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NORDRHEIN-WESTFALEN/2045: Haushalt 2014 - Wie sparen? Wo ausgeben? Woher nehmen? (Li)


Landtag intern 9/2013
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Plenum
Das Jahr 2020 fest im Blick
Haushalt 2014: Wie sparen? Wo ausgeben? Woher nehmen?



25. September 2013 - Rund 280.000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst erwarten ihr monatliches Gehalt, Straßen und Gebäude müssen unterhalten, aktuelle Herausforderungen wie der Klimawandel finanziert werden. Alles unter Berücksichtigung der ab dem Jahr 2020 geltenden Schuldengrenze. Dass dies mit dem vorgelegten Haushaltsentwurf gelinge, bezweifeln die Oppositionsfraktionen von CDU, FDP und PIRATEN. In den unterschiedlichen Kritikansätzen geht es um die Fragen der Steuerquellen, der Ausgabenschwerpunkte und der Besteuerung. Die Regierung und die sie tragenden Fraktionen von SPD und GRÜNEN verteidigen dagegen den vorliegenden Entwurf als solide und zukunftsgewandt.


Als Meilenstein hin zu einem ausgeglichenen Haushalt bezeichnete Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans (SPD) den Entwurf. NRW senke die Höhe neuer Schulden auf 2,4 Mrd. Euro - entgegen dem Stand von 6,6 Mrd. Euro beim Regierungswechsel. "Das ist konsequente Konsolidierungspolitik, ohne auf zukunftssichernde soziale, ökologische und wirtschaftsfördernde Politik zu verzichten", unterstrich der Finanzminister. Rot-Grün setze weiter auf den Dreiklang aus Sparen, Investieren und Mehreinnahmen. Bei letzteren sei aber auch der Bund gefragt. Insgesamt werde NRW seine Neuverschuldung bis zum Jahr 2017 auf 1,38 Mrd. Euro reduzieren. Als Schwerpunkte des Haushalts 2014 nannte Walter-Borjans unter anderem die Kommunen und die Bildung. Sparen werde NRW durch den Abbau von über 2.000 Stellen. Dabei gelte die Devise: Weniger Stellen nur dann, wenn auch der Aufgabenumfang abnehme.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Karl-Josef Laumann sprach von einem anspruchslosen Haushalt, der nur verwalte statt gestalte. Er lasse keine Finanzierung neuer Ideen oder wichtiger Fragen wie etwa der Inklusion erkennen. Es gebe offenbar auch zu wenige Gemeinsamkeiten zwischen SPD und GRÜNEN für gemeinsame Projekte. Deshalb herrsche zum Beispiel in der Energiepolitik Stillstand auf ganzer Linie. Auch die Wirtschaftspolitik, den sogenannten Kommunal-Soli und die Landesplanung fand Laumann kritikwürdig. Der Haushaltsentwurf 2014 lese sich als eine Politik des "Weiter so": mit einer unterdurchschnittlichen wirtschaftlichen Entwicklung, einer Aushöhlung der kommunalen Selbstverwaltung, einer zunehmenden Zahl von Arbeitslosen und einer Inklusion ohne Qualität. "Ich kann in Ihrer Haushaltspolitik auch nicht die Nachhaltigkeit im Hinblick auf die Schuldenbremse erkennen", sagte Laumann. Trotz knapp 5 Prozent mehr Steuereinnahmen als im Vorjahr komme Rot-Grün mit dem Geld nicht aus. Offenbar fehlten jegliche Handlungsspielräume. Die ließen sich nur erreichen, wenn man sich Strukturveränderungen öffne, die auch Beschäftigte im Richter- oder Lehramt, Polizistinnen und Polizisten sowie Staatsanwälte beträfen. Der Oppositionsführer appellierte an SPD und GRÜNE, die Vorschläge seiner Fraktion in den Haushaltsberatungen ernsthaft zu diskutieren.

Sie verlange Mehrausgaben, wende sich aber gleichzeitig gegen Mehreinnahmen, warf SPD-Fraktionschef Norbert Römer der CDU-Fraktion vor. Dies sei eine verantwortungslose Politik. Er vermisse einen Gegenentwurf zum vorgelegten Haushalt, der auch konkrete Sparvorschläge beinhalte. Römer betonte, die rot-grüne Landesregierung sei seit Regierungsübernahme Schritt für Schritt in Richtung Haushaltskonsolidierung vorangekommen. Gleichzeitig habe man notwendige Zukunftsinvestitionen vorgenommen. So wolle man im kommenden Jahr für die Förderung und Bildung von Kindern knapp 2 Mrd. Euro zur Verfügung stellen. Das sei doppelt so viel wie zu Zeiten der schwarz-gelben Koalition im Land. Im Übrigen habe diese in ihrer Amtszeit auch mehr als 100 Städte und Gemeinden in Nothaushalte getrieben. Dies versuche Rot-Grün seit 2010 wieder zu reparieren. In den letzten Jahren hätten die heutigen Oppositionsfraktionen überdies nichts dazu beigetragen, dass der Bund hier mehr Verantwortung übernehme. Des Weiteren hätten sie auch dabei zugesehen, als in Berlin nichts für eine Energiewende getan worden sei: "Die Politik von Frau Merkel in den letzten vier Jahren hat uns in Nordrhein-Westfalen erheblich geschadet." Für all diese Ausgaben seien strukturelle Mehreinnahmen nötig, unterstrich Römer. Hier dürfe sich die Opposition nicht länger verweigern.

