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SACHSEN-ANHALT/315: ZwischenRuf 4-2012 - Das Magazin des Landtages


ZwischenRuf 4/2012
Das Magazin des Landtages von Sachsen-Anhalt

ZwischenRuf

Am Anfang war das Wort
Halbzeit in der Lutherdekade 2017


Inhaltsverzeichnis

AUS DEM PLENUM

Rechtes aus der Mitte der Gesellschaft
Auswertung von Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung
Tourismus ohne Barrieren
Neue Räume erschliessen
Verabschiedete und eingebrachte Gesetzentwürfe

IM BLICKPUNKT

Datenschutz mit Herz und Verstand
Sachsen-Anhalt braucht modernes Datenschutzgesetz

SACHSEN-ANHALT

Unternehmen stärker in der Pflicht
Hilft "Corporate Social Responsibility" bei leeren Staatskassen?

AUS DEM PLENUM

Zu teuer, wenig ökologisch und unnötig? Die A14 in der Diskussion
Landesregierung legt Antwort auf Grosse Anfrage vor

SACHSEN-ANHALT

Jugendliche erleben Politik hautnah
Wissenschaft im Dialog im Landtag

REGIONALFENSTER

Am Anfang war das Wort
Halbzeit in der Lutherdekade zum Reformationsjubiläum 2017

IM BLICKPUNKT

Neuregelungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge
Gesetz tritt ab dem 1. Januar 2013 in Kraft

VOLKSTRAUERTAG

Zum Gedenken an die Opfer von Krieg und Verfolgung
Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag im Landtag von Sachsen-Anhalt

SENIORENFORUM

Wir in Sachsen-Anhalt - Aktive Seniorenpolitik
Siebentes Seniorenforum tagte im Parlamentsgebäude

SACHSEN-ANHALT IN EUROPA

Europapolitik hautnah: Der Kongress der Gemeinden und Regionen
Neues Kongress-Mitglied aus Sachsen-Anhalt

VORGESTELLT

Ein Blick hinter die Kulissen
Praktikum im Landtag

UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSS

Wurden Fördermittel vergeudet?
Untersuchungsausschuss will Sachlage aufklären

SACHSEN-ANHALT

Zukunft mit Genuss!
Siebente Aktionswoche "7 Tage Zukunft"


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Die jüngste Veröffentlichung der Friedrich-Ebert-Stiftung zur Entwicklung von demokratiefeindlichen Einstellungen hat für den Osten Deutschlands eine besorgniserregende Entwicklung aufgezeigt. Vertreter von Landtag und Landesregierung führten dazu in der Novembersitzung des Parlaments eine Aktuelle Debatte.

- Datenschutz mit Herz und Verstand: Die Landesregierung wurde beauftragt, über den Stand der Novellierung des Datenschutzgesetzes Sachsen-Anhalt zu berichten.

- Vom 24. bis zum 26. Oktober berieten Schülerinnen und Schüler aus Magdeburg zur Veranstaltung "Wissenschaft im Dialog" im Landtag von Sachsen-Anhalt Zukunftsfragen.

- Der Landtag entsandte den Abgeordneten Jürgen Stadelmann als neuen Vertreter Sachsen-Anhalts in den Kongress der Gemeinden und Regionen Europas. ZwischenRuf sprach mit dem neuen Ländervertreter über seine Erfahrungen in der Europapolitik, seine Ziele und darüber, wie er Sachsen-Anhalt in Straßburg vertreten wird.

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MEILE DER DEMOKRATIE 2013

Im Januar 2013 wird sich Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt Magdeburg wieder einmal von ihrer demokratischen und weltoffenen Seite zeigen: Das "Bündnis gegen Rechts" hat alle Bürgerinnen und Bürger aufgefordert, am 12. Januar auf der ehemals barocken Prachtstraße Breiter Weg Gesicht gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus zu zeigen.

Keine andere Straße Magdeburgs könnte mehr Sinnbild für die Schrecken der Naziherrschaft sein, die einen Weltkrieg anzettelte, der ungezählte Menschenleben kostete und eben jenen Breiten Weg als Meile aus Schutt und Ruinen zurückließ. Mit dieser Veranstaltung wird Demonstrationen rechter Gruppierungen, die in den zurückliegenden Jahren immer wieder die Zerstörung Magdeburgs am 16. Januar 1945 für sich thematisierten, kein Raum gegeben. Um dieses Vorhaben zu realisieren, werden auf dem Breiten Weg vom Hasselbachplatz bis zum Universitätsplatz auf mehreren Bühnen sowie an zahlreichen Ständen Angebote für Jung und Alt unterbreitet. Der Landtag beteiligt sich vor dem Alten Markt mit einem Stand, an dem Abgeordnete aller Fraktionen zu Gesprächen einladen.

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EIN ZWISCHENRUF VORWEG

Liebe Leserinnen und Leser,
auch in diesem Jahr widmet sich das Vorwort der letzten Ausgabe des ZwischenRufs in vertrauter Tradition nicht dem Überblick über die Inhalte des Landtagsmagazins. Die vierte Ausgabe eines jeden Jahres soll den Blick ein wenig schweifen lassen - zurück ebenso wie nach vorn. Das Leitthema soll in diesem Jahr "Verantwortung" sein.

So groß wie die Freiheit, die man genießt, ist die Verantwortung, die man trägt.

Wir haben heute das Glück, uns frei entfalten zu können. Uns begegnen innerhalb Europas im Grunde keine unüberwindbaren Grenzen, wenn wir in andere Länder reisen, dort leben, arbeiten oder auch studieren wollen. Unlängst wurde das europäische Austauschprogramm ERASMUS 25 Jahre alt. Ein erfreuliches Jubiläum - doch es zeigt zugleich, dass jenes Glück noch nicht von langer Dauer ist. Die Europäische Union musste sich entwickeln. Vor gerade einmal 67 Jahren musste Europa von der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten befreit werden. Eine Zeit unsagbarer Leiden, an deren Ende mehr als 63 Millionen Menschenleben zu beklagen sind.

Unsere Verantwortung ist es, die Demokratie zu stärken und nie wieder eine Diktatur zuzulassen. Auf Einladung des Landtages konnten wir Herrn Buddy Elias als Ehrengast der zentralen Gedenkfeier am 27. Januar, dem internationalen Holocaustgedenktag, begrüßen. Buddy Elias ist der Cousin von Anne Frank und deren letzter lebender direkter Verwandter. Mit seiner beeindruckenden Rede im Landtag sowie bei den Begegnungen mit Schülern in Osterwieck, Halberstadt und Halle haben er und seine Frau Gerti viele Herzen erreicht. Am Beispiel der kleinen Anne Frank wurde deutlich, in welch grausame, unmenschliche Abgründe es führen kann, wenn wir Bürger wegschauen, anstatt Demokratie und Menschenwürde zu verteidigen.

Es bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe gegen Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz aufzubegehren. Sie entstehen durch Wegsehen und Geschehen lassen in der Mitte unserer Gesellschaft. "Der Dirigent ist verantwortlich, wenn die Flöten Misstöne hervorbringen, die Pfeifen zur Unzeit einsetzen, und die Posaunen zu laut trompeten." (Joachim Panten) Der Dirigent sind in dem Fall wir alle - jeder von uns.

Demokratiebildung ist ein wichtiges Anliegen des Landtages. Insbesondere Kinder und Jugendliche sollen motiviert werden, sich einzubringen und Mitwirkungsmöglichkeiten zu nutzen.

Auch im Jahr 2012 fanden Jugendforen und das Jugendparlament im Landtag statt und wir konnten viele Besuchergruppen empfangen. Ein moderneres Informations- und Kommunikationsangebot über den Internetauftritt des Landtages soll künftig unsere Öffentlichkeitsarbeit noch besser unterstützen. Hierbei wird auch beraten, ob und wie der Landtag in sozialen Netzwerken präsent sein sollte.

Die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen - Corporate Social Responsibility - war im Oktober Thema einer Konferenz, welche zusammen mit der Herbert Quandt Stiftung veranstaltet wurde. Viele Unternehmer und auch Unternehmen engagieren sich freiwillig für Kultur, Bildung, Sport oder soziale Belange. Hierüber wurde informiert, aber auch über ein großes Gefälle in Deutschland, weil die meisten großen Firmenzentralen und Stiftungen ihren Sitz in Süd- oder Westdeutschland haben.

Das Thema "gesellschaftliche Verantwortung" wollen wir im kommenden Jahr insbesondere mit dem Thema "Bürgerbeteiligung" verknüpfen und öffentlich diskutieren. Über Ihr Interesse würde ich mich sehr freuen.

