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PRESSEKONFERENZ/460: Regierungspressekonferenz vom 6. August 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 6. August 2012
Regierungspressekonferenz vom 6. August 2012

Themen: Teilnahme des Außenministers an der Feier zum Gedenken an die Opfer des Attentats während der Olympischen Spiele 1972 in München, europäische Schuldenkrise, Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien, Medaillen-Zielvereinbarungen für die deutschen Athleten bei den Olympischen Spielen in London, Medienberichte über die Einführung einer Pkw-Maut, Sportförderung für die Ruderin Nadja Drygalla, Organspende, Sozialleistungen

Sprecher: SRS Streiter, Augustin (AA), Kothé (BMF), Spauschus (BMI), Mossmayer (BMVBS), Dienst (BMVg), Klaus (BMG), Steegmans (BMFSFJ)



Vorsitzender Freitag eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS Streiter und die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Augustin: Außenminister Westerwelle wird heute nach London reisen, um an der Feier zum Gedenken an die Opfer des Attentats während der Olympischen Spiele 1972 in München teilzunehmen. Er wird dort auch sprechen. Die Veranstaltung wird von der Botschaft Israels in London in Kooperation mit dem israelischen Nationalen Olympischen Komitee und mit jüdischen Verbänden in London veranstaltet. Am Rande der Gedenkveranstaltung wird Minister Westerwelle auch mit Angehörigen von Opfern des damaligen Attentats zu einem persönlichen Gespräch zusammentreffen.

Frage (zur europäischen Schuldenkrise): Herr Streiter, können Sie, nachdem wir am vergangenen Freitag nichts zu Terminen der Kanzlerin gehört haben, mir vielleicht sagen, ob noch in diesem Monat ein Termin der Kanzlerin hier in Berlin mit dem griechischen Premierminister Samaras und vielleicht auch mit dem italienischen Regierungschef Monti geplant ist? Ist Ihnen davon irgendetwas bekannt?

Mich würde zum Zweiten interessieren - auch das betrifft Herrn Monti - , wie sich die Bundesregierung zu seinen Gedanken hinsichtlich einer größeren Unabhängigkeit der Regierungen von den Parlamenten stellt.

SRS Streiter: Zu diesen beiden diskutierten Terminen kann ich noch gar nichts Konkretes sagen; da ist noch gar nichts fest geplant. In dieser Woche ist die Bundeskanzlerin ja auch noch im Urlaub. Wenn es Termine geben wird, dann werden Sie darüber natürlich und selbstverständlich informiert.

Was Herr Monti betrifft, ist es ja so, dass die parlamentarische Demokratie vom Zusammenspiel und vom Wechselspiel von Legislative und Exekutive lebt, und jedes staatliche Handeln muss auch demokratisch legitimiert sein. Es ist die Auffassung der Bundeskanzlerin, dass wir in Deutschland mit dem richtigen Maß an Unterstützung durch das Parlament und dem richtigen Maß an Beteiligung des Parlaments eigentlich immer gut gefahren sind. Nicht zuletzt haben wir auch in letzter Zeit einige Hinweise durch das Bundesverfassungsgericht darauf bekommen, dass das Parlament eher mehr als weniger zu beteiligen ist.

Frage: Noch zu Prodi und der Stimmung in der Presse an diesem Wochenende: Sie war gegenüber Deutschland besonders aggressiv. Die Berichte aus Athen, aus Rom und sogar aus Madrid machen den Eindruck, dass langsam eine anti-deutsche Stimmung oder Anti-Merkel-Stimmung wächst und dass die Gegenantworten aus Berlin auch ein bisschen rauer werden. Finden Sie, dass sich das Klima langsam verschlechtert? Die Deutschen sagen "Nein, unsere Steuern sind nicht dafür geplant, die Staatsschulden der südlichen Länder zu bezahlen", und die südlichen Länder sagen "Ja, die Deutschen sind halt nicht solidarisch".

SRS Streiter: Ich meine, das spielt sich jetzt hauptsächlich in der Presse ab, und das werden wir nicht kommentieren. Die wenigsten Stimmen, die dabei für Erregung gesorgt haben, kommen ja aus Berlin, wenn ich das einmal so diplomatisch formulieren darf.

