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PRESSEKONFERENZ/2040: Regierungspressekonferenz vom 5. Juni 2020 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 5. Juni 2020
Regierungspressekonferenz vom 5. Juni 2020

Themen: Termine der Bundeskanzlerin (Kabinettssitzung, Digitalrat, Videokonferenz mit dem chinesischen Ministerpräsidenten), Coronapandemie (Konjunktur- und Zukunftspaket, Corona-Warn-App, Erstattungsanspruch bei ausgefallenen Flügen, Protestaktion in Berlin in Form einer Schlauchbootparty), Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA/Kritik des Transatlantik-Koordinators, US-Sanktionen gegen die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2, Novelle des Personenbeförderungsgesetzes, Berichte über die Schulung von deutschen Rechtsextremisten in Russland, Novelle des Soldatengesetzes, Dialog zwischen Serbien und Kosovo, Aufnahme von Geflüchteten in Europa und Deutschland, Situation in Libyen, Völkermord an den Herero und den Nama, Logo der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, EU-Urheberrechtsreform, verschobener EU-China-Gipfel in Leipzig, Solidaritätsbekundungen von Sportlern mit George Floyd

Sprecher: StS Seibert, Kolberg (BMF), Eichler (BMWi), Stoltenberg (BMAS), Fiebig (BMFSFJ), Burger (AA), Buser (BMVI), Alter (BMI), Kall (BMJV), Collatz (BMVg)


Vorsitzende Welty eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Einen schönen guten Tag auch von mir! Ich beginne mit den Terminen der Bundeskanzlerin in der kommenden Woche:

Am Mittwoch, dem 10. Juni, gibt es wie üblich am Vormittag die Kabinettssitzung.

Im Anschluss daran tritt der Digitalrat unter der Leitung der Bundeskanzlerin zu seiner 7. Sitzung zusammen. Das geschieht in einer Videokonferenz. Schwerpunkte werden die Themen "Kompetenzen für die digitale Welt" und "digitaler Start" sein. Es werden Sachstand und auch Ausblick besprochen. Ein weiteres Thema wird die Frage nach den Chancen der Digitalisierung in der Coronapandemie sein.

Am Donnerstag habe ich Ihnen dann um 10 Uhr eine Videokonferenz der Bundeskanzlerin mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang anzukündigen. Es geht natürlich auch um die Coronapandemie, die bilateralen Beziehungen, wirtschaftspolitische und internationale Themen.

Frage: Zu dem Gespräch mit dem chinesischen Vertreter: Herr Seibert, Sie hatten es jetzt nicht so konkret gesagt. Aber werden Hongkong und die Situation der Uiguren in dem Gespräch ein Thema für die Kanzlerin sein?

StS Seibert: Ich habe Ihnen das angekündigt, was ich heute zu dem Gespräch ankündigen kann.

Zusatz : Also nein.

Frage (zum Konjunktur- und Zukunftspaket): Eine Frage zu der neuen Umsatzsteuerregelung. Wird es eine Vereinfachungsregel für den Business-to-Business-Bereich geben? Denn es ist schon ein ziemlicher Aufwand, für ein halbes Jahr die Umsatzsteuer komplett zu ändern und sie dann wieder zurück zu ändern. Das betrifft ja Mietverträge, Leasingverträge usw.

Kolberg: Vor kurzem hat der Koalitionsausschuss ein großes und historisches Konjunkturpaket verabschiedet, mit dem wir dafür sorgen wollen, dass wir gestärkt aus der Krise hervorgehen. Jetzt geht es darum, diese Maßnahmen umzusetzen, die vereinbart wurden. Daran arbeitet die Bundesregierung jetzt. Sobald wir Details haben, werden wir sie mitteilen.

Frage: Mich würde interessieren, vielleicht vom Wirtschaftsministerium oder vom Finanzministerium, warum Sie bei der Senkung der Mehrwertsteuer oder Umsatzsteuer noch auf das Prinzip Hoffnung setzen. Sie wollen ja, dass das an die Verbraucher weitergegeben wird. Sie können es aber nicht sicherstellen. Korrekt?

Kolberg: Wir haben guten Grund, zuversichtlich zu sein, dass das passiert. Sehen Sie sich die wissenschaftliche Diskussion dazu an. In Großbritannien wurde zum Beispiel ein ähnliches Paket zur Finanzkrise verabschiedet. Da wurde ein Großteil der Steuersenkungen weitergegeben.

Wir hatten die Debatte, falls Sie sich noch erinnern können, bei der Monatshygiene, wo ähnliche Einwände kamen, dass das nicht an die Kundinnen weitergegeben wird. Dazu gibt es jetzt Zahlen, dass das zum Großteil passiert ist. Von daher sind wir zuversichtlich, dass wir mit der Mehrwertsteuersenkung einen Impuls setzen und er auch bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern ankommen wird.

Eichler: Von mir gibt es keine Ergänzungen dazu. Ich schließe mich dem an, was Herr Kolberg gesagt hat.

Zusatzfrage: Aber Sie gehen auch davon aus, dass es Unternehmen geben wird, die das nicht tun werden und das quasi als Mitnahmeeffekt sehen?

Kolberg: Der Minister hat sich ja schon zu dem Thema geäußert und gesagt:

Wir haben in Deutschland aufmerksame Verbraucherinnen und Verbraucher. Wir haben eine gute Medienlandschaft, die den Unternehmen auf die Finger klopfen wird, wenn das nicht passieren sollte.

Darüber hinaus zeigen die Erfahrungswerte, wie gesagt, dass in vergleichbaren Fällen eine Weitergabe erfolgt ist.

Zusatzfrage: Zuletzt wurde die Mehrwertsteuer bei Tampons, also bei Frauenprodukten, gesenkt. Da wurden die Preise ja nicht gesenkt.

Kolberg: Da haben Sie mir eben nicht zugehört. Genau zu dem Thema habe ich eben gesprochen und auf diese Kritik Bezug genommen.

Bevor wir das gemacht haben, wurde genau dieser Kritikpunkt genannt: Das wird ja nicht an die Verbraucher weitergegeben. - Die statistischen Zahlen zeigen etwas Anderes.

Frage: Bundesminister Scholz beziffert den Umfang des Konjunkturpakets mit 130 Milliarden Euro. Die zentrale Datenstelle der Länder, die alle Punkte des Ergebnispapiers aufaddiert, kommt auf 167 Milliarden Euro. Wie kommt es zu diesem Unterschied?

