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NORDRHEIN-WESTFALEN/1999: Ärztemangel auf dem Land (Li)


Landtag intern 4/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Ärztemangel auf dem Land
OWL-Kliniken für Kooperation mit Bochumer Uni
Ausschussbericht

Von Daniela Braun



17. April 2013 - Ländlichen Regionen gehen zunehmend Ärztinnen und Ärzte aus, die sich vor Ort um die Versorgung der Menschen kümmern. Über mögliche Lösungsansätze haben nun Fachleute im Ausschuss für Innovation, Wissenschaft und Forschung (Vorsitz Arndt Klocke, GRÜNE) beraten. Diskussionsgrundlage war ein Antrag der CDU-Fraktion (Drs. 16/1475), die dafür wirbt, eine medizinische Fakultät in Ostwestfalen-Lippe (OWL) zu schaffen. In der Anhörung sprachen sich jedoch Vertreter mehrerer Kliniken der Region bei der Medizinerausbildung kurzfristig für eine Kooperation mit der Ruhr-Universität Bochum aus. Wie auch die CDU erhoffen sie sich davon, mehr junge Absolventinnen und Absolventen in OWL halten zu können. Der Vertreter des Medizinischen Fakultätentags bezweifelte allerdings einen solchen "Klebe-Effekt".


Eine eigene medizinische Fakultät gibt es in Bielefeld und damit in ganz OWL bislang nicht - auch wenn die Diskussion um das Thema schon einige Jahre alt sei, erläuterte der Rektor der Universität Bielefeld, Prof. Dr. Gerhard Sagerer. Nachdem klar gewesen sei, dass eine eigenständige Fakultät aus Landesmitteln wohl nicht finanzierbar sei, liege derzeit ein Eckpunktepapier zur Ausweitung des "Bochumer Modells" auf dem Tisch. Für die angedachten 60 Studierenden hieße dies konkret: Theorie in Kooperation mit der Uni Bochum, Praxis an Kliniken in OWL.

Dieser Weg sei in der Tat sehr geeignet, um in der Region kostengünstig und zeitnah eine medizinische Ausbildung zu etablieren, unterstrich der Dekan der Bochumer Medizinfakultät, Prof. Dr. Klaus Überla. Umsonst gebe es das allerdings nicht: Die Zuweisung pro OWL-Studienplatz müsse derjenigen für Studierende der Universität Bochum entsprechen.

Zustimmung für ein ausgeweitetes Bochumer Modell kam auch von der Ärztekammer Westfalen -Lippe: "Der Handlungsdruck ist größer geworden", befand Kammerpräsident Dr. Theodor Windhorst. Den Kliniken in OWL falle es zunehmend schwerer, Stellen neu zu besetzen, unterstrichen Dr. Joachim Feldkamp vom Klinikum Bielefeld und sein Kollege Prof. Dr. Ulrich Tebbe vom Klinikum Lippe-Detmold einhellig.


Klebe-Effekt

Ähnlich wie Prof. Dr. Wolf-Dieter Reinbold, ärztlicher Direktor des Johannes Wesling Klinikums Minden, erhoffen sie sich von einer gemeinsamen medizinischen Ausbildung mit Bochum neue Chancen für die Region. Dies sei ein längst überfälliger Schritt, betonte auch Dr. Thomas Krössin, Geschäftsführer des Evangelischen Krankenhauses Bielefeld. Notwendige Basis sei eine auskömmliche Finanzierung durch Landesmittel - die bisherigen Konzepte reichten in dieser Hinsicht noch nicht aus, merkte Michael Ackermann, Geschäftsführer des Bielefelder Klinikums, an. Windhorst forderte die Politik daher auf, endlich grünes Licht zu geben - oder wie es der Notfallarzt Prof. Dr. Friedrich Mertzlufft formulierte: "Hauchen Sie dem Halbtoten Sauerstoff ein."

Langfristiges Ziel für Ostwestfalen-Lippe sollte ganz klar ein eigener Modellstudiengang "Humanwissenschaften" in Bielefeld sein, so Prof. Dr. Eckhart Hahn, Dekan der medizinischen Fakultät in Oldenburg. Dieses Ziel müssten die Beteiligten über das aufgestellte Kooperationskonzept anstreben, empfahl er. Ein starker Partner wie die Universität Bochum könne den Prozess beschleunigen. Entscheidend für den Klebeeffekt ist laut Hahn in jedem Fall, dass die Studierenden dabei schon im ersten Semester in der Region verankert werden. Das aktuelle Kooperationskonzept sehe dies jedoch erst nach etwa vier Jahren vor. Hier müsse nachgebessert werden.

Ob nun gleich mit eigener medizinischer Fakultät oder dem Bochumer Modell: Prof. Dr. Wilhelm Schmitz vom Medizinischen Fakultätentag bezweifelte grundsätzlich, dass der gewünschte Klebeeffekt tatsächlich eintrete: "Wenn es ihn gibt, dann eher in den Großstädten", meinte er. Vielmehr seien andere berufliche Anreize notwendig, damit neue Ärztinnen und Ärzte in die ländlichen Regionen kämen. Zudem gab er zu bedenken, dass die Bochumer Fakultät schon ohne weitere OWL-Studierende unterfinanziert sei. Schmitz warnte daher die Abgeordneten: "Es ist eine Rieseninvestition ohne sicheres Ergebnis - das müssen Sie sich vor Augen führen."

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Quelle:
Landtag intern 4 - 44. Jahrgang, 24.4.2013, S. 18
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Mai 2013