Liebe Leserinnen und Leser, ich wünsche Ihnen, Ihren Familien, Freunden und Bekannten für die bevorstehende Weihnachtszeit frohe und besinnliche Festtage sowie ein glückliches, gesundes und erfolgreiches neues Jahr.

Ihr
Detlef Gürth
Präsident des Landtages von Sachsen-Anhalt

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AUS DEM PLENUM

Rechtes aus der Mitte der Gesellschaft

Auswertung von Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung

Die jüngste Veröffentlichung der Friedrich-Ebert-Stiftung zur Entwicklung von demokratiefeindlichen Einstellungen hat für den Osten Deutschlands eine besorgniserregende Entwicklung aufgezeigt. Die Fraktion DIE LINKE initiierte dazu in der Novembersitzung des Parlaments eine Aktuelle Debatte.

Antidemokratisches und fremdenfeindliches Verhalten, wie es die Studie "Die Mitte im Umbruch" der Friedrich-Ebert-Stiftung offenbart, müsse sehr ernst genommen werden, forderte Wulf Gallert (DIE LINKE). Die Wahrheit aus der Mitte der Gesellschaft werde hier schonungslos offengelegt, geboten werde eine quantitative Erhebung zu diesen Prozessen. Ergebnis der Studie sei, dass je geringer die Menschen ihre Teilhabe an der Gesellschaft einschätzten, umso anfälliger seien sie für antidemokratische und rassistische Tendenzen. Gleiches gelte für das Verhältnis zur Bildung, zum Einkommen, zur politischen Partizipation und zur sozialen Sicherheit. Gallert mahnte eine Sozial- und Wirtschaftspolitik an, die integriere und nicht polarisiere.

"Die Ergebnisse der Studie sind sehr erschreckend", konstatierte Kultusminister Stephan Dorgerloh. Die alle zwei Jahre aktualisierte Studie demonstriere, wie groß der Bodensatz an rechtsextremem, rassistischem und antisemitischem Gedankengut sei, das sich vielmals durch im Milieu akzeptierte und tradierte Einstellungen generiere. Der Minister sprach sich dafür aus, das Engagement für eine lebendige Demokratie zu unterstützen und dabei alle Träger und Institutionen zu beteiligen. Denn laut der Untersuchung werde Demokratie als geschlossene Veranstaltung ohne Chance für eine Beteiligung betrachtet.


Geschlossenes handeln aller Demokraten

Nach den Krisenjahren sei es gut zu wissen, wie demokratiefähig das Land sei, betonte Patrick Wanzek (SPD). "Wir dürfen nicht nur mit Tippelschritten agieren, sondern müssen das Heft des Handelns in die Hand nehmen", forderte Wanzek und ermutigte die Abgeordneten, in der Bevölkerung das Gespräch über politisches Arbeiten und dessen Ziele zu suchen. Die Ergebnisse der Studie stellten für Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) eigentlich keine Überraschung dar. Fremdenfeindliche Einstellungen seien laut den Ergebnissen weitverbreitet und schwer zu bekämpfen, denn rassistische Agitatoren träfen auf einen gesellschaftlichen Resonanzraum. Laut Studie sei keine gesellschaftliche Gruppe gegen rechtsextremes Gedankengut gefeit, daher sei es auch notwendig, Bildungsangebote für alle Alters- und Sozialgruppen anzubieten. Die Menschen müssten bei den politischen Entscheidungen mehr mitgenommen werden, forderte Angela Gorr (CDU) und wies auf die besondere Aufgabe der Parlamentarier hin. Gorr führte die Bildung als eine substantielle Voraussetzung für Demokratie an und verwies auf politische Mitgestaltungsmöglichkeiten. Einig waren sich alle Fraktionen darüber, die bestehenden Landesprogramme gegen Rechtsextremismus und Rassismus weiter zu gestalten und Projekte wie "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" voranzubringen.

Dr. Stefan Müller

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Tourismus ohne Barrieren

Neue Räume erschliessen

Die Stärkung des barrierefreien Tourismus in Sachsen-Anhalt war Inhalt eines Antrages der Fraktionen von CDU und SPD, der einstimmig angenommen wurde. In Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden, den Unternehmens- und Tourismusverbänden und dem Allgemeinen Behindertenverband in Sachsen-Anhalt e.V. soll von der Landesregierung eine Leitlinie für barrierefreien Tourismus im Land entwickelt werden.

Die Stärkung des barrierefreien Tourismus sei für die gesamte Branche im Land von Bedeutung und ein spannendes und zukunftsweisendes Thema, erklärte Nadine Hampel. Die SPD-Politikerin warb für ein enges Zusammenwirken von öffentlichen Stellen, privaten Unternehmen und Betroffenenverbänden mit den Tourismusanbietern. Denn "barrierefrei" bedeute mehr als nur eine Rollstuhlrampe in Gaststätten und Hotels. Barrierefreiheit bedeute auch einen hohen Wachstumsmarkt und weise sich als Profilierung im Qualitätstourismus aus. 2,5 Milliarden Euro werden in Deutschland jedes Jahr von Menschen mit Behinderungen im Tourismus umgesetzt. Würde die gesamte Servicekette verbessert, stiege dieser Wert noch einmal um rund 4,8 Milliarden Euro.

Im Sinne der Inklusion sollten alle Menschen die Möglichkeit haben, ohne Hilfe an fremde Orte zu reisen - von der Buchung bis zur Rückreise, betonte Wirtschaftsministerin Prof. Dr. Birgitta Wolff. Maßnahmen dafür wären unter anderem bessere Orientierungsmöglichkeiten für Sehbehinderte, die gleichzeitig auch Ortsfremden die Orientierung erleichterten; großzügig gestaltete Badezimmer seien nicht nur ideal für Rollstuhlfahrer, sondern auch für Eltern mit Babys und Kleinkindern.

"Alle zwei Jahre wird das Thema im Parlament diskutiert, bisher ist allerdings wenig passiert", bemängelte Harry Czeke (DIE LINKE). Der Mensch sei nicht nur behindert, er werde auch noch behindert, sagte Czeke. In dieser Hinsicht sei Sachsen-Anhalt ein Reiseland im Dornröschenschlaf, in dem es viele Stätten gebe, die einen Besuch lohnten, wenn man sie denn barrierefrei erreichen könnte. Nach dem klaren politischen Statement müsse auch die Umsetzung in der Praxis folgen, forderte Christoph Erdmenger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Dazu gehörten die weitere Sensibilisierung der Akteure in der Tourismusbranche und die Notwendigkeit, über Möglichkeiten der Barrierefreiheit aufzuklären. "Wir sind touristisch auf der Überholspur und da werden wir auch bleiben", sagte Lars-Jörn Zimmer (CDU). Zwar könnten bestimmte Baudenkmale zum Teil nur schwer barrierefrei gestaltet werden, aber der Weg dorthin könne es immerhin sein.

Dr. Stefan Müller

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Verabschiedete und eingebrachte Gesetzentwürfe

Die Abgeordneten haben in der Novembersitzung die von der Landesregierung angestrebte Änderung des Schulgesetzes beschlossen. Unter anderem sind die Einführung der Gemeinschaftsschule für längeres gemeinsames Lernen und die weitere Vorhaltung von Förderschulen vorgesehen. Auch besoldungs- und personalvertretungsrechtliche Vorschriften sind darin verankert.

In erster Beratung ging es um das vierte Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt. Die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN will die parlamentarische Kontrolle der Verfassungsschutzbehörde ausbauen - mit dem Ziel, sie effektiver und transparenter zu gestalten. Der Gesetzentwurf wurde in den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen.

Die Sozialgerichte in Sachsen-Anhalt sind personell gewachsen. Dadurch ist auch der Aufwand über die zentrale Dienstaufsicht für Richterinnen und Richter gestiegen. Die Landesregierung will mit der Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Landesrichtergesetzes dem Problem entgegensteuern und die Dienstaufsicht unmittelbar am Sozialgericht verankern. Der Gesetzentwurf wurde in die Ausschüsse für Recht und Ver fassung sowie mitberatend in den Finanzausschuss überwiesen.

Die Landesregierung will mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Justizkostengesetzes kostenrechtliche Regelungen zum Schuldnerverzeichnis an geänderte bundesrechtliche Vorschriften anpassen. Der Gesetzentwurf wurde in die Ausschüsse für Recht, Verfassung und Gleichstellung (federführend) sowie für Finanzen überwiesen.