Zusatzfrage: Finden Sie, dass das ein Ende haben sollte, oder glauben Sie, dass sich das noch steigern könnte?

SRS Streiter: Es wäre gut, wenn ein bisschen Ruhe in die Debatte einkehren könnte.

Zusatzfrage: Kann man vonseiten der Regierung irgendwie gegensteuern, weil manche dieser Stimmen aus Bayern kommen, aus der CSU?

SRS Streiter: Ja, man kann zum Beispiel so gegensteuern, dass man jetzt nicht jede Frage detailliert beantwortet.

Augustin: Hinsichtlich dieses Aspekts möchte ich gerne darauf hinweisen, dass sich Außenminister Westerwelle eben gerade zu diesem Punkt geäußert hat. Er hat gesagt: Der Ton in der Debatte ist sehr gefährlich, und wir müssen aufpassen, dass wir Europa nicht zerreden. - Das richtet sich an all die, die sich angesprochen fühlen.

Frage: Teilt die Bundesregierung die Sorge von Herrn Monti über den drohenden psychologischen Zerfall Europas?

SRS Streiter: Nein, die teilt sie nicht.

Frage: Ich habe eine Lernfrage zum Thema Griechenland. Wenn die Troika jetzt zu einem positiven Urteil kommen sollte, würde das dann quasi automatisch heißen, dass auch für Deutschland die Grundlagen vorhanden wären, um die Zahlung freizugeben, oder bestände auch bei einem positiven Urteil der Troika über die Entwicklung in Griechenland zunächst noch weiterer Diskussionsbedarf und wäre letztlich die Entscheidung darüber, ob man die Zahlung freigibt, offen?

SRS Streiter: Der Bericht der Troika liegt ja nun noch nicht vor. Die gönnen sich jetzt einen kleinen Urlaub. Wenn dieser Bericht dann vorliegen wird, kann man darüber sprechen. Ich glaube, automatisch geschieht da erst einmal gar nichts.

Frage: Herr Streiter, wie beurteilt die Bundesregierung denn den Strategiewechsel, den der SPD-Chef in Sachen Europa angekündigt hat?

SRS Streiter: Das ist ja eine Strategie der SPD. Die Bundeskanzlerin hat mehrfach erklärt, dass wir Schritt für Schritt vorgehen müssen, um den Konstruktionsfehler der Währungsunion, nämlich das Fehlen der politischen Union, wettzumachen. Zu diesen vielen Schritten auf dem Weg zu einer politischen Union gehört nach Auffassung der Bundesregierung als erster Schritt der Fiskalpakt. Dazu gehört auch die auf dem letzten EU-Rat beschlossene neue Bankenaufsicht. Zu diesen Schritten wird sicherlich auch die Diskussion über diesen gemeinsamen Bericht des EU-Ratsvorsitzenden Van Rompuy, des Kommissionspräsidenten Barroso, des Eurogruppen-Chefs Juncker und des EZB-Chefs Draghi über eine Reform der Europäischen Union gehören. Da ist also viel in Bewegung. Ob dies nun am Ende eines langen Prozesses zu einer Volksabstimmung führen wird, wie Herr Gabriel prognostiziert, dafür ist dann letztlich das geltende Grundgesetz der Maßstab.

Zusatzfrage: Aber kann ich daraus schließen, dass ein Verfassungskonvent ebenfalls ein solcher Schritt sein könnte?

SRS Streiter: Das, würde ich einmal sagen, liegt noch sehr weit in der Zukunft. Erst einmal muss sich ja die Europäische Union darüber einig werden, was sie will und wie sie zu einer stärkeren politischen Union kommen will. Erst dann wird sich ja die Frage stellen, wie das in den jeweiligen Mitgliedstaaten umzusetzen ist.

Frage: Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank ist immer ein Gut gewesen, das von der Regierung sehr hochgehalten wurde. Nun ist nicht nur von Koalitionspolitikern, sondern auch von Regierungsmitgliedern so etwas wie ein leichtes Unwohlsein, wie ich es deute, darüber geäußert worden, dass die Europäische Zentralbank in ihrer Intervention zu weit gehe. Wenn zum Beispiel der Wirtschaftsminister sagt, bei Anleihenkäufen durch die Zentralbank müsse man sehr aufpassen, dass das im Rahmen bleibe, dann stellt sich mir letztendlich schon die Frage, ob die Bundesregierung Anlass dafür sieht, sich Sorgen darüber zu machen, dass die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank ins Gerede oder vielleicht sogar in Gefahr kommen könnte.

