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NORDRHEIN-WESTFALEN/2111: Acht Jahre Gymnasium - acht Jahre Stress? (Li)


Landtag intern 5/2014
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Plenum
Acht Jahre Gymnasium - acht Jahre Stress?
Im Vorfeld des Runden Tischs pocht die FDP auf Zielsetzungen

Von Sonja Wand



10. April 2014 - Anfang Mai soll der Runde Tisch zur gymnasialen Schulzeitverkürzung von neun (G9) auf acht Jahre (G8) zusammenkommen. Auf Initiative der Schulministerin geht es dann um eine Optimierung des G8. Der Vorsitzende der NRW-CDU, Armin Laschet, zeigte sich im Vorfeld der Debatte offen für eine Rückkehr zu G9. Die FDP ist alarmiert und mahnt in einem Antrag (Drs. 16/5472), der Runde Tisch dürfe nicht erneut jahrelange Umstrukturierungen an den Gymnasien zur Folge haben.


Bisher habe es keinen einzigen Verbesserungsvorschlag zum G8 gegeben, kritisierte Yvonne Gebauer (FDP). Vor diesem Hintergrund begrüßte sie zwar den angekündigten Runden Tisch, forderte aber spürbare Verbesserungen, etwa mehr fachliche Hausaufgabenbetreuung. Diese sei mit individueller Förderung und Vertiefung zu koppeln. Eine Alternative zur Schulzeitverkürzung sah sie nicht: "Das alte G9 existiert so nicht mehr." Zum nachmittagsfreien Gymnasium könne man gar nicht zurück. Dem G8 würden allerdings auch Probleme zugeschrieben, die andere Ursachen hätten. Gebauers Credo: Die Jugendlichen fordern, aber nicht überfordern.

Eva-Maria Voigt-Küppers (SPD) bewertete den Antrag der FDP als durchsichtigen Versuch, Ergebnisse des Runden Tischs vorwegzunehmen. Dabei sei dieser doch gerade der Rahmen, um die Positionen aller Beteiligten zu hören, bevor man ein abschließendes Urteil fälle. Nun aber solle der Landtag vor Beginn der Gespräche bereits ein Votum abgeben. "Was haben Sie eigentlich für ein Verständnis von Beteiligung?", fragte sie die FDP-Sprecherin. Einen Schnellschuss anstelle einer wohlüberlegten Debatte lehnte sie ab. Bereits die Einführung des G8 durch Schwarz-Gelb sei ein solcher Schnellschuss gewesen - mit den bekannten Folgen.

"Die Zeit des vierjährigen Nichtstuns und Zusehens muss beendet werden", forderte Klaus Kaiser (CDU). Es gebe weder Bilanz noch Bericht zum G8, sondern seit dem Jahr 2010 nur ein paar Internetpräsentationen und Tagungen des Ministeriums. Zwar hätten einzelne Schulen wunderbare Konzepte mit hoher Zufriedenheit bei allen Betroffenen geschaffen. Es sei aber völlig offen, wie viele Gymnasien solches umsetzen könnten. Verbesserungsbedarf gebe es jedenfalls nach wie vor bei der Stundenplangestaltung, der Koordination der Kerncurricula und der Hausaufgaben. Kaiser sprach sich dafür aus, auch einen offenen Ganztag zu diskutieren.


Entlastungen

"Wer hat denn damals von jetzt auf gleich in einem übereilten Verfahren gegen den Rat aller Expertinnen die Schulzeitverkürzung in dieser Art und Weise den Schulen vor die Füße geworfen?", erinnerte Sigrid Beer (GRÜNE) CDU und FDP ans Verursacherprinzip. Mensen, Schulbücher und Curricula hätten gefehlt. Die Abgeordnete plädierte dafür, noch einmal zu überprüfen, was im Gymnasium wirklich verstanden werden müsse und was auch vergessen werden könne. Auch eine andere Rhythmisierung des Tages sei wichtig, um diejenigen, die heute zur Schule gingen, wirklich zu entlasten - jenseits der generellen Entscheidung für G8 oder G9.

"Wir müssen nach vorne schauen", meinte Monika Pieper (PIRATEN). Kritisch sah sie eine möglichst frühe Verwertbarkeit von Menschen als Human Ressources für die Wirtschaft - denn das sei der Grund für G8 gewesen. Gerade im jugendlichen Alter gehe es aber um Persönlichkeitsentwicklung und dafür bräuchten Schülerinnen und Schüler einfach Zeit. Weil es verschiedene Lernbiografien gebe, forderte Pieper ein flexibles Nebeneinander von G8 und G9 sowie eine fließende Schullaufbahn. Im jetzigen G8 gelte es, den Ganztag auszubauen, Lehrpläne zu verschlanken und die Stoffverteilung zu überprüfen. Diese FDP-Forderungen seien richtig.

Einen Dialog über die Fortführung der Schulzeitverkürzung gebe es seit Beginn ihrer Amtszeit, betonte Schulministerin Sylvia Löhrmann (GRÜNE). Ziel des Runden Tisches sei es, sich offen über die Lage im Land zu verständigen. Sie freue sich darauf, trotz der enormen Kraftanstrengung. Die Haltung "Augen zu und durch" helfe jedenfalls genauso wenig wie vorschneller Aktionismus und alles über Bord zu werfen. Mit Blick auf die CDU meinte Löhrmann: Wer Fortbildungen gestrichen und das die Schulen unterstützende Landesinstitut abgeschafft habe, dürfe sich jetzt nicht darüber beklagen, dass Maßnahmen nicht schnell genug griffen.


ARBEITSPROZESS
In direkter Abstimmung lehnte eine Landtagsmehrheit aus SPD, CDU und GRÜNEN den Antrag der FDP (Drs. 16/5472) ab. Die FDP stimmte für ihn, die PIRATEN enthielten sich. Inzwischen wurden am runden Tisch drei Arbeitsgruppen eingesetzt, die dem Landtag im Herbst ihre Ergebnisse zur Umsetzung der Schulzeitverkürzung, zu Entlastungsmöglichkeiten für die Jugendlichen und zum Verhältnis Schule - Freizeit präsentieren sollen.

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Quelle:
Landtag intern 5 - 45. Jahrgang, 14.5.2014, S. 11
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Juni 2014