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NORDRHEIN-WESTFALEN/1907: Disput über die Überwachung von Linken-Abgeordneten im Bundestag (Li)


Landtag intern 2/2012
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen


Inakzeptabel oder doch notwendig?
Disput über die Überwachung von Linken-Abgeordneten im Bundestag

Von Christoph Weißkirchen

25. Januar 2012 - Die Beobachtung von Abgeordneten der Linkspartei in den Parlamenten durch den Verfassungsschutz: Thema einer Aktuellen Stunde im Landtag. Dabei wandte sich die antragstellende Fraktion der Linken gegen die Beobachtung von frei gewählten Volksvertreterinnen bzw. -vertretern und forderte die Auflösung des Verfassungsschutzes. Die anderen Fraktionen betonten demgegenüber grundsätzlich die Bedeutung einer Demokratie, die ihre Grundwerte gegen diejenigen verteidige, die sie zu überwinden suchten.


"Der Verfassungsschutz kontrolliert die eigenen Kontrolleure", kritisierte Wolfgang Zimmermann (Linke) die Tatsache, dass 27 Linken-Abgeordnete des Deutschen Bundestages beobachtet würden - darunter auch ein Mitglied des Gremiums zur Kontrolle der Geheimdienste. Gleichzeitig sei offenkundig geworden, dass unter den Augen des Verfassungsschutzes über zehn Jahre lang eine rechtsextremistische Mordserie stattgefunden habe. Vor diesem Hintergrund forderte Zimmermann erstens Aufklärung auch über die Rolle des Verfassungsschutzes in NRW mit Blick auf den "braunen Terror". Zweitens gehöre die Behörde abgeschafft, da sie sich durch ihre Aktionen als überflüssig erwiesen habe.

"Der Verfassungsschutz erfüllt im Rahmen dieser abwehrbereiten Demokratie einen unverzichtbaren und sicherheitspolitischen Bedarf", erwiderte Theo Kruse (CDU). Diesen könnten Polizei und Justiz mit ihren Handlungsmöglichkeiten nicht in vergleichbarer Weise abdecken. Dazu gehöre der Auftrag, Organisationen und Parteien zu beobachten, die möglicherweise verfassungsfeindlich seien. Bei Teilen der Links-Partei lägen Anhaltspunkte für den Verdacht vor, dass sie unter Bezugnahme auf die extremistischen Positionen von Marx, Engels und Luxemburg auf eine Überwindung des politischen Systems der Bundesrepublik gerichtet seien. Dies stehe im Widerspruch zum Grundgesetz.

Kein Abgeordneter der Landtagsfraktion der Linken werde in NRW beobachtet, betonte Thomas Stotko (SPD). Er kritisierte, die Linken bauten die aktuelle Debatte über die Beobachtung auf bekannten Informationen aus dem Jahr 2009 auf. Es gebe auch nach Einschätzung der SPD "erhebliche" Hinweise dafür, dass bei der Linkspartei verfassungsfeindliche Tendenzen vorlägen. "Wer eine Kommunistische Plattform vorhält, braucht sich darüber nicht zu wundern", so der SPD-Sprecher. Wenn man Abgeordnete der Linken nicht mehr beobachten dürfe, müsse dies aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes auch für Abgeordnete der NPD gelten. Dies dürfe nicht das Signal des Landtags NRW sein.

Man müsse eine breit angelegte Diskussion über die Ausrichtung und die Arbeitsweisen der Verfassungsschutzbehörden führen, forderte Matthi Bolte (Grüne). Bei der Arbeit der Sicherheitsbehörden seien bestimmte Fragen anscheinend nicht so gestellt worden, wie sie hätten gestellt werden müssen. Über eine solche Prioritätenverschiebung müsse öffentlich debattiert werden. Allerdings sei es eine "selten-absurde" Konstellation, dass einer der Kontrolleure des Verfassungsschutzes im Bundestag selbst kontrolliert werde. Grundsätzlich sei es aber auch richtig, dass die Frage, wer beobachtet werde, nicht von der jeweiligen Parlamentsmehrheit festgelegt werden dürfe.

Die Mitglieder einer Partei, die noch nicht einmal den Verfassungsgerichtshof anerkenne, könnten doch nicht so tun, als seien sie alle lammfromme Demokraten, meinte Dr. Robert Orth (FDP). Immerhin seien einige NRW-Abgeordnete der Linken in Organisationen aktiv, die vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestuft würden. Dieser arbeite in dem gesetzlichen Rahmen, den die Parlamente ihm gegeben hätten. Er erwarte, dass sie "endlich" die Gewaltenteilung respektierten, unterstrich der Sprecher der FDP in Richtung der Abgeordneten der Linksfraktion. Außerdem brauche man weiterhin auch die grundsätzliche Möglichkeit zur Beobachtung der NPD und ihrer Abgeordneten.

Seit dem Jahr 1949 lebe man in einer gefestigten, wehrhaften Demokratie, so Innenminister Ralf Jäger (SPD). Deshalb würden diejenigen beobachtet, die diese Demokratie bekämpfen und abschaffen wollten. Dies gelte für Extremisten von jeder Seite. Von Rechts- und Linksextremismus gingen unterschiedliche Gefahren aus, daher gebe es einen entsprechend angemessenen Einsatz der vorhandenen Kräfte. So beschäftige sich in NRW bei über 300 Angestellten beim Verfassungsschutz nur eine Viertelstelle mit der Linkspartei. Beobachtet würden extremistische Einschlüsse innerhalb dieser Partei, und dies ausschließlich anhand öffentlich zugänglicher Informationsquellen.


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Quelle:
Landtag intern 2 - 43. Jahrgang, 08.02.2012, S. 4
Herausgeber: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. März 2012