SRS Streiter: Nein, Sorgen macht sie sich nicht. Der EZB-Präsident Mario Draghi hat ja in seiner Erklärung in der vergangenen Woche ganz deutlich das Primat der Politik in der Eurokrise benannt. Die Bundesregierung hat keinerlei Zweifel daran, dass sich alles, was die Europäische Zentralbank tut, im Rahmen ihres Auftrags bewegt. Es tut eigentlich jeder gut daran, den anderen zu unterstützen.

Zusatzfrage: Wenn sich die Europäische Zentralbank, wenn auch bedingt, stärker beim Ankauf von Staatsanleihen engagiert, interpretiert das die Bundesregierung dann also als Teil ihres Auftrags, abgedeckt vom Auftrag, den die Zentralbank in Bezug auf die Geldwertstabilität hat?

SRS Streiter: Da ich nichts anderes gesagt habe, können Sie daraus schließen, dass die Bundesregierung das, was zurzeit stattfindet, billigt.

Frage: Ich muss noch einmal an die Lage in Spanien erinnern. Sie wissen, dass unser Ministerpräsident Mariano Rajoy am Freitag die Möglichkeit offengelassen hat, unter den Rettungsschirm zu schlüpfen, sobald die Bedingungen usw. klar sind. Glauben Sie, dass diese Verzögerungstaktik korrekt ist? Wäre es vielleicht besser, dass Spanien sofort unter den Rettungsschirm schlüpft, wodurch sich die Märkte vielleicht beruhigen würden?

SRS Streiter: Das war jetzt geschickt gefragt. Ich mache mir nicht zu eigen, dass da eine Verzögerungstaktik stattfindet. Wenn Spanien der Meinung ist, es müsse einen Antrag stellen, dann entscheidet das Spanien und niemand anderes.

Zusatzfrage: Ist das auch gut für Europa?

SRS Streiter: Wenn es nötig ist, dann ist es gut, wenn ein Antrag gestellt wird. Wenn es nicht nötig ist, dann wäre es nicht so gut. Ich meine, man muss eines sehen, und Sie sehen das heute auch an einer großen Geschichte im "Handelsblatt": Es ist ja nicht so, dass alles schlecht ist. Man sieht ja auch, dass sich überall - in Spanien, in Irland, in Italien - etwas bewegt, zwar in unterschiedlichem Maße, aber auch in positiver Richtung. Insofern wäre ich jetzt ein bisschen dagegen, die Depression weiter zu unterstützen.

Zusatzfrage: Würde es Deutschland begrüßen, wenn Spanien die Entscheidung treffen würde, unter den Rettungsschirm zu schlüpfen?

SRS Streiter: Das kann Deutschland weder begrüßen noch - das kann man ja schlecht - beurteilen, sondern wenn Spanien einen Antrag stellt, dann stellt es einen Antrag. Dann wird der behandelt, und dann wird darüber ja auch im Bundestag abgestimmt.

Frage: Ich würde gerne wissen, ob es in den letzten Wochen zwischen der Bundesregierung - ganz konkret dem Bundeskanzleramt und dem Bundesfinanzministerium - und Stellen der slowenischen Regierung irgendwelche Kontakte gegeben hat. Da deutet sich nämlich auch ein Problem an.

SRS Streiter: Davon ist mir nichts bekannt.

Kothé: Wir hatten auch keine unmittelbaren Kontakte.

Frage: Ich habe eine Frage zu Syrien, aber möglicherweise eher an die Adresse des Innenministeriums gerichtet. Die Schweiz hat am Wochenende Bereitschaft erkennen lassen, Kriegsflüchtlinge aus Syrien aufzunehmen. Wie sieht es denn mit der deutschen Bereitschaft aus, Ähnliches zu tun? In welcher Größenordnung könnte das stattfinden?

Spauschus: Mir sind dazu auch Äußerungen des Menschenrechtsbeauftragten bekannt. Was konkret die Haltung des Bundesinnenministeriums zu diesem Thema angeht, müsste ich das nachreichen.