Nordrhein-Westfalen befinde sich finanzpolitisch auf einem der Abstiegsplätze, zusammen etwa mit dem Saarland und Berlin, kritisierte Fraktionschef Christian Lindner (FDP). Und die Landesregierung zeige keine Bemühungen, daran etwas zu ändern, nicht einmal einen "Jota Nachdenklichkeit". Auch das von der Landesregierung eingesetzte Effizienzteam habe offenbar im Haushaltsentwurf 2014 nichts gefunden, vielleicht auch nicht mehr getagt. Auf jeden Fall gelte es, die strukturelle Ausgabenseite auf den Prüfstand zu stellen. Dabei stehe der "dicke Brocken der Personalausgaben" mitten im Zentrum. Auch Lindner kritisierte den Kommunal-Soli. Während die einen armen Kommunen weitere Schulden machen müssten, um die "Zwangsabgabe" zu entrichten, könnten davon noch ärmere Städte, wie zum Beispiel Essen, neue Fußballstadien bauen. "Damit werden die Bedürftigen von morgen bereits heute programmiert", kritisierte Lindner. Drei konkrete Beispiele griff er aus dem Haushaltsplanentwurf heraus, an denen, anders als dort niedergeschrieben, nicht gespart werden dürfe: die öffentliche Infrastruktur, auch wegen der großen Herausforderung Güterverkehr, außerdem die Bildung, konkret die Inklusion und der Vertretungsunterricht, und drittens die Hochschulen, deren Qualität unter zu geringen Ausgleichszahlungen trotz gestiegener Studentenzahlen leide.

"Wir sind jetzt in der normalen Taktung", stellte der GRÜNEN-Fraktionsvorsitzende Reiner Priggen fest. Nach dem durch die Neuwahl verspäteten Haushalt 2013 erreiche der aktuelle Entwurf pünktlich das Parlament. Er zeichne sich durch eine sparsame Haushaltslinie aus. Entgegen der CDU-Forderung könne man eben nicht beliebig viele neue Projekte starten - selbst wenn das wünschenswert wäre, lobte Priggen eine über die vergangenen Jahre stetig gesunkene Neuverschuldung. Was die Kritik an wachsenden Ausgaben trotz Steuerplus angehe, müsse man sich die betroffenen Posten genau ansehen: darunter 722 Mio. Euro für die Kommunen, 450 Mio. Euro für die Altersgrundsicherung und 210 Mio. Euro für den Hochschulpakt. Lediglich 7 Prozent der Mehrausgaben entfielen auf die originär in NRW gestaltete Politik, nämlich 110 Mio. Euro fürs Kinderbildungsgesetz. "Wenn das aber der ganze Luxus ist, den die beiden Fraktionen sich gönnen, dann kann man durchaus dazu stehen", fand Priggen. Insgesamt stehe die Haushaltsdebatte noch ganz unter dem Eindruck der jüngsten Bundestagswahl. Ob Infrastruktur, Kommunalfinanzen, Energiewende oder die Nutzung von ehemaligen Bundeswehrflächen, all das seien Hausaufgaben, die nun Berlin erledigen müsse, forderte Priggen: "Wir begleiten das von hier aus sicherlich kritisch und konstruktiv."

Den gleichzeitigen Anstieg von Armut bzw. Armutsrisiko einerseits und Reichtum andererseits prangerte Dr. Joachim Paul, Fraktionsvorsitzender der PIRATEN, an. Eine gerechte Gesellschaft brauche eine gerechte Teilhabe aller. Außerdem bedeute diese Entwicklung aufgrund der Steuergesetzgebung von Rot-Grün wie auch Schwarz-Gelb im Bund zu geringe Einnahmen für die öffentliche Hand, insbesondere für die Länder und die Kommunen. Dem Staat würden so systematisch die Mittel entzogen, um zum Beispiel die Infrastruktur an Straßen, Schulen und Universitäten zu erhalten. Leidtragende seien hier in erster Linie die Menschen, die auf diese staatlichen Leistungen angewiesen seien, weniger die Vermögenden. Vor diesem Hintergrund sprach sich Paul zum einen für eine stärkere Besteuerung großer Vermögen aus; dies treffe nur rund 1 Prozent der Bevölkerung. Zum anderen müssten auch die Banken herangezogen werden. Diese seien vom Staat, also der gesamten Gesellschaft, mit Unsummen gerettet worden und bauten gerade wieder neue Spekulationsblasen auf. Notwendig sei hier das Primat der Politik in der Regelsetzung ebenso wie gesellschaftlich sinnvolle und produktive Arbeit. In kurzfristigem Renditedenken, zu geringen Löhnen und befristeten Arbeitsverträgen sah Paul einen Ausdruck reinen Gewinnstrebens, das nachhaltig die Innovationskraft schädige.