Kolberg: Ich glaube, da ist es zu Dopplungen gekommen. Ich werde jetzt hier keine Rechenaufgaben durchführen. Wir haben gestern und vorgestern ausführlich dargelegt, wie groß das Paket ist. Wir werden jetzt die Umsetzung vornehmen, um dieses historische Paket schnell durchzusetzen, damit es eben auch bei den Beschäftigten, bei den Unternehmen und bei den Familien ankommt, die wir damit unterstützen wollen. Dann werden wir hier noch einmal alle Einzelheiten aufrechnen und sie in Tabellenform darstellen, sodass sich alle überzeugen können, dass die Aussagen, die jetzt auch von den Koalitionsspitzen gemacht wurden, zutreffen.

StS Seibert: Ich möchte nur noch einmal darauf hinweisen, wie es ja auch die verschiedenen Vertreter am Abend nach der Einigung auf das Konjunktur- und Zukunftsprogramm getan haben: Es ist eben auch ein Zukunftsprogramm. Es ist nicht nur ein kurzfristiges Programm, um etwas die Konjunktur anzukurbeln, sondern es ist auch - mit 50 Milliarden Euro belegt - ein Zukunftsprogramm mit ganz wichtigen Weichenstellungen für die energetische Erneuerung. Ich nenne nur die Bereiche Wasserstoffstrategie und Quantencomputing-Technologie. Da gibt es sehr viele strukturelle Veränderungen, die uns, unsere Gesellschaft und auch unsere Wirtschaft, wirklich zukunftsfähiger machen werden.

Zusatzfrage: Was rechnet der Bundesminister heraus?

Kolberg: Ich habe ja eben dargelegt, dass wir zu diesen einzelnen Punkten noch detailliert Stellung nehmen werden. Wie es Herr Seibert eben ausgeführt hat, gibt es teilweise Elemente, die eher langfristig angelegt sind. Sie sind dann in der Berechnung der 130 Milliarden Euro nicht enthalten. Wie gesagt, das werden wir alles noch einmal aufgliedern und aufschlüsseln.

Haben Sie bitte Verständnis: Das Programm wurde von den Koalitionsspitzen gerade verabschiedet. Wie üblich werden wir das jetzt konsequent schnell und zügig umsetzen, wie das auch bei allen anderen Maßnahmen der Fall war, die wir jetzt hier in der Krise getroffen haben, um gut durchzukommen.

Frage: An das Arbeitsministerium eine Frage zum Familienbonus: Können sich die Familien darauf einstellen, dass die erste Rate von den dreien schon im Juli gezahlt werden kann?

Die zweite Frage: Dass man es grundsätzlich - das hat Herr Kolberg eben gesagt - noch nicht sagen kann, ist klar. Gibt es vielleicht Modellrechnungen, wie eine Familie mit zwei Kindern von diesem Gesamtpaket profitiert, also nicht nur vom Familienbonus, sondern auch von der Mehrwertsteuerabsenkung usw.? Kann man das ungefähr beziffern?

Stoltenberg: Ich muss mich da ein bisschen dem anschließen, was Herr Kolberg gesagt hat. Grundsätzlich hat der Minister immer betont, dass es wichtig ist, dass wir die Familien in dieser Zeit finanziell entlasten und damit auch einen massiven Kaufkraftimpuls setzen. Die Beschlüsse sind zwei Tage alt. Die genaue Umsetzung bleibt jetzt abzuwarten. Insofern bitte ich um Verständnis, dass ich Ihnen jetzt noch keinen Stichtag sagen kann, ab wann das zur Verfügung steht.

Eine entsprechende Modellrechnung habe ich aber noch nicht gesehen. Das liegt mir jetzt noch nicht vor. Da muss ich sehen, ob ich noch etwas nachreichen kann.

Frage: Wer profitiert denn davon? Sind es vor allem sozial Ärmere oder nicht? Es geht also darum, ob im Wesentlichen Familien mit Kindern, die Hartz IV-Bezieher sind, davon profitieren und weniger kinderlose Leistungsbezieher. Wer fühlt sich da kompetent, eine Antwort zu geben?

Stoltenberg: Ich fange einmal als Sprecher des Bundessozialministeriums an.

Bundesarbeits- und Sozialminister Heil hat immer betont, dass es wichtig ist, dass es eben auch Menschen mit geringen Einkommen zur Verfügung gestellt wird. Es ist jetzt so, dass der Kinderbonus in der Grundsicherung nicht angerechnet wird. Das heißt, er steht diesen Familien in der Grundsicherung zur Verfügung.

Zuruf: Ja, denen. Es gibt aber auch Familien, die Kinder haben, die nicht Hartz IV beziehen. Da findet diese Nichtanrechnung ja nicht statt.

Wie ist das mit kinderlosen Leistungsbeziehern, die auch Mehrausgaben in der Coronakrise haben, die aber, soweit man das erkennen kann, von dem Paket weniger profitieren können?

Stoltenberg: Zu den Detailfragen, vielleicht zum Kinderzuschlag, würde gleich noch einmal das BMFSFJ sprechen.

Zu der zweiten Frage. Auch hier haben wir ja schon mehrfach betont, dass wir als Bundesarbeitsministerium, auch als Bundesregierung, die Situation durchaus beobachten, auch was potenzielle Preissteigerungen und Ähnliches angeht, und da gegebenenfalls reagieren.

Wir haben jetzt mit dem Konjunkturpaket und der Mehrwertsteuersenkung natürlich schon eine spürbare Entlastung, die zum Tragen kommt. Wir haben ja mit den Sozialschutzpaketen I und II auch in diesem Bereich schon für Verbesserung gesorgt, zum Beispiel beim Schulmittagessen, was jetzt auch direkt - auch wenn die Schulen geschlossen sind - weiter zur Verfügung gestellt werden kann, wenn die Kommunen das entsprechend anbieten.

Fiebig: Was diese Leistungen angeht, die jetzt gestern im Konjunkturpaket verabredet wurden:

Beim Kinderbonus ist ganz klar - das hat auch die Ministerin gestern gesagt -, dass die Leistung gerecht ist, weil sie eben den Geringverdienern und auch den mittleren Einkommen zugutekommt. Diejenigen, die sozusagen Gutverdiener sind, werden ja über den steuerlichen Freibetrag weniger entlastet.

Insofern hat das schon eine Komponente, dass mittlere und geringe Einkommen davon profitieren. So, wie es der Kollege vom BMAS gerade gesagt hat, wird die Leistung ja nicht auf die Grundsicherung angerechnet.