Zusatzfrage: Das Außenministerium?

Augustin: Mein Kollege hat ja gerade schon die Äußerungen von Herrn Löning von heute Morgen erwähnt. Ich will das nur noch einmal referieren: Herr Löning hat auf eine ähnliche Frage hin gesagt, dies sei nicht der Augenblick, um über eine eventuelle Aufnahme von Flüchtlingen bei uns zu reden, sondern es gehe darum, den Flüchtlingen jetzt erst einmal dort zu helfen, wo sie sind, nämlich in den Flüchtlingslagern in den Nachbarländern Syriens und nach Möglichkeit auch innerhalb Syriens. Mehr kann ich im Moment dazu nicht sagen. Ansonsten wäre dieses Thema tatsächlich eines des Bundesinnenministeriums, aber ich glaube, die Richtung hat Herr Löning für den Moment jetzt erst einmal vorgezeichnet.

Spauschus: Ich denke auch, wenn ich das noch ergänzen darf, dass insoweit Konsens besteht.

Vorsitzender Freitag: Wollen Sie aber dennoch etwas nachreichen?

Spauschus: Wenn es etwas Abweichendes geben sollte, werde ich das gerne nachreichen. Aber Sie können erst einmal mitnehmen, dass das insoweit auch die Haltung des Bundesinnenministeriums ist.

Frage: Herr Friedrich hat sich heute in einem Interview im "Tagesspiegel" noch einmal zu den Zielvorgaben (für die deutschen Athleten bei den Olympischen Spielen in London) geäußert und gesagt, er wolle jetzt auch juristisch gegen dieses Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vorgehen. Könnten Sie noch einmal darstellen, wo wir uns dabei gerade befinden? Gibt es möglicherweise doch noch Aussicht auf Details, die der Journalist von der "WAZ" ja eigentlich noch während der Olympischen Spiele eingefordert hatte?

Spauschus: Es geht ja um ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Das Verwaltungsgericht Berlin hat am 31. Juli einen Beschluss gefasst und in dem Beschluss das Bundesinnenministerium verpflichtet, bestimmte Zielvereinbarungen offenzulegen. An dieser Stelle möchte ich aber auch noch einmal darauf hinweisen, dass es sich dabei nicht um Zielvereinbarungen des BMI mit dem DOSB handelt, sondern es geht um die Offenlegung von Zielvereinbarungen, die der DOSB mit den jeweiligen Fachverbänden schließt. Insofern - das ist eben für das Bundesinnenministerium das Entscheidende - geht es also um Vereinbarungen, die Dritte miteinander geschlossen haben. Insofern stellt sich rechtlich die Frage, ob es um die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen geht, und letztlich um die Frage, ob das BMI diese Dinge überhaupt offenlegen darf.

Es ist in der Tat so, dass gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Beschlusses das Rechtsmittel der Beschwerde zulässig ist. Ich bin jetzt nicht ganz sicher, wann der Beschluss zugestellt wurde, aber man muss eben, davon ausgehend, mit zwei Wochen rechnen. Eine sofortige Vollziehung des Beschlusses hat das Verwaltungsgericht ausdrücklich nicht angeordnet.

Frage: Es geht darum, dass eine große Zeitung heute berichtet, das Ministerium bastele an einer neuen Pkw-Maut. Wir hätten dazu gerne eine Stellungnahme!

Moosmayer: Was die "Bild" hier berichtet, ist im Grunde nicht neu. Um noch einmal kurz auszuholen und vielleicht zu sagen, worum es geht: Wir haben in Deutschland ein extrem dichtes Netz an Autobahnen. Es gibt 12.800 Straßenkilometer und 39.000 Brücken allein im Bundesfernstraßennetz, die alle erhalten, gepflegt und repariert werden wollen. Dafür müssen die notwendigen Mittel sichergestellt werden. Verkehrsminister Ramsauer hat von Anfang an gesagt, dass die Nutzerfinanzierung dabei ein Aspekt ist, den man ausbauen könnte. Deswegen haben wir jetzt auch vor Kurzem die Lkw-Maut auf vierstreifige Bundesstraßen ausgeweitet.

