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NORDRHEIN-WESTFALEN/2152: Bei Wirtschaftsschwäche investieren - aber woher das Geld nehmen? (Li)


Landtag intern 9/2014
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Bei Wirtschaftsschwäche investieren... aber woher das Geld nehmen?
Disput über Einnahmen und Ausgaben

Von Christoph Weißkirchen



23. Oktober 2014 - Einen steigenden Investitionsbedarf, auch angesichts sinkender Wachstumsraten, sahen alle Fachleute bei der Anhörung zum Landeshaushalt 2015. Meinungsunterschiede gab es bei der Frage, ob sich das Land auf die Ausgaben- oder die Einnahmeseite konzentrieren solle.


Durch den Nachtragshaushalt und die damit verbundene Steigerung der Schuldenaufnahme verliere das Land mit Blick auf die ab 2020 geltende Schuldenbremse ungefähr ein Jahr, analysierte Ralph Brügelmann vom Institut der deutschen Wirtschaft. Hinzu komme eine Verschlechterung der bislang guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, dies werde auch zu einer Abschwächung des Steueraufkommens führen. Allerdings handele es sich aus seiner Sicht hier um einen eher punktuellen und nicht dauerhaften Einbruch.

Die Stimmung in den Unternehmen habe sich stark eingetrübt, ergänzte Dr. Matthias Mainz von der Industrie- und Handelskammer NRW. Und schon in der Vergangenheit sei die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen langsamer gewachsen als im Bundestrend. Vor diesem Hintergrund forderte er, die Landesregierung müsse die Grundlagen der wirtschaftlichen Entwicklung sichern. Die mangelnden Investitionen ließen sich zum Beispiel jeden Tag auf den Straßen in NRW ablesen; die Verkehrsinfrastruktur verfalle in dramatischem Ausmaß.

Um Geld für die notwendigen Zukunftsinvestitionen zu haben, müsse man bei rein konsumtiven Ausgaben sparen, forderte Johannes Pöttering (unternehmer.nrw). Denn insgesamt sei es notwendig, am Konsolidierungskurs festzuhalten, da Verschuldung die Spielräume für Investitionen einschränke. Allerdings habe die Landesregierung noch keinen verbindlichen Konsolidierungspfad zu einem ausgeglichenen Haushalt im Jahr 2020 vorgelegt.

Im Jahr 2015 wolle das Land rund eine Milliarde weniger ausgeben als im laufenden Jahr, erläuterte Andreas Meyer-Lauber (DGBNRW). In der Vergangenheit habe man vor allem bei Personal und Investitionen gespart. Auch jetzt sei vorgesehen, 808 Planstellen zu streichen. Anders als sein Vorredner sprach sich Meyer-Lauber dafür aus, die finanzpolitischen Herausforderungen von Schuldenbremse einerseits, Investitionen in Bildung und Infrastruktur andererseits durch Änderungen auf der Einnahmeseite anzugehen. Gerechtigkeit bedeute zum Beispiel, das Vermögen der Reichsten wieder zu besteuern, die Erbschaftssteuer zu erhöhen sowie den Spitzensteuersatz anzuheben. Ebenso müssten die Transferleistungen des Bundes sowie der Länderfinanzausgleich gerechter organisiert werden.

Als "ambitioniert" wertete Dr. Sebastian Gechert (Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung) die geplante Senkung der Nettoneuverschuldung um 1 Milliarde Euro im kommenden Jahr. Da die Einsparmöglichkeiten begrenzt seien, brauche der Landeshaushalt zusätzliche Einnahmen. Diese sah Gechert in einer Anhebung der Grunderwerbssteuer. Zudem gebe es bei der Umsetzung der Schuldenbremse in Landesrecht einen großen Handlungsspielraum. Auf jeden Fall müsse man bei der Verschuldung konjunkturbedingte Faktoren herausrechnen, um die strukturelle Neuverschuldung zu ermitteln.

Der von der Landesregierung angestrebte Schuldenabbaupfad sei in dieser Form nicht zu halten, befürchtete Manfred Lehmann (Deutsche Steuer-Gewerkschaft). Man müsse vor allem die Einnahmen des Landes stabilisieren. Dazu sei eine funktionierende Finanzverwaltung zwingend erforderlich. Nach Jahren der Personaleinsparungen könnten durch Neueinstellungen in der Finanzverwaltung, dem Landesamt für Besoldung und Versorgung sowie dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes mittlerweile sogar Einnahmeverbesserungen erzielt werden.

In den vergangenen gut vier Jahren habe die Landesregierung so gut wie nichts getan, um für den Fall von Mehrausgaben und Mindereinnahmen gewappnet zu sein, kritisierte Heinz Wirz (Bund der Steuerzahler). Nach seiner Auffassung habe man im Haushaltsentwurf 2015 die Steuereinnahmen zu hoch und Ausgaben zu niedrig angesetzt. Außerdem fehlten strukturelle Einsparungen. Wahrscheinlich sei auch im kommenden Jahr wieder ein Nachtragshaushalt notwendig.


Gemeindefinanzierungsgesetz 2015
Der Finanzausgleich sei insgesamt nicht richtig dotiert, kritisierte der Städtetag NRW den Entwurf des GFG 2015 in einer Stellungnahme zur entsprechenden Anhörung. Dem ließe sich durch eine Verbreiterung der Verbundgrundlagen abhelfen. Außerdem befürchtet er weitere Verschiebungen zulasten der großen und größeren Städte.
Gegen ein System der "Einwohnerveredelung" einwohnerstarker Städte wandten sich dagegen der Landkreistag NRW sowie der Städte- und Gemeindebund NRW in einer gemeinsamen Stellungnahme. So würden auch im neuen GFG (reale) Ausgaben der größeren Städte als Bedarf anerkannt und bei der Berechnung der Steuerkraft erhebliche Einnahmevorteile "weggerechnet".

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Quelle:
Landtag intern 9 - 45. Jahrgang, 5.11.2014, S. 15
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Januar 2015


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