Dr. Stefan Müller

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IM BLICKPUNKT

Datenschutz mit Herz und Verstand

Sachsen-Anhalt braucht modernes Datenschutzgesetz

In seltener Einmütigkeit haben die Fraktionen des Landtages in der Landtagssitzung am 19. Oktober 2012 eine gemeinsame Entschließung zur Fortentwicklung des Datenschutzes in Sachsen-Anhalt verabschiedet. Das Ministerium für Inneres und Sport wird darin beauftragt, dem Ausschuss für Inneres und Sport im ersten Quartal des Jahres 2013 über den Stand des Referentenentwurfes zur Novellierung des Datenschutzgesetzes Sachsen-Anhalt zu berichten.

"Der Datenschutz geht uns alle an", betonte der SPD-Landtagsabgeordnete Dr. Ronald Brachmann bei der Einbringung der Entschließung und lobte das Verfahren zur Erarbeitung des gemeinsamen Papiers. Da die Bildung einer Datenschutzkommission im Landtag keine Mehrheit gefunden hatte, hätten sich alle Fachausschüsse, die mit dem X. Tätigkeitsbericht des Datenschutzbeauftragten in Berührung gekommen sind, im Mai, Juni oder Juli mit der Materie Datenschutz beschäftigt und entsprechende Gedanken für die fraktionsübergreifende Entschließung eingebracht. "Der Datenschutz bedarf auch in Sachsen-Anhalt der Fortentwicklung", sagte Brachmann. Es gehe um ein modernes, bürgernahes und den Datenschutz stärkendes Datenschutzgesetz.

Eine wichtige Grundlage für die Tätigkeit der Abgeordneten zur Fortentwicklung des Datenschutzes ist der X. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz Dr. Harald von Bose. Der fast 300seitige Bericht hat datenschutzpolitische Feststellungen zum Inhalt und greift Grundsatzthemen auf. Er enthält aus der Zeit vom April 2009 bis zum März 2011 Informationen, Kritik und Lob zu rechtlichen und technischen Entwicklungen. Er stellt Materialien und praxisbezogene Hinweise aus anschaulichen Einzelfällen, Beratungen und Kontrollen zur Verfügung. "Datenschutz muss mit Herz und Verstand umgesetzt werden", schreibt von Bose den Abgeordneten ins Stammbuch. Datenschutz sei eine Kernaufgabe, er dürfe nicht nebenbei gemacht werden.

In seinem Bericht listet der Landesdatenschutzbeauftragte vier Bereiche auf, die bei neuen Konzeptionen und Maßnahmen Berücksichtigung finden sollten. Es sind dies die Bereiche Recht, Technik, Kontrolle und Bildung bzw. Medienkompetenz. Sie werden übergreifend und anhand von Einzelvorhaben und Aktivitäten näher beschrieben. Sowohl die Landesregierung als auch die Fraktionen des Landtages gehen in ihrer Stellungnahme und in der Entschließung auf diese Eckpfeiler des Datenschutzes ein und fordern übereinstimmend deren Berücksichtigung bei der Novellierung des Datenschutzgesetzes. Eine besondere Aufgabe sei es, so von Bose, das Datenschutzrecht an die Herausforderungen neuer Technologien anzupassen und dabei zum Beispiel die Rechte der Betroffenen bei der Nutzung des Internets, insbesondere auf Löschung ihrer Daten, zu verbessern. Die Aufklärung von Verbrauchern jeden Alters hinsichtlich des Schutzes ihrer Daten im Internet müsse nachhaltig gefördert werden.

Neben den Abgeordneten kommt auch auf die Landesregierung große Verantwortung zu. Sie soll laut Entschließung die Umsetzung des Konzepts zur Medienkompetenzbildung von Kindern und Jugendlichen intensivieren, um die Sensibilität junger Menschen im Umgang mit ihren persönlichen Daten zu stärken. Zusätzlich sollten auch in den Bereichen der Schulsozialarbeit und der Jugendarbeit Inhalte der Medienbildung einschließlich des Datenschutzes einbezogen werden. Das Kultusministerium soll darüber im ersten Quartal 2013 in mehreren Ausschüssen des Landtages berichten.

Auch für den Bedarf der Unternehmen sind Konzepte und Maßnahmen zu entwickeln, die Informationen zu einem modernen Datenschutz und einer risikoadäquaten Informationssicherheit und die Wahrnehmung eines Datenschutzmanagements als Führungsaufgabe unterstützen. Datenschutz müsse da anfangen, so von Bose, wo Daten in Behörden und Betrieben entstehen. Dafür sei auch die Selbstkontrolle zu entwickeln.

Zusammenfassend fordert der Landesbeauftragte für den Datenschutz die Stärkung des Datenschutzbewusstseins in den Behörden (Datenschutzmanagement), die Modernisierung des Datenschutzgesetzes im Hinblick auf materielle Regelungen sowie die Stärkung des Verbraucherschutzes insbesondere durch die Zusammenfassung von Zuständigkeiten und Schaffung eines Ansprechpartners innerhalb der Landesregierung.

Die Novellierung des Datenschutzgesetzes in Sachen-Anhalt ist in Zeitverzug. Sie hätte eigentlich bis Ende des Jahres 2012 erfolgt sein sollen. Nun liegt der Schwerpunkt der Abgeordnetentätigkeit dafür im ersten Quartal 2013. Länger sollte jedoch nicht gewartet werden, mahnt von Bose und verweist zudem auf die europäische Komponente.

Die EU-Kommission hat im Januar 2012 Entwürfe für eine "Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr" (Datenschutzgrundverordnung) sowie für eine "Richtlinie über den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Aufdeckung, Untersuchung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr" vorgelegt. Beide Entwürfe, so stellte Sachsen-Anhalts Landesregierung fest, bedürften einer kritischen Begleitung, bestehe doch die Gefahr, dass sie die Regelungskompetenzen der nationalen Gesetzgeber massiv beschränken. Die EU-Regelungen sollen 2014 beschlossen werden und 2016 in Kraft treten.


Weitere Informationen zum Datenschutz finden Sie unter:
www.datenschutz.sachsen-anhalt.de

Wolfgang Schulz

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Praktische Tipps zum Datenschutz im Alltag

Löschung der Telefonnummer
Unternehmen und Leistungsträger dürfen eine private Telefonnummer weder verlangen noch gegen den Willen des Betroffenen speichern, stellt der Landesbeauftragte für Datenschutz in seinem X. Tätigkeitsbericht fest. In einem Fall hatte eine Arbeitsagentur die Auffassung vertreten, dass die Speicherung der Telefonnummer für die Erfüllung der Aufgaben, insbesondere für die Eingliederung in Arbeit, erforderlich sei. Ein Betroffener hatte dagegen verlangt, dass die zuvor freiwillig angegebene Telefonnummer wieder gelöscht wird. "Ein Anruf kann zwar oft hilfreich sein, die Vermittlung ist aber auch möglich, wenn der Betroffene kein Telefon hat", heißt es im Bericht. Der Landesbeauftragte fordert deshalb, dass die Leistungsträger nur die Vordrucke verwenden, in denen die Telefonnummer als freiwillige Angabe gekennzeichnet ist.

Aufruf im Wartezimmer
Nicht jedem Patienten ist es angenehm, wenn sein Name laut im Wartezimmer aufgerufen wird. Mitunter können dadurch personenbezogene Daten weitergegeben werden, was datenschutzrechtlich bedenklich ist. Der Datenschutzbeauftragte zeigt auf, mit welch einfachen Mitteln dies bei öffentlichen Stellen mit Publikumsverkehr verhindert werden kann und muss. So zum Beispiel durch einen anonymisierten Aufruf ("Der Nächste bitte"), durch die Ziehung von Wertmarken oder die Schaffung von Diskretionszonen. Insbesondere im Sozialleistungsbereich begründet das Sozialgeheimnis die Pflicht des Leistungsträgers, das Sozialgeheimnis zu wahren. "Namentliche Aufrufe sind daher grundsätzlich zu vermeiden", so Harald von Bose.

Gemeinderatssitzung im Internet
Gegen die Übertragung von Bundestags- oder Landtagssitzungen im Internet gibt es keine Bedenken. Anders sieht es bei öffentlichen Gemeinderatssitzungen aus. Hier besteht nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts die Befürchtung, dass weniger redegewandte Ratsmitglieder durch die Übertragung ihre Spontanität verlieren, ihre Meinung nicht mehr geradeheraus vertreten oder schweigen, wo sie sonst gesprochen hätten. Da für eine Übertragung im Internet noch keine rechtliche Grundlage besteht, bedarf es für eine Übertragung nach dem Datenschutzgesetz Sachsen-Anhalts (Datenübermittlung ins Ausland) der Zustimmung aller Betroffenen. Wenn alle Ratsmitglieder einverstanden sind, kann die Sitzung übertragen werden, ist eine größere Anzahl der Ratsmitglieder nicht dafür, können Übertragungen vollständig untersagt werden. Es ist drittens auch möglich, dass einzelne Beiträge auf Wunsch nicht gesendet werden. Zwischenrufe oder Wortmeldungen von Zuhörern, welche nicht Gemeinderäte sind, dürfen nicht übertragen werden, stellt der Datenschutzbeauftragte fest.

