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NORDRHEIN-WESTFALEN/1933: Ansichten zum wiedereingebrachten Klimaschutzgesetz (Li)


Landtag intern 8/2012
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Wer möchte heimische Trüffel?
Ansichten zum wiedereingebrachten Klimaschutzgesetz

Christoph Weißkirchen



5. Juli 2012 - Das Klimaschutzgesetz - ein "Rauchverbot für Schlote", wie es Hendrik Wüst formulierte, oder ein Motor für den Industriestandort NRW von morgen? Letzteres ist jedenfalls die Auffassung von SPD und GRÜNEN, die die Wiedervorlage des Gesetzes aus der letzten Wahlperiode begrüßten (Drs. 16/127). Während die FDP auf die kritischen Bewertungen aus dem Jahr 2011 hinwies, sah der Redner der Piratenfraktion den Entwurf als Schritt in die richtige Richtung.


Der Klimaschutz sei auch in NRW eine "Jahrhundertaufgabe", so Umweltminister Johannes Remmel (Grüne). Der Klimawandel schreite voran - regional, national und international. Zur Erreichung der notwendigen Klimaschutzziele und zur Umsetzung der Energiewende müsse man auch lokal handeln. Dies gelte gerade im Energie- und Industrieland Nummer eins in Deutschland. Bis zum Jahr 2050 müsse hier der Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) von 300 auf 70 Millionen Tonnen gesenkt werden. Gleichzeitig sei es notwendig, den Standort NRW mit seinen energieeffizienten Betrieben zu stärken. Der Prozess des Klimaschutzes werde also nur als "gesamtgesellschaftliche Gemeinschaftsanstrengung" gelingen, so Remmel.

Auf mögliche langfristige Schäden und die Gefährdung auch der wirtschaftlichen Entwicklung durch Klimaveränderungen wies Rainer Schmeltzer (SPD) hin. Ohne Gegenmaßnahmen seien hierdurch in Deutschland bis zum Jahr 2050 Kosten in Höhe von 800 Milliarden Euro zu befürchten, davon rund 70 Milliarden Euro in NRW. Aufgrund seiner Wirtschaftsstruktur müssten in NRW Maßnahmen intensiver bedacht und geplant werden als in anderen Bundesländern. Daher wolle man erstmals gesetzliche Klimaschutzziele für NRW verankern. Schmeltzer wertete die Gesetzesvorlage als "Fortschrittsmotor" zur Stärkung des Industriestandorts und unterstützte die Fortführung eines Dialogs mit allen beteiligten Gruppen.

Eine Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung sah hingegen Hendrik Wüst (CDU) in der Gesetzesvorlage. Diese gebe alle Werkzeuge an die Hand, die Axt an den Industriestandort Deutschland zu legen. Natürlich sei es richtig, Klimaschutz und Energieeffizienz als Wirtschaftsfaktoren zu begreifen. Es passe aber nicht in die Zeit, zu versuchen, den Energieverbrauch über gesetzliche Steuerungsmechanismen zu regeln. Auch sei es verkehrt, einem grenzüberschreitenden Problem mit regionalen und sektoralen Klimaschutzkontingenten zu begegnen. Dies führe zu einer Verlagerung von industrieller Produktion in Länder mit niedrigeren Umweltstandards und sei daher kontraproduktiv, befürchtete Wüst.

Die Trüffel würden heimisch, konstatierte Wibke Brems (GRÜNE) mit Blick auf den Klimawandel. Also profitierten Feinschmecker vom Klimawandel. Gleiches gelte für die Produzenten von Klimageräten sowie die Betreiber von Photovoltaikanlagen. Das Problem sei, dass die klimagefährdenden Treibhausgase unsichtbar wie auch geruchlos seien und die Menschheit nur indirekt und schleichend gefährdeten. Außerdem wachse diese Gefahr derzeit noch in weiter Entfernung, in anderen Erdteilen. Gerade weil NRW die schädlichen Folgen bislang noch nicht direkt erfahre, habe das Land eine Verantwortung zu handeln. Dementsprechend solle das Klimaschutzgesetz die Wirtschaft in NRW fit machen für die Zukunft.

Das vorgelegte Gesetz sei eine "Feuerprobe" befand Henning Höne (FDP). Es stelle sich die Frage, ob der grüne Umweltminister weiterhin alles und der rote Wirtschaftsminister nichts zu sagen habe. Allerdings, so der FDP-Sprecher, könne er außer der neuen Drucksachennummer keine substantiellen Veränderungen gegenüber dem Entwurf aus der letzten Legislaturperiode entdecken. Und deren Bewertung sei ja geradezu vernichtend gewesen: So habe es sowohl verfassungsrechtliche Bedenken als auch Kritik aus Wirtschaft, Wissenschaft und von Gewerkschaftsseite gegeben. Höne befürchtete, zukünftig würden "kostspielige, aber kaum effiziente CO2-Minderungsmaßnahmen" quasi planwirtschaftlich vorgegeben.

Die global angelegten Pläne und Konferenzen seien gescheitert, konstatierte Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN). Vor diesem Hintergrund sei ein regionales Klimaschutzgesetz ein Schritt in die richtige Richtung. Dabei sei es notwendig, ein Nachbessern der Ziele anhand neuer technischer Möglichkeiten zuzulassen. Hinsichtlich der Auswirkungen auf Industrie und Handwerk in NRW regte Rohwedder an, die regionale Wertschöpfung stärker zu berücksichtigen. Notwendig sei auch eine genauere Unterscheidung zwischen Wind- und Sonnenenergie einerseits sowie nachwachsender Energie andererseits. Er begrüßte die vorgesehenen Beteiligungsverfahren, um bei der Energiewende für eine hohe Akzeptanz zu sorgen.


Kasten
 
KLIMASCHUTZZIELE

Im Kampf gegen den Klimawandel hat sich die EU das Ziel gesetzt, in den Industrieländern die Emissionen von Treibhausgasen (Kohlendioxid, CO2) bis 2050 um 60 bis 80 Prozent unter das Niveau von 1990 zu senken. Bis zum Jahr 2020 soll der CO2-Ausstoß um 20 Prozent abgebaut werden. Für NRW mit seinem vergleichsweise hohen Anteil an produzierender bzw. energieerzeugender Industrie ist dies eine besondere Herausforderung.

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Quelle:
Landtag intern 8 - 43. Jahrgang, 12.09.2012, S. 4
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. September 2012