Die Überlegungen, eine Pkw-Maut einzuführen, wabern immer einmal wieder durch die Lande. Es gibt keine konkreten Pläne, eine solche einzuführen, aber natürlich lassen wir prüfen, inwiefern hierbei die EU-rechtlichen Möglichkeiten geprüft werden müssen. Das ist meines Wissens auch nicht neu. Das wurde auch vor ungefähr einem halben Jahr schon einmal diskutiert. (Die Erarbeitung) dieser Expertise läuft. Wahrscheinlich im Herbst wird sie dann fertig sein. insofern gibt es eigentlich keinen neuen Stand.

Zusatzfrage: Wie ist es damit, dass die deutschen Pkw weniger belastet werden sollten oder könnten als zum Beispiel ausländische Pkw?

Moosmayer: Dass es eine Absenkung geben kann, wird auch immer wieder einmal diskutiert. Wir haben in den verschiedenen Schreiben, auf die sich auch dieser Artikel beruft, klar gesagt, dass es EU-rechtliche Grenzen gibt. Wir können nicht einfach die Kfz-Steuer absenken, das würde dem Diskriminierungsverbot widersprechen. Das heißt, wenn man solche Überlegungen anstellt, dann muss überlegt werden, in welcher Form man über Kompensationen oder Absenkungen nachdenken kann. Aber eine Eins-zu-Eins-Absenkung, bei der man das komplett miteinander verrechnet, wird es nicht geben können.

Frage: Herr Streiter, sehe ich es richtig, dass die Bundesregierung als solche die Einführung einer Pkw-Maut in Deutschland ablehnt? Ich meine, mich zu erinnern, dass das bei diversen Koalitionsgesprächen immer einmal wieder festgeschrieben wurde, unter anderem beim letzten.

Vor dem Hintergrund möchte ich gerne von Frau Moosmayer wissen, was im Herbst mit welchen Schlussfolgerungen zu Ende geprüft sein wird.

SRS Streiter: Da erwischen Sie mich etwas auf dem falschen Fuß. Es ist ja selbstverständlich das gute Recht eines jeden Ministeriums, Möglichkeiten zu prüfen, wie man seinen Aufgaben gerecht wird.

Zusatzfrage: Herr Streiter, gibt es eine Haltung der Bundesregierung zur Einführung einer Pkw-Maut in Deutschland? Fragezeichen!

SRS Streiter: Die ist mir gerade nicht bekannt.

Zusatz: Das kann man ja nachliefern.

SRS Streiter: Ja, das kann man nachliefern.

Moosmayer: Was man sagen kann, ist, dass die Bundesregierung sich einig ist, dass man ausreichend Mittel für die Verkehrsinfrastruktur braucht. Wir haben im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass man eine entsprechende Ausstattung benötigt, dass wir den Sanierungsstau, den es gibt, nicht schlimmer werden lassen oder teilweise abbauen. Daran sind wir gemeinsam interessiert. Bislang funktioniert das auch gut. Unser Haushalt ist entsprechend aufgestockt worden. Wir machen sehr viel mehr, was sich auch in der Sommerzeit in entsprechend reger Bautätigkeit und damit verbundenden Staus niedergeschlagen hat. Das ging ja auch durch die Presse.

Zur zweiten Frage hinsichtlich der Prüfung: Es geht darum, zu schauen, inwiefern die EU-rechtlichen Regelungen Möglichkeiten für Kompensationen für inländische Verkehrsteilnehmer geben. Es gibt, wie gesagt, nicht die Möglichkeit, das einfach entsprechend eins zu eins abzusenken. Da gibt es verschiedene Rahmenbedingungen, die man prüfen muss. Diese werden geprüft.

Frage: Eine Frage an das Verteidigungsministerium, und zwar betreffend die Sportlerin Drygalla. Es war zu lesen, dass sie gesagt haben soll, dass sie davon ausgehe, ab September Dienst in einer Sportförderkompanie zu tun. Es war zu lesen, das sei auf Eis gelegt. Können Sie mich noch einmal auf den Stand bringen? Wie ist im Augenblick der Stand? Wird sie dort Dienst tun? Oder ist das wieder infrage gestellt?

