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NORDRHEIN-WESTFALEN/1910: Annäherung bei Prüfpflicht für private Abwasserkanäle? (Li)


Landtag intern 2/2012
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Im Fluss
Annäherung bei Prüfpflicht für private Abwasserkanäle?

Von Christoph Weißkirchen


26. Januar 2012 - Nachdem sich CDU, FDP und Linke Ende vergangenen Jahres im Umweltausschuss gegen die bestehende Regelung zur Prüfung der privaten Abwasserrohre ausgesprochen hatten, hat sich nun das Plenum mit der Thematik befasst. Dabei legten CDU und FDP einen Gesetzentwurf vor, der eine Kontrolle nur bei Neubauten, bei grundlegender Sanierung und bei konkreten Verdachtsmomenten vorschreibt (Drs.15/3563). Ihm gegenüber stand ein Gesetzentwurf von SPD und Grünen (Drs.15/3769) als Grundlage für eine Verordnung der Landesregierung. Deren Grundzüge mit zwei Alternativen: entweder die Verpflichtung zur Funktionsprüfung für Gebäude mit bis zu zwei Wohneinheiten bis zum Jahr 2023 oder eine generelle Zwangsprüfung - diese jedoch nur bei erkennbaren Gefahren.


Wenn man sehe, dass man bei bestimmten Maßnahmen überziehe, dürfe man diese nicht fortsetzen, so Josef Hovenjürgen (CDU) zur Änderung der Position seiner Fraktion hinsichtlich der Prüfung der Abwasserkanäle. Die Wirkung der geltenden Prüfpflichten auf die Betroffenen hätten alle unterschätzt. Daher wollten CDU und FDP zukünftig nur in bestimmten Fällen, so bei "begründetem Verdacht", zur Prüfung verpflichten. Sein Fraktionskollege Peter Biesenbach forderte die Landesregierung auf, grundsätzlich die Gefahr durch Undichtigkeiten privater Kanäle nachzuweisen. Bei 4.000 Liter Durchfluss seien die austretenden Mengen so gering, dass sie in ein Schnapsglas passten.

Das Land könne nicht Umweltschutz ohne die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger betreiben, führte Kai Abruszat (FDP) aus. Notwendig sei ein angemessenes Verhältnis zwischen ökonomischem Nutzen und ökologischer Notwendigkeit. Der FDP-Sprecher wehrte sich gegen den Vorwurf, der Gesetzentwurf der beiden Oppositionsparteien missachte das im Wasserrecht geltende Vorsorgegebot. Aus seiner Sicht entspreche der Vorschlag von CDU und FDP der Variante zwei der Landesregierung. Und was für den einen gelte, müsse dann auch auf den anderen zutreffen. Dass die Regierung zwei Vorschläge mache, zeige, dass sie sich nicht einig sei, meinte sein Kollege Dr. Stefan Romberg.

Im Jahre 2007 habe die CDU-Regierung über die Hälfte der Abwasserrohre für undicht erklärt. Heute werde unterstellt, die Rohre seien grundsätzlich dicht, kritisierte Rainer Schmeltzer (SPD). Noch im Juni letzten Jahres habe sich die CDU gemeinsam mit SPD und Grünen für die Dichtheitsprüfung ausgesprochen. Das nunmehr vorgeschlagene Kriterium des "begründeten Verdachts" sei ein unbestimmter Rechtsbegriff. Die Kanäle sollten demnach erst dann geprüft werden, wenn Boden und Grundwasser bereits verschmutzt seien. Dabei gebe es schon heute große Probleme mit der Reinigung der Abwässer zum Beispiel von Medikamentenrückständen, ergänzte sein Kollege André Stinka.

Sie brächen mit allen Prinzipien des Wasserschutzes, warf Hans Christian Markert (Grüne) den Fraktionen von CDU und FDP vor. Besorgnisgrundsatz und Vorsorgegebot bedeuteten, dass man eben nicht warten dürfe, bis das Wasser verunreinigt sei. Auch das CDU-geführte Bundesumweltministerium gehe davon aus, dass eine Gefahr durch private Abwässer bestehe. Wenn dies nun in Nordrhein-Westfalen geleugnet würde, bräuchte man ja auch keine Prüfung der Kanäle in Wasserschutzgebieten. Außerdem betonte Markert, die Eigentümer und Handwerker, die bereits entsprechend der jetzt geltenden Regelungen gehandelt hätten, besäßen einen Anspruch auf Verlässlichkeit und Gleichbehandlung.

Die Gefahr einer Verschmutzung des Grundwassers sei für sie in den bisherigen Debatten nicht schlüssig erklärt worden, betonte demgegenüber Hamide Akbayir (Linke). Auch in der Anhörung seien aus ihrer Sicht diese Einwände der Linken bestätigt worden. Erst später sei die CDU umgeschwenkt. Die kommenden Lösungen müssten die Einhaltung der Umweltstandards gewährleisten. Sie müssten aber auch für alle Bürgerinnen und Bürger praktikabel und bezahlbar sein, betonte die Linke ebenso wie ihre Fraktionskollegen Rüdiger Sagel und Ralf Michalowsky. Die Linksfraktion wolle die jetzt vorliegenden Vorschläge sachorientiert prüfen, bevor sie sich weiter positioniere.

Für die aktuell geltenden Regelungen gebe es anscheinend keine Mehrheit mehr, stellte Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) fest. Offensichtlich seien sie nicht praxistauglich gewesen. Allerdings gelte unverändert der bundesrechtliche Grundsatz, dass jede Hauseigentümerin und jeder Hauseigentümer für Zustand und Funktionsfähigkeit seiner Abwasserrohre verantwortlich seien. In der politischen Debatte gehe es jetzt um den besten Weg, dies sicherzustellen. Dabei müsse man am Vorsorgeprinzip festhalten. Den Gesetzentwurf von CDU und FDP lehnte Remmel als den "Versuch, Quark zu meißeln" ab, denn er lasse offen, wer den "begründeten Verdacht" letztendlich definiere.


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Quelle:
Landtag intern 2 - 43. Jahrgang, 08.02.2012, S. 7
Herausgeber: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. März 2012