Dann kommt jetzt immer die Kritik, das seien ja nur 300 Euro und die würden nicht bei anderen Problemen helfen. So habe ich die Frage jetzt auch verstanden. Dazu kann ich sagen:

Es ist ja in diesem Konjunkturpaket auch verabredet worden, dass zusätzlich zu dem, was sowieso schon zur Verfügung steht, Milliardenbeträge in den Ganztagsausbau von Schulen fließen werden und eine weitere Milliarde in den Kitaausbau investiert wird. Das ist natürlich etwas, was mittelbar am Ende auch Familien zugutekommen wird, die jetzt vielleicht nicht von den finanziellen Zuschüssen profitieren werden oder das auch nicht brauchen. Diese Kritik gibt es ja häufiger. Insofern gibt es zwei Säulen und zwei Richtungen, in die das Ganze wirken wird und wirken kann.

Was den Kita-Ausbau betrifft: In den Papieren steht auch, dass die Mittel natürlich auch für Hygienemaßnahmen verwendet werden können. Damit könnte also auch jetzt für eine schnellere Öffnung von Kitas und Schulen etwas erreicht werden.

StS Seibert: Es gibt auch eine nicht zu unterschätzende Hilfe für Alleinerziehende. Daran muss man auch erinnern. Der Entlastungsbeitrag für diese Gruppe, die ja oft sozial in sehr schwieriger Situation ist, wird für zwei Jahre mehr als verdoppelt.

Zusatzfrage: Ich verstehe Sie aber recht, Herr Stoltenberg, wenn Sie sagen, dass Sie Preissteigerungen generell auch für Menschen ohne Kinder sehen und Sie da über die Maßnahmen der Mehrwertsteuersenkung hinaus gegebenenfalls noch an Nachsteuerungen oder Nachjustierungen denken? Da habe ich Sie richtig verstanden?

Stoltenberg: Ich habe gesagt, dass wir als Bundesregierung und als Bundesarbeitsministerium die Situation sehr aufmerksam beobachten, was jetzt die Härten in der Coronapandemie für die verschiedenen Bevölkerungsgruppen angeht.

Frage: Herr Kolberg, Sie hatten gesagt, dass das Paket jetzt relativ zügig verabschiedet werden soll. Erwarten Sie, dass der Nachtragshaushalt, der dafür ja notwendig ist, noch vor der Sommerpause verabschiedet werden kann, oder wie sieht der Zeitplan aus?

Kolberg: Da bleibe ich bei dem, was ich gesagt habe. Wir werden jetzt zeitnah die notwendigen Maßnahmen ergreifen. Der Minister hat sich ja gestern in den Interviews auch schon zu dem Thema geäußert. Darüber hinaus habe ich jetzt hier nichts Neues beizutragen.

Frage: Zum Thema Finanzen insgesamt; das hängt ja auch damit zusammen. Es gibt ja nun völlig unterschiedliche Darstellungen zwischen der Kanzlerin und dem Finanzminister auf der einen Seite und Herrn Mützenich von der SPD auf der anderen Seite. Heute Morgen hat er gesagt, er halte eine Verlängerung der Mehrwertsteuerabsenkung ins neue Jahr hinein für möglich. Können Sie da Klarheit hereinbringen?

Vielleicht auch eine Frage an Herrn Seibert. Was die Kanzlerin gestern dazu gesagt hat, wissen wir.

StS Seibert: Genau.

Zusatzfrage: Wir wissen auch, was der Finanzminister gesagt hat. Nur die Diskussion scheint ja offensichtlich nicht zu stoppen zu sein.

Kolberg: Das glaube ich nicht. Wenn Sie sich die Äußerungen anschauen, dann hat er, glaube ich, nicht das gesagt, was Sie jetzt gesagt haben. Insgesamt kann man feststellen - so war es ja auch in der Berichterstattung zu sehen - , dass im Koalitionsausschuss große Einigkeit zwischen allen Vertretern da war, um dieses Paket auf den Weg zu bringen. So wird es auch bleiben.

Zusatzfrage: Aber Herr Mützenich war doch dabei. Er hat ja sicher auch gelesen, was sowohl die Kanzlerin als auch der Finanzminister gesagt haben. Wenn er denn heute Morgen trotzdem noch einmal sagt, eine Verlängerung sei möglich, dann fragt man sich ja: Wie kommt das?

Kolberg: Das habe ich ja eben gesagt. Alle Beteiligten, die Sie gerade genannt haben, waren dabei und haben sehr einhellig ein großes und wichtiges Paket für Deutschland auf den Weg gebracht. Diese Einigkeit wirkt fort. Die Kanzlerin hat sich gestern ganz klar zu dem Thema geäußert, der Finanzminister ebenfalls.

Wie gesagt, einzelne Äußerungen kann ich hier nicht kommentieren. Aber so, wie Sie die Äußerung zitiert haben, habe ich sie nicht gelesen.

Zusatzfrage: Vielleicht doch an Herrn Seibert: Die Senkung der Mehrwertsteuer wird also im nächsten Jahr nicht verlängert?

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin hat sich dazu gestern in den beiden Interviews klar geäußert. Der Finanzminister hat das auch getan. Wir sprechen hier für die Bundesregierung. Deswegen haben wir dem nichts hinzuzufügen.

Frage: Herr Seibert, ich habe eine Frage zur Lage in den USA. Der Transatlantik-Koordinator, Herr Peter Beyer, hat die Reaktion von Präsident Trump auf die Proteste sehr scharf kritisiert und hat gesagt, dass er auf einem "Steinzeitniveau" agiere. Ist das auch die Position der Bundesregierung?

StS Seibert: Die Position der Bundesregierung können Sie dem entnehmen, was der Bundesaußenminister Anfang der Woche gesagt hat und was die Bundeskanzlerin in den beiden Interviews gestern ausgedrückt hat.

Die Bundeskanzlerin ist, wie viele Menschen auf der Welt, von diesem Fall erschüttert. Die gestrige Trauerfeier für George Floyd hat noch einmal sehr bewegend die ganze Tragik klargemacht - sowohl die Tragik der Tötung dieses einen Menschen als auch eben des Rassismus, die Schwarze in den USA bis heute erfahren. Die Kanzlerin hat gestern auch hervorgehoben, dass es solchen Rassismus nicht nur in den USA gibt, sondern dass auch wir vom Übel des Rassismus nicht frei sind.