Dienst: Die Sportförderplätze werden auf Empfehlung der Fachsportverbände besetzt. Es ist in der Tat so, dass Frau Drygalla durch den DOSB als Anwärterin für einen der Sportförderplätze zum 1. September gemeldet wurde. Dieser Antrag ist aber durch den DOSB am 2. August zurückgezogen worden. Dementsprechend ist der Status so, dass kein Antrag vorliegt.

Frage: Nur eine Verständnisfrage: Bis wann müsste der Antrag nachgereicht werden, falls er noch einmal gestellt wird? Könnte der Termin noch hinhauen? Kann das Verfahren noch einmal laufen?

Dienst: Ich gehe einmal davon aus, dass bei gutem Willen aller alles möglich ist - so will ich das einmal formulieren -, im Wissen um die Äußerungen, die Verteidigungsminister de Maizière heute Morgen um 10 Uhr in London bei der Pressekonferenz des Deutschen Olympischen Sportbundes getätigt hat. Er hat dort sehr umfangreich zu dem Thema Drygalla Stellung genommen und hat durchaus auch seine persönliche Sicht zu Protokoll gegeben. Insofern würde ich Sie bitten, einfach auf das Protokoll zurückzugreifen. Ich denke, dann sind Sie ganz gut gewappnet.

Frage: Ich weiß nicht, wen die Frage angeht. Ich habe in dem Zusammenhang die Frage: Wie kann es sein, dass Frau Drygalla vom mecklenburgischen Innenministerium intensiv vernommen wird und ihr dringend geraten wird, aus der Leistungssportgruppe der Landespolizei wegen politischer Gesinnungsfragen auszutreten und dann im Umkehrschluss als nächstes die Sportförderung durch die Bundeswehr ansteht? Gibt es irgendjemand Befugten in der Bundesregierung, der da oben sitzt, der darin ein Problem sieht? Es geht immer um die Frage der politischen Gesinnungsfestigkeit der Frau Drygalla, die ich jetzt gar nicht bewerten will. Aber ein Landesinnenminister lässt Frau Drygalla dringend bitten, wegen politischer Gesichtspunkte aus der Spitzenförderung auszutreten. Für mich erscheint es so: Mit ein bisschen Atempause kommt die Bundeswehr oder versuchen andere, der Bundeswehr nahezulegen: Wenn die Landespolizei nicht mehr finanziert, kann doch die Bundeswehr eintreten. Bei niemandem klingeln irgendwelche Glocken. Ist das ein normales Verfahren in der deutschen Sportförderung?

Wenn sich niemand erklärt, geht die Frage an Herrn Streiter, weil er ja nun einmal der stellvertretende Regierungssprecher ist.

SRS Streiter: Wie Sie sehen, klingelt es hier nirgendwo.

Zusatzfrage: Das ist auch für niemanden in der Bundesregierung ein Problem?

SRS Streiter: Das weiß ich nicht.

Zuruf: Das ist aber die Frage!

SRS Streiter: Ich würde einmal sagen, dass es vorrangig erst einmal ein Problem der Sportverbände ist.

Zusatz: Nein, es geht um Staats- und Steuergelder, die in Mecklenburg-Vorpommern beziehungsweise via Bundesverteidigungshaushalt von allen Steuerzahlern erbracht werden, Herr Streiter.

SRS Streiter: Im Moment wird da ja gar nichts erbracht. Insofern lasse ich mir die Diskussion auch gar nicht ans Bein binden.

Dienst: Ich kann auch da nur wiederholen, dass das Protokoll der Pressekonferenz von heute Morgen für Ihre Fragerichtung vielleicht nicht hundertprozentig, aber achtzigprozentig erschöpfend sein kann. Ich sehe mich aber außerstande, das hier zu wiederholen, weil Minister de Maizière den Bogen von der persönlichen Erklärung, die Frau Drygalla gestern abgegeben hat und die ihn sehr beeindruckt hat, bis hin zu der Frage gespannt hat, wo eigentlich die Grenzen der Prüfung des persönlichen Umfeldes - angefangen von Verwandtschaft bis zu Freundschaft - liegen. Wer stellt dafür die Maßstäbe und Ähnliches auf? Das ist dort festgehalten.

