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NORDRHEIN-WESTFALEN/1916: Reine Ruhr - Streit über die Wasserqualität (Li)


Landtag intern 3/2012
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Reine Ruhr
Streit über die Wasserqualität

Von Christoph Weißkirchen



9. Februar 2012 - Wasser sei das wichtigste Lebensmittel überhaupt, seine Sicherheit müsse gewährleistet werden: Das betonen alle Fraktionen. Streit gab es in der von CDU und FDP beantragten Aktuellen Stunde jedoch über die Frage, wer beim Trinkwasserschutz bislang was getan oder unterlassen habe (Drs. 15/3957). Handlungsbedarf für die Zukunft wurde aber generell unterstrichen.


Seit mittlerweile 16 Monaten habe er durch Untätigkeit geglänzt, warf Josef Hovenjürgen (CDU) Landesumweltminister Remmel vor. Schon im Jahr 2008 habe dessen CDU-Vorgänger das Programm "Reine Ruhr" auf den Weg gebracht und seien die Wasserversorgungsunternehmen zur Ertüchtigung der Anlagen zur Trinkwasseraufbereitung bereit gewesen. Eine entsprechende Anordnung der Bezirksregierung habe das Umweltministerium dann aber Ende 2010 wieder zurückgenommen. Obwohl Remmel in seiner Oppositionszeit etwa den Möhnesee als "Kloake" bezeichnet habe, litten heute Menschen und Unternehmen darunter, dass aus seinem Ministerium keine klare Rechts- und Handlungsanweisung zum Trinkwasserschutz komme.

Die Belastung der Ruhr sei auch relevant für das Trinkwasser, so Kai Abruszat (FDP). Das bescheinigten die Fachleute. Doch das rot-grüne Regierungshandeln zeichne sich durch "Verschieben, Verschleiern, Vernebeln und Verunklaren" aus. Umweltminister Remmel bleibe untätig beim Schutz des Trinkwassers und handle so gegen die Interessen der Menschen. Jeder sei auch verantwortlich für sein Nicht-Tun, so der FDP-Sprecher. Ein solches Verhalten leiste der Politikverdrossenheit Vorschub. Als Oppositionspolitiker habe Remmel Sanierung, Nachrüstung und verbindliche wasserrechtliche Bescheide eingefordert - als Minister tue er heute nichts. "Ergreifen Sie endlich Initiative", forderte Abruszat.

Der größte Skandal in den letzten Jahren, die Verseuchung der Ruhr durch den Stoff PFT (Perfluorierte Tenside), sei in der Regierungszeit von CDU und FDP erfolgt, hielt Margret Gottschlich (SPD) fest. Diese habe man damals zur Aufklärung treiben müssen. "Das Trinkwasser aus der Ruhr ist sicher", betonte die SPD-Sprecherin in Bezug auf die heutige Situation. Das Land müsse aber Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung an die Herausforderungen von Klimawandel, also häufigere Starkregen, und demographischem Wandel, zum Beispiel verstärkte Rückstände von Medikamenten, anpassen. Durch die "Privat-vor-Staat-Strategie" der schwarz-gelben Vorgängerregierung habe NRW hier wertvolle Zeit verloren.

Sie wollten "Ängste schüren" und von eigener Tatenlosigkeit ablenken, rief Hans Christian Markert (Grüne) den Fraktionen von CDU und FDP zu. Diese hätten bei der Debatte um die Prüfung privater Abwasserkanäle gerade "gnadenlos populistisch" gehandelt. Die Bedeutung des Wassers als wichtigstem Lebensmittel habe angesichts der steigenden Belastung mit Schadstoffen und Krankheitserregern zu dem Programm "Reine Ruhr" geführt. Zudem sei eine wissenschaftliche Kommission eingerichtet worden. Dabei sei der Ist-Zustand festgestellt, ein neues Überwachungskonzept erarbeitet und das Anlagenkataster erweitert worden. Richtigerweise habe man dabei das Prinzip der Vermeidung an der Quelle verfolgt.

Alle vier weiteren Fraktionen übten sich in gegenseitiger Schuldzuweisung, kritisierte Rüdiger Sagel (Linke). Gleich in welcher Rolle, ob als Regierung oder Opposition, hätten sie das Problem nicht gelöst. Dies sei ein "unerträgliches Schauspiel", so der Linken-Sprecher. In der Ruhr fließe sechs Jahre nach der Vergiftung durch PFT immer noch ein Chemikalien-Cocktail. Den von ihm im Jahr 2008‍ ‍geforderten Untersuchungsausschuss hätten die anderen Fraktionen abgelehnt. Auch eine Aufrüstung bei der Trinkwasseraufbereitung werde nicht wirklich gewollt, so Sagel: "Die eigentlich Betroffenen sind die Bürgerinnen und Bürger Nordrhein-Westfalens, die weiterhin dreckiges Trinkwasser erhalten."

Durch die Debatte fühle er sich gestärkt, mit Blick auf den Wasserschutz schneller voranzugehen, antwortete Umweltminister Johannes Remmel (Grüne). Er wolle jetzt darauf drängen, notwendige Maßnahmen der Wasserwerke an der mittleren Ruhr zu beschleunigen. Man müsse die Wasserversorger verpflichten, zur Vorsorge unverzüglich nach dem heutigen Stand der Technik zu handeln. Hierbei rechne er mit der Unterstützung durch die Oppositionsfraktionen. Mit dem jüngsten Bericht habe sein Ministerium ein eigenes Bewertungssystem sowie ein eigenes Monitoringsystem für NRW vorgelegt und den Blick Richtung Mikrobakterien und Viren erweitert. "Wir haben das gläserne Abwasserrohr", unterstrich Remmel.

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Quelle:
Landtag intern 3 - 43. Jahrgang, 14.03.2012, S. 5
Herausgeber: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. April 2012