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NORDRHEIN-WESTFALEN/2011: Debatte über Tempolimit auf Autobahnen (Li)


Landtag intern 6/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Fahrspaß oder Sicherheit?
Debatte über Tempolimit auf Autobahnen
Plenarbericht

Von Sonja Wand



15. Mai 2013 - Tempo 120 auf deutschen Autobahnen, das war das Thema einer Aktuellen Stunde im Landtag. Die FDP-Fraktion hatte die Aussprache beantragt, um zu erfahren, wie die Landesregierung zu dieser Forderung des SPD-Bundesvorsitzenden steht. Von der Verkehrssicherheit über Umweltfragen bis hin zum Spaß am schnellen Fahren kamen viele Aspekte zur Sprache. Die Fraktionen zogen unterschiedliche Zahlen und Statistiken heran. Nur: Der Landtag könnte, selbst wenn er wollte, gar kein Tempolimit beschließen. Das ist Bundesangelegenheit.


Ein starres Tempolimit erhöhe nicht die Verkehrssicherheit, argumentierte Christof Rasche (FDP). Flexible und digital gesteuerte Limits, wie es sie bereits heute auf gefährlichen Autobahnstrecken gebe, eigneten sich besser. Nur zwei Prozent der Unfälle auf Autobahnen hierzulande seien einem unangepassten Tempo geschuldet, erklärte Rasche. Länder mit Tempolimits schnitten da schlechter ab. Einen Beitrag zur Verkehrssicherheit sah der Abgeordnete darin, Schilder nur dort aufzustellen, wo Autofahrerinnen und Autofahrer sie auch akzeptierten. Auch der Umwelt nutze ein Tempolimit wenig. Wichtiger sei es in diesem Zusammenhang, Staus zu vermeiden, also Strecken auszubauen.

Die Ministerpräsidentin habe bereits vor mehr als einem Jahr klargestellt, dass sie ein generelles Tempolimit nicht für sinnvoll halte, erklärte Jochen Ott (SPD). Es laufe aber ein Modellversuch im östlichen Ruhrgebiet, um wissenschaftlich auszuwerten, welche Auswirkungen ein allgemeines Tempolimit auf die Verkehrssicherheit, auf die Lärmbelastung, auf die Luftqualität und auf den Verkehrsfluss habe. Auf vielen Autobahnabschnitten gebe es bereits sehr sinnvolle Tempolimits, weil dort Sicherheit, Lärm, Luft und Verkehrsfluss dies erforderten. "Wir wollen einen differenzierten Umgang mit diesem Thema. Wir wollen eine dynamische Verkehrssteuerung", bekräftigte der Abgeordnete.

In Deutschland gebe es die sichersten Autobahnen weltweit, erklärte Bernhard Schemmer (CDU). Zwar würden 32 Prozent aller Kraftfahrzeugkilometer auf Autobahnen gefahren, aber nur etwa zwölf Prozent der tödlichen Verkehrsunfälle geschähen auf Autobahnen. Bei den Verunglückten seien es sogar nur sieben Prozent und bei Unfällen mit Personenschäden nur 6,2 Prozent, also unterdurchschnittlich viele. "Die schlichte Gleichung Tempolimit gleich Verkehrssicherheit gilt so also nicht", folgerte er. Stattdessen ereigneten sich 60 Prozent der Unfälle mit Todesfolge auf tempolimitierten Landstraßen. Daher das Fazit des Abgeordneten: Neubau, Ausbau, ein verbessertes Verkehrsnetz.

"Thema verfehlt", kommentierte Arndt Klocke (GRÜNE) den Antrag der FDP-Fraktion. Schließlich sei ein generelles Tempolimit eine bundespolitische Frage. Der Abgeordnete zog Zahlen des statistischen Jahrbuchs heran: Knapp 50 Prozent der schweren Unfälle passierten auf Autobahnen, davon resultierten 42 Prozent aus zu hoher Geschwindigkeit. Und 70 Prozent der Unfälle mit Todesfolge ereigneten sich auf Autobahnstrecken ohne Geschwindigkeitsbeschränkung. Daher sah Klocke in der Sicherheit das Hauptargument für ein Tempolimit, nicht etwa im ökologischen Nutzen. Dieser schlage aber mit einer zehnprozentigen CO2-Reduzierung als wünschenswerter Nebeneffekt zu Buche.

Es gebe kein Grundrecht auf schnelles Fahren, aber es mache vielen Spaß, meinte Oliver Bayer (PIRATEN). Seiner Fraktion gehe es darum, die Autofahrerinnen und -fahrer nicht zu gängeln, ihnen aber Anreize zu schaffen, um auf Bus, Bahn oder Rad umzusteigen. Wer schnell fahren wolle, solle dies tun, aber wie bei vielen teuren Hobbys eben auf eigene Kosten. Deshalb sah der Abgeordnete in höheren Spritpreisen einen geeigneten Weg, um die Kosten für die Verkehrsinfrastruktur gerecht zu verteilen. Mit Rücksicht auf die Sicherheit sprach sich Bayer für flexible Tempolimits je nach Situation und Wetterlage aus. "Weniger Holzhammer, mehr Schraubendreher" war sein Fazit.

Ein generelles Tempolimit liege weder in der Zuständigkeit der Landesregierung noch in deren Zielsetzung, erklärte Verkehrsminister Michael Groschek (SPD). Ihre Priorität sei, den Reparaturstau abzubauen. Gefährlich werde es auf Autobahnen eher in Staubereichen, weswegen es darum gehe, den Verkehr besser zu lenken. Vor diesem Hintergrund widersprach der Minister den Neubau-Forderungen und plädierte dafür, stattdessen Engpässe zu beseitigen und das Verkehrsnetz zu erhalten. In diesem Zusammenhang nannte er den geplanten Rhein-Ruhr-Express als wichtigen Bestandteil: Dieser sorge für 30.000 weniger Autos auf den Straßen - weniger Stau, mehr Sicherheit, so Groschek.

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Quelle:
Landtag intern 6 - 44. Jahrgang, 26.6.2013, S. 5
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Juli 2013