Für die Bundeswehr gilt: Wenn sich Leute bewerben, wenn Sie also den Status Soldat und Bewerbung im Hinblick auf die Einstellung in der Bundeswehr ansprechen, gilt dort erst einmal das polizeiliche Führungszeugnis für alle, die sich bewerben. Das ist es dann auch. Weitere Gesinnungsprüfungen in dem Sinne werden nicht vorgenommen.

Wenn sich die Frage anschließt "Was macht eigentlich der Militärische Abschirmdienst?", so steigt dieser dann ein, wenn die Leute Soldat sind. Dann ist er für diese Leute zuständig, aber nicht im Vorfeld.

Frage: Eine Frage an das Gesundheitsministerium zum Thema Organspende. Minister Bahr hat zuletzt Gesetzesänderungen nicht ausgeschlossen. Können Sie uns eine Idee geben, in welche Richtung das gehen könnte? Oder andersherum gefragt: Heißt das möglicherweise verstärkte staatliche Kontrollen?

Klaus: Wir haben zu dem ganzen Themenkomplex am Freitag eine Erklärung mit umfangreichen Informationen abgegeben, die wir auch im Internet zur Verfügung gestellt haben, und zwar von der Hirntoddiagnostik und der Entnahme bis zu Transplantationen und wie die einzelnen Zuständigkeiten geregelt sind, aber auch zu Kontrollen und Überwachungen an den jeweiligen Stellen.

Das neue Transplantationsgesetz hat die bestehenden Kontroll- und Überwachungsmechanismen noch weiter verschärft. Es ist so, dass Transplantationskliniken oder Entnahmekrankenhäuser mögliche Anzeichen von Fehlverhalten an diese Kommission weitergeben müssen. Dann erfolgt eine Prüfung dieser Kommission sowie ein Bericht. Auf Grundlage dieser Überprüfung und dieser Berichte gibt es Möglichkeiten, schon heute Konsequenzen zu ziehen. Nichtsdestotrotz ist der Minister selbstverständlich bereit, zu prüfen, inwieweit durch bestimmte Verbesserungen die Kontrollen, die Transparenz und die Abläufe optimiert und verbessert werden können, um in Zukunft solches missbräuchliches Verhalten, wie es offensichtlich stattgefunden hat, zu verhindern.

Deswegen sind für den 27. August die zuständigen Stellen und alle Beteiligten - Überwachungskommission, Prüfkommission, Deutsche Krankenhausgesellschaft, Bundesärztekammer, Deutsche Stiftung Organtransplantation - in unser Haus eingeladen, um darzustellen, wo möglicherweise noch Lücken bestehen und wie man diese Lücken schließen kann. In diesem Gespräch soll das erörtert werden. Der Minister hat im Interview, das heute erschienen ist, gesagt, dass aufgrund dieser Gespräche geprüft werden müsse, inwieweit der Gesetzgeber handeln müsse.

Es gibt für das Verfahren der Transplantation Richtlinien bei der Bundesärztekammer. Das ist sehr detailliert festgelegt. Auch die Richtlinien für die Dokumentation sind festgelegt. Es ist ebenfalls genau festgelegt, nach welchen Kriterien die Hirntoddiagnostik erfolgen muss beziehungsweise sind die Kriterien festgelegt, nach denen eine Meldung bei Eurotransplant erfolgt, also eine Person auf die Warteliste gesetzt wird. Es gibt ein umfangreiches Regelwerk. Sollten sich aufgrund der Gespräche Verbesserungsnotwendigkeiten ergeben, wird sicherlich gehandelt.

Zusatzfrage: Staatliche Kontrollen, die es bisher nicht gibt, sind also nicht ausgeschlossen, sind kein Tabu?

Klaus: Es gibt staatliche Kontrollen. Es ist so, dass die Krankenhäuser der Aufsicht der Länder unterliegen. Dazu zählen auch die Entnahmekrankenhäuser sowie die Transplantationszentren. Darüber hinaus gibt es - das hatte ich letzte Woche schon erwähnt - die Berufsordnung der Ärzte. Auch dort sind Regelungen vorgesehen, dass bei Fehlverhalten Konsequenzen gezogen werden können.

Vorsitzender Freitag: Wenn es keine weiteren Fragen zu diesem Thema gibt, darf ich noch einmal das Wort Herrn Streiter geben. Sie haben noch einen Nachtrag zu machen.

