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NORDRHEIN-WESTFALEN/1972: Besorgniserregende Kriminalitätsentwicklung? (Li)


Landtag intern 2/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Besorgniserregende Kriminalitätsentwicklung?
Fraktionen legen Strafverfolgungsstatistik unterschiedlich aus
Plenarbericht

Von Ilja Zeidler



23. Januar 2013 - Auf Antrag der Fraktionen von CDU und FDP (Drs. 16/1952) debattierte der Landtag in einer Aktuellen Stunde über die Entwicklung strafrechtlicher Verurteilungen und Verfahrenseinstellungen im Zusammenhang mit der Kriminalitätsentwicklung in Nordrhein-Westfalen. Anlass war die Strafverfolgungsstatistik 2011, die das Justizministerium Mitte Januar veröffentlicht hatte.


"Die innere Sicherheit ist und bleibt eine Kernaufgabe des Staates", betonte Theo Kruse (CDU) und warf der Landesregierung vor, ihren Gestaltungsmöglichkeiten und ihrer Verantwortung nicht gerecht zu werden. Die Präsentation der Strafverfolgungsstatistik am 18. Januar sei eine Täuschung der Öffentlichkeit gewesen, da Justizminister Kutschaty dort den Rückgang der strafrechtlichen Verurteilungen als Erfolg verkauft habe. So werde der Bevölkerung ein falsches Sicherheitsgefühl vorgetäuscht. Die Kriminalitätsstatistik sei besorgniserregend, denn die Kriminalität in NRW sei enorm angestiegen. Rot-Grün habe keine Gesamtstrategie zur nachhaltigen Verbrechensbekämpfung, kritisierte Kruse.

"4.141 Straftaten wurden in 2011 im Schnitt jeden Tag in Nordrhein-Westfalen begangen", konstatierte Dirk Wedel (FDP). Das seien nach der Kriminalstatistik aufs Jahr gerechnet 68.668 Straftaten mehr als im Vorjahr. Da gleichzeitig die Zahl strafrechtlicher Verurteilungen zurückgehe, würden Straftäter also seltener verurteilt, stellte Wedel fest. Was durch die Polizei nicht aufgeklärt werde, könne durch die Staatsanwaltschaften auch nicht verfolgt werden. Die Aufklärungsquote bei Verbrechen in NRW sei erneut gesunken und bei einigen Ermittlungsgruppen sogar erschreckend gering. Selbst Experten der Polizei bezeichneten Ermittlungsdruck und Entdeckungsrisiko als sehr niedrig, so Wedel.

Schwarz-Gelb schüre durch gewollte Skandalisierungen und reißerische Überschriften rund um die innere Sicherheit Ängste in der Bevölkerung, meinte Hartmut Ganzke (SPD) in Anspielung auf den Titel des Antrags für die Aktuelle Stunde. Der von CDU und FDP als besorgniserregend bezeichnete Anstieg der Kriminalität sei durch die starke Zunahme der Schwarzfahrer-Anzeigen im Öffentlichen Nahverkehr entstanden, erklärte Ganzke, das sei durch die Kriminalitätsstatistik 2011 eindeutig belegt. Bei der Bewertung der Strafverfolgungsstatistik warf Ganzke Schwarz-Gelb mangelnde Weitsicht vor. Gerade im Bereich der Jugendkriminalität gebe es sogar einen Rückgang von 7,5 Prozent bei den Verurteilten.

Schon die Überschrift "lässt uns am Rechtsverständnis der Antragssteller zweifeln", monierte die GRÜNEN-Abgeordnete Dagmar Hanses. Schwarz-Gelb stelle "einen absurden, schrägen und unzulässigen Zusammenhang zwischen der Kriminalitätsstatistik und der Strafverfolgungsstatistik 2011" her. Die Behauptung von CDU und FDP über eine gesunkene Zahl von Anklagen und Strafbefehlen sei falsch und es stehe ihnen auch nicht zu, die Einstellung von Strafverfahren zu beurteilen. Die Unabhängigkeit der Richterinnen und Richter sowie der Staatsanwälte sei ein hohes rechtsstaatliches Gut. Sie müsse respektiert und erhalten bleiben: "Eine Bewertung durch die Politik weisen wir entschieden zurück."

Dietmar Schulz (PIRATEN) fehlte der tatsächliche Aktualitätsbezug dieser Aktuellen Stunde. Das Parlament befasse sich als Legislative mit der Beratung über die Qualität und die Verbesserung von Gesetzen und nicht über deren Anwendung in der Praxis, kritisierte Schulz die inhaltliche Ausrichtung des schwarz-gelben Antrags. Die Kritik an der Landesregierung wertete er als sachlich unbegründet. Den Rückgang der Strafverfahren führte er auf mangelndes Personal an den Gerichten zurück. Eine geringere Kriminalitätsrate könne nur durch Investitionen in mehr Bildung, mehr Personal bei der Polizei sowie eine Ausweitung der Resozialisierungsangebote erreicht werden, erläuterte der Abgeordnete.

Für Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) ist das Thema der Aktuellen Stunde ein Etikettenschwindel von CDU und FDP, denn die Zahl der strafrechtlichen Verurteilungen sei im Jahr 2011 sogar um 1,8 Prozent gestiegen und nicht gesunken. Die schwarz-gelbe Opposition versuche, den Bürgerinnen und Bürgern eine Mogelpackung aus Halbwahrheiten und Gefühlen zu verkaufen, um bei ihnen Ängste zu schüren. Auch der Hinweis auf einen Anstieg der Verfahrenseinstellungen sei falsch, denn es gebe davon tatsächlich weniger als im Vorjahr. Der Kritik an der polizeilichen Ermittlungsarbeit stünden die nachweislichen Erfolge bei der Verbrechensbekämpfung und die gute Aufklärungsquote entgegen, so Kutschaty.

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Quelle:
Landtag intern 2 - 44. Jahrgang, 27.2.2013, S. 3
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. März 2013