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NORDRHEIN-WESTFALEN/1955: Debatte über Landeshaushalt - "Sparschweine" gegen "Rasenmäher" (Li)


Landtag intern 12/2012
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Spekulativ oder zukunftsorientiert?
Debatte über Landeshaushalt: "Sparschweine" gegen "Rasenmäher"

Von Daniela Braun, Christoph Weißkirchen und Ilja Zeidler



12. Dezember 2012 - 60 Milliarden Euro: So viel möchte die Landesregierung im Jahr 2013 ausgeben. Sie rechnet hierzu mit weiter steigenden Steuereinnahmen von 44,8 Milliarden Euro. Bei der Aufnahme neuer Schulden werden 3,5 Milliarden Euro veranschlagt. In der Haushaltsdebatte verteidigten sowohl der Finanzminister als auch die Ministerpräsidentin den Haushalt als Zeichen, die Finanzen so zu konsolidieren, dass gleichzeitig in die Zukunft des Landes investiert würde. Während die Regierungsfraktionen dies unterstützten, forderten CDU und FDP stärkere Anstrengungen beim Sparen. Hier hinke NRW im Vergleich aller Bundesländer hinterher. Der vorgelegte Haushalt sei ein Zeichen der "Ratlosigkeit und Hilflosigkeit", beklagten die PIRATEN.


Für Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans (SPD) markiert der Haushalt 2013 einen wichtigen Schritt in Richtung Schuldenbremse. Die Neuverschuldung solle im kommenden Jahr auf 3,5 Milliarden Euro gesenkt werden. Der Haushaltsentwurf unterstreiche den festen Willen, die Finanzen nachhaltig zu konsolidieren, ohne dabei die Verantwortung für die Aufgabenerfüllung des Landes zu vernachlässigen, so Walter-Borjans. Ziel bleibe es, innerhalb der nächsten acht Jahre einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. "Wir werden die Schuldenbremse, wie vom Grundgesetz verlangt, bis 2020 schaffen", betonte der Finanzminister. Wichtige Zukunftsinvestitionen in Bildung, Kinderbetreuung und Kommunen dürften dabei aber nicht auf der Strecke bleiben, denn die Einsparziele müssten erreicht werden, "ohne das Land kaputt zu sparen".

TABELLE 1: EINZELETATS (in Milliarden Euro)                        

2013
Landtag
Ministerpräsident
Inneres und Kommunales
Justiz
Schule und Weiterbildung
Innovation, Wissenschaft, Forschung
Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport
Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr
Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur-, Verbraucherschutz
Arbeit, Integration und Soziales
Finanzen
Landesrechnungshof
Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand, Handwerk
Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter
Allgemeine Finanzverwaltung
Summe
0,122
0,119
4,812
3,664
15,118
7,412
2,712
3,101
0,917
3,176
1,989
0,040
0,812
0,973
15,061
60,027

Datenquelle zu Tabelle 1 "Einzeletats": Finanzministerium NRW

Scharfe Kritik am Haushaltsentwurf übte der CDU-Fraktionschef Karl-Josef Laumann. Trotz anhaltenden Wirtschaftswachstums wolle Rot-Grün immer noch zu viele Schulden machen. Eine Schuldenbremse werde so niemals erreicht, die Zukunftschancen der nachfolgenden Generation würden verspielt, äußerte sich Laumann enttäuscht über "diesen Haushalt des Nichtstuns". Auch Streichungen im Personalhaushalt dürften nicht länger ein Tabuthema sein, denn Einsparungen im Promillebereich seien einfach zu wenig. Der jetzige Ansatz habe so gut wie keine Auswirkung auf den Schudenstand, kritisierte der CDU-Fraktionsvorsitzende den aus seiner Sicht mangelnden Sparwillen der Landesregierung. Die rot-grüne Haushaltspolitik werde ihrer Verantwortung nicht gerecht, sie solle nicht immer auf den Bund schielen, sondern ihre eigenen Hausaufgaben machen. Statt für ein gutes Wirtschaftsklima zu sorgen, gefährde der Alleingang beim Thema Klimaschutzgesetz den Industriestandort NRW, so der CDU-Fraktionsvorsitzende. Seine wirtschaftliche Stärke beziehe das Land aber grade durch Arbeitsplätze im Industriesektor, deswegen dürften Industrieunternehmen in Nordrhein-Westfalen keine schlechteren Rahmenbedingungen haben als in anderen Bundesländern.