SRS Streiter: Ich wollte die Frage zur Pkw-Maut noch beantworten. Dazu steht gar nichts im Koalitionsvertrag, und deshalb war mir das auch nicht präsent. Insofern ist das ein Vorschlag, den man dann, wenn er wirklich auf dem Tisch liegt, begutachten kann.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Streiter und Herrn Steegmans. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat vor einer Stunde in einer Pressekonferenz das undurchschaubare Dickicht der verschiedenen Sozialleistungen in Deutschland beklagt und gefordert, dass nach dem Vorbild der Hartz-Kommission für den Arbeitsmarkt und der Zuwanderungskommission noch in dieser Legislaturperiode eine Expertenkommission einberufen werden soll, die diese Sozialleistungen auf den Prüfstand stellt und Vorschläge zur Vereinfachung und Reformierung macht. Was hält die Bundesregierung von diesem Vorschlag?

Herr Steegmans, im Speziellen wurde auch kritisiert, dass trotz mehrmaliger Ankündigung durch das Familienministerium noch immer keine umfangreiche Untersuchung der Wirksamkeit der Familienleistungen vorliege. Woran liegt das, dass sie noch immer nicht vorliegt? Ist damit in nächster Zeit zu rechnen?

SRS Streiter: Ich kann für die Bundesregierung nur sagen: Sie wird das jetzt zur Kenntnis nehmen. Dann wird sie das prüfen. Dann wird sie es verwerfen oder befürworten. Es ist jetzt gerade eine Stunde her.

Steegmans: Wie so oft, erleichtert ein Blick auf die Tatsachen auch die Meinungsfindung. Die Bundesregierung hat in Kooperation des Bundesfamilienministeriums und des Bundesfinanzministeriums erst im Dezember 2009 die Evaluierung der familienpolitischen Leistungen in Auftrag gegeben. Anders als manche meinen, ist erst in dieser Legislaturperiode der Auftrag dazu ergangen. Vorher ist manches geprüft worden. Aber die Gesamtevaluierung der familienpolitischen Leistungen ist erst in dieser Legislaturperiode in Angriff genommen worden.

Es war auch von Anfang an klar - das ist in jeder Pressemitteilung dazu nachzulesen -, dass erst im Laufe des Jahres 2013, also nach einer fast vierjährigen Laufzeit, Ergebnisse veröffentlichungsreif sein werden. Einzelne Bausteine sind abgeschlossen, werden aber erst im Gesamtzusammenhang in die Evaluation gehen. Einzelne Bausteine sind beispielsweise auch erst in diesem April per Ausschreibung vergeben worden, sodass also alle, die sich mit der Materie auskennen, auch wissen, dass derzeit noch gar nichts vorliegen kann. Wir haben aber das Jahr 2013 vor uns. In diesem Jahr werden alle Ergebnisse zusammengeführt und die Gesamtevaluation vorgestellt. Ob das noch vor oder nach der Bundestagswahl sein wird, kann zurzeit keiner sagen, weil die Expertisen durch fremde Auftragnehmer außerhalb des Hauses erstellt und zusammengeführt werden.

Natürlich haben wir an dieser Stelle solide gearbeitet. Natürlich halten wir uns an das, was 2009 verabredet worden war, nämlich uns vier Jahre Zeit dafür zu nehmen. Es gibt aber auch ein Vorurteil, das in dieser Gesamtevaluation geleistet werden soll: Angeblich soll am Ende dieser Evaluation eine Zahl stehen, wie viele Milliarden Euro man einsparen kann. Das ist Unsinn. Dieser Auftrag ist auch nie so formuliert worden. Es geht darum, die Wechselwirkungen einzelner familienpolitischer Leistungen zu erforschen, um herauszufinden: Mit welchem Instrumentarium kann man besser helfen? Mit welchem Instrumentarium kann man schlechter helfen? Wo ist das Geld besser angelegt? Wo ist das Geld schlechter angelegt?

Es geht nicht darum, einzelne familienpolitische Leistungen oder auch das Gesamtpaket an sich zu kürzen. Da muss man mit dem Vorurteil einmal sauber aufräumen. Ich bin dankbar, dass mir heute der Städte- und Gemeindebund und Sie die Gelegenheit dazu geben.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 6. August 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/08/2012-08-06-regpk.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. August 2012