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RHEINLAND-PFALZ/2595: Konsequentes Handeln gegen rechten Terror (StZ)


StaatsZeitung, Nr. 47/2011 - Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz
Der Landtag - Nachrichten und Berichte, 19. Dezember 2011

Konsequentes Handeln gegen rechten Terror


Die Plenarsitzung am Mittwoch, dem 7. Dezember 2011 wurde eingeleitet von einer Gedenkminute für die Opfer des Rechtsterrorismus und einer Rede von Landtagspräsident Joachim Mertes. Man habe erlebt, dass Rechtsradikalismus bis zum Mord gehe, der Staat aber habe seine "ureigenste Aufgabe" nicht erfüllt, seine Bürger zu schützen. Wichtig seien jetzt Aufklärung die Überprüfung von Sicherheitsstrukturen. Zivilgesellschaft und Staat müssten gemeinsam handeln, um die Strukturen des Rechtsextremismus zu zerschlagen. Mertes erklärte, man empfinde Trauer mit den Angehörigen, sowie Bestürzung über die Taten und den Zynismus der Täter, aber auch Scham, weil die Taten nicht verhindert werden konnten und aufgrund der Verdächtigungen, denen die Opfer und ihre Angehörigen ausgesetzt wurden. Bereits die von der Presse geprägten Begriffe für die Morde seien "unerträglich". Mertes schloss mit einem Zitat des türkischen Außenministers, der den Deutschen und ihrem Gewissen die Familien der Opfer anvertraute. Diesem Ausdruck des Vertrauens wolle und werde man gerecht werden, so der Landtagspräsident.

In einem gemeinsam gestellten Antrag drückten alle drei Landtagsfraktionen ihre Erschütterung über das Ausmaß rechtsextremer und terroristischer Gewalt aus und forderten ein konsequentes Handeln im Land Rheinland-Pfalz. Der Antrag wurde einstimmig angenommen.

Man sei es den Opfern schuldig, dass alles aufgeklärt werde, erklärte SPD-Fraktionschef Hendrik Hering. Mit Bestürzung müsse man zur Kenntnis nehmen, "dass Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zum Mord führen", dass dies unbemerkt geblieben sei, werfe Fragen auf. Auch der Begriff, mit dem die Mordserie öffentlich bezeichnet wurde, sei unangemessen. Die Aufklärung dürfe nicht hinter verschlossenen Türen erfolgen, forderte Hering. Man könne nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Der SPD-Fraktionschef widersprach der Annahme, dass es keinen organisierten Rechtsterrorismus gebe. Die Tatsache, dass NPD-Mitglieder in die Mordserie verstrickt gewesen seien, sei Grund genug, die Partei zu verbieten, erklärte Hering. Im Folgenden ging er weiter auf die Äußerungen der NPD ein, diese dürfe nicht von Steuergeldern finanziert werden. Man habe hohen Respekt vor jenen, die sich gegen Rechtsradikalismus engagierten, man dürfe diese nicht unter Generalverdacht stellen. Die Innenministerkonferenz sei der Meinung, so Hering, dass die Anstrengungen verstärkt werden müssen. Man werde sich durch die Taten der Rechtsextremisten nicht dazu verleiten lassen, "grundlegende Freiheitsrechte der Bürger einzuschränken", unterstrich Hering. Ein gutes Beispiel hierfür sei Norwegen. Die Neonazis nutzten die wirtschaftlichen Ängste der Menschen aus. Im Bereich der Integration müsse mehr getan werden, "sowohl von denen, die zu uns kommen, als auch von der Mehrheitsgesellschaft". Deutschland brauche eine "Willkommenskultur". Offenheit, Toleranz und Respekt seien dabei wichtig. Bei diesem Thema müssten parteipolitische Interessen hintenan gestellt werden, erklärte Hering, rechtes Gedankengut müsse "auf Null Toleranz stehen".

