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NORDRHEIN-WESTFALEN/2174: NRW rüstet sich gegen den Terror (Li)


Landtag intern 2/2015
Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

PLENUM
NRW rüstet sich gegen den Terror
Nachtragsetat: Mehr Personal für die Sicherheitsbehörden

Von Christoph Weißkirchen, Michael Zabka, Wibke Busch


18./20. März 2015 - Mit Blick auf eine verdichtete Gefährdungslage stockt das Land das Personal bei Polizei und Verfassungsschutz auf. Der Landtag verabschiedete mit den Stimmen von SPD und GRÜNEN einen Nachtragshaushalt, mit dem dafür 1,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. CDU und FDP enthielten sich, die PIRATEN stimmten dagegen.


Die Landesregierung reagiert mit dem Nachtragsetat auf die Anschläge von Paris und Kopenhagen sowie das vereitelte Attentat im belgischen Verviers. In diesem Jahr werden 25 zusätzliche Planstellen für den Verfassungsschutz und 120 Einstellungsermächtigungen für Polizeianwärterinnen und -anwärter finanziert. Bis 2017 sollen insgesamt 385 zusätzliche Beamte eingestellt werden. Die Mehrausgaben werden demnach unter anderem durch zusätzliche Einnahmen gedeckt. Die Nettoneuverschuldung liegt unverändert bei 1,9 Milliarden Euro bei einem Haushaltsvolumen von 64,3 Milliarden Euro. Änderungsanträge der Oppositionsfraktionen fanden keine Mehrheit.

Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans sagte, dass die Landesregierung seit Ende 2014 eine veränderte Sicherheitslage sehe, die bei Verabschiedung des Haushalts nicht vorherzusehen gewesen sei. Zudem sei die Zahl "terrorbereiter Personen" deutlich gestiegen. Die Sicherheitsbehörden gingen von rund 300 Islamisten aus. Allein die Beobachtung eines Einzigen binde eine Vielzahl von Polizisten. Der Minister dankte allen fünf Fraktionen, dass der Haushalt in einem verkürzten Verfahren bereits zwei Tage nach der Einbringung verabschiedet werden könne.

Es sei die wichtigste Aufgabe des Staates, die innere und äußere Sicherheit zu gewährleisten, betonte Dr. Marcus Optendrenk (CDU). Ohne sie fehle das Fundament für eine freiheitliche Gesellschaft. Daher stimme seine Fraktion ausnahmsweise der verkürzten Beratung über den Nachtragsetat zu. Dr. Optendrenk appellierte zugleich an die Regierungsfraktionen von SPD und GRÜNEN, Diskussionen über eine Strukturreform der Polizei zu beenden. Dies führe nur zu Ablenkungen und Verunsicherung. Die Polizei brauche aber Zeit und Ruhe, um ihre Aufgaben wahrzunehmen.


"Treten keinen Schritt zurück"

"Hinter dem sperrigen Titel 'Nachtragshaushalt' verbirgt sich eine Stärkung der inneren Sicherheit unseres Landes", sagte Thomas Stotko (SPD). Nach den jüngsten Anschlägen sowie aufgrund der Bedrohung durch Salafisten könne niemand etwas dagegen haben, die Sicherheitsbehörden zu verstärken. Für den Verfassungsschutz habe man bereits im regulären Haushalt 29 zusätzliche Stellen vorgesehen, nun kämen 25 dazu. Der Nachtragshaushalt sei als ein Signal an die Menschen und an "Gewaltbereite" zu verstehen, sagte Stotko: "Wir treten keinen Schritt zurück."

Die Begründung für den Nachtragshaushalt sei auf den ersten Blick schlüssig, meinte Marc Lürbke (FDP). Dennoch sei die geplante Verstärkung der Sicherheitsbehörden nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, sie werde zu keiner nachhaltigen Entlastung der Kreispolizeibehörden führen. Rot-Grün vermenge lediglich aktuelle und strukturelle Aufgaben. Die Polizei schiebe bereits jetzt vier Millionen nicht ausgeglichene Überstunden vor sich her. Die FDP habe stets 300 zusätzliche Stellen für Polizeianwärterinnen und -anwärter gefordert, um die Sicherheit zu gewährleisten.

Paris, Kopenhagen, Verviers - dies seien Stationen von Anschlägen auf tragende Werte der demokratischen Gesellschaft, erklärte Martin-Sebastian Abel (GRÜNE). Sie zeigten eine neue Qualität des Terrors und schafften überdies Vorbilder für mögliche Nachahmungstäter. So drohe durch rund 1.900 Salafisten auch in NRW Gefahr, insbesondere durch Rückkehrer aus den Kriegsgebieten im Nahen Osten. Deren Überwachung binde Ressourcen. Notwendig sei eine Aufstockung der Polizei, aber keine voreilige Verschärfung der Sicherheitsgesetze zulasten der Freiheit.

Dietmar Schulz (PIRATEN) bemängelte, dass die geplanten Maßnahmen nur als "Imagekampagne" für den Innenminister dienten. Zudem werde aktuell die Sicherheitslage nicht verbessert, da es sich bei den vorgeschlagenen Beschlüssen nur um Umschichtungen von vorhandenem Personal handele. Neue Anwärterinnen und Anwärter für den polizeilichen Dienst könnten frühestens ab dem 1. September eingestellt und dann ausgebildet werden. Mehr Sicherheit gebe es also erst in drei bis vier Jahren. Daher lehnten die PIRATEN den jetzt eingebrachten Nachtragshaushalt ab.

Eine veränderte Sicherheitslage bedinge, dass man neue Sicherheitsstrukturen schaffen müsse, betonte demgegenüber Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Dass nicht genügend Polizistinnen und Polizisten zur Verfügung stünden, läge auch daran, dass unter der schwarz-gelben Vorgängerregierung nicht genügend Anwärter eingestellt worden seien.

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Quelle:
Landtag intern 2 - 46. Jahrgang, 18.3.2015, S. 3
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Mai 2015

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