Sie hat großes Verständnis für die vielen Menschen, die friedlich auf die Straßen gehen, um gegen Rassismus und Polizeigewalt zu protestieren. Darin - und in der gesamten Debatte, die jetzt in der Politik und Gesellschaft und in den Medien der USA geführt wird - sieht sie ein Zeichen der starken amerikanischen Demokratie. Sie hofft und vertraut darauf, dass das Land auf dieser Basis wieder zueinanderfindet. Das ist die Haltung der Bundeskanzlerin so, wie sie sie gestern sehr klar ausgedrückt hat.

Zusatzfrage: Noch einmal zurück zu den Äußerungen. Herr Beyer ist ja nicht irgendwer. Er ist Ihr transatlantischer Koordinator. Spricht er im Namen der Bundesregierung, wenn er diese Äußerungen macht?

Burger: Herr Seibert hat gerade die Wortwahl der Kanzlerin referiert. Ich werde die Äußerungen von Herrn Beyer jetzt hier nicht weiter kommentieren.

Frage: Herr Seibert, Sie sprechen heute auch schon von "Tötung". In den letzten Tagen haben Sie immer wieder von "Tod" gesprochen. Die Kanzlerin hat gestern vom "Mord" an George Floyd gesprochen. Gab es in den letzten Tagen neue Erkenntnisse der Bundesregierung?

Sie haben gerade das Kehren vor der eigenen Haustür angesprochen. Sieht sich die Bundesregierung angesichts des Migrationshintergrunds in der deutschen Bevölkerung gut repräsentiert? Ich glaube, es gibt kein einziges Mitglied in der Bundesregierung, das einen Migrationshintergrund hat. Richtig?

Herr Burger, kann das AA uns einmal seine Sicht hinsichtlich der systematischen Benachteiligung von People of Color in den USA, also von Schwarzen, darstellen? Wie ist diesbezüglich die Einschätzung des AA? Haben diese Menschen aus Ihrer Sicht einen Grund, jetzt auf die Straße zu gehen und ihre Benachteiligung anzuprangern?

StS Seibert: Ich weiß jetzt gar nicht, wo ich bei Ihren sechs bis acht Fragen anfangen soll.

Zuruf: Es waren drei!

StS Seibert: Okay. - Meine Äußerungen am Mittwoch habe ich im gleichen Geiste getan, wie das, was die Bundeskanzlerin gestern sehr klar ausgedrückt hat. Eine juristische Bewertung kann es natürlich nur durch amerikanische Gerichte geben. Aber das Wort "Mord", das die Bundeskanzlerin gestern verwendet hat, drängt sich einem auf, wenn man dieses entsetzliche Video der Tat sieht. Wie gesagt, das ist keine juristische Bewertung, wobei ja, wenn ich mich recht erinnere, die Anklage auf "Second-Degree-Murder" lautet.

Zu Ihrer Frage bezüglich Rassismus: Die Bundesregierung ist mit einer ganz starken antirassistischen Überzeugung bei der Arbeit. Das prägt unsere Arbeit, unabhängig davon, ob sie am Kabinettstisch Menschen mit Migrationshintergrund sehen oder nicht. Wir sind eine Bundesregierung, die starke antirassistische Überzeugungen hat, die das in ihrer politischen Arbeit auch zugrunde legt, die weiß, dass Deutschland, wie ich es vorhin gesagt habe, nicht frei ist vom Übel des Rassismus und auch nicht frei von Benachteiligungen ist, die Menschen mit Migrationshintergrund hier bei uns erfahren. Das ist für uns ein täglicher Arbeitsauftrag.

Burger: Ich kann Ihnen sagen, dass unsere Auslandsvertretung in den Vereinigten Staaten natürlich intensiv die politischen und die gesellschaftspolitischen Diskussionen verfolgen, wie das die Aufgabe einer deutschen Auslandsvertretung in jedem Land der Welt ist. Es ist aber nicht meine Aufgabe, hier im Namen der Bundesregierung soziologische Analysen vorzutragen. Dafür gibt es, glaube ich, berufenere Münder.

Zusatzfrage: Sie möchten nicht über eine systematische Benachteiligung von Schwarzen in den USA in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Arbeit sprechen? Das erkennen Sie nicht?

Burger: Das wollen Sie mir jetzt in den Mund legen. Ich habe gesagt, dass ich es grundsätzlich nicht als meine Aufgabe als Sprecher des Auswärtigen Amtes sehe, hier gesellschaftliche Entwicklungen in anderen Ländern autoritativ zu analysieren. Dafür gibt es Wissenschaftler; dafür gibt es Thinktanks. Darüber gibt es in den USA selbst natürlich auch eine ganz intensive Diskussion. Sie können sich sicher sein, dass wir natürlich im Rahmen unserer Aufgaben als diplomatischer Dienst die gesellschaftlichen Entwicklungen in anderen Ländern sehr aufmerksam verfolgen.

Es ist, wie gesagt, als Sprecher eines Ministeriums nicht meine Aufgabe, hier dazu die maßgeblichen Analysen vorzutragen.

Frage: Meine Frage bezieht sich auf einen Gesetzentwurf, der offenbar im amerikanischen Kongress behandelt wird und der Sanktionen gegen Nord Stream 2 enthält. Was unternimmt die Bundesregierung in dem Fall? Mit welcher Entwicklung der Situation rechnet die Bundesregierung?

Eichler: Danke. - Wie Sie wissen, verfolgen wir die Entwicklung rund um Nord Stream und natürlich auch die Entwicklung dazu in den USA. Wir kommentieren das aber nicht. Unsere grundsätzliche Haltung zu extraterritorialen Sanktionen ist auch klar: Wir lehnen diese ab. Dabei möchte ich es hier belassen.

Frage: Ich habe eine Frage an das Verkehrsministerium, die sich auf die Novelle des Personenbeförderungsgesetzes und die Meldungen, die seit heute Morgen dazu kursieren, bezieht. Ich würde Sie bitten, zu bestätigen, ob dieses Eckpunktepapier vorliegt und wie Sie gedenken, die neuen Fahrdienste zu regulieren. Was sind diesbezüglich für Sie die wichtigsten Punkte?

Buser: Wir haben auch festgestellt, dass die Koalitionsfraktionen eine Einigung erzielt haben. Das ist sehr erfreulich. Nichtsdestotrotz wird das weitere Vorgehen am 19. Juni im Rahmen der Findungskommission, zu der der Minister einlädt, besprochen werden. Deswegen kann ich zu weiteren Details keine Auskunft geben. Ich hoffe auf Ihr Verständnis.

Zusatzfrage: Offenbar gibt es beim Koalitionspartner SPD zu dem Thema noch offene Fragen. Hat man sich jetzt nur auf Kernpunkte oder auf ein komplettes Papier geeinigt?

