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NORDRHEIN-WESTFALEN/2158: Ärger über Pkw-Maut eint Fraktionen (Li)


Landtag intern 10/2014
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

Ärger über Pkw-Maut eint Fraktionen
Aktuelle Stunde zu geplantem Gesetz auf Antrag von FDP und PIRATEN

Von Michael Zabka



6. November 2014 - Der Landtag hat sich in einer Aktuellen Stunde mit der geplanten Einführung einer Pkw-Maut auf Bundesfernstraßen beschäftigt. Dies hatten PIRATEN und FDP beantragt. Die PIRATEN warnen vor einer "Totalüberwachung der Bevölkerung", weil Kennzeichen von Fahrzeugen erfasst und ausgewertet werden sollen. Die FDP fürchtet vor allem massive Umsatzeinbußen für Tourismus, Gastronomie und Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen.


Bereits kurz nach Vorstellung der Pläne hätten Datenschützer "intensiv vor der für die Pkw-Maut benötigten Überwachungsinfrastruktur gewarnt", hieß es im Antrag der PIRATEN (Drs. 16/7213). Außerdem werde die Maut "echte Lösungen gegen den Verfall der Infrastruktur blockieren". Das Konzept enthalte "weder Steuerungsfunktionen noch eine Lenkungswirkung". Die erwarteten Einnahmen stünden in keinem Verhältnis zum Aufwand.

Für den Wirtschaftsstandort NRW hätte das Gesetz erhebliche Umsatzeinbußen zur Folge, weil Besucher aus dem benachbarten Ausland fernblieben, schrieb die FDP-Fraktion in ihrem Antrag (Drs. 16/7214). Die vorgesehene Aussetzung der Maut auf Bundesstraßen sei nur "ein Tropfen auf den heißen Stein", da Besucher aus den Nachbarländern auch über die Autobahnen nach NRW kämen - gerade in nicht-grenznahe Regionen wie beispielsweise das Sauerland. Die Interessen Nordrhein-Westfalens seien bei der Formulierung des Gesetzes nicht ausreichend berücksichtigt worden.

Der "Patientin Infrastruktur" gehe es nicht gut, sagte Oliver Bayer (PIRATEN). Die geplante Pkw-Maut sei allerdings völlig sinnfrei und nur ein "Placebo". Als Gipfel bezeichnete Bayer, dass die gewonnenen Fotos und genauen Daten aus der Kennzeichenerfassung 13 Monate lang gespeichert werden sollen. Er sprach von einer "Vorratsdatenspeicherung für Bewegungsprofile", der sich niemand entziehen könne, von einem "teuren und ineffektiven Bürokratie- und Datenmonster".

FDP-Fraktionschef Christian Lindner nannte die Maut einen "Frontalangriff auf den gesunden Menschenverstand", den "Gipfel der Dada-Politik" und die "bürokratischste Idee seit Einführung des Dosenpfands". Es handle sich um eine Trophäe, die die CSU an bayrischen Stammtischen vorzeigen wolle. Lindner befürchtet nun ein "Maut-Wettrüsten" in den Nachbarländern. Zu den Verlierern zählt er den Standort NRW, aber auch Europa, da durch die Maut wieder Grenzen geschaffen würden.

Die Pkw-Maut sei ein "Projekt für bayrische Stammtische und Bierzelte", befand auch Jochen Ott (SPD). Sein Urteil: "Politik zum Abgewöhnen." Sinnvoller sei es, die Lkw-Maut auszuweiten, da der schlechte Zustand vieler Straßen vor allem auf Lastwagen zurückzuführen sei. Außerdem bezweifelte er, dass die gewünschten Einnahmen überhaupt erzielt werden könnten. Die SPD-Bundestagsfraktion solle da "genau nachrechnen". Er hoffe auf viele Verbesserungen im Gesetz, sagte Ott.

"Keine Pkw-Maut wäre sicher die beste Lösung", sagte Klaus Voussem (CDU). Aber: "Verträge müssen eingehalten werden." Und am Koalitionsvertrag könne und wolle man nicht rütteln. Die Pkw-Maut habe ursprünglich für alle Straßen gelten sollen, dagegen habe sich die NRW-CDU gesperrt und auf diese Weise "Schaden von Nordrhein-Westfalen abgewendet". Von Anfang an sei klar gewesen, dass die CDU das grenzüberschreitende Leben mit Nachbarn fördern und Autofahrer nicht belasten wolle.


"Murks-Maut"

Rudolf Beu (GRÜNE) hob den bürokratischen Aufwand hervor. Rund 500 neue Stellen seien erforderlich. "Eine einmal geschaffene Verwaltung wird so gut wie nie wieder abgeschafft." Die Maut behindere das "gelebte Europa", sie bedrohe Arbeitsplätze im Tourismus. Beu: "Wenn alle sagen, 'Lasst den Blödsinn', dann sollte man endlich die Notbremse ziehen." Seine Fraktion empfehle, die Lkw-Maut aufs gesamte Straßennetz auszudehnen und auch kleinere Lastwagen einzubeziehen.

"Murks-Maut bleibt Murks-Maut", erklärte Verkehrsminister Michael Groschek (SPD). Auch er sprach sich für eine "verbreiterte und vertiefte Lkw-Maut" aus. Eine Digitalisierung des Verkehrssystems lehnte der Minister dagegen nicht grundsätzlich ab. Beispielsweise sei die Digitalisierung von Straßen erforderlich, um Kapazitäten besser nutzen zu können. Gefahren müssten benannt werden, es gelte der Grundsatz: "Chancen nutzen, Risiken abwägen, Vernunft walten lassen."

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Quelle:
Landtag intern 10 - 45. Jahrgang, 3.12.2014, S. 5
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Januar 2015


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