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SACHSEN-ANHALT

Unternehmen stärker in der Pflicht

Hilft "Corporate Social Responsibility" bei leeren Staatskassen?

In den USA ist es heutzutage gang und gäbe, dass beispielsweise kulturelle Stätten wie Opernhäuser oder Theater nicht allein durch kommunale Mittel unterhalten werden, sondern dass auch Unternehmen und Private zur finanziellen Ausgestaltung der Einrichtung beitragen oder sie zu großen Teilen sogar übernehmen. Dies ist der Grundgedanke einer nachhaltigen Wirtschafts-, Umwelt- und Sozialpolitik von Unternehmen, wie sie seit spätestens den 1990er Jahren forciert und unter dem Titel "Corporate Social Responsibility" (CSR; Gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen) betrieben wird. Auf Initiative von Landtagspräsident Detlef Gürth diskutierten Mitte Oktober bei einer gemeinsamen Veranstaltung des Landtages und der Herbert-Quandt-Stiftung Vertreter aus Politik und Wirtschaft über Möglichkeiten der Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung durch Unternehmen und Perspektiven in dieser Richtung für Sachsen-Anhalt.

Die Zahl der Stiftungen und die Höhe der finanziellen Mittel im Sinne einer unternehmerischen Gesellschaftsverantwortung wachsen auch in Deutschland. Jedoch gibt es eine starke Differenziertheit zwischen den alten und den neuen Bundesländern. Wirtschaftsministerin Prof. Dr. Birgitta Wolff, Thimo V. Schmitt-Lord, Vorstand der Bayer-Foundation, Heinrich von Nathusius, Geschäftsführer der IFA-Maschinenbau GmbH, und Prof. Dr. Sebastian Braun von der Humboldt-Universität diskutierten am Standort der regiocom GmbH Magdeburg an der Seite von Moderatorin Pinar Atalay unter dem Motto "Von der Philanthropie zur Strategie?" über gesellschaftliches Engagement von Unternehmen in Deutschland. Hierbei ging es vor allem darum aufzuzeigen, inwiefern "Corporate Social Responsibility" als langfristiges und nachhaltiges Mittel fungieren kann, regionale Verantwortung zu übernehmen, zur Festigung gesellschaftlicher Interessen und zur Zufriedenheit der eigenen Belegschaft und der Gesellschaft beizutragen. So profitieren Unternehmen von der Gesellschaft etwa durch die Ausbildung ihrer Mitarbeiter an Schulen und Hochschulen und geben deshalb etwas an das Gemeinwesen zurück.

"Der Staat lässt einige Handlungsspielräume für das traditionelle Engagement von Unternehmen für die Gesellschaft."
Prof. Dr. Sebastian Braun

Durch die Kooperation des Landtages von Sachsen-Anhalt mit der Herbert-Quandt-Stiftung sollen die vielfältigen CSR-Instrumente bekanntgemacht, Potenziale für eine unternehmerische Verantwortungskultur aufgezeigt und engagierte Unternehmerinnen sowie Unternehmer motiviert werden, sich verstärkt gemeinsam mit der Wirtschaft auf den Weg zu machen. Landtagspräsident Detlef Gürth ermunterte die Damen und Herren auf dem Podium, sich mit den Fragen auseinanderzusetzen, ob CSR eventuell sogar das Auseinanderdriften von Ost und West hinsichtlich der Ungleichgewichtung in den Bereichen Sport und Kultur eindämmen könne und ob es durch die knappen Ressourcen in den öffentlichen Haushalten konsequenterweise zu einer Verstärkung von CSR-Aktionen durch Unternehmen kommen müsse.


Engagement über die Werksgrenzen hinaus

Grundsätzlich gebe es bereits ein breites Engagement von Unternehmen in Deutschland, die sich für die Fortentwicklung der Gesellschaft einsetzten, machte Sebastian Braun von der Humboldt-Universität Berlin deutlich. Dieses Engagement sei traditionell gewachsen und beginne beim Bäcker um die Ecke, der eine Schaubäckerei für Kinder organisiere, und ende bei großen Unternehmen, die erheblich viel Geld in Drittprojekte investieren. Der Staat lasse hier gewisse Handlungsspielräume - vor allem in den Bereichen Kultur und Sport. Während früher vermehrt Spendenschecks ausgestellt worden seien, komme es mehr und mehr aber zu einer betriebswirtschaftlichen Rationalisierung beim gesellschaftlichen Engagement. Vor allem im Osten Deutschlands gehe es auch 20 Jahre nach der Wende darum, das Kerngeschäft zu erfüllen und Arbeitsplätze zu schaffen, so Braun. Erst danach könne sich Engagement anschließen, das über die eigentlichen "Werksgrenzen" hinausgehe.

"Erfolgreiches Arbeiten unter anständigen Bedingungen ist ein erster wichtiger Schritt, um die Ideale der sozialen Marktwirtschaft umzusetzen."
Prof. Dr. Birgitta Wolff

IFA-Chef Heinrich von Nathusius konnte dies nur bestätigen: "Die Unternehmen haben sich auch 20 Jahre nach der Wende noch nicht den 'Speckgürtel' zulegen können, der für so eine herausfordernde Arbeit notwendig ist". Gleichwohl gebe es Unterstützung in kleinen Projekten, die sich aber von den Maßnahmen, wie sie beispielsweise die Bayer-Foundation in den zurückliegenden Jahrzehnten hat aufbauen können, unterscheiden. Wirtschaftsministerin Birgitta Wolff machte im gleichen Zuge darauf aufmerksam, dass CSR im weiteren Sinne ja schon in der Firmenpolitik an sich beginne: Erfolgreiches Arbeiten, und dies unter anständigen Bedingungen (zum Beispiel der angemessenen Entlohnung der Belegschaft), sei ein erster wichtiger Schritt, um die Ideale der sozialen Marktwirtschaft umzusetzen. Dabei könnten Unternehmen und Institutionen auch auf diverse Förderinstrumente des Staates zurückgreifen. Wolff räumte ein, dass Unterstützung aber auch vonseiten der Unternehmen selbst kommen könne. Es gelte, die unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen ins Gespräch miteinander zu bringen. "Bei der Kürzung der öffentlichen Gelder müssen wir als Unternehmen einspringen, weil uns die jungen Menschen wichtig sind, weil wir sie am Ende ja auch selbst brauchen", verdeutlichte Heinrich von Nathusius.

"Wir müssen als Unternehmen einspringen, weil uns die jungen Menschen wichtig sind, weil wir sie am Ende ja auch selbst brauchen."
Heinrich von Nathusius


Klassische Strategie: Hilfe zur Selbsthilfe

Dass CSR weit mehr ist als eine Profilierung des Unternehmens in der Öffentlichkeit, machte Thimo V. Schmitt-Lord klar: Es gehe darum, eine Ergänzungsstrategie zum eigentlichen Kerngeschäft des Unternehmens zu entwickeln. Man müsse überlegen, wofür man als Unternehmen stehe, und sich dann in Bereichen engagieren, die auch passten, meinte Schmitt-Lord. Gesellschaftliche Problemlagen sollten durch CSR dauerhaft gelöst werden, anstatt - wie in den USA, wo die Spendenmentalität sehr hoch sei - nur Löcher zu stopfen, womit die Schwierigkeiten aber nur aufgeschoben, nicht jedoch aufgehoben seien. Perspektivisch Hilfe zur Selbsthilfe geben, lautet da das Stichwort, nicht unähnlich dem Verfahren in der Entwicklungshilfe. "Die Unternehmen helfen mit ihrem Fachwissen und tragen mit ihrem (finanziellen) Engagement zum Wissenstransfer bei", bestätigte Sebastian Braun.

