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RHEINLAND-PFALZ/2887: Abwanderung von Hochschulabsolventen (StZ)


StaatsZeitung, Nr. 43/2013 - Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz
Der Landtag - Nachrichten und Berichte, 25. November 2013

Abwanderung von Hochschulabsolventen

59. Plenarsitzung, Donnerstag, den 7. November 2013



Ausgehend von den Daten einer Studie "Fachkraft 2020" zu den Zukunftsplanungen von Studierenden in Rheinland-Pfalz beantragte die CDU-Fraktion eine Aktuelle Stunde. Die Koalitionsfraktionen bestritten die Annahme der Union, dass dem Land durch eine geringe Quote künftiger Absolventen, die ihre berufliche Zukunft in Rheinland-Pfalz sehen, ein Ausbluten an Fachkräften drohe.

Seine Fraktion wolle in der Aktuellen Stunde "eines des drängendsten wirtschaftspolitischen Themen diskutieren", erläuterte Martin Brandl (CDU). "Wir brauchen eine Gesamtstrategie gegen den Fachkräftemangel", forderte er. Der Mangel werde in Rheinland-Pfalz "in nahezu allen Bereichen der Wirtschaft massiv zutage treten". Der Nachfragemarkt für die Berufsausbildung habe sich zu einem Angebotsmarkt entwickelt. Es sei von zentraler Bedeutung, "dass Sie klar erkennen, was das heißt". Die verbliebenen Fachkräfte könnten sich aussuchen, in welcher Branche sie bei welchem Arbeitgeber und zu welchem Stundenlohn arbeiten wollten, "und sie werden sich das Bundesland aussuchen". Kein anderer Arbeitsmarkt in Deutschland sei durch die beabsichtigte Migration der Studierenden so belastet wie der in Rheinland-Pfalz. Die Rede sei von 500 Millionen Euro Verlust. "Und selbst, wenn man diese Zahlen anzweifeln will, wäre selbst die Hälfte davon ein Desaster für die Fachkräftepolitik dieser Landesregierung", sagte Brandl. Bei 120 000 Studierenden seien das 60 000 Arbeitskräfte, die planten nicht im Lande zu bleiben. Es liege an den politischen Rahmenbedingungen in Rheinland-Pfalz, die einen solchen Ressourcenverlust zuließen. Die Kompetenz für den Bereich sollten die einzelnen Ministerien an das Wirtschaftsministerium abgeben, anstatt selbst Wirtschaftspolitik zu betreiben, empfahl Brandl zur Bündelung der Kräfte.

Mit dieser Aktuellen Stunde habe sich die CDU in mehrfacher Hinsicht blamiert, sagte Babara Schleicher-Rothmund (SPD). "Welch ein Bild eines Studierenden hat eigentlich die CDU?", fragte sie. Das entspreche wohl dem Heimchen am Herd, "geboren in Koblenz, zur Schule gehen, studieren und dann arbeiten in Koblenz", vermutet Schleicher-Rothmund. "Und das in einer sich globalisierenden Welt, vor allem im Hochschul- und Wissenschaftsbereich." Studentische Mobilität und Internationalität seien gewünscht. Deutschland sei das beliebteste, nicht englischsprachige Studienland. Rheinland-Pfalz sei erfreulicherweise schon seit den 2000er-Jahren Importland von Studierenden. Beim Ranking der Ausgaben pro Studierenden liege Rheinland-Pfalz laut der von der CDU zitierten Studie auf Platz sieben und damit im Mittelfeld. "Mobilität ist erwünscht, wir sollten sie unterstützen, wir brauchen sie für unsere Wissenschaftslandschaft", fasste Schleicher-Rothmund zusammen. Beim Fachkräftemonitoring gehe es um den Fachkräftemangel, der aber ein bundesweites Problem sein werde. Die Studie weise für 2005 bis 2012 einen Anstieg der Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse in Rheinland-Pfalz um 10,2 Prozent auf. Die Arbeitslosigkeit sei im Gegensatz dazu von 8,8, Prozent auf 5,3 Prozent gesunken. Das Land sei auf einem guten Weg in seiner Gesamtstrategie, "machen Sie mit", lud die Abgeordnete die Opposition ein.