Zur Gesamtbetrachtung gehörten auch positive Dinge, meinte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). So steige in NRW die Zahl der Erwerbstätigen sowie das Pro-Kopf-Einkommen. Außerdem habe NRW weit vor Bayern den höchsten Anteil an direkten internationalen Investitionen und die schlankeste Verwaltung aller Flächenländer. "Wir alle wissen, woran es mangelt", gestand Kraft aber auch zu. Es habe in der Debatte viele Vorschläge gegeben, was zu tun sei - allerdings keinen Vorschlag zur Finanzierung. Die Vision der Landesregierung sei klar: Das Land solle gerechter, kein Kind solle zurückgelassen werden. Eine vorsorgende Politik solle dafür sorgen, dass Haushalte nachhaltig saniert würden. Denn ein Staat, der heute in Bildung und Betreuung investiere, bekomme jeden Euro fast dreifach zurück. NRW könne von der Kinderbetreuung über die Kommunalfinanzierung bis hin zu Verkehrsprojekten beachtliche Erfolge vorweisen.


Tabelle 1: EINZELETATS (in Milliarden Euro)
Quelle: Finanzministerium NRW

Tabelle 1: EINZELETATS (in Milliarden Euro)

2014
Landtag
Ministerpräsident
Inneres und Kommunales
Justiz
Schule und Weiterbildung
Innovation, Wissenschaft, Forschung
Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport
Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr
Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur-, Verbraucherschutz
Arbeit, Integration und Soziales
Finanzministerium, -verwaltung
Landesrechnungshof
Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand, Handwerk
Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter
Allgemeine Finanzen
Summe
0,123
0,121
5,046
3,766
15,592
7,931
2,906
3,080
0,921
3,593
2,049
0,041
0,755
0,993
15,366
62,282


Tabelle 2: ECKDATEN DER HAUSHALTSENTWÜRFE 2012-2014
Quelle: Finanzministerium NRW

Tabelle 2: ECKDATEN DER HAUSHALTSENTWÜRFE 2012-2014 in Mrd. Euro
2013 einschließlich geplantem Nachtragshaushalt [Diagramm]




2012


2013


2014

Ausgaben laut Haushaltsplan
Steuereinnahmen
Schuldenaufnahme netto
Eigenfinanzierte Investitionen
Zinsausgaben
Personalausgaben
58,9
43,1
4,3
5,1
4,2
22,0
60,4
44,8
3,3
4,3
4,0
22,7
62,3
47,0
2,4
4,3
3,7
23,2


Kasten:

DATEN UND FAKTEN

Den im Etatentwurf 2014 (Drs. 16/3800) geplanten Ausgaben von rund 62,3 Mrd. Euro stehen unter anderem ein Steueraufkommen von 47,0 Mrd. Euro sowie zusätzliche Einnahmen von 12,7 Mrd. Euro gegenüber. Der Entwurf sieht vor, die Neuverschuldung auf 2,4 Mrd. Euro zu verringern. Das Kabinett hat sich auf Einsparungen von insgesamt 865 Mio. Euro verständigt. In Zusammenhang mit dem Haushaltsgesetz werden unter anderem die mittelfristige Finanzplanung 2013 bis 2017 (Drs. 16/3801), das Gemeindefinanzierungsgesetz 2014 (Drs. 16/3802) sowie ein Nachtragshaushalt für das laufende Jahr (Drs. 16/4000) beraten. Durch letzteren sinke die veranschlagte Neuverschuldung des Landes für 2013 um 37,5 Mio. Euro auf 3,35 Mrd. Euro, so die Landesregierung.

Als nächstes werden die vier Beratungsgegenstände in den Fachausschüssen im Detail diskutiert. Außerdem nehmen Sachverständige Stellung (am 11.10. zum Gemeindefinanzierungsgesetz, am 15.10. zum Stärkungspaktgesetz, am 5.11. zum Personalhaushalt, am 7.11. zum Haushaltsgesetz sowie zum Nachtragshaushalt), bevor das Plenum des Landtags in zweiter und dritter Lesung über den Haushalt berät und schließlich entscheidet. Vorgesehen sind hierfür die Plenarsitzungen vom 27. bis 29.11. sowie am 18./19.12.2013.

*

Quelle:
Landtag intern 9 - 44. Jahrgang, 16.10.2013, S. 6-8
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. November 2013