Buser: Ich kann zu den weiteren Inhalten nicht mehr als das sagen, was ich mehr oder weniger auch aus der Presse erfahren habe. Das müssen wir uns erst einmal im Detail anschauen. Auf jeden Fall wird das weitere Vorgehen am 19. Juni im Rahmen der Findungskommission besprochen. Diese ist im Mai 2019 eingeführt worden, als das erste Treffen stattfand. Es findet ein laufender Prozess statt, in dem man sich zusammensetzt und die ganzen Details bespricht, um eine gemeinschaftliche Einigung und einen Konsens zu finden. Das ist ein konstruktiver Arbeitsprozess, der, wie gesagt, sehr viele wichtige Punkte berücksichtigt. Es geht um neue Mobilitätsplattformen wie "Pooling"-Systeme, die man etablieren möchte, und darum, wie man bezogen auf Stadt und Land gemeinschaftliche Modelle findet, um auch im ländlichen Sektor bessere Möglichkeiten zu schaffen.

Frage: Können Sie etwas zu den zeitlichen Planungen sagen? Soll am 19. Juni die letzte Sitzung stattfinden und dann eine Lösung vorliegen, wenn es nun heißt, dass sich Union und SPD schon weitgehend geeinigt haben?

Buser: Die Frage kann ich zum jetzigen Zeitpunkt leider noch nicht beantworten.

Frage: Liegt bei Ihnen im Ministerium schon eine erste Reaktion der Taxiverbände vor?

Können Sie noch einmal die Position des Ministeriums zu der Rückkehrpflicht erläutern?

Buser: Was die Rückmeldung vonseiten der Taxiverbände angeht, habe ich persönlich noch keine Kenntnis. Ich kann die Frage deswegen nicht beantworten.

Ich muss gestehen: Da es verschiedene Stände gab, die teilweise geändert wurden, muss ich schauen, was ich nachliefern kann, was der letzte Stand war. Bedingt durch Corona gab es einigen Verzug, was die Gespräche in den verschiedenen Arbeitsgruppen angeht. Es gibt verschiedene hochkomplexe Themenbereiche, die in dem Personenbeförderungsgesetz behandelt werden und die sehr vielschichtig sind. Deswegen müssen wir schauen, was wir nachliefern können. Wir können Ihnen natürlich nach dem 19. Juni noch mehr sagen, wenn man sich die Einigung der Koalitionsfraktion ein bisschen näher angeschaut, ausgewertet und mit Blick auf die Findungskommission weiter diskutiert hat.

Frage: Meine Frage richtet sich an Herrn Alter. Haben die Sicherheitsdienste schon nähere Informationen über deutsche Neonazis, die in Russland militärisch geschult werden? Stehen Sie dazu im Kontakt mit russischen Behörden?

Alter: Der Sachverhalt als solcher ist uns bekannt, zuletzt ja aus Medienberichten heute Morgen. Wir haben das recherchiert und kommen zu dem Ergebnis, dass es konkrete Informationen dazu im Bundesinnenministerium im Moment nicht gibt. Wir wissen aber, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz zumindest Eckinformationen, Rumpfinformationen dazu hat und sich selbstverständlich im Rahmen ihrer allgemeinen Kooperation austauscht.

Noch einmal: Ganz konkrete Informationen zu einzelnen Personen oder Ähnliches liegen uns nicht vor.

Frage: Herr Seibert, in den Terminen der Kanzlerin war es nicht enthalten; das muss ja auch nicht unbedingt sein: Ist schon der Termin für die Vorstellung der Corona-App klar? Mitte Juni ist ja in spätestens zwei Wochen. Gibt es schon einen festen Termin?

StS Seibert: Mitte Juni. Der Termin wird natürlich rechtzeitig angekündigt werden.

Frage: Frau Eichler, es mehren sich die Beschwerden, dass Fluggesellschaften, unter anderem auch die Deutsche Lufthansa, hinsichtlich der Erstattungen bei ausgefallenen Flügen nicht entsprechend schnell, zum Teil gar nicht handeln. Wenn die Deutsche Lufthansa staatlich unterstützt wird, gibt es dann nicht eine Möglichkeit, darauf einzuwirken?

Eichler: Das ist eher ein Thema für das Bundesjustizministerium.

Kall: Dazu kann man nur sagen, dass der Anspruch auf Erstattung der Flugpreise, die die Leute bezahlt haben und deren Flüge storniert worden sind, aus der Fluggastrechteverordnung der Europäischen Union erfolgt und in der Regel die Kundinnen und Kunden, die gebucht haben, innerhalb von sieben Tagen ihre Erstattung auch bekommen müssen. Das gilt für alle Airlines, die in Europa tätig sind. Dieser Anspruch besteht, und dieser Anspruch muss auch erfüllt werden, völlig unabhängig von anderen Unterstützungsmaßnahmen, die natürlich den Airlines helfen. Aber der Anspruch der Kundinnen und Kunden besteht.

Zusatzfrage: Dieser Anspruch wird ja nicht erfüllt. Die Plattform Flightrights hat sozusagen zehntausende Beschwerden gesammelt. Auch die Deutsche Lufthansa ist eine Airline, die das nicht erfüllt. Gibt es vonseiten der Politik nicht eine Möglichkeit, darauf einzuwirken?

Kall: Es gab verschiedene Wege - zum Beispiel Gutscheinlösungen -, die die Bundesregierung gerade am Anfang der Krise vorgeschlagen hat. Es gibt sehr viele Verbraucherinnen und Verbraucher, die freiwillig Gutscheine von den Airlines angenommen haben, die, glaube ich, in der Regel noch bis Ende 2021 umbuchen können und erst einmal keine Erstattung bekommen haben, und dann, wenn sie nicht umbuchen, noch eine Erstattung bekommen können.

Es war bislang nicht möglich, auf europäischer Ebene eine Lösung für verpflichtende Gutscheine zu finden, dass Kunden also die Gutscheine annehmen müssen. Dazu war die Reaktion der Europäischen Kommission klar. Die Fluggastrechteverordnung sieht diesen Erstattungsanspruch vor.

Das sind die Optionen, die im Moment bestehen. Für Verbraucher ist das natürlich auch eine schwierige Situation.

Frage: Ich habe eine Frage an das BMVg, die sich auf die Verschärfung des Soldatengesetzes bezieht.

Frage eins: Wie sieht so ein Beschwerdesystem in der Praxis konkret aus, um Fälle anzuzeigen?

Frage zwei: Wie verhindert man, dass zum Beispiel eine Denunziationswelle losgeht?

