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RHEINLAND-PFALZ/2739: Demokratische Mitbestimmung an Hochschulen bewahren (StZ)


StaatsZeitung, Nr. 46/2012 - Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz
Der Landtag - Nachrichten und Berichte, 10. Dezember 2012

Demokratische Mitbestimmung an Hochschulen bewahren



Ein auf die Abschaffung der verfassten Studierendenschaft zielender Beschluss der Bundesversammlung der Jungen Union veranlasste die Koalition zu einem gemeinsamen Antrag, der die Bedeutung der studentischen Selbstverwaltung an den Hochschulen hervorhebt. Der Landtag verabschiedete den Antrag mit den Stimmen von SPD und Grünen.

Demokratie benötigt laut Barbara Schleicher-Rothmund (SPD) "Bürger, die aufmerksam sind, die interessiert sind, die verantwortungsvoll sind". Sie müsse ihren Bürgern aber auch etwas anbieten. "Sie muss Spaß machen. Sie muss Appetit darauf machen, dass man sich an der Gestaltung unserer Gesellschaft beteiligen will", erläuterte Schleicher-Rothmund. Dieses "Beteiligen, Einmischen, Mitreden, Mitgestalten" müsse an vielen Stellen vorangebracht werden. Mitbestimmung gebe es in Kindertagesstätten, Schulen, Jugendparlamenten und eben auch in den Hochschulen. Ausgerechnet die Jugendorganisation der CDU wolle nun ein wichtiges Partizipationsinstrument an den Hochschulen abschaffen, nämlich die Verfasste Studierendenschaft. "Dies mit der ignoranten Begründung, der AStA sei eine Selbstbeschäftigung im 35. Semester". Sie halte die Verfasste Studierendenschaft für ein "wichtiges Instrument der Partizipation und der Bürgerbeteiligung". Das Ansinnen der Jungen Union sei da "ein unerträglicher Anachronismus".

Wenn solche Forderungen im Raum stünden, "sollen sie nicht unwidersprochen bleiben", begründete Gunther Heinisch (Bündnis 90/Die Grünen) den Koalitionsantrag. Die Mitwirkung der Studierenden in den Gremien der akademischen Selbstverwaltung auf Fachbereichs- und Hochschulebene stehe für seine Fraktion genauso außer Frage wie die studentische Selbstverwaltung mit Fachschaften, Studierendenparlamenten und Allgemeinen Studierendenausschüssen. "Die Hochschule in der Demokratie muss eine demokratische Hochschule sein", sagt der Abgeordnete. Es gehe bei den Verfassten Studierendenschaften keineswegs nur um die allgemeinen Studierendenausschüsse. "Wer die Abschaffung fordert, fordert gleichzeitig auch die Abschaffung der Fachschaften, die bei der Einführung in das Studium, bei der Beratung und auch beim kulturellen Zusammenhalt von Instituten und Fachbereichen eine wichtige Arbeit leisten", erläuterte Heinisch. Es sei "Ausdruck eines haarsträubenden Demokratieverständnisses", wenn ein Jugendverband diese demokratische Vertretung nur als eine Kostenstelle ansehe. "Mit einer demokratischen Hochschulpolitik hat dieser Ansatz nichts zu tun."

Die Koalitionsfraktionen haben mit ihrem Antrag das Thema verfehlt, sagte Andreas Biebricher (CDU). Er entbehre jeder Grundlage, "denn Sie machen sich zum Retter und Bewahrer einer Sache, die in Rheinland-Pfalz niemand überhaupt infrage gestellt hat". Den Beschluss, den die Junge Union kürzlich in Rostock gefasst habe, werde weder von der CDU-Landtagsfraktion noch der CDU oder der JU in Rheinland-Pfalz geteilt. Die hiesige Junge Union habe dazu erklärt, dass die pauschale Forderung nach Abschaffung der Verfassten Studierendenschaft der komplexen Thematik der Hochschulpolitik und dem gesamtdemokratischen Anspruch des größten politischen Jungendverbands Deutschlands nicht gerecht werde. "Die Forderung der Abschaffung der politischen Mitbestimmung der Studenten kann nicht im Interesse der Jungen Union sein." Die Junge Union besitze die Größe, sich von dem Beschluss zu distanzieren. Der Alternativantrag seiner Fraktion solle den Anstoß geben, die Qualität und die Akzeptanz der Verfassten Studierendenschaft und ihre Arbeit zu verbessern, deren Akzeptanz offenbar stark nachlasse.

Jugendorganisationen "brauchen Freiheiten, um sich mit bestimmten Fragen zu befassen", findet Wissenschaftsministerin Doris Ahnen (SPD). Niemand wolle immer mit dem konfrontiert werden, was dort diskutiert werde. Doch das Parlament habe das Wahlalter mit 16 diskutiert. "Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Junge Union haben Sie die Absenkung des Wahlalters auf 16 abgelehnt", hob Ahnen an die Adresse der Union hervor. "Dann bekommen solche Fragen natürlich eine andere Relevanz." Die Landesregierung freue sich darüber, wenn ein klares Bekenntnis zur verfassten Studierendenschaft abgelegt werde, "je breiter getragen, desto besser". Die Arbeitsbedingungen für die Studierendenschaften und ihrer Aufgabenstellung seien im Hochschulgesetz geregelt. Es gehe darum Räume zu eröffnen, in denen Menschen demokratische Mitbestimmung ausüben können. "Ich finde, das sollten wir tun, und zwar an der Frage der Freistellung von Auszubildenden oder an der Frage der Mitwirkung in der Studierendenschaft", betonte die Ministerin.

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Quelle:
StaatsZeitung, Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz, Nr. 46/2012, Seite 3
Der Landtag - Nachrichten und Bericht
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Dezember 2012