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NORDRHEIN-WESTFALEN/2007: Fachleute diskutieren Änderungen des Polizeigesetzes (Li)


Landtag intern 5/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Zwischen Freiheit und Sicherheit
Fachleute diskutieren Änderungen des Polizeigesetzes
Ausschussbericht

Von Christian Wolf



8. Mai 2013 - Wie weit darf der Staat in das Privatleben der Menschen eingreifen, um die Sicherheit der Bevölkerung zu schützen? Um diese Frage kreisen seit Jahren Diskussionen, und durch neue Techniken muss das Verhältnis zwischen individueller Freiheit und gesellschaftlichem Schutz immer wieder neu ausgelotet werden. In einem Gesetzentwurf zur Änderung des Polizeigesetzes und des Polizeiorganisationsgesetzes hat sich die Landesregierung diesem Thema gewidmet (Drs. 16/2256). Im Innenausschuss des Landtags wurde die Vorlage von Fachleuten diskutiert und bewertet.


Zu den wichtigsten Punkten des Gesetzentwurfs gehört die Videobeobachtung der Polizei zur Gefahrenabwehr. Die dafür zum 31. Juli 2013 auslaufende gesetzliche Regelung soll bis 2018 fortgeführt werden. Da sich die Videoüberwachung als unterstützendes Einsatzmittel der Polizei bewährt habe, sei die entsprechende Verlängerung zu begrüßen, sagte Karl-Heinz Kochs, erster Stellvertreter des Landesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei NRW. Ihren Zweck, Straftaten zu verhindern, erfülle die Videoüberwachung allerdings erst in Kombination mit einer ausreichenden Polizeipräsenz vor Ort. Mit Verweis auf die knappe Personaldecke in den Reihen der Polizei plädierte Kochs auch für eine verstärkte Videoüberwachung beim Objektschutz.

Ähnlich äußerte sich der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) NRW, Erich Rettinghaus. Ein polizeilicher Objektschutz durch Videokameras führe zu einer Entlastung, könne allerdings die Präsenz vor Ort nicht gänzlich ersetzen, sagte er. Dass die Videobeobachtung zur Gefahrenabwehr erneut zeitlich befristet werden soll, kritisierte der DPolG-Vorsitzende, da es sich um ein "wichtiges technisches Hilfsmittel" handele.

Als "sehr ausgewogenen Gesetzentwurf" bezeichnete Sebastian Fiedler vom NRWLandesverband des Bundes Deutscher Kriminalbeamter den Entwurf der Landesregierung. Die Praxis zeige, dass die Videobeobachtung mit Augenmaß eingesetzt werde. In ganz Nordrhein-Westfalen nutze aktuell nur die Polizei in Düsseldorf und Mönchengladbach Videoanlagen. Auch der Polizeipräsident von Münster, Hubert Wimber, verwies darauf, dass die Videotechnik zurückhaltend und verantwortungsbewusst angewandt werde. Für die Polizei sei die Videoüberwachung ein geeignetes Mittel, um schnell eingreifen zu können, und stelle damit eine Ergänzung zur polizeilichen Gefahrenabwehr dar.

"Äusserste Vorsicht"

Eine eher zurückhaltende Position nahm Ulrich Lepper, Landesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen, ein. Er mahnte einen sorgsamen Umgang mit der Videoüberwachung an und warnte vor einer Kombination mit Techniken zur gezielten Gesichtererkennung. Dies könne zu einem "Überwachungsstaat im öffentlichen Raum" führen, weswegen "äußerste Vorsicht" geboten sei.

Im März legte das NRW-Innenministerium dem Landtag eine Evaluierung der geltenden Regelung zur Videobeobachtung vor (Drs.16/736). Mit Blick auf das neue Polizeigesetz forderte Datenschützer Lepper einen Ausbau der Evaluierung, für die auch wissenschaftliche Expertise hinzugezogen werden solle. Auch der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Christoph Gusy von der Universität Bielefeld sprach sich für eine Ausdehnung der Evaluierung aus. Da die Videobeobachtung immer in Kombination mit anderen Maßnahmen zum Einsatz komme, lasse sich deren Auswirkung auf das Kriminalitätsgeschehen bislang nicht zweifelsfrei feststellen. Am vorliegenden Entwurf zur Änderung des Polizeigesetzes und des Polizeiorganisationsgesetzes merkte Gusy keinen grundsätzlichen Änderungsbedarf an.

Die möglichen Auswirkungen der Videobeobachtung auf die Freiheit der Bevölkerung führte Florian Albrecht von der Forschungsstelle für IT-Recht und Netzpolitik von der Universität Passau an. In manchen Ländern sei die staatliche Überwachung mittlerweile so groß, dass jegliche Kommunikation aufgenommen werde. Die Freiheit der ungestörten Kommunikation müsse daher aus- statt abgebaut werden.

Mit dem Gesetzentwurf soll die Polizei auch Auskunftsansprüche über Telekommunikations- und Telemediendaten sowie die Datenerhebung mit eigenen technischen Mitteln erhalten. Die Vertreter der Polizeigewerkschaften begrüßten dies, da dadurch Rechtssicherheit für die Beamten geschaffen werde. DPolG-Chef Rettinghaus kritisierte allerdings, dass die Maßnahmen zur Datenabfrage grundsätzlich durch die Behördenleiterin oder den Behördenleiter angeordnet werden sollen. In Fällen, in denen schnell gehandelt werden müsse, etwa bei angedrohten Suiziden, seien Ausnahmen nötig.

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Quelle:
Landtag intern 5 - 44. Jahrgang, 15.5.2013, S. 13
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Mai 2013