Collatz: Das Beschwerdewesen an sich hat sich nicht geändert. Jeder Soldat, jede Soldatin, jeder zivile Angehörige kann sich an die Vorgesetzten oder an den nächst höheren Vorgesetzten wenden, wenn er oder sie denkt, dass er oder sie im dienstlichen Umfeld in seinem oder ihrem Tun beschwert worden ist.

Hier geht es mehr um die gesetzlichen Regelungen, um später, wenn erkannt worden ist, dass es sich um ein schwerwiegendes Fehlverhalten handelt, die Entlassung aus dem Dienstverhältnis vorzusehen. Die Wege, wie Missverhalten kundgetan wird, ändern sich nicht.

Zusatzfrage: Wenn es konkret einen Vorgesetzten betrifft, überspringt man dann den Dienstweg oder gibt es andere Stellen, dass man sich beispielsweise an die innere Führung wendet?

Collatz: Genau so ist es. Das ist alles klar geregelt. Wenn der direkte Vorgesetzte derjenige ist, der aus Sicht des Beschwerdeführers, der Beschwerdeführerin Anlass für eine Beschwer bietet, dann wendet man sich an den nächst höheren Disziplinarvorgesetzten.

Im Übrigen gibt es natürlich Personalvertretungen, an die man sich wenden kann. Es gibt die Möglichkeit einer Moderation. Hier hat sich in der Bundeswehr bereits viel getan, und man orientiert sich auch an zivilen Möglichkeiten. Aber was das militärische Wesen angeht, sind die Möglichkeiten eindeutig vorgegeben. Sie bestehen weiter fort und ändern sich nicht.

Frage: Mit Blick auf das Wochenende eine Frage an Herrn Alter. Gibt es, nachdem wir am vergangenen Wochenende hier in Berlin diese Schlauchbootveranstaltungen gesehen haben, Tipps, die die Bundesregierung oder das Innenministerium den Länderregierungen geben kann, wie so etwas in Zukunft vermieden werden kann oder wie dagegen vorgegangen werden kann?

Alter: Nein, wir geben da keine Tipps. Der Umgang mit solchen Situationen ist zunächst einmal Sache der zuständigen Landesbehörden, der Versammlungsbehörden und auch der Polizeibehörden. Was wir tun können, ist, noch einmal an die Vernunft aller zu appellieren. Wir erleben im Moment in vielen Bereichen Lockerungen, die dadurch gerechtfertigt sind, dass sich das Infektionsgeschehen positiv entwickelt, also im Vergleich zu früheren Zeiten zurückgegangen ist. Jetzt ist es aber umso notwendiger, dass man weiterhin vorsichtig bleibt und sich an die relativ einfachen Regelungen hält. Wir erleben auch, dass Infektionsherde häufig in Situationen entstehen, in denen Regeln nicht eingehalten werden. Insofern ist das der Appell. Den konkreten Umgang mit Situationen, die entstehen, überlassen wir den Behörden vor Ort. Das haben sie bisher auch adäquat gehandhabt.

Zusatzfrage: Dann habe ich noch eine Nachfrage zum Wochenende im Zusammenhang mit den Vorgängen in den USA: Rechnen Sie hier in Deutschland auch mit größeren Demonstrationen und gegebenenfalls mit Ausschreitungen?

Alter: Dieses Thema - das haben wir diese Woche ja auch schon mehrfach gesagt - ist ein Thema, das auch die deutsche Öffentlichkeit berührt und das uns auch in Deutschland betrifft, auch wenn sich dieser Einzelfall nicht in Deutschland abgespielt hat. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sozusagen auch Solidaritätsaktivitäten in Deutschland stattfinden werden. Mir ist nicht bekannt, dass es dafür bereits konkrete Anmeldungen gäbe, aber ich will das nicht ausschließen. Wenn sie stattfinden sollten, dann wäre das auch völlig in Ordnung.

Frage: Mich würde nur interessieren, Herr Seibert, ob die Kanzlerin diese Schlauchbootpartys wahrnimmt, gesehen hat und vielleicht eine Bewertung für mich hat.

StS Seibert: Ich weiß nicht, ob sie - - - In dem gestrigen Gespräch - ich weiß nicht, ob in der ARD oder im ZDF - hat die Bundeskanzlerin darüber gesprochen, dass, auch wenn die Zahlen im Moment ja erfreulich sind und wir bei einer Größenordnung von Neuinfektionen liegen, mit der wir und vor allen Dingen auch der öffentliche Gesundheitsdienst zurechtkommen können, dennoch das Virus da ist, die Pandemie da ist und nichts zu unterschätzen ist. Sie hat davon gesprochen, dass es da, wo Abstands- und sonstige Regelungen wirklich eklatant nicht beachtet werden, ganz schnell gehen kann und die Zahl der Infektionen wieder hochschnellen kann. In diesem Zusammenhang hat sie gesagt: Dagegen gab es ja auch in Berlin eine Reihe von Verstößen. - Aber dabei könnte man auch noch an ganz andere Orte denken, von Göttingen bis Ostfriesland, von Bremerhaven bis Frankfurt.

Das ist, glaube ich, die Botschaft: sich nicht zu sicher zu fühlen, sich über die Entwicklung der Infektionskurve zu freuen - gerade in dieser Woche gab es jeden Tag zwischen 300 und 500 Infektionen; das ist, wie gesagt, wenn man bedenkt, was sein könnte, eine erfreuliche Entwicklung -, aber nicht zu unterschätzen, dass das Virus da ist, dass es gefährlich für jeden sein kann und dass deswegen all diese Maßnahmen - Abstand, Hygiene, Mund-Nasen-Schutz - weiterhin nicht nur sinnvoll, sondern wirklich angeraten sind.

Frage: Zum Kosovo: Die neue Regierung wurde mit sehr knapper Mehrheit gewählt. Deutschland und Frankreich versuchen derzeit aktiv, den Dialog zwischen Kosovo und Serbien zu unterstützen. Wie beurteilen Sie die Fähigkeit der jetzigen Regierung, Kosovo durch die Verhandlungen mit Serbien zu führen? Gibt es Versuche, die Haltung der EU und der USA bezüglich des Kosovos zu koordinieren?

Burger: Ja, ich kann Ihnen sagen, dass sich die Bundesregierung sehr auf die Zusammenarbeit mit der neuen Regierung im Kosovo freut. Es ist sehr wichtig, dass die ambitionierte Rechtsstaatsagenda der Vorgängerregierung und vor allem der Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität konsequent fortgeführt werden; denn das ist ein Schlüsselfaktor für die weitere Heranführung des Landes an die EU und auch für die wirtschaftliche Entwicklung im Kosovo.