Hass habe viel Leid gebracht, unterstrich Julia Klöckner, Fraktionsvorsitzende der CDU. Trauer und Mitgefühl seien das Mindeste, was man den Hinterbliebenen der Opfer entgegenbringen könne. Klöckner fragte, wie es möglich sei, wie es über Jahre möglich gewesen sei, "dass niemand etwas bemerkt habe". Perspektivlosigkeit und schwierige Biographien rechtfertigten niemals einen Mord. Diese Morde seien auch ein Angriff auf eine tolerante Gesellschaft. Man setze ein Zeichen "gegen alle, die Menschenleben gering schätzen". Sie dankte Ministerpräsident Beck, dass er am Totensonntag am Trauerfeld in Bad Kreuznach gewesen sei und mit den anderen Parteien ein Zeichen gesetzt habe. Rechtsextremes Gedankengut müsse im Keim erstickt werden, durch Repression, Bildung, aber auch durch Hilfe für Aussteiger. Rechtsextreme versuchten aber mittlerweile, in Lücken in der Mitte der Gesellschaft zu stoßen. Hier müsse man auf der Hut sein, so Klöckner. Die NPD sei verfassungs- und menschenfeindlich und "es tut weh, dass diese Partei von Steuergeldern unterstützt wird". Auch was die Überwachung angehe, dürfe man nicht von einem Extrem ins Andere verfallen. Es sei klar, dass man mit dem Verbot der NPD nicht rechtsextremes Gedankengut zerstören könne, aber dadurch würden Strukturen zerschlagen. Bund und Länder müssten zusammen das Verbotsverfahren auf den Weg bringen, "mit kühlem Kopf und heißen Herzen". Aus den Ergebnissen der Ermittlungen müsse gelernt werden, wichtig sei auch Empathie. Deutschland habe aus der Vergangenheit gelernt und lasse sich nicht von Ewiggestrigen den Weg verbauen.

Viele Menschen können nicht verstehen, "wie eine terroristische Nazibande über Jahre in Deutschland Morde verüben konnten", erklärte Grünen-Fraktionschef Daniel Köbler, und hätten Scham empfunden, wie mit den Opfern umgegangen worden sei. Das Wort "Dönermorde", sei eine "Bankrotterklärung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gegenüber Demokratiefeinden", so Köbler. Die Opfer seien deutsche Bürgerinnen und Bürger gewesen und das Land habe sie schützen müssen. Es stellten sich Fragen, zum Beispiel an den Verfassungsschutz und wen dieser geschützt habe, so Köbler. Seit 1990 seien 180 Menschen von Rechtsextremen umgebracht worden. Was man jetzt brauche, sei eine lückenlose Aufarbeitung, eine Überprüfung des Verfassungsschutzes, aber nicht eine neue Verfassungsbehörde. Vor allem aber sei ein klarer antirassistischer Kurs in der Gesellschaft notwendig. Links und Rechts dürfen nicht gleichgesetzt werden, man dürfe nicht vom gesellschaftlichen Versagen ablenken und sich nur auf ein NPD-Verbotsverfahren konzentrieren. Gleichwohl unterstrich Köbler, dass ein solches Verfahren gut vorbereitet sein müsse. Dies bedeute "präventiven Opferschutz". Man könne nicht hinnehmen, dass das Parteienprivileg rechtsextreme Taten schütze. Es brauche eine starke Zivilgesellschaft, eine "Kultur des Hinsehens", so Köbler. Deswegen sei es auch wichtig, ein eigenständiges Integrationsministerium geschaffen zu haben, zivilgesellschaftliches Engagement dürfe hingen nicht behindert werden, "die Extremismusklausel muss weg, wenn nicht jetzt, wann dann?" fragte Köbler. Die Menschenwürde sei der Imperativ des politischen Handelns, so Köbler.

Er sei dankbar für die Anteilnahme des Parlaments, erklärte Ministerpräsident Kurt Beck (SPD). Was den Angehörigen widerfahren sei, sei eine schreckliche Erfahrung. Auch für die Bundesrepublik sei es schrecklich, vor allem vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte. Er unterstütze die Anregung der Bundesjustizministerin, die Familien finanziell zu unterstützen, so Beck. Man müsse das Signal geben, dass alles menschenmögliche getan werde, um zu verhindern, dass sich so etwas wiederhole. Beck dankte den Fraktionsvorsitzenden für ihre Vorschläge. Die Würde des Menschen sei unantastbar, dies dürfe nicht in Frage gestellt werden. Ansonsten werde das Menschliche insgesamt in Frage gestellt. Deshalb müsse man für die Zivilcourage in der Gesellschaft werben. Deswegen habe die gesamte Gesellschaft die Verantwortung, erzieherisch für die Zivilcourage einzutreten. Man könne dankbar sein, dass es viele Institutionen im Land gebe, die so empfänden. Man dürfe nicht zulassen, dass bürokratische Vorschriften junge Menschen bremse, die sich gegen Rechtsradikalismus engagierten. Man müsse die Herausforderung annehmen, "für unsere Werte einzutreten". Die Demokratie müsse wehrhaft bleiben, dies gelte auch für die staatlichen Institutionen. Es müsse alles aufgearbeitet werden und die notwendigen Konsequenzen gezogen werden. Es gebe Bemühungen, ein NPD-Verbotsverfahren in die Wege zu leiten. Bei manchen Äußerungen von Rechtsextremen seien die Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten.


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Quelle:
StaatsZeitung, Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz, Nr. 46/2011, Seite 3
Der Landtag - Nachrichten und Bericht
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Januar 2012