erste große Probe bestanden?

Zimmermann: Das individuelle Verfahren, das Sie ansprechen, wollen wir wie üblich nicht kommentieren, zumal nach unserer Kenntnis die Details der Einigung im Moment auch noch nicht feststehen.

Unabhängig davon sind wir überzeugt, dass Verbraucherinnen und Verbraucher dann besonders stark sind, wenn sie gemeinsam handeln und ihre Kräfte bündeln. Diese Möglichkeit haben wir ihnen mit der Einführung der Musterfeststellungsklage in die Hand gegeben, denn damit können sie ihre Rechte gemeinsam, effizient und kostenlos durchsetzen.

Frage: Laut Berichten der dpa, die es heute gibt, gibt es bei dem AfD-Bundestagsabgeordneten Jan Nolte einen Mitarbeiter, der vom MAD offiziell als rechtsextrem eingestuft worden ist. Meine Frage dazu an die Bundesregierung: Wie bewerten Sie das, wenn dem so ist? An das Verteidigungsministerium: Müssten dem nicht eigentlich Konsequenzen folgen, weil der Mann dadurch auch Zugang zu sensiblen, hoch vertraulichen Daten hätte?

StS Seibert: Da sich das auf den MAD bezieht, würde ich den Kollegen aus dem Verteidigungsministerium bitten zu antworten.

Collatz: Wir haben solche Fälle schon häufiger an dieser Stelle besprochen, und auch in diesem Fall ist es so, dass ich hier aus rechtlichen Gründen zu einer Einzelpersonalmaßnahme nichts sagen kann.

Die Arbeit des MAD ist auch ein Thema in den dafür vorgesehenen vertraulichen Gremien. Auch hier kann ich zu den Hintergründen nichts sagen, aber ich kann natürlich deutlich machen - und möchte das hier auch - , dass wir aktiv und immer präventiv gegen jegliche Form von Extremismus in den Streitkräften vorgehen und auch immer unser Ziel ist, dass wir Personen mit extremistischem Hintergrund möglichst schnell aus der Bundeswehr entfernen. Aber zu dem Einzelfall kann ich leider keine Stellung nehmen.

Vors. Welty: Jetzt möchte sich noch Herr Haufe verabschieden - zumindest für eine gewisse Zeit.

Haufe: Dann sind wir schon am Ende der Regierungspressekonferenz? Okay. - Genau, für die nächsten drei Monate möchte ich mich verabschieden. Ich werde vorübergehend an der EU-Kommission arbeiten. Uns steht ja die Ratspräsidentschaft bevor, und das Thema Umwelt und Klimaschutz wird uns dabei ja auch ordentlich beschäftigen. Darauf bereiten wir als Umweltministerium uns vor, und deswegen werde ich für drei Monate verschwinden, um dann pünktlich zur Ratspräsidentschaft - - -

StS Seibert: Aber wiederkommen!

Haufe: Genau - damit gerade auch Sie als Medien dann bei diesem Thema einen guten Draht zu uns als Ratspräsidentschaft haben.

Freitag, 28. Februar 2020

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 28. Februar 2020
https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/regierungspressekonferenz-vom-28-februar-2020-1726430
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. März 2020

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