"Kann Corporate Social Responsibility das Auseinanderdriften von Ost und West im soziokulturellen Bereich verhindern?"
Detlef Gürth

"Gesellschaft ist ein Diskussions-, ein Aushandlungsprozess", resümierte Dr. Christof Eichert, Vorstand der Herbert-Quandt-Stiftung, den Abend. CSR sei als gemeinschaftliche Aufgabe aufzugreifen, um Problemlagen, die vor Ort entstanden seien, auch vor Ort zu lösen. Die Quandt-Stiftung sehe sich selbst als Entwicklungspartner und werde sich in den kommenden Jahren verstärkt in Sachsen-Anhalt einbringen. Den landläufig viel zu überhöhten Erwartungen an den Staat, immer als helfende Hand einzuspringen, könne nur gemeinsam begegnet werden. Den Unternehmen komme hier, so Eichert abschließend, eine wichtige Rolle zu. Dr. Stefan Müller "Kann Corporate Social Responsibility das Auseinanderdriften von Ost und West im soziokulturellen Bereich verhindern?"

Detlef Gürth

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AUS DEM PLENUM

Zu teuer, wenig ökologisch und unnötig? Die A14 in der Diskussion

Landesregierung legt Antwort auf Grosse Anfrage vor

Es ist eines der wichtigsten und größten Bauprojekte der letzten Jahre in Sachsen-Anhalt: Die Nordverlängerung der Bundesautobahn 14. Seit Jahren wird darüber in den Medien, in der Politik und in der Gesellschaft diskutiert. Auch die Abgeordneten des Landtages von Sachsen-Anhalt haben zur Novembersitzung den heiß diskutierten Straßenbau zum Thema gemacht. Die Landesregierung legte eine Antwort zur im Juli gestellten Großen Anfrage von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor. Darin wurden unter anderem Fragen zum Planungsstand, zum Naturschutz und zu den Kosten beantwortet. Themen, welche bei allen Fraktionen für Diskussionsstoff sorgen.


155 Kilometer, von Magdeburg bis Schwerin

Wenn vom geplanten Nordabschnitt der A14 die Rede ist, dann ist die Strecke von Magdeburg über Wittenberge bis nach Schwerin gemeint. Geplant ist eine Verlängerung nach Norden über Colbitz, Lüderitz, Stendal, Osterburg, Wittenberge, Karstädt und Ludwigslust mit einem Anschluss an das nördliche Teilstück am Dreieck Schwerin, das zum Autobahnkreuz ausgebaut werden soll. Insgesamt wird die Strecke knapp 155 Kilometer lang sein, davon 97 Kilometer in Sachsen-Anhalt. Am 20. Juni 2007 unterzeichneten Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee und die Verkehrsminister der betroffenen Bundesländer Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern den Vertrag über den Bau der Strecke. Im März 2011 wurde die Fertigstellung für 2020 erwartet. Nach neuesten Schätzungen sollen sich die Kosten für das Projekt auf etwa 1,3 Milliarden Euro belaufen. Diese Kosten werden von den Ländern, vom Bund und von der Europäischen Union getragen. Es gibt vier Hauptgründe für die Verlängerung der A14 Richtung Norden. Erstens soll die Erreichbarkeit verbessert werden, da in einigen Gebieten, vor allem in der Altmark, das Erreichen eines Autobahnanschlusses durchschnittlich 51 Minuten dauere, bundesweit jedoch nur 21 Minuten. Zweitens geht es den Akteuren um die Verbesserung der Standortqualität und eine nachhaltige Raum- und Regionalentwicklung. Drittens soll die Komplettierung des Autobahngrundnetzes im Verkehrskorridor Hamburg / deutsche Ostseehäfen-Magdeburg-Halle / Leipzig-Zwickau / Chemnitz/Dresden-Tschechien erfolgen. Viertens soll die A14 die Hinterlandanbindung des Ostseehafens Wismar an Magdeburg und die Metropolregionen Halle/Leipzig und Dresden/Zittau/Chemnitz verbessern.


A14 sorgt weiterhin für Diskussionsstoff

Im Juli hatte die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine Große Anfrage zum geplanten Bau des Nordabschnitts der A14 gestellt. In der Großen Anfrage ging es um den Planungsstand, die Zukunft nachgeordneter Straßen, Verkehrsprognosen, Kosten und Finanzierung, Planungskosten, den Ausbau der Bundesstraße 189, wirtschaftliche Effekte und Umweltaspekte. Gerade der letzte Punkt war in der Sitzung des Novemberplenums für die Grünen ein Hauptthema. Christoph Erdmenger sprach für die einbringende Fraktion. "Die CO2-Emmission muss auch in Deutschland weiter sinken. 20 Prozent geht auf den Verkehr zurück. Das erfordert einen langfristigen Wandel unserer Lebens- und Wirtschaftsweise. Die Nordverlängerung der A14 erzeugt mehr Verkehr und mehr CO2. Sie ist keine klimafreundliche Infrastruktur", mahnte Erdmenger. Zudem meinte er, dass eine Autobahn nicht die Heilsbringerin für die lokale Wirtschaft sei. Vielmehr müsste sich beispielsweise auf den Fachkräftemangel konzentriert werden. Verkehrsminister Thomas Webel (CDU) bezeichnete die andauernde Infragestellung der Verlängerung der A14 seitens der Grünen als realitätsfern. "Die Nordverlängerung ist ein Fingerzeig für die Altmark. Der Bau steht für die wirtschaftliche Entwicklung in der Region", so der Minister. Zugleich gehe es auch darum, die Regionen Hamburg und Bremerhaven an unsere Regionen und die Region Leipzig anzubinden. Mit Blick auf die Fraktion BÜNDIS 90/DIE GRÜNEN wies er darauf hin, dass alle naturschutzrechtlichen Maßnahmen ergriffen worden sind. "Wir wollen und werden weiterhin die grünste Autobahn Deutschlands bauen", sagte Webel bestimmt. Auch CDU-Kollege Hardy Peter Güssau, selbst in der Altmark lebend, verteidigte das Bauprojekt. "Wir stehen zur A14 ohne Wenn und Aber", so zur Haltung seiner Fraktion. Er betonte die Wichtigkeit der Bundesautobahn für die Altmark. "Die Menschen im Norden des Landes müssen gleichberechtigte Lebensverhältnisse und Chancen haben", sagte er. Zeitgleich und mit Blick auf den Umweltschutz berichtete er von geplanten und schon gebauten Überquerungen für Wild und Fledermäuse. Holger Hövelmann (SPD) betonte in der Debatte, dass auch der Aspekt der "grünsten Autobahn Deutschlands" die Kosten in die Höhe treibe. Damit müsse man jetzt rechnen. Trotz alledem sei die A14 wichtig. "Sie ist eine notwendige Lebensader für die Altmark und für Sachsen-Anhalt insgesamt und hilft, sich positiv am Markt zu positionieren". Frank Hoffmann von der Fraktion DIE LINKE machte ebenso deutlich, dass es schnellerer Verbindungen gerade in der Altmark bedarf. "Worum geht es denn bei der A14? Die Erschließung der Altmark oder die Anbindung der Seehäfen?", stellte Hoffmann noch in Frage. Seine Fraktion hätte zwar für die Nordverlängerung gestimmt, jedoch auch Alternativen gesehen.

Ob die Autobahn wirklich bis 2020 fertig sein wird, ist derzeit unklar. CDU und SPD prognostizierten die Fertigstellung für 2025.

Katrin Wurm

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SACHSEN-ANHALT

Jugendliche erleben Politik hautnah

Wissenschaft im Dialog im Landtag

Einmal Abgeordneter sein, über gesellschaftlich relevante Themen sprechen, erleben, wie parlamentarische Arbeit funktioniert. Vom 24. bis zum 26. Oktober berieten Schülerinnen und Schüler aus Magdeburg zur Veranstaltung "Wissenschaft im Dialog" im Landtag von Sachsen-Anhalt Zukunftsfragen. Der dreitägige Workshop stand unter dem Motto "Zukunftsprojekt Erde - Schüler diskutieren über die Zukunft". Mit dem Ziel, beschlussfähige Anträge zu formulieren, über die in einer großen Abschlussdebatte diskutiert und abgestimmt wurde, gingen alle Teilnehmer an die Arbeit.

Rund 70 Jugendliche nahmen an dem spannenden dreitägigen Projekt im Landtag von Sachsen-Anhalt teil. Landtagspräsident Detlef Gürth sprach den Jugendlichen Mut bei der Kreativität der Themen und Hartnäckigkeit in der Diskussion zu. Er hieß die Schülerinnen und Schüler am Eröffnungstag im Plenarsaal willkommen und zeigte sich von der Veranstaltung beeindruckt. "Es ist sehr wichtig, dass ihr euch meinungsbildend einbringt. Vielleicht sitzt unter euch ja ein zukünftiger Politiker." Gleichzeitig wünschte er ihnen ein gutes Händchen für relevante Themen und eine fruchtbringende Diskussion. Gestärkt und motiviert durch die Worte des Landtagspräsidenten zog es die Teilnehmer schließlich in die inhaltliche Projektarbeit.


