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NORDRHEIN-WESTFALEN/2243: Zum Bombenanschlag auf Essener Sikh-Zentrum (Li)


Landtag intern 4/2016
Informationen für die Bürgerinnen und Bürger

16-Jährige unter Tatverdacht
Bombenanschlag auf Essener Sikh-Zentrum

Von Michael Zabka


28. April 2016 - Samstag, 16. April. Der Sprengsatz explodiert gegen 19 Uhr. Etwa 100 Menschen, die meisten von ihnen aus Indien und Afghanistan, befinden sich noch im Sikh-Gemeindezentrum in Essen. Sie hatten dort eine Hochzeit gefeiert. Drei Menschen werden bei der Explosion am Eingang des Gebäudes verletzt, einer von ihnen schwer. Die mutmaßlichen Täter: zwei 16-jährige türkischstämmige Jungen, einer aus Essen, der andere aus Gelsenkirchen. Beide seien polizeibekannte Salafisten, teilte die Landesregierung in einer Sitzung des Innenausschusses mit. Anfang Mai wird ein dritter Tatverdächtiger festgenommen.


Die Tatverdächtigen befinden sich in Untersuchungshaft. Den Ermittlungen zufolge hatten sie Sprengstoff in einen Feuerlöscher gefüllt und diesen dann mithilfe eines Fernzünders zur Explosion gebracht. Die Anleitung zum Bau der Bombe hätten sie im Internet gefunden, die erforderlichen Chemikalien im Netz bestellt, sagte ein Sprecher des Innenministeriums.

Der Staatsschutz sei von Anfang an in die Ermittlungen einbezogen worden, berichtete die Landesregierung. Die Polizei habe Daten aus Funkzellen ausgewertet, in sozialen Netzwerken recherchiert und auch auf Videoaufnahmen einer benachbarten Firma zurückgreifen können. Die Aufnahmen seien für die Öffentlichkeitsfahndung genutzt worden. Die beiden jungen Männer hätten die Tat mittlerweile eingeräumt, einen religiösen Hintergrund jedoch abgestritten. Als Motiv hätten sie "Spaß am Böllerbauen" angegeben.

Wie die Landesregierung mitteilte, waren beide als Salafisten und Sympathisanten des "Islamischen Staates" bekannt. Einer von ihnen sei bereits durch Beleidigungen und Bedrohungen aufgefallen. So habe er damit geprahlt, an Waffen heranzukommen, und gedroht, einer jüdischen Mitschülerin das Genick zu brechen. Der junge Mann sei im Rahmen des Präventionsprogramms "Wegweiser" gegen gewaltbereiten Salafismus betreut worden. Sein mutmaßlicher Mittäter sei durch Körperverletzung und versuchten Einbruchdiebstahl polizeilich in Erscheinung getreten. Beide seien jedoch nicht der gewaltbereiten Salafistenszene zuzuordnen gewesen.

Videoüberwachung

Dass der Anschlag aufgeklärt werden konnte, sei der Videoüberwachung einer Firma zu verdanken, sagte Lothar Hegemann (CDU). Es handle sich um eine Technik, die von den regierungstragenden Fraktionen abgelehnt werde. Auch illegale Videoaufnahmen seien als Beweismittel zugelassen, erklärte Frank Herrmann (PIRATEN). Er bezweifelte jedoch, dass nun "überall Kameras installiert werden müssen". Videokameras könnten keine Anschläge verhindern, meinte Verena Schäffer (GRÜNE). Sie empfahl mehr präventive Angebote. Eine flächendeckende Videoüberwachung sei verfassungsrechtlich kaum haltbar, sagte Hans-Willi Körfges (SPD). Die "Zahl der Salafisten und selbsternannten Gotteskrieger" werde in NRW größer, meinte Marc Lürbke (FDP). Die "radikalisierten Täter" würden immer jünger. "Gewaltbereite Islamisten in diesem Alter" seien in der Tat ein neues Phänomen, bestätigte Innenminister Ralf Jäger (SPD).

DIE RELIGION DER SIKHS
Bei den Sikhs handelt es sich um eine im 15. Jahrhundert in Nordindien gegründete monotheistische Religionsgemeinschaft. Sie wurde von Guru Nanak gegründet und soll eine Synthese aus Hinduismus und Islam schaffen. Ein Kennzeichen praktizierender Sikhs ist das ungeschnittene Haar unter dem Turban. Die Religion hat weltweit etwa 23 Millionen Anhänger, die meisten in Indien.

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Quelle:
Landtag intern 4 - 47. Jahrgang, 18.05.2016, S. 18
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Juni 2016

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