Die CDU habe erneut nicht gesagt, wo Nordrhein-Westfalen denn nun konkret sparen könne, entgegnete Norbert Römer (SPD). Er selbst bezeichnete den Haushalt 2013 als Meilenstein auf dem Weg zur Schuldenbremse: "Wir sorgen vor, um zu sparen. Und wir sparen, um vorzusorgen." Rot-Grün investiere insbesondere in Bildung: "Das ist die wichtigste Zukunftsinvestition in diesem Land." Noch blieben zu viele Kinder ohne Schulabschluss. Zudem müssten die kommunalen Finanzen wieder ins Lot kommen - hier sei auch der Bund gefragt, betonte der SPD-Fraktionschef. Die Regierung Kraft habe den schwarz-gelben "Raubzug" durch die kommunalen Kassen gestoppt. Seit dem Jahr 2010 hätten diese zusätzlich 2,5 Milliarden Euro erhalten, das Gemeindefinanzierungsgesetz 2013 liege bei bislang ungeschlagenen 8,7 Milliarden Euro. Sparen, zukunftsträchtig investieren und mehr einnehmen: Das sei der Dreiklang der rot-grünen Haushaltspolitik, so Römer. Sparen dürfe aber kein Selbstzweck sein, die Kommunen nicht zum "Ausfallbürgen" und Stellen in der Landesverwaltung nicht wie von Schwarz-Gelb pauschal mit dem "Rasenmäher" getrimmt werden. Insgesamt sei klar: "Wir gehen einen Weg der Haushaltskonsolidierung, der noch viel Schweiß kosten wird."

"Es geht nicht um ein paar Sparschweine", spielte Christian Lindner (FDP) auf das Titelbild der Finanzplanung 2012 bis 2016 an. Zudem seien es nicht die darauf abgebildeten Kinder, die für Rot-Grün sparen müssten: "Sie müssen für die Kinder sparen!", rief er der Regierung zu und warf ihr vor, die Schuldenbremse nicht ernst zu nehmen: Bis zum Jahr 2016 plane Rot-Grün die Neuverschuldung lediglich auf 2,5 Milliarden Euro zu senken - ihm sei schleierhaft, wie sie in den dann noch verbleibenden drei Jahren die Null erreichen wolle, kritisierte der FDP-Fraktionschef. Viele Länder überholten NRW mittlerweile auf dem Weg zur Schuldenbremse. Krafts Kabinett hingegen betreibe eine "spekulative Finanzpolitik", verlasse sich auf ein gleichbleibendes Zinsniveau, die aktuelle Konjunktur und höhere Steuern aus Berlin. Es sei ein "Armutszeugnis", einfach auf Bund und Steuerzahler zu verweisen, befand Lindner: "Wenn die Wette nicht aufgeht, sind wir angeschmiert hier im Land." Auch seien die Prioritäten im Haushalt falsch: der Umweltminister zu stark, Wirtschafts- und Verkehrsminister zu schwach und bei der Inklusion ständen die Kommunen alleine da. Lindner forderte Rot-Grün auf, weiter zum kommunalen Stärkungspakt zu stehen.

Er sei ein "Messias mit beschränkter Haftung" bewertete Reiner Priggen (GRÜNE) die Rede seines Vorredners. Immerhin sei er doch lange Zeit sowohl in NRW als auch im Bund an verantwortlicher politischer Stelle tätig gewesen. So verteidigte der GRÜNEN-Fraktionschef die neuen Stellen im Bereich des Umweltministers als unabdingbar. Dies habe bereits im Jahr 2009 auch der frühere CDU-Umweltminister festgestellt. Hinsichtlich des Vergleichs mit anderen - vor allem ostdeutschen - Bundesländern, die mit der Tilgung von Schulden beginnen könnten, forderte Priggen, den Solidarbeitrag-Ost jetzt nachzujustieren und auszutarieren. Mittlerweile gehe es westdeutschen Städten schlechter als manchen ostdeutschen. Außerdem beklagte er, Nordrhein-Westfalen werde bei den Zuweisungen des Bundes beispielsweise im Verkehrs- oder im Hochschulbereich strukturell benachteiligt. "Da hören wir nichts von Ihnen", wandte er sich an CDU und FDP mit Blick auf die schwarz-gelbe Bundesregierung. Gleiches gelte für konkrete Einsparvorschläge. Und immerhin berate man jetzt den fünften Haushalt in zwei Jahren. Aber, so Priggen, die CDU habe ja ob ihrer Führungsstruktur auch als einzige Fraktion "einen Weihnachtsbaum mit einer Doppelspitze".