Sieben Teams - ein Auftrag: Meinung bilden!

Die Mädchen und Jungen bildeten verschiedene Arbeitsgruppen, in denen ganz unterschiedliche, aber immer gesellschaftlich relevante Themen besprochen wurden. Im Team Ernährung drehte sich alles um Konzepte zur Entwicklungshilfe. Das Team Umwelt beschäftigte sich mit den Folgen des Klimawandels. Friedens- und Konfliktforschung stand bei anderen Mädchen und Jungen auf der Agenda. Hier wurde über den Tellerrand geschaut. Wo gibt es in der Welt Krisenherde und was kann dagegen unternommen werden?, fragten sich die Teammitglieder. Wirtschaftlich interessierte Jugendliche konnten sich im Team Wirtschaft einbringen. Ebenso gab es je eine Gruppe zum Thema Energieforschung, Demokratie und Kommunikationswissenschaften. In allen Teams wurden wichtige Themen gefunden, diskutiert und schließlich Anträge erarbeitet. Diese Anträge sollten dann zur Abschlussdebatte am letzten Veranstaltungstag wie im richtigen Parlament vorgestellt und beraten werden. Doch bis dahin war es ein weiter Weg, denn erst einmal musste erarbeitet werden, welche Gedanken überhaupt relevant sind. Dabei waren auch der Kreativität keine Grenzen gesetzt. So schlug das Team Ernährung in ihrem Antrag eine Alternative zum Fleischkonsum - Fleisch aus Pflanzen vor. Experten und Wissenschaftler standen den Gruppen während der ganzen Projektarbeit zur Seite und berieten die jungen Parlamentarier. Ein Presse-Team, ebenfalls bestehend aus Schülerinnen und Schülern, begleitete die Veranstaltung journalistisch. Sie schrieben Artikel und drehten Filme, die dann online veröffentlicht werden. Außerdem interviewten sie Landtagsabgeordnete und Workshop-Teilnehmer, um die Veranstaltung zu reflektieren. Am Ende entstand ein Imagefilm, der den ganzen Ablauf von "Wissenschaft im Dialog" dokumentiert.


18 Anträge in der Debatte

Und dann war es endlich so weit: Am Tag der parlamentarischen Sitzung ganz im Stile der Berufspolitiker waren alle sichtlich aufgeregt. 18 Anträge hatten die Teams erarbeitet. Jeder Antrag wurde einzeln vorgetragen und erläutert. Daraufhin brachten die anderen Gruppen nacheinander ihre Haltung zum vorgestellten Antrag ein. Dabei ging es auch mal hitzig und brisant zu, Köpfe wurden zusammengesteckt, Argumente dargelegt. Schließlich wurde abgestimmt. Während einige Themen eine breite Mehrheit fanden, wie z. B. die Bereitstellung von mehr Geldressourcen für die Erforschung erneuerbarer Energien, wurden andere abgelehnt. Keine Mehrheit fand die Fleischersatz-Idee. In der mehrstündigen Diskussion wurde unter anderem auch über "Internet für die ganze Welt", "Goldbank zur Krisenüberwindung" oder "Lösungen zur Überfischung" gesprochen.

Wissenschaft im Dialog ist 1999 von den führenden deutschen Wissenschaftsorganisationen gegründet worden. Als Partner kamen Stiftungen hinzu. Maßgeblich unterstützt wird die Gesellschaft vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Wissenschaft im Dialog engagiert sich für den Austausch und die Diskussion. Dazu werden deutschlandweit Veranstaltungen und Programme, wie eben das Schülerparlament, organisiert.

Katrin Wurm


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Am Originalschauplatz der Politik: "Wissenschaft im Dialog" wurde im Plenarsaal eröffnet.
- Das Presse-Team interviewte die Teilnehmer.
- Abschlussdebatte im Landtag: 18 Anträge wurden diskutiert.
- Der richtige Schnitt macht's: Das Medien-Team bearbeitet den Film zum Projekt.
- Diskussion in der Gruppe: Meinungen wurden verworfen, geteilt und gerechtfertigt.

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REGIONALFENSTER

Am Anfang war das Wort

Halbzeit in der Lutherdekade zum Reformationsjubiläum 2017

"Am Anfang war das Wort." Unter diesem Motto wird in Sachsen-Anhalt auf ein Jubiläum zugesteuert, das in fünf Jahren mehr als 400 Millionen Menschen auf dem Erdball feiern: Die 500. Wiederkehr des Thesenanschlags von Martin Luther am 31. Oktober 1517 in Wittenberg. Dieses Ereignis gilt als Beginn der Kirchenreformation und hat weltgeschichtliche Bedeutung erlangt. Angesichts des seither vergangenen halben Jahrtausends erscheint ein Zeitraum von zehn Jahren nicht zu lang bemessen, um sich auf das Jubiläum der Reformation an ihrem Ausgangspunkt gebührend vorzubereiten.

Im Herbst 1508 kam Martin Luther zum ersten Mal nach Wittenberg, um an der Universität als junger Professor zu unterrichten. 500 Jahre später, im September 2008, wurde dort, der wichtigsten Wirkungsstätte des Reformators, die Lutherdekade eingeläutet. Sie greift das weite Spektrum der Reformation auf und beleuchtet bis 2017 in jedem Jahr jeweils ein spezielles Thema. Als Initiative in Sachsen-Anhalt gestartet, hat das Projekt "Lutherdekade" inzwischen nicht nur in ganz Mitteldeutschland, sondern bundesweit engagierte Partner gefunden. Bund, Länder, Regionen, Kommunen, kulturelle und wissenschaftliche Einrichtungen, Kirchengemeinden und Tourismusverbände bringen sich ein in die Vorbereitungen auf ein Ereignis von Weltrang, das im Jubiläumsjahr "500 Jahre Reformation" mit kirchlichen und kulturellen Veranstaltungen, Tagungen und großen Ausstellungen sicher auf dem ganzen Erdball gewürdigt, ganz besonders aber in der Lutherstadt Wittenberg als der "Hauptstadt der Reformation" gefeiert werden wird.

Überlegungen und Planungen, das Reformationsjubiläum als besonderes Ereignis von großer historischer Bedeutung zu begehen, gab es bereits vor dem offiziellen Start der Lutherdekade, die mittlerweile institutionalisiert ist: geführt durch paritätisch besetzte Gremien - ein Kuratorium und ein Lenkungsausschuss - und zwei Geschäftsstellen in Wittenberg als Ansprechpartner. Ein wissenschaftlicher Beirat sowie Arbeitsgruppen zu thematischen Schwerpunkten begleiten die Dekade inhaltlich. Die staatliche Geschäftsstelle "Luther 2017" hat ihr Domizil unter dem Dach der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt. Sie betreut gemeinschaftliche Aufgaben der Lutherdekade, zu deren offiziellen Akteuren sich über die Länder Mitteldeutschlands hinaus inzwischen auch etliche aus dem Westen der Bundesrepublik bekennen.

In der Mitte der Lutherdekade habe die Kampagne, die die große Bedeutung des Thesenanschlags Martin Luthers sowie der Reformation national wie international ins Licht der Öffentlichkeit gerückt, wahrlich "Flügel bekommen, mit zahlreichen faszinierenden Tönen", stellt der Direktor der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt Dr. Stefan Rhein zufrieden fest. Nachdem in den Jahren zuvor die Themen Bekenntnis, Bildung und Freiheit im Mittelpunkt standen, habe 2012 die Musik viele Menschen erreicht, freut sich auch Sachsen-Anhalts Kultusminister Stephan Dorgerloh. Insgesamt greifen die Themenjahre alle Facetten der Reformation - die zur Aufklärung hinführenden und freudigen, aber auch die schwierigen und schmerzvollen - sowie Impulse, die bis in die heutige Zeit reichen, auf und berücksichtigen zugleich historische Gedenkjahre wie den 450. Todestag Melanchthons 2010 oder den 500. Geburtstag Lucas Cranachs d. J. im Jahr 2015.

Zu den Vorbereitungen auf das Reformationsjubiläum gehören in Sachsen-Anhalt auch millionenschwere Baumaßnahmen an Gebäuden wie der Schlosskirche zu Wittenberg oder dem Sterbehaus Martin Luthers in Eisleben.