Die Aktuelle Stunde habe etwas von dem Spielchen, "dass die Landesregierung am schlechten Wetter schuld ist. Bei gutem Wetter liegt es daran, dass die Opposition ordentlich Druck gemacht hat", sagte Gunther Heinisch (Bündnis 90/Die Grünen). Jenseits solcher Reflexe sollte man sich beim Zitieren von Studien genauer ansehen, welche Daten diese enthalte, wie diese erhoben worden seien und welche Schlüsse aus ihr gezogen werden könnten. Bei der Frage, wo die Studierenden nach dem Abschluss arbeiten wollten, sei nicht nach einem konkreten Job oder eine konkrete Firma gefragt worden. Städte wie Berlin und Hamburg erzielten Wanderungssalden von 200 Prozent, weil die Studierenden dort gerne leben und arbeiten würden. "Da ist aber die Frage, ob es auch wirklich so kommt", sagte Heinisch. Der Schluss vom Wunsch auf das tatsächliche Verhalten sei nicht seriös. Darauf könne keine Prognose für ein Verhalten aufgebaut werden. Die Stichprobe sei auch nicht repräsentativ gewesen, "es gibt also ein Problem mit sozialwissenschaftlichen Standards". Die realen Zahlen des Landesamtes zur tatsächlichen Entwicklung zeigten, dass Hochschulstandorte wie auch Landau noch immer ein Bevölkerungswachstum vorhergesagt bekämen. Die Öffnung der Hochschulen, wie sie die Landesregierung betreibe, sei mit Blick auf die Zukunft eine gute Strukturpolitik. "Wir sollten uns die Regionen differenziert anschauen und etwas für die Stärkung der wirtschaftlichen Räume tun, dann kommen wir weiter", betonte Heinisch.

Es sei nicht verwunderlich, dass die großen Städte auf der Topposition der Zukunftswünsche von Studierenden seien, sagte Staatssekretärin Vera Reiß (SPD). "Aber macht man solche Aussage zur Grundlage von wissenschaftspolitischer Planung? Ich hoffe, nein", sagte Reiß. Ganz offensichtlich seien die rheinland-pfälzischen Hochschulen sehr attraktiv für Studierende "und darauf sind wir stolz". 54 Prozent der Studierenden in Rheinland-Pfalz haben ihre Zugangsberechtigung in anderen Bundesländern erworben. Die 118 600 Studierenden an den rheinland-pfälzischen Hochschulen erhielten eine gute Ausbildung, "weil sie gute Studienbedingungen haben". Die Hochschulen leisteten einen Beitrag zur Abdeckung des Fachkräftebedarfs in Deutschland, aber auch in Rheinland-Pfalz. Um Akademikerinnen und Akademiker im Land zu binden, tue die Landesregierung eine ganze Menge. So habe Rheinland-Pfalz in den vergangenen Jahren sehr erfolgreiche Ausgründungen aus Forschungseinrichtungen erhalten, so zwei Mainzer Biotech-Unternehmen, die sich 2001 und 2008 aus der Universitätsmedizin heraus bildeten. Seit 2008 habe die Landesregierung Gründungsbüros in den Standorten Kaiserslautern, Trier, Mainz und Koblenz zur Unterstützung solcher Initiativen eingerichtet. Auch die Landesforschungsinstitute böten hochwertige Arbeitsplätze an. Es gebe Förderprogramme und eine Technologiestrategie in Rheinland-Pfalz, ergänzte Reiß. Rheinland-Pfalz sei "attraktiv für Meister und Master".

Die Ministerpräsidentin habe in der Angelegenheit den Hut auf, "weil alle Ressorts betroffen sind", sagte Wirtschaftsministerin Eveline Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) an Brandl gerichtet. Es gehe schließlich nicht nur um das Thema Bildung und Innovation, sondern auch um Durchlässigkeit des Bildungssystems und Technologietransfers. "Wir argumentieren es immer wieder gerne um es Ihnen noch einmal zu erklären", sagte Lemke.

Er sehe es Brandl nach, da er noch in der Probezeit als wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU sei, dass er sich im Landtag zu profilieren versuche, sagte Daniel Köbler (Bündnis 90/Die Grünen). Was Brandl fordere, sei jedoch seit Jahren gute Praxis in Rheinland-Pfalz. Wenn Brandl sich in einem halben Jahr als wirtschaftspolitischer Sprecher eingearbeitet habe, "können wir über das Thema sicher sachlich weitereden", vermutete Köbler.

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Quelle:
StaatsZeitung, Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz, Nr. 43/2013, Seite 4
Der Landtag - Nachrichten und Bericht
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Dezember 2013