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NORDRHEIN-WESTFALEN/2105: Garzweiler II - Streit über Verzicht auf Umsiedlung (Li)


Landtag intern 5/2014
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Plenum
Gewinn- oder Verlustgeschäft?
Garzweiler II: Streit über Verzicht auf Umsiedlung

Von Christoph Weißkirchen



9. April 2014 - Die Landesregierung will den Tagebau Garzweiler II verkleinern. Um Klarheit und Verlässlichkeit zu gewährleisten, müsse man eine entsprechende neue Leitentscheidung vorbereiten, begründete Ministerpräsidentin Kraft den nun gefassten Beschluss in einer Unterrichtung des Landtags. Dies bedeute keine Gefahr für die sichere Versorgung mit Braunkohle. Zu diesem Zeitpunkt sei eine solche Entscheidung nicht nötig gewesen, kritisierte hingegen die FDP. Ebenso wie die CDU befürchtet sie den Verlust tausender Arbeitsplätze (Antrag Drs. 16/5473). Ein schnellstmögliches Ende der Förderung forderten die PIRATEN.


"Die Landesregierung stellt mit ihren Entscheidungen klar, dass die Fortführung des Tagebaus Garzweiler II bis mindestens 2030 sicher ist", betonte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Dies bedeute die Umsiedlung der Erkelenzer Ortschaften des dritten Umsiedlungsabschnitts, also immerhin von 1.620 Menschen. Aufgrund der Emissionsziele und der Effizienzsteigerungen wolle man aber auf den vierten Umsiedlungsabschnitt verzichten. Auch ein kleineres Abbaufeld Garzweiler II werde ausreichen, den Kohlebedarf über Jahrzehnte zu decken. Ein solches Maß an Investitions- und Planungssicherheit gebe es in keiner anderen Industriebranche, betonte Kraft.

Der Braunkohleabbau bedeute Arbeit am Wohlstand der Menschen sowie an der industriellen Wettbewerbsfähigkeit Nordrhein-Westfalens, betonte der CDU-Fraktionsvorsitzende Armin Laschet. Dabei müsse man zwischen dem Erhalt der Arbeitsplätze, dem Verlust der Heimat und den Schäden an der Natur abwägen. Die CDU habe den Ausstieg aus der heimischen Steinkohle beschlossen und auch die Energiewende eingeleitet, so Laschet. Diese aber gelinge nur mit der Braunkohle. Eine Tagebauentscheidung, existenziell für NRW, betreffe Bezahlbarkeit der Energie, Versorgungssicherheit und Klimaschutz. Daher könne man sie nicht nur aus Gründen des Koalitionsfriedens treffen.

Sie habe damit die Zustimmung der GRÜNEN für andere Projekte erkauft, kritisierte Christian Lindner, FDP-Fraktionschef, die Ministerpräsidentin für die Entscheidung. Noch im Januar habe Kraft betont, die Regierung strebe keine Verkleinerung von Garzweiler II an. Eine erneute koalitionsinterne Diskussion sei unnötig gewesen. Nun folge die SPD einer grünen Schönwetter-Energiepolitik und gefährde Versorgungssicherheit und bezahlbaren Strom. Mittlerweile rechne auch der zuständige Bundesminister Gabriel mit dramatisch steigenden Energiekosten. Daher lehne die FDP eine Entscheidung zulasten des einzigen rentablen heimischen Energieträgers ab.


Planungssicherheit

Die Entscheidung gebe der Braunkohleindustrie Planungssicherheit, betonte Fraktionschef Norbert Römer (SPD) den vorgesehenen Zeitraum von mindestens zwei Jahrzehnten: "In den nächsten 15 Jahren können auch weiter rund 100 Millionen Tonnen Braunkohle jährlich gefördert werden." Eine effizientere und umweltschonendere Braunkohleverstromung bedeute aber einen geringeren Bedarf. Daher genüge die kleinere Abbaufläche. Die Landesregierung wolle die Region, die Menschen im Rheinischen Revier und die betroffenen Unternehmen frühzeitig auf den bevorstehenden Wandel vorbereiten. Insofern sichere der jetzige Beschluss die Arbeitsplätze und die Energiewende.

Es sei "hanebüchener Quatsch", dass der Beschluss zehntausende Arbeitsplätze gefährde, meinte auch Reiner Priggen, Vorsitzender der Grünen-Fraktion, und verwies auf die Kohlereserve von 3,2 Milliarden Tonnen in den Tagebauen Inden, Hambach und Garzweiler. Die Förderung könne also noch mindestens 29 Jahre bei gleicher Leistung weiterlaufen. CDU und FDP spielten dennoch mit den Ängsten der Beschäftigten, kritisierte Priggen. Die Entscheidung gegen den vierten Umsiedlungsabschnitt sei menschlich notwendig gewesen. Jetzt sei es Aufgabe der Landespolitik sicherzustellen, dass der bevorstehende dritte Umsiedlungsabschnitt nicht als Sparversion ablaufe.

Arbeitsplätze ließen sich nicht mit einer veralteten Technik erhalten, wandte sich Kai Schmalenbach (PIRATEN) gegen die fortgesetzte Nutzung der Braunkohle. Der aktuelle Beschluss bedeute, dass die schmutzigsten, ältesten und klimaschädlichsten Kraftwerke am Netz blieben, während vergleichsweise klimafreundliche Gaskraftwerke abgeschaltet würden. Die jetzige Entscheidung sei demzufolge zwar gut für den Ort Holzweiler, aber schlecht fürs Klima. Ein Gelingen der Energiewende erfordere ein schnelleres Ende der Braunkohle und der "Dinosaurier-Kraftwerke". Durch regenerative Energieträger würden mehr Arbeitsplätze entstehen als wegfallen, war der PIRATEN-Sprecher überzeugt.


ABGELEHNT
Den Antrag von CDU und FDP (Drs. 16/5473) lehnte der Landtag mehrheitlich gegen die Stimmen von CDU, FDP und des fraktionslosen Abgeordneten Stein ab.

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Quelle:
Landtag intern 5 - 45. Jahrgang, 14.5.2014, S. 5
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juni 2014