Die Themen der Lutherdekade:
2008 Eröffnung Lutherdekade
2009 Reformation und Bekenntnis
2010 Reformation und Bildung
2011 Reformation und Freiheit
2012 Reformation und Musik
2013 Reformation und Toleranz
2014 Reformation und Politik
2015 Reformation - Bild und Bibel
2016 Reformation und die Eine Welt
2017 Reformationsjubiläum


Themenjahr 2012 - Reformation und Musik

So wurde in Weißenfels das Haus eines der wichtigsten protestantischen Komponisten saniert und umgebaut. Als modernes Musikermuseum informiert es unter dem Motto "... mein Lied in meinem Haus" über Leben und Werk des frühbarocken Komponisten Heinrich Schütz (1585-1672), der die lutherische Kirchenmusik des 17. Jahrhunderts maßgeblich prägte.

Durch Martin Luther kam so richtig Musik in die Kirche. Für den Reformator war Musik eine Gabe und ein Geschenk Gottes. "Sie vertreibt den Teufel und macht die Menschen fröhlich", sagte er, der auch als "Wittenberger Nachtigall", als "singende Verkündigung" des Evangeliums und der neuen Lehre hoch geachtet war.

"Musica ist der besten Künsten eine. Die Noten machen den Text lebendig."
Martin Luther, Von der Musik Nutzen und Kraft

Luther war ein geübter Sänger und Lautenspieler. In seinem Werk als Komponist und Lieddichter hat er die reformatorischen Glaubenssätze zu Musik verdichtet. Seine Lieder sowie die seiner Anhänger entfalteten große Wirkung bei der Ausbreitung der Reformation. In den Kirchen wurde der deutschsprachige Gemeindegesang ein wichtiger Teil des Gottesdienstes und der Liturgie. Doch das Themenjahr "Reformation und Musik", das zum Reformationstag 2012 ausklang, war mehr als eine Hommage an den Reformator Luther, sondern erinnerte vor allem an den großen Reichtum protestantischer Kirchenmusik. Für Kultusminister Stephan Dorgerloh war es das bisher erfolgreichste der Lutherdekade, in dem auch dem großen musikalischen Reichtum des Musiklandes Sachsen-Anhalt eine Bühne bereitet wurde.

Allein im Kernland der Reformation umfasste der Veranstaltungskalender rund 100 Seiten mit mehr als 120 Veranstaltungen und Höhepunkten wie den Händel-Festspielen mit rund 45.000 Besuchern. Ebenfalls in Halle war die Jahresausstellung der Franckeschen Stiftungen "Weil sie die Seelen fröhlich macht. Protestantische Musikkultur seit Martin Luther" zu sehen. Deutschlandweit brachte im Themenjahr 2012 die Konzertreihe "366+1, Kirche klingt 2012" Lieder der Reformation vom Bodensee bis zur Ostsee zum Klingen. An jedem Tag im Schaltjahr 2012 wanderte die musizierende Staffel durchs Land: jeden Tag ein Konzert, jeden Tag ein anderer Ort, wechselnde Lieder in wechselnder Besetzung.


Themenjahr 2013 - Reformation und Toleranz

Nach der Musik ist das neue Themenjahr der "Toleranz" gewidmet. Diesen Begriff führte Luther in die deutsche Sprache ein, meinte damit aber nur das gegenseitige Ertragen verschiedener Religionen. Als Kind seiner Zeit konnte er sich wohl noch nicht vorstellen, dass unterschiedlichste Wahrheits- und Glaubensvorstellungen dauerhaft gleichberechtigt nebeneinander bestehen können. Das gelang erst 200 Jahre später. In den Franckeschen Stiftungen zu Halle soll mit der Ausstellung "Die Welt verändern. August Hermann Francke - Ein Lebenswerk um 1700" an den 350. Geburtstag von August Hermann Francke (1663-1727) erinnert werden. Die Schau steht unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Joachim Gauck, der sie am 23. März 2013 in Halle eröffnen wird.


Luthers Thesenanschlag - Wahrheit oder Legende?

Wurden Luthers Thesen wirklich ausschließlich an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg genagelt? Fast ein halbes Jahrtausend später steht die Einzigartigkeit eines der bekanntesten Portale der Weltgeschichte in Frage. Denn es ist gut möglich, dass der Reformator seine Thesen über den Ablass an die Türen aller Wittenberger Kirchen anschlug. Die Verwendung des Plurals in einem kürzlich entdeckten handschriftlichen Vermerk von Luthers Sekretär verschafft der Lutherstadt Wittenberg auf Anhieb mehr als nur eine Thesentür.

Jener, die lange dafür gehalten wurde, kann es egal sein - sie existiert nicht mehr. Die hölzernen Türflügel, die Luthers Thesenzettel getragen haben sollen, fielen 1760 einem Brand zum Opfer.


Luthers letzter Weg in Eisleben

"Luthers letzter Weg" wird ab kommendem Jahr in Eisleben anschaulich nacherlebbar, wenn sein Sterbehaus nach der Wiedereröffnung von Luthers letzten Tagen und Stunden, seinem Verhältnis zu Sterben und Tod sowie vom Einfluss der Theologie des Reformators auf die Sterbekultur erzählt. Das historische Gebäude wurde in zweijähriger Bauzeit saniert und durch Integration eines Neubau sowie zusätzlicher Außenflächen zu einem Museumsquartier erweitert.

Luthers Sterbehaus im neuen Gewand ist einer von vielen Mosaiksteinen in Vorbereitung auf das Reformationsjubiläum 2017.


Reformation und Toleranz in den Franckeschen Stiftungen

Am 22. März 2013 jährt sich zum 350. Mal der Geburtstag von August Hermann Francke, der wesentlich für die Verbreitung und Fortentwicklung von Luthers Lehren sorgte. Seine Impulse wurden zur bedeutendsten protestantischen Reformbewegung der Neuzeit, dem Halleschen Pietismus. Francke überwand konfessionelle Grenzen und meinte, dass Toleranz auch die jeweils andere Wahrheit wertschätzen sollte. In den Franckeschen Stiftungen wird im Themenjahr 2013 - Reformation und Toleranz - eine Ausstellung unter dem Motto "Die Welt verändern" an seine Vision von einer "Weltverwandlung durch Menschenverwandlung" erinnern.


Stiftung Luthergedenksttten in Sachsen-Anhalt

Martin Luthers Erbe zu bewahren und zu vermitteln, ist Aufgabe der 1997 gegründeten Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt. In ihrer Obhut befinden sich das Luther- und das Melanchthonhaus in Wittenberg sowie Martin Luthers Geburts- und Sterbehaus in Eisleben - alle vier "als authentische Schauplätze der Reformation von außergewöhnlich universeller Bedeutung" ausgezeichnet als Weltkulturerbe der UNESCO.

Die Luthergedenkstätten gehören zu den frühesten Museen in Deutschland, die einer Person, ihrem Wirken und Nachleben gewidmet sind. Luthers Geburtshaus ist seit 1693 Gedenkstätte, im Sterbehaus wurde Ende des 19. Jahrhunderts ein Museum eingerichtet.


Weltweit gröSStes Museum zur Reformationsgeschichte

Das Lutherhaus in Wittenberg wurde als Augustiner-Kloster ab 1504 erbaut. Über 35 Jahre war es Hauptwirkungsstätte Martin Luthers. Dort lebte er seit seiner Ankunft in Wittenberg, dort hatte er seine "reformatorische Entdeckung", hielt Vorlesungen vor Studenten aus ganz Europa. Heute ist das rund 500 Jahre alte Gebäude das größte reformationsgeschichtliche Museum der Welt.

Es wurde Anfang des 21. Jahrhunderts umfassend erneuert und um ein modernes Eingangsgebäude erweitert. Die Dauerausstellung erzählt vom Leben und Werk des Reformators, aber auch vom familiären Alltag und der reichen Wirkungsgeschichte. Ausgestellt werden ausschließlich originale Exponate.


Weltkulturerbe im neuen Glanz

Eine andere Erinnerungsstätte der Reformation ist das ehemalige Wohnhaus des Humanisten und Reformators Philipp Melanchthon, das fast unverändert erhalten blieb. Das Renaissancebauwerk mit dem markanten Giebel wird im Februar 2013 mit der neuen Ausstellung "Philipp Melanchthon - Leben - Werk - Wirkung" wieder seine Pforten öffnen. Informationen über Melanchthon als Mensch, Ehemann und Familienvater werden für die Besucher in moderner Form visualisiert. Herzstück des Rundgangs bleibt das Studier- und Sterbezimmer des Gelehrten mit seiner historischen Ausstattung.


