Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → LANDESPARLAMENTE

NORDRHEIN-WESTFALEN/1884: Unterschiedliche Ansätze in der Asylpolitik (Li)


Landtag intern 12/2011
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Grundsatzregelung oder mehr Differenzierung
Unterschiedliche Ansätze in der Asylpolitik

Von Christoph Weißkirchen


16. November 2011 - Was tun mit Menschen, die aus ihrer Heimat nach Deutschland, nach Nordrhein-Westfalen geflüchtet sind? Die Linken fordern eine umfassende und großzügige Bleiberechtsregelung (Drs. 15/3249) ebenso wie eine Aussetzung von Abschiebungen während der Wintermonate nach Serbien, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro und Kosovo (Drs. 15/3248). SPD und Grüne wollen sich beim Bleiberecht auf Bundesebene für eine stichtagsfreie Regelung einsetzen (Drs. 15/3316). Mit Blick auf die aktuelle Situation in Syrien fordern sie zudem gemeinsam mit den Linken eine Aussetzung des deutsch-syrischen Abkommens zur Rückübernahme von abgeschobenen syrischen Staatsangehörigen (Drs. 15/3254). Dorthin fänden sowieso keine Abschiebungen mehr statt, meinte die FDP. Die CDU wandte sich grundsätzlich gegen "pauschale" Lösungen.


Eine Abschiebung in die Staaten des ehemaligen Jugoslawien bedeute Hunger, Verfolgung und Elend, meinte Ali Atalan (Linke). Auch Menschen aus Syrien dürften nicht in ihr Heimatland abgeschoben werden, denn dort lasse die Regierung auf die Bevölkerung schießen. Derzeit lebten in Deutschland mehr als 73.000 Menschen mit prekärem Aufenthaltsstatus. Aus Sicht der Linksfraktion dürfe der eigenständige Lebensunterhalt nicht Vorbedingung für ein Bleiberecht sein. "Menschen leben hier und machen dieses Land zu ihrer Heimat", so Atalan. Daher müsse NRW eine Bleiberechtsregelung initiieren, die endlich einmal greife.

"Wir sind eindeutig gegen einen pauschalen und generellen Abschiebestopp", betonte dagegen Gregor Golland (CDU). Bei dem Thema müsse differenziert werden: Den Menschen, die des Schutzes bedürften, werde dieser auch gewährt. Es könne aber auch erwartet werden, dass die Menschen, die als Asylbewerber kämen, sich integrierten. Diejenigen, die Hilfsbereitschaft ausnutzten und sich nicht an Regeln hielten, müssten abgeschoben werden können. Mit Blick auf Syrien betonte Golland, die Möglichkeit des politischen Asyls werde durch das Rückübernahmeabkommen nicht angetastet und müsse deswegen auch nicht ausgesetzt werden.

Man müsse den Menschen aus Syrien die Sicherheit geben, dass sie dauerhaft nicht abgeschoben würden, forderte Serdar Yüksel (SPD). Dazu sei eine entsprechende Rechtsgrundlage nötig. Das Rückübernahmeabkommen mit Syrien müsse wegen der aktuellen Lage ausgesetzt werden. Die Landesregierung solle sich beim Bund dafür einsetzen, dass es zurückgenommen werde. Im Hinblick auf die verschärfte Sicherheitslage im Kosovo setzte sich Yüksel für eine neue Bleiberechtsregelung ein, die Abschiebungen in dieses Land verhindere. Außerdem müsse man eine "Willkommenskultur" schaffen, die Flüchtlingen ermögliche, hier zu arbeiten.

Bis zur Klärung der Verhältnisse in Syrien sollen keine Abschiebungen vorgenommen werden, erläuterte Monika Düker (Grüne) eine entsprechende Entscheidung des Bundesinnenministeriums. Damit sei die entsprechende Forderung erfüllt. Aus Sicht der Grünen verbiete es sich für einen Rechtsstaat grundsätzlich, ein solches Rückübernahmeabkommen mit "diesem menschenverachtenden Regime in Syrien" aufrechtzuerhalten, kritisierte Düker. Hinsichtlich des Themas "Bleiberecht" wandte sie sich gegen eine Stichtagsregelung. Man müsse vielmehr Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die Flüchtlinge ihren Lebensunterhalt selbst verdienen könnten.

Das Rückübernahmeabkommen verpflichte die Bundesregierung nicht zur Durchführung von Abschiebungen, erläuterte Horst Engel (FDP). Es hindere sie auch nicht daran, Abschiebungen in Gefährdungssituationen auszusetzen. Eine solche liege derzeit eindeutig vor. Vor diesem Hintergrund stelle sich die Frage einer Kündigung oder Aussetzung des angesprochenen bilateralen deutsch-syrischen Vertrags nicht, so Engel. "Abschiebungen nach Syrien dürfen deshalb nicht stattfinden. Es gibt auch keine. Deshalb können wir Ihren Anträgen inklusive Entschließung nicht zustimmen", unterstrich er den Standpunkt seiner Fraktion.

Die Landesregierung werde sich "mit Nachdruck" dafür einsetzen, das Abkommen mit Syrien aufzukündigen, so Innenminister Ralf Jäger (SPD). Bei Rest-Jugoslawien sowie dem Kosovo habe er den Eindruck, dass sich die Lage für dorthin zurückkehrende Flüchtlinge deutlich verbessert habe, so der Minister. Er werde die Lage im Kosovo in den kommenden Wochen mit Flüchtlingsorganisationen und den Kirchen erörtern und dann über einen Wintererlass wie in den Jahren zuvor entscheiden. Beim Bleiberecht werde sich NRW in der Innenministerkonferenz für eine "dauerhafte, stichtagsunabhängige und faire" Regelung einsetzen.


ÜBERSCHRIFT Die Drs. 15/3316 (SPD/Grüne) bzw. Drs. 15/3254 (SPD/Grüne/Linke) wurden angenommen, die Anträge der Linksfraktion (Drs. 15/3248 bzw. Drs. 15/3249) abgelehnt. CDU und FDP stimmten jeweils gegen die Anträge.


*


Quelle:
Landtag intern 12 - 42. Jahrgang, 07.12.2011, S. 7
Herausgeber: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Eckhard Uhlenberg, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
Postfach 10 11 43, 40002 Düsseldorf
Telefon (0211) 884-25 45, -23 04, -23 09
Telefax (0211) 884-35 51
email@landtag.nrw.de
Internet: www.landtag.nrw.de, www.landtagintern.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Januar 2012