Der Fragesteller beziehungsweise die Fragestellerin hat richtigerweise gesagt, dass sich Deutschland gemeinsam mit seinen internationalen Partnern dafür einsetzt, dass die Verhandlungen zwischen dem Kosovo und Serbien unter EU-Vermittlung Fortschritte machen. Das Ziel ist ein umfassendes, tragfähiges Abkommen, das die Stabilität in beiden Ländern und in der Region erhöhen soll. Unsere Auffassung ist nämlich, dass nachhaltiger Frieden und Stabilität auf dem westlichen Balkan und die erfolgreiche EU-Annäherung Kosovos und Serbiens nur dann möglich sein werden, wenn es einen dauerhaften Ausgleich zwischen beiden Ländern gibt. Die Bundesregierung unterstützt deshalb nachdrücklich die Bemühungen des Anfang April eingesetzten EU-Sonderbeauftragten Lajcák darum, dass diese Verhandlungen so bald wie möglich wieder aufgenommen werden.

Frage: Ich habe eine Frage an das Bundesinnenministerium in Bezug auf Flüchtlinge in zwei Dimensionen. Herr Alter, vor Malta und Italien sind, glaube ich, an die 500 Flüchtlinge auf Kreuzern und anderen Schiffen und warten darauf, an Land gelassen zu werden. Das werden sie nicht, weil es keine Aufnahmebereitschaft in europäischen Staaten gibt.

Außerdem haben Thüringen und Sachsen Programme zur Aufnahme von insgesamt 650 Flüchtlingen aufgelegt, aber die können nicht umgesetzt werden, weil das Bundesinnenministerium, glaube ich, diese Aufnahme blockiert. Warum ist das so? Sehen Sie in irgendeiner Weise die Möglichkeit, eine offensivere und offenere Flüchtlingspolitik zu betreiben?

Alter: Wir haben unsere Auffassung zu beiden Themen hier ja schon mehrfach deutlich gemacht, und die Position hat sich auch nicht geändert.

Beim Thema der Seenotrettung ist es so, dass wir im Moment Verzögerungen sehen, die auch durch die Pandemie bedingt sind, durch die Mechanismen, die sich dann innerstaatlich jeweils auch verändern. Die Position Deutschlands hat sich nicht geändert. Wir sind der Auffassung, dass wir für die Aufnahme von aus Seenot geretteten Menschen eine europäische Solidarität benötigen, einen Prozess, an dem sich mehrere Staaten - möglichst viele - beteiligen. Das ist nach wie vor ein wichtiges Anliegen und wird auch in der bevorstehenden Ratspräsidentschaft für uns ein wichtiges Thema sein.

In Bezug auf die Aufnahme von Flüchtlingen aus anderen EU-Staaten ist auch darauf hinzuweisen, dass wir ja als Bundesregierung Aufnahmeentscheidungen getroffen haben, die wir umzusetzen versuchen. Es gibt den Beschluss, dass wir Menschen aus Griechenland aufnehmen. Die Größenordnung ist Ihnen bekannt. Wir arbeiten auch daran, dass dieser Beschluss umgesetzt werden kann. Es ist im Moment angesichts der Situation, dass wir auch aus faktischen Gründen das Resettlement herunterfahren mussten, weil sich auch in den Staaten, die es betrifft, die Umstände durch die Coronapandemie verändert haben, aus unserer Sicht eben nicht hilfreich, dass Länder jetzt neue Programme fordern. Wir müssen jetzt zunächst einmal das umsetzen, was noch umzusetzen ist. Diesbezüglich hat die Bundesregierung Entscheidungen getroffen, die noch in die Praxis umgesetzt werden sollen.

Zusatzfrage: Nun sagen im Hinblick auf die Aufnahmeprogramme in Thüringen und Sachsen beide Länder, soweit ich weiß, dass es möglich sei, mit den vorhandenen Kapazitäten diese Zahl von Menschen aufzunehmen. Wenn das so ist, warum kritisieren Sie das dann? Warum sagen Sie nicht "Dann macht einmal"?

Alter: Es ist ja keine Frage der Kapazitäten! Es ist doch vollkommen klar, dass wir in Deutschland ausreichend große Kapazitäten für die Aufnahme von Flüchtlingen hätten. Aber es ist eben auch eine wichtige Entscheidung der Bundesregierung und der Bundespolitik, in welcher Form und unter welchen Umständen man bereit ist, sich an Aufnahmeentscheidungen zu beteiligen. Dafür gibt es eben das wichtige Prinzip der europäischen Solidarität. Der Bundesinnenminister hat mehrfach betont, dass wir für Alleingänge nicht zur Verfügung stehen, sondern dass das ein europäisches Problem ist, das europäisch gelöst werden soll. Das ist ein wichtiger Faktor, der nicht dadurch außer Kraft gesetzt wird, dass Bundesländer anmelden, sie hätten freie Kapazitäten.

Frage: Herr Burger, zur Situation in Libyen: Gestern hat die Regierungstruppe die Hauptstadt zurückerobert. Glauben Sie, dass dieser militärische Sieg jetzt die Wiederaufnahme der Waffenstillstandsverhandlungen erschwert?

Burger: Ja, die Kämpfe in Libyen gehen weiter. Nach unseren Erkenntnissen ist das Stadtgebiet von Tripolis mittlerweile weitgehend in der Hand der Truppen der Regierung der nationalen Einheit. Nun wird allerdings im Südosten der Stadt weiter gekämpft. Wir sehen das alles mit sehr großer Sorge und kommunizieren das gemeinsam mit unseren Partnern auch gegenüber den Konfliktparteien.

Wie Sie wissen, fordern wir schon seit Langem einen nachhaltigen Waffenstillstand und zu diesem Zweck eine Rückkehr zu den 5+5-Gesprächen zwischen den Vereinten Nationen und den jeweiligen Seiten. Die sind jetzt zunächst einmal per Videokonferenz angelaufen. Das sehen wir als ein positives Zeichen an. Allerdings liegen die Positionen der Konfliktparteien auch noch sehr weit auseinander, und deswegen sind die internationalen Unterstützer beider Seiten nach wie vor in der Pflicht, auf die Konfliktparteien einzuwirken, damit es Fortschritte gibt.

Frage: Der namibische Präsident hat gestern gesagt, dass Deutschland bereit sei, sich für die Massaker an den Herero und den Nama offiziell zu entschuldigen. Kann das Auswärtige Amt dieser Äußerung bestätigen?