Erlaufene Reformationsgeschichte

Schritt für Schritt, abseits dicht befahrener Straßen, lassen sich die Schauplätze der Reformation entlang der Lutherwege in Sachsen-Anhalt, Thüringen oder Sachsen erkunden. Die Routen führen zu Kirchen, Wohnorten und Wirkungsstätten der Reformatoren. Der 410 Kilometer lange Lutherweg in Sachsen-Anhalt führt von Wittenberg nach Eisleben und über Halle (Saale) zurück in die Lutherstadt an der Elbe. Auf dieser Tour, gegliedert in 40 Stationen, ist jede Menge Wissenswertes über das Schaffen und Leben des Kirchenerneurers zu erfahren.


Der Luthergarten - Ein wachsendes Denkmal

Der 500. Jahrestag der Reformation im Jahr 2017 soll in Wittenberg mit einem lebenden und zugleich wachsenden Denkmal gefeiert werden. Auf Initiative des Lutherischen Weltbundes sind Kirchen aus aller Welt und aller Konfessionen eingeladen, die Patenschaft für einen Baum im neu entstehenden Luthergarten zu übernehmen und einen weiteren im Bereich ihrer Heimatkirche zu pflanzen. Die 500 Pflanzen in Wittenberg symbolisieren 500 Jahre Reformation. Die zugleich weltweit gesetzten Bäume verdeutlichen, dass die Reformation weit über Wittenberg hinaus wirkte.

Gudrun Oelze


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Luther im Kreise seiner Familie, Peter Carl Geißler, kolorierte Radierung um 1825
- Lutherhaus Wittenberg
- Thesentür der Schlosskirche in Lutherstadt Wittenberg
- Eisleben - Luthers Sterbehaus - Stube mit Bahrtuch
- Franckesche Stiftungen zu Halle (Saale)
- Melanchthonhaus in Lutherstadt Wittenberg

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IM BLICKPUNKT

Neuregelungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge

Gesetz tritt ab dem 1. Januar 2013 in Kraft

Ab dem 1. Januar 2013 wird es bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen zahlreiche Änderungen geben. Der Landtag hatte im Herbst das Gesetz über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen in Sachsen-Anhalt beschlossen. Ende 2011 wurde im Parlament zum ersten Mal über das Gesetz beraten. Nach einer großen Anhörung mit über 50 Vertretern aus Wirtschaft, Verbänden und Interessenvertretungen - sowie zahlreichen Beratungen auch in mitberatenden Ausschüssen - fertigte der Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft auf Grundlage des Gesetzentwurfs von CDU und SPD eine Beschlussempfehlung an. Dieser wurde, trotz Änderungsanträgen von den Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, gefolgt.

Was ändert sich also 2013? Für Unternehmen gilt ab dem nächsten Jahr die sogenannte Tariftreue. Sie müssen die Einhaltung von allgemeinverbindlichen Tarifverträgen und branchenbezogenen tariflichen Mindestlöhnen bei der Angebotsabgabe garantieren. Das gilt auch für Nachunternehmer und Leiharbeiter. Zudem müssen sich Unternehmen, die sich um Verkehrsdienstleistungen bewerben, verpflichten, einen durch das Arbeitsministerium als repräsentativ erklärten Tarifvertrag anzuwenden. Laut Gesetzentwurf von CDU und SPD soll das neue Landesvergabegesetz einen Beitrag zur zielgerichteten und effektiven Förderung der Unternehmenslandschaft in Sachsen-Anhalt leisten, das die Interessen der öffentlichen Auftraggeber, soziale und ökologische Interessen und die Belange der Wirtschaft in einem ausgewogenen Verhältnis miteinander verbindet. Sinn und Zweck des Gesetzes sei es, den Wettbewerb um die wirtschaftlich beste Leistung über Qualität und Innovation zu fördern und zu unterstützen. Die Rechtssicherheit für die Vergabestellen solle gestärkt und dadurch schnellere Entscheidungen ermöglicht werden.


Chancengleichheit und Meidung ausbeuterischer Arbeit

Doch nicht nur Tariftreue spielt im Vergabegesetz eine große Rolle. Es soll mit dem Inkrafttreten des Vergabegesetzes die Entgeltgleichheit von Frauen und Männern gewährleistet werden. Auch die Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern soll nach dem Gesetz Berücksichtigung finden. Der Erwerb von Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit oder Zwangsarbeit soll vermieden werden. Ebenso im Gesetz verankert: eine umweltfreundliche Beschaffung und die Gewährleistung eines Rechtsschutzes für nicht berücksichtigte Bieter unterhalb der EU-Schwellenwerte. Die Vergabeentscheidungen unterhalb der entsprechenden Schwellenwerte der Richtlinien der Europäischen Union unterlagen bisher keinem Rechtsschutz. Dadurch könnte die Durchsetzung individueller Anliegen verhindert und das Interesse an einem rechtmäßigen Handeln der Verwaltung sowie an einem wirtschaftlichen Umgang mit Haushaltsmitteln beeinträchtigt werden. Die Opposition kritisierte das neue Vergabegesetz. DIE LINKE bemängelte, dass durch das Gesetz kein Mindestlohn von 8,50 Euro geregelt sei. Nach Ansicht von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sei im Gesetz nicht ausreichend auf die Einhaltung ökologischer Standards geachtet worden.


Zum Charakter öffentlicher Aufträge

Öffentliche Auftraggeber sind an das jeweils geltende Vergaberecht gebunden. Aufträge können nicht frei, sondern nur unter Beachtung der jeweils geltenden vergaberechtlichen Vorschriften vergeben werden - einschließlich der Konsequenzen, die sich aus der Anwendung dieser Vorschriften für das Zustandekommen des Vertrages und der Vertragsbestandteile ergeben. Das Vergaberecht regelt die Auswahl des Partners mit dem Ziel, das beste, das heißt, das wirtschaftlichste Angebot zu finden. Stichworte sind hierbei Wirtschaftlichkeit, Transparenz, Nachprüfbarkeit, Wettbewerb und Nichtdiskriminierung.

Katrin Wurm

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VOLKSTRAUERTAG

Zum Gedenken an die Opfer von Krieg und Verfolgung

Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag Im Landtag von Sachsen-Anhalt

"Zum Auftrag 'in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen' (aus der Präambel des deutschen Grundgesetzes), kann jeder individuell einen Beitrag leisten.", so die Begrüßungsworte Dieter Steineckes, MdL und Landesvorsitzender des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. zur Gedenkveranstaltung am 18. November im Landtag von Sachsen-Anhalt.

Ganz im Sinne dieser Ermahnung orientierte sich das diesjährige Gedenken am 50. Jubiläum der deutsch-französischen Freundschaft. So berichteten Jugendliche von ihren Erfahrungen im "Workcamp" des Volksbundes, bei dem ein interkultureller Austausch durch die gemeinsame Pflege von Gedenkstätten und Gräbern stattfindet. Über die "Medizin gegen die Erbfeindschaft" zwischen Deutschland und Frankreich sinnierte Tilmann Algermissen vom Jugendarbeitskreis des Volksbundes und kam zu dem Schluss, dass sich diese "durch die Begegnung über den Gräbern und gegenseitiges Verständnis in einem Prozess, in welchem sich das Verhältnis über Jahre zum Guten gewendet hat" äußert. Generalmajor der Bundeswehr, Heinrich Geppert unterstrich in einer Gedenkansprache den historischen Rahmen und verwies auf die Notwendigkeit, mit dem Gedenken, das Wissen über die Vergangenheit an Folgegenerationen weiterzugeben. Zum Abschluss der Veranstaltung verlas Landtagspräsident Detlef Gürth das "Totengedenken" und initiierte eine Schweigeminute. Im Anschluss fand die feierliche Kranzniederlegung auf dem Westfriedhof statt.

Annekatrin Barth


Hintergründe

1922 fand die erste offizielle Gedenkstunde im Reichstag in Berlin statt. Initiiert vom 1919 gegründeten Volksbund, sollte mit dem Volkstrauertag "Ein Gefallenendenkmal im Herzen des deutschen Volkes" gesetzt werden. 1934 deuteten ihn die nationalsozialistischen Machthaber zum "Heldengedenktag" um. Seit 1952 wird der Volkstrauertag, mit dem Ziel "die Erinnerung in Deutschland so zu formulieren, dass eine angemessene Würdigung aller Opfer gelingt", immer am zweiten Sonntag vor dem 1. Advent begangen.
www.volksbund.de

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SENIORENFORUM

Wir in Sachsen-Anhalt - Aktive Seniorenpolitik

Siebentes Seniorenforum tagte im Parlamentsgebäude

"Wir in Sachsen-Anhalt" sagten