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NORDRHEIN-WESTFALEN/2071: Der Meisterbrief soll bleiben (Li)


Landtag intern 1/2014
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Der Meisterbrief soll bleiben
Die EU stellt ihn infrage, eine "supergroße Koalition" wehrt sich dagegen

Von Sonja Wand



18. Dezember 2013 - Die Europäische Union will Zugangsbeschränkungen zum Arbeitsmarkt in den einzelnen EU-Ländern abbauen und hat im Zuge dessen die deutsche Meisterpflicht im Visier. Hierzulande muss in vielen handwerklichen, potenziell gefährlichen Berufen den Meisterbrief haben, wer sich selbstständig machen und Lehrlinge ausbilden will. SPD, CDU, GRÜNE und FDP pochen in einem gemeinsamen Antrag (Drs. 16/4574) auf den Stellenwert der Meisterpflicht für das Handwerk, die PIRATEN wollen die Überprüfung durch die EU konstruktiv begleiten.


Es gehe den vier Fraktionen darum, in Richtung Brüssel deutlich zu machen: "Deutschland und ganz besonders Nordrhein-Westfalen stehen zum Handwerk und zum Meisterbrief", unterstrich Thomas Eiskirch (SPD). Das Qualitätsmerkmal Meisterbrief sei ein entscheidendes Kriterium für die viel gelobte duale Ausbildung in Deutschland: Der Ausbilder bringe eben einen gewissen Erfahrungshorizont mit, der im Übrigen auch den Verbraucherinnen und Verbrauchern als Qualitätssiegel diene. Außerdem seien bereits einige Berufsfelder von der Meisterpflicht befreit worden. Nun gelte es, die knapp zehn Jahre alte Handwerksordnung zu überprüfen und zu novellieren.

Rainer Spiecker (CDU) verwies auf "dramatische Folgen" der damaligen Handwerksnovelle, bei der etwa für Unternehmer im Fliesenlegerhandwerk keine Meisterpflicht mehr gilt. Sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze schafften Ein-Mann- Betriebe eher nicht. Schlimmer noch: Weniger Meisterbetriebe bedeuteten auch weniger Ausbildungsplätze im Handwerk. Die aber seien ein wesentlicher Grund für die in Deutschland geringe Jugendarbeitslosigkeit. Es sei schon fast schizophren, wenn die EU sechs Milliarden Euro zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ausgebe, auf der anderen Seite aber die Axt an das hiesige duale Ausbildungssystem lege.

Daniela Schneckenburger (GRÜNE) sah im Meisterabschluss einen Wettbewerbsvorteil, auch im europäischen Vergleich. Dies beziehe sich nicht nur auf die Qualität der Leistung, sondern auch der Aus- und Weiterbildung. "Qualität ist aus unserer Sicht ein wichtiges Merkmal nachhaltigen Wirtschaftens", sagte die GRÜNE. Trotzdem habe es damals gute Gründe gegeben, 41 von 94 Handwerksberufen von der Meisterpflicht zu befreien. Umso wichtiger sei aber nun die Evaluation, denn die gestiegene Zahl der Unternehmen sei zwar zu begrüßen, aber nur, wenn diese sich auch dauerhaft wirtschaftlich entwickeln könnten.

"Europa kann nicht bedeuten, dass es hier um Gleichmacherei geht", meinte Ralph Bombis (FDP). Vielmehr könnten die Mitgliedstaaten voneinander lernen und von den Stärken der anderen profitieren. Der Meisterbrief etwa bedeute Befähigungsnachweis und Qualitätssiegel. Er bringe nicht nur erfolgreiche Unternehmen und qualifizierte Fachkräfte mit sich. Er sporne auch junge Menschen an, sich zu engagieren und weiterzuentwickeln. Bombis bekannte sich darüber hinaus auch zur mittelständischen Struktur in NRW. Der Mittelstand dürfe nicht durch zu starke Abgaben und Bürokratie immer weiter belastet werden.

"Offensichtlich haben Sie kein Interesse an einer neutralen Überprüfung. Sie haben sich politisch bereits festgelegt", deutete Daniel Schwerd (PIRATEN) die Tatsache, dass ein Satz aus dem Antrag der anderen vier Fraktionen wortgleich in der Deutschen Handwerkszeitung erschienen war. "Mir ist diese supergroße Koalition jedenfalls suspekt", fügte er hinzu. Es werde versucht, jede Veränderungsidee im Keim zu ersticken. Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass der Meisterbrief tatsächlich die beste Lösung sei, sei die Initiative der EU völlig legitim, meinte Schwerd und plädierte für Transparenz in den jeweiligen nationalen Berufsreglementierungen in Europa.

Handwerksminister Garrelt Duin (SPD) verwies auf die Verantwortungskultur der Familienunternehmen, die im Handwerk häufig vorkämen. Auch kulturelles und ehrenamtliches Engagement werde hier großgeschrieben. Nicht zuletzt seien es die Meisterbetriebe des Handwerks, die die Energiewende konkret in Unternehmen und Haushalten umsetzten. Das Handwerk trage Wirtschaft und Gesellschaft, stärke mehr als alle anderen Wirtschaftsbereiche das duale Ausbildungssystem sowie den Fachkräftenachwuchs und sei Wohlstands- und Wachstumsgarant - Grund genug für den Minister, den Meisterbrief gegenüber der EU zu verteidigen.


ANGENOMMEN
Der Landtag hat den Antrag (Drs. 16/4574) mit den Stimmen von SPD, CDU, GRÜNEN und FDP bei Enthaltung der Piratenfraktion angenommen.

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Quelle:
Landtag intern 1 - 45. Jahrgang, 29.1.2014, S. 9
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. März 2014