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NORDRHEIN-WESTFALEN/2374: Sorge vor hartem Brexit (Li)


Landtag intern 1/2019
Informationen für die Bürgerinnen und Bürger

Plenarbericht
Sorge vor hartem Brexit
Aktuelle Stunde zum Austritt Großbritanniens aus der EU

von Michael Zabka, Thomas Becker, Sonja Wand


23. Januar 2019 - Welche Folgen hätte ein ungeregelter Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) für Nordrhein- Westfalen? Wie bereitet sich die Landesregierung auf einen solchen "harten Brexit" vor? Diese Fragen standen im Mittelpunkt einer Aktuellen Stunde. Hintergrund: Die Abgeordneten des Unterhauses hatten die zwischen der britischen Regierung und der EU ausgehandelte Vereinbarung zum Austritt mit großer Mehrheit abgelehnt. Der Austritt soll am 29. März 2019 wirksam werden.


Zwei Anträge lagen der Aktuellen Stunde zugrunde: "Nach der Ablehnung des EU-Austrittsabkommens durch das britische Unterhaus: Wie bereitet die Landesregierung Nordrhein-Westfalen auf einen möglichen harten Brexit vor?" (Grüne, Drs. 17/4884) sowie "Kommt der 'Hard Brexit' und wie hart wird er für NRW?" (AfD, Drs. 17/4887). Bereits am 21. Januar 2019 hatte sich der Ausschuss für Europa und Internationales in einer Sondersitzung mit dem Thema befasst.

Die Opposition versuche seit Monaten, von der Landesregierung Informationen über einen geregelten oder auch ungeregelten Brexit zu bekommen, sagte Johannes Remmel (Grüne). Dabei gebe es eine "Bringschuld der Regierung", etwa in Form einer Unterrichtung des Landtags oder einer Regierungserklärung. Remmel fragte, warum die Landesregierung keine Strategie vorlege. Am Anfang habe sie auf den Brexit-Beauftragten gesetzt, dessen Arbeitsergebnisse seien aber "dünn". In Schulen, beim Zoll, an Flughäfen, in Reisebüros, in Vereinen und Hochschulen fragten sich die Menschen, was nach dem 29. März 2019 passieren werde.

Sven Tritschler (AfD) warf der Landesregierung "Ideenlosigkeit" vor. Zehntausende Arbeitsplätze und Existenzen in Nordrhein-Westfalen hingen unmittelbar an den Handelsbeziehungen zu Großbritannien. Dass das Abkommen im britischen Unterhaus gescheitert ist, sei kein Wunder, sagte Tritschler. Es hätte "das Vereinigte Königreich zu einem Vasallenstaat gemacht". Die Landesregierung müsse nun ihren Einfluss in Berlin und Brüssel nutzen und sich für ein "faires Austrittsabkommen" starkmachen. Die Entscheidung der Briten, die Europäische Union zu verlassen, müsse man als Demokrat anerkennen.


"Schlimme Fehlentscheidung"

Dr. Marcus Optendrenk (CDU) bewertete den Brexit als "bedauerlich" und eine "schlimme Fehlentscheidung" des britischen Volkes. Es sei beklemmend zu sehen, wie die politische Elite eines Landes, das "mit als Wiege der Demokratie anzusehen ist", aktuell "kollektiv versagt". Die Europäische Union habe eine konsequente und faire Trennung vorgeschlagen. Nordrhein-Westfalen wiederum sei eingebunden in das, was die Bundesrepublik - auch in Brüssel - mit den Briten verhandle. "Wir werben weiter um den Verbleib unserer britischen Freunde in der EU." Auch nach dem Brexit bleibe die Hand ausgestreckt.

Über Monate habe es die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen versäumt, das Land auf den Brexit vorzubereiten, kritisierte Susana dos Santos Herrmann (SPD): "Die Landesregierung verschläft leider weiter die Entwicklung." Bundesländer wie Hessen und Niedersachsen seien deutlich weiter und begnügten sich nicht mit der Aussage, die Gestaltung des Brexit sei überwiegend Aufgabe des Bundes; sie gingen "proaktiv" vor. "Das fehlt hier in Nordrhein-Westfalen leider völlig." Auf der Strecke blieben die Sorgen vieler Menschen um ihren Arbeitsplatz - etwa beim Automobilhersteller Ford, aber auch bei vielen kleinen und mittleren Betrieben.

"Für meine Generation ist Europa kein Projekt, aus dem man wieder austreten kann. Für meine Generation ist Europa Tatsache, Zukunft und Herzensangelegenheit", betonte Moritz Körner (FDP). "Was ist, wenn nach 'America first', nach 'Brasil first', nach 'Italy first' niemand mehr 'second' sein will? Dann kämpfen wieder Nationalinteressen gegeneinander, dann führen wir wieder Krieg", warnte er. Die Landesregierung bereite sich auf alle Szenarien vor, ebenso wie 88 Prozent der betroffenen Unternehmen. Fest stand für Körner, dass die Personenfreizügigkeit niemals aufgegeben werden dürfe.

Europaminister Dr. Stephan Holthoff-Pförtner (CDU) warnte vor einer Scheindiskussion. "Wenn Europa verhandelt, kann nicht irgendein Bundesland noch mitverhandeln. Das ist das System, das uns seit 70 Jahren Frieden gebracht hat. Das ist ein System, das uns Väter und Großväter gegeben haben, die zwei Weltkriege mitgemacht haben und deren größtes Bestreben es war, dass nie wieder in Europa und von Europa ein Krieg ausgeht", argumentierte er. NRW unterhalte nicht nur wirtschaftliche, sondern auch freundschaftliche Verbindungen zu Großbritannien. Es gelte, dort die pro-europäischen Kräfte zu stärken.

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Quelle:
Landtag intern 1 - 50. Jahrgang, 29.01.2019, S. 3
Herausgeber: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2019

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