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NORDRHEIN-WESTFALEN/1973: Weg zur Inklusion umstritten (Li)


Landtag intern 2/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Weg zur Inklusion umstritten
Gesetzgebungsverfahren Thema im Landtag
Plenarbericht

Von Ilja Zeidler



23. Januar 2013 - Die schulische Inklusion, also das gemeinsame Lernen von behinderten und nicht behinderten Kindern, war Thema im Landtag. Grundlage waren entsprechende Anträge von CDU und FDP (Drs. 16/1907, Drs. 16/1956). Beide Fraktionen kritisierten die Inklusionspolitik der Landesregierung und forderten einen stärkeren Dialog mit allen Beteiligten. SPD, GRÜNE und PIRATEN meinten dagegen, der Integrationsprozess durch die Inklusion verlaufe erfolgreich. Sie plädierten dafür, den eingeschlagenen Weg gemeinsam weiterzugehen.


Rot-Grün sei bei diesem größten bildungspolitischen Reformprojekt seit dem Jahr 2010 keinen Schritt weitergekommen, kritisierte Klaus Kaiser (CDU). Im vierten Jahr nach Inkrafttreten der UN-Konvention in Deutschland habe es die Landesregierung immer noch nicht geschafft, einen Gesetzentwurf vorzulegen. "Einer der Gründe ist offensichtlich, dass das Schulministerium nicht gewillt ist, sich an den vor Ort entstehenden Kosten zu beteiligen" und seine Verantwortung gemäß des Konnexitätsprinzips zu übernehmen, so Kaiser. Damit sorge die Regierung für Lethargie, Angst und Aggression.

Gründlichkeit gehe vor Schnelligkeit, entgegnete Eva Voigt-Küppers (SPD): "Inklusion geht nicht mit der Brechstange." Um eine breite Debatte zu ermöglichen, finde man den Referentenentwurf des Gesetzes auf der Internetseite des Schulministeriums. Das Gesetz sei geplant mit Wirkung für die Klassen eins und fünf zum Schuljahr 2014/15. Des Weiteren seien die Haushaltsmittel für die Lehrerfortbildung erheblich aufgestockt worden, so Voigt-Küppers, und die Zahl der gemeinsam unterrichteten Schülerinnen und Schüler wachse. Seit Ende 2010 habe sich die Integrationsquote fast verdoppelt.

"Wir haben in zwei Jahren rot-grüner Schulpolitik mehr bezüglich des gemeinsamen Unterrichts geschafft, als Sie in den fünf Jahren Schwarz-Gelb zuvor", konstatierte Sigrid Beer (GRÜNE) und bezeichnete die bisherige Umsetzung der Inklusion als "sorgsam, konsequent und wirkungsvoll". Als wichtige Meilensteine hob sie eine stark gestiegene Quote des gemeinsamen Unterrichts und ein Fortbildungskonzept für Sonderpädagoginnen und -pädagogen hervor. Deswegen bleibe die Koalition auf dem eingeschlagenen Weg zur Inklusion und werde sich darin auch nicht beirren lassen, so die GRÜNE.

Das Vorgehen bei der Inklusion sei unstrukturiert und chaotisch, warf Yvonne Gebauer (FDP) der Landesregierung vor. Die Qualität der sonderpädagogischen Förderung könne nach übereinstimmender Meinung von Lehrerverbänden, Elternvertretungen, Schulverwaltung und Kommunen auf diese Art nicht gesichert werden. Die FDP wolle Inklusion, aber nicht in diesem Tempo, betonte Gebauer. Inklusion sei für sie nicht dann erreicht, wenn sich möglichst viele Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf an allgemeinen Schulen aufhielten, sondern wenn sie dort auch bestmöglich gefördert würden.

Angesichts der aktuellen Kritik könne niemand wollen, dass die Landesregierung den Referentenentwurf oder einen hastig geänderten Entwurf einbringe, so Monika Pieper (PIRATEN): "Jetzt müssen gemeinsam intensiv Lösungen erarbeitet werden, bevor ein neuer haltbarer Gesetzentwurf vorgelegt werden kann." Aufgrund der angespannten Haushaltslage seien die Kosten für eine schnelle Inklusion auch gar nicht zu stemmen. Die Einwände und Bedenken der Betroffenen müssten ernst genommen, alle laufenden und geplanten Maßnahmen auf den Prüfstand gestellt werden, forderte die Abgeordnete.

"Inklusion gestalten, leben und annehmen heißt, der Vielfalt unserer Kinder und Jugendlichen gerecht werden", beschrieb Schulministerin Sylvia Löhrmann (GRÜNE) die Absicht der Landesregierung, die individuelle Förderung an den Schulen weiter voranzutreiben, "bis aus gemeinsamem Lernen ein Recht wird". Dieser Rechtsanspruch solle stufenweise und aufwachsend umgesetzt werden. Auch stehe die Einladung an die Kommunen, weiter über Belastungs- und Entlastungsfaktoren bei der Inklusion zu sprechen. Auch eine mögliche Konnexitätsrelevanz werde weiter geprüft, so Löhrmann.

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Quelle:
Landtag intern 2 - 44. Jahrgang, 27.2.2013, S. 4
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. März 2013