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NORDRHEIN-WESTFALEN/2014: (Un)Sicheres NRW - Landtag diskutiert Kriminalitätsstatistik (Li)


Landtag intern 6/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

(Un)Sicheres NRW: Landtag diskutiert Kriminalitätsstatistik
CDU bemängelt im Antrag geringe Aufklärungsquote
Plenarbericht

Von Daniela Braun



16. Mai 2013 - Wie unsicher ist NRW tatsächlich? Darüber haben die Abgeordneten in einer Aktuellen Stunde beraten. Basis war ein Antrag der CDU, in dem die Fraktion die Entwicklung im Land als besorgniserregend bezeichnet. Eine entsprechende Polizeistatistik hatte das Bundesinnenministerium am Vortag veröffentlicht. Insbesondere SPD und Grüne zweifeln deren Aussagekraft jedoch an, da sie die Zahl der Delikte ins Verhältnis zur Einwohnerzahl setzt. Wie viele Menschen sich aber von außerhalb in den einzelnen Städten bewegten, bleibe völlig unberücksichtigt.


"Tatsächlich und leider ist NRW in Deutschland weiterhin das Flächenland mit der höchsten Kriminalitätsrate", befand Peter Biesenbach (CDU) und verwies auf die Zahl von 1,5 Millionen Straftaten in der Polizeistatistik für das Jahr 2012. Auf 100.000 Einwohner im Land entfielen demnach 8.510 Delikte, in Bayern etwa liege die Zahl lediglich bei 4.977, führte der CDU-Sprecher an. Insgesamt sei die Kriminalität in NRW laut Statistik im vergangenen Jahr fünfmal so stark angestiegen wie im Bundesdurchschnitt. Auch mit der Aufklärungsquote von 49,1 Prozent gehöre NRW zu den Schlusslichtern, kritisierte Biesenbach. Es fehle an Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Ermittlungsarbeit.

Die Statistik sei in den vergangenen 25 Stunden so zerrissen worden, wie er es selten in der Bundesrepublik erlebt habe, entgegnete Thomas Stotko (SPD). Sie vergleiche Äpfel mit Birnen und berücksichtige die Verhältnisse vor Ort nur unzureichend. Stattdessen nutze sie die Einwohnerzahl als Bezugsgröße, ohne dabei den Pendler oder die Touristin einzubeziehen, kritisierte der Abgeordnete. Folglich entpuppten sich Frankfurt und der Vatikan als Horte des Verbrechens. "Münster ist der Spitzenreiter bei Fahrraddiebstählen - wen wundert es?", fragte Stotko. Insgesamt schloss er sich daher dem Urteil einiger Fachleute an, die das Werk als "Unstatistik des Monats" bezeichnet hatten.

"Auf den innenpolitischen Dauerbaustellen herrscht seitens der Landesregierung Stillstand", kritisierte Marc Lürbke (FDP). Ob Baden-Württemberg, Bayern oder Hessen: Alle diese Länder seien bei der Aufklärungsquote besser als NRW. Lürbke gestand zwar zu, dass über die Aussagekraft der Statistik trefflich zu streiten sei. Allerdings, so merkte er an, basierten die landeseigenen Zahlenwerke ebenfalls auf den nun von SPD und Grünen infrage gestellten Häufigkeitszahlen. Lürbke forderte Rot-Grün daher auf, sich nicht gegen unangenehme Statistiken, sondern gegen die Kriminalität zur Wehr zu setzen: "Es geht darum, NRW tatsächlich und nicht nur auf dem Papier sicherer zu machen."

Die Zahl der Straftaten ins Verhältnis zur Einwohnerzahl zu setzen, verzerre die Wirklichkeit, bemängelte auch Monika Düker (Grüne). So bewegten sich in dem nach der Statistik schlecht abschneidenden Düsseldorf jährlich rund 1,4 Millionen Messebesucher, 20 Millionen Fluggäste sowie täglich rund 300.000 Pendlerinnen und Pendler. Dies finde keine Berücksichtigung. Traditionell lande NRW im Ranking relativ weit oben - hier gebe es aber auch die meisten Großstädte, erläuterte Düker. Unabhängig davon bestehe Handlungsbedarf insbesondere bei der Einbruchs- und Computerkriminalität. Doch sei die CDU angesichts ihrer "unwürdigen Statistiktricks" nicht wirklich an der Sache interessiert.

Es sei richtig und wichtig, über die Ursachen von Kriminalität zu sprechen, sagte Frank Herrmann (Piraten ). Dies gelte ebenso für die Folgen, die die Opfer zu tragen hätten. Zu keinem dieser Punkte treffe die Statistik allerdings eine Aussage. Insgesamt konzentrierte sich Herrmann in seiner Rede auf die Aussagekraft des vom Bundesinnenministerium vorgelegten Zahlenwerks und empfahl, dieses auch wegen dahinterstehender Interessen mit Vorsicht zu genießen. Immerhin diene die Statistik den beteiligten Behörden quasi als Arbeitsnachweis, so Herrmann. Zudem dürfe man nicht vergessen, dass es sich bei der Statistik lediglich um eine "Annäherung an die Realität" handele.

Mit ihren "unredlichen Zahlenspielchen" trügen Teile der Opposition dazu bei, das gute Ansehen der Polizei in NRW zu diskreditieren, reagierte Innenminister Ralf Jäger (SPD) vor allem auf die Redebeiträge von CDU und FDP. Wer Äpfel mit Birnen vergleiche, können nur zu falschen Ergebnissen kommen. "Glauben Sie doch wenigstens Ihrem eigenen Bundesinnenminister", mahnte Jäger. Dieser habe ausdrücklich betont, dass die Zahlen keinen umfassenden Vergleich der Kriminalitätsbelastung zwischen unterschiedlichen Städten und Ländern zuließen. Gleichzeitig verwies Jäger auf sinkende Tatzahlen insbesondere bei der Jugendgewalt. Programme wie "Kurve kriegen" zeigten ihre Wirkung.

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Quelle:
Landtag intern 6 - 44. Jahrgang, 26.6.2013, S. 6
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juli 2013