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NORDRHEIN-WESTFALEN/1912: Der große kleine Einfluss aufs Klima (Li)


Landtag intern 2/2012
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Der große kleine Einfluss aufs Klima
Interessen von Wirtschaft und Umweltverbänden prallen aufeinander

Von Daniela Braun


23. Januar 2012 - Fast 40 Fachleute aus Wirtschaft, Wissenschaft und Umweltschutz haben das geplante Klimaschutzgesetz der Landesregierung beraten (Drs. 15/2953). Während die Umweltverbände den Entwurf in einer gemeinsamen Anhörung von Umwelt-, Kommunal- und Wirtschaftsausschuss (Vorsitz Friedhelm Ortgies, CDU; Carina Gödecke, SPD; Dr. Jens Petersen, CDU) unterstützten, kritisierten Unternehmen und Kommunen fehlende konkrete Vorgaben.


"Das Engagement der Industrie ist sehr vorzeigbar und bedarf keiner zusätzlichen Regelungen", wehrte sich Wilfried Köplin vom Verband der Chemischen Industrie gegen das Klimaschutzgesetz. Zudem beschneide es Unternehmen in den Freiheiten, die ihnen der Bund über den Handel mit CO2-Zertifikaten einräume, kritisierte Prof. Peter Oligmüller vom Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft. Ein solches Durcheinander von Gesetzen unterschiedlicher Ebenen wolle das Grundgesetz gerade verhindern. Der rotgrüne Entwurf führe den Emissionshandel ad absurdum, hieß es auch vom Institut der deutschen Wirtschaft. Besser solle der Zertifikathandel auf weitere Bereiche ausgeweitet werden, schlug Prof. Dr. Manuel Frondel vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung vor.

Jede Ebene sei beim Klimaschutz gefordert, hielt Jürgen Quentin von der Deutschen Umwelthilfe dagegen. "Uns läuft schlichtweg die Zeit weg", betonte auch Dirk Jansen vom BUND. Die Folgen des Klimawandels fielen immer gravierender aus, doch politisch passiere kaum etwas: "Scheitert NRW beim Klimaschutz, scheitert auch Deutschland." Das Thema sei viel zu wichtig, als dass die Gesellschaft es den Marktkräften überlassen könne. Zudem sei Prävention kostengünstiger als die Schadensbehebung. Es fehlten bislang Taten, stellte auch der Handwerkstag fest. Wichtig ist deshalb laut Josef Tumbrinck vom NABU: Das Land müsse die gesetzten Klimaziele auch angehen. Zudem forderte Jansen spezielle Ziele für die einzelnen Sektoren von Verkehr bis Landwirtschaft.

Ein solcher Maßnahmen-Flickenteppich ist nach Frondel jedoch weder effizient noch effektiv. Er sprach sich für übergeordnete Klimaziele auf EU-Ebene aus. Heiko Schmitt von der Firma Currenta plädierte gar für eine weltweite Gültigkeit. Anderenfalls gingen Investoren den Weg des geringsten Widerstandes, was einen Wettbewerbsnachteil für NRW bedeutete. "Insellösungen sind nicht sinnvoll", hieß es auch vom Energiewirtschaftlichen Institut der Uni Köln. NRW sei zu klein, um alleine einen signifikanten Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Nur gerade mal ein Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes entstünden hier, stellte Frondel klar. Folglich bleibe NRW mit einem eigenen Klimagesetz maximal die Funktion einer Vorreiterrolle - und auch deren Durchschlagkraft bezweifelten die beiden Experten im Gegensatz zu den Umweltorganisationen.

Anders die Landesarbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energie: "Wir unterstützen das Klimaschutzgesetz ausdrücklich." Es sei ein wichtiges Signal für die Branche, verstärkt zu investieren. Auch Jörg Kerlen vom Deutschen Braunkohle-Industrie-Verein betonte die Notwendigkeit von Klimaschutz-Maßnahmen, wies aber gleichzeitig auf die 34.000 Arbeitsplätze hin, die in NRW von der Braunkohle abhingen. Dem Rohstoff komme weiterhin eine wichtige Funktion zu. Die Industrie engagiere sich schon jetzt, indem sie ineffiziente Kraftwerke abschalte. Der BUND bezeichnete es angesichts der Klimaziele jedoch als kontraproduktiv, diese Werke durch neue zu ersetzen.

"Das große Problem des Klimaschutzgesetzes ist, dass nicht klar wird, welche konkreten Vorgaben daraus erwachsen", bemängelte Kai Mornhinweg vom Verband der Unternehmer NRW. Es könne nicht sein, dass das Gesetz auf einen Klimaplan verweise, der nirgends ausgeführt werde, kritisierten Vertreter von Wirtschaft, Gewerkschaft und Kommunen. Konkrete Kosten - auch für Konnexität - seien so kaum abschätzbar. Die Politik hätte zunächst schauen müssen, was sie wo konkret erreichen will, um dann zu entscheiden, ob ein Gesetz überhaupt zielführend sei. "Umgekehrt ist das ein sehr gefährlicher Blindflug", warnte Oligmüller. Unternehmen könnten so nur schwer planen, hieß es von ThyssenKrupp. Hinzu kommen laut Mornhinweg rechtliche Bedenken beim Inhalt des Gesetzes, was zusätzlich verunsichere und das Investitionsklima drücke.

So machte der Bonner Rechtsanwalt Dr. Alexander Schink deutlich: "Das ist in meinen Augen mit der Gesetzgebungskompetenz des Landes nicht vereinbar." Der Bund habe sich auf den Emissionshandel festgelegt, der nun konterkariert werde. Zudem bezweifelte Schink die Zulässigkeit einer strikt bindenden Wirkung für den Landesentwicklungsplan (LEP). Ähnlich argumentierte sein Kollege Prof. Dr. Martin Beckmann: "Es gibt ein Risiko für die Planungssicherheit und die Investitionssicherheit für alle Beteiligten" - und dies aus seiner Sicht lediglich für einen symbolischen Wert. Dem widersprach Rechtsanwalt Dr. Remo Klinger: "Nach eingehender Prüfung kann ich diese Bedenken nicht teilen." Auch Prof. Dr. Martin Schulte vom Dresdener Institut für Technik- und Umweltrecht sah eine verbleibende Gesetzgebungskompetenz beim Land. Schließlich sei mit dem Emissionshandelsgesetz nicht die komplette Klimapolitik erledigt.


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Quelle:
Landtag intern 2 - 43. Jahrgang, 08.02.2012, S. 14
Herausgeber: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. März 2012