Die Landesregierung habe "bienenfleißig" ein umfangreiches Zahlenwerk vorgelegt, so Dr. Joachim Paul (PIRATEN). Aber es sei kein "gelungener finanzpolitischer Wurf". So fehlten systematische Lösungswege für die Bewältigung der Probleme. Zum Beispiel reduziere Rot-Grün die Zuschüsse für die Wohlfahrtsverbände um 64 Prozent. Weitere Kürzungen beträfen nicht nur den Kulturhaushalt, sondern auch die landeseigenen Fördermittel für den Mittelstand. Und auch in den Bereichen Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr fehlten notwendige Mittel. Dabei gebe die Landesregierung nicht an, welche Aufgaben sie konkret mit ihren Kürzungen zurückführen wolle, denn sie operiere mit einer Erhöhung der globalen Minderausgabe, kritisierte der Fraktionsvorsitzende. Notwendig sei dagegen eine Verbesserung der Einnahmeseite, um die Haushaltsprobleme des Landes anzupacken: die steigende Zahl der Überstunden bei Lehrkräften und Polizisten, der Sanierungsstau PCB-belasteter öffentlicher Gebäude, das strukturelle Defizit bei den Kommunen und die soziale Schieflage beim Wohnungsbau, zählte Paul auf. Die PIRATEN wollten für 2013 die Schwerpunkte auf Bus und Bahn, Bildung sowie freien Zugang zu Wissen, Kommunen und Open Government setzen.

TABELLE 2: DATEN ZUR GEMEINDEFINANZIERUNG                          
(in Klammern Veränderung gegenüber Vorjahr/Angaben in Euro)

Zuweisungen
8.656 Millionen (+235 Millionen)
Schlüsselzuweisungen

davon für
o Gemeinden
o Kreise
o Landschaftsverbände
7.345 Millionen (+199 Millionen)

5.764 Millionen                
860 Millionen                
721 Millionen                
Schulpauschale/Bildungspauschale
600 Millionen                
Investitionspauschalen
593 Millionen (+38 Millionen)
Pauschale Bedarfszuweisungen
31 Millionen (+1 Million)   
Sportzuweisungen
50 Millionen                
Verbundsatz
23 Prozent                  

Datenquelle zu Tabelle 2 "Daten zur Gemeindefinanzierung": Finanzministerium NRW

"Es geht nur Schritt für Schritt", entgegnete Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) auf die Forderungen vor allem der PIRATEN. Die kritisierte globale Minderausgabe werde in den Einzelplänen des Haushalts konkretisiert. An CDU und FDP gerichtet betonte Kraft: "Wir wollen die Schuldenbremse einhalten." Allerdings werde ihre Regierung gleichzeitig sparen, in Kinder, Infrastruktur und Kommunen investieren sowie die Einnahmen des Landes erhöhen. Zum Vergleich mit anderen Bundesländern sagte die Regierungschefin: Bei den Ausgaben, Schulden und Verwaltungsstellen stehe NRW pro Kopf gerechnet besser da als der Durchschnitt insbesondere der westlichen Flächenländer.

TABELLE 3: ECKDATEN DES HAUSHALTSENTWURFS 2013 DES LANDES NRW
(in Milliarden Euro)


2011

2012

2013

Ausgaben laut Haushaltsplan
Steuereinnahmen
Schuldenaufnahme netto
Investitionsausgaben
Zinsausgaben
Personalausgaben
55,3
40,2
4,8
5,3
4,4
21,6
58,9
43,1
4,3
6,5
4,2
22,0
60,0
44,8
3,5
5,7
4,0
22,9

Datenquelle zu Tabelle 3 "Eckdaten des Haushaltsentwurfs 2013 des Landes NRW": Finanzministerium NRW

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Quelle:
Landtag intern 12 - 43. Jahrgang, 12.12.2012, S. 4-5
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Januar 2013