Burger: Ich kann Ihnen dazu keinen neuen Stand mitteilen. Ich kann Ihnen aber wie früher schon noch einmal darstellen, dass die Bundesregierung mit der Regierung von Namibia Gespräche über eine zukunftsgerichtete Aufarbeitung der gemeinsamen Kolonialvergangenheit führt. Diese Gespräche verlaufen im gegenseitigen Vertrauen und konstruktiv.

Beide Seiten haben Vertraulichkeit vereinbart. Daher kann ich den Verlauf und den Inhalt der Gespräche nicht kommentieren. Ich kann Ihnen aber sagen, was wir ja auch schon in der Vergangenheit gesagt haben: Das Ziel der Gespräche oder Teil des Ziels der Gespräche ist, dass am Ende eine Bitte um Entschuldigung steht, dann aber eben auch in einer Form, in der sie von der namibischen Seite als solche gewährt werden kann.

Frage: Ein schwieriges Thema in den Verhandlungen war auch immer die Frage von, wie ich es jetzt einmal nenne, Reparationen. Sind Sie da weitergekommen? Gibt es da eine einigungsfähige Lösung?

Burger: Wie gesagt: Da Vertraulichkeit dieser Verhandlungen vereinbart wurde, kann ich Ihnen hier keinen weiteren Zwischenstand bezüglich der Gespräche nennen. Aus unserer Sicht verlaufen die Gespräche in guter und vertrauensvoller Atmosphäre, und es gibt auch Fortschritte.

Frage: Herr Seibert, sonst sind Sie ja immer so fleißig, wenn es um Nachreichung entgeht. Aber letzte Woche ging es um das Logo für die EU-Ratspräsidentschaft und die Kosten dessen. Können Sie uns die mitteilen? Seit einer Woche haben Sie uns das nämlich nicht nachgereicht.

StS Seibert: Richtig. Ich werde Ihnen das dann nachreichen können, wenn das auch wirklich bezifferbar sein wird. Ich kann das heute noch nicht tun, weil das Teil einer großen Zusammenarbeit ist, die wir im Zusammenhang mit der EU-Ratspräsidentschaft mit der betreffenden Vertragsagentur durchführen, und ich das heute nicht auseinanderklamüsern kann.

Zusatzfrage: Wann können wir damit rechnen?

StS Seibert: Das kann ich Ihnen heute nicht sagen. Aber ich habe die Bitte oder die Anfrage, die Sie da geäußert hatten, im Kopf.

Frage: Ich habe eine Frage an das Justizministerium, und zwar zur EU-Urheberrechtsreform und zu der Debatte um die Uploadfilter. Am Sonntag wird noch genau ein Jahr Zeit sein, um die EU-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Könnten Sie den Stand der Dinge darstellen?

Kall: Dazu kann ich nur sagen, dass wir uns mitten in dieser Umsetzungsfrist befinden, wie Sie gesagt haben, was die beiden EU-Urheberrechtsrichtlinien angeht, die da umzusetzen sind, und dass ich Ihnen deshalb noch keine inhaltlichen Details nennen kann. Daran arbeiten unsere Fachleute.

Frage: Ich habe noch eine Frage zum EU-China-Gipfel in Leipzig im September, der abgesagt wurde. Besteht denn die Möglichkeit, dass der zu einem späteren Zeitpunkt, also verschoben, dann doch dort stattfinden könnte?

StS Seibert: Es hat dazu ja Gespräche der Bundeskanzlerin sowohl mit dem chinesischen Staatspräsidenten Xi als auch mit dem Präsidenten des Europäischen Rats Charles Michel gegeben, und alle drei Seiten sind sich einig, dass ein solcher EU-China-Gipfel ein sinnvolles Vorhaben ist. Er kann allerdings aus den Gründen, die jetzt ausschließlich in der pandemischen Gesamtlage begründet liegen, nicht als Großveranstaltung im September in Leipzig abgehalten werden. Man ist sich einig, dass man darüber sprechen will, wie und zu welchem Zeitpunkt er nachgeholt werden kann.

Frage: Herr Alter, in dieser Woche haben mehrfach Sportler - vor allem Fußballprofis - demonstriert, dass sie mit dem Ermordeten Floyd solidarisch sind, und sich gegen Rassismus ausgesprochen. Das verstößt auf der einen Seite gegen formale Regeln. Auf der anderen Seite wird es politisch von verschiedener Seite gutgeheißen. Hat der Bundesinnenminister persönlich eine Haltung dazu? Wie findet er solche Gesten?

Alter: Zunächst einmal ist es, wie Sie schon richtigerweise sagen, Sache der Sportverbände, festzulegen, was in Ausübung des Sports bei öffentlichen Wettkämpfen als zulässige Meinungsäußerung und auch als politische Meinungsäußerung zitiert wird und wo Grenzen überschritten werden. Es ist nicht Sache des Staates, das festzulegen, sondern es gehört in die Autonomie des Sports, das zu definieren.

Gleichwohl ist es natürlich so, dass der Sport für positive Grundwerte steht, die in allen Facetten in allen Bereichen des Sports immer wieder hervorgehoben werden. Das sind die Grundwerte Fairness, Respekt, Solidarität, Freundschaft und Zusammenhalt. Der Sport setzt sich natürlich auch gegen Rassismus ein; das wird an verschiedenen Stellen immer wieder sehr deutlich. Das, was wir in den letzten Tagen gesehen haben, bringt ja zum Ausdruck, dass die Sportler für diese Grundwerte des Sports eintreten. Sie vertreten also gewissermaßen die Grundposition vieler Sportverbände oder des Sports allgemein. Gerade hier muss es uns gelingen, dass der Sport seine Vorbildwirkung auf die Gesamtgesellschaft zum Ausdruck bringt, und das wird unter den aktuellen Umständen sehr deutlich, in denen sich Sportler eben solidarisch zeigen und ein ganz klares Zeichen gegen Rassismus aussenden. Wir erleben, dass die Sportverbände ihre bislang sehr strikte Linie in diesen konkreten Fällen etwas aufweichen, und begrüßen das als Bundesinnenministerium.

Zusatzfrage: Heißt das in einfacher Sprache, der Bundesinnenminister findet solche Gesten gut?

Alter: Der Bundesinnenminister hält es angesichts der Tragweite und der Bedeutung des Themas für sehr nachvollziehbar, dass sich viele gesellschaftliche Bereiche klar positionieren.

Freitag, 5. Juni 2020

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 5. Juni 2020
https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/regierungspressekonferenz-vom-5-juni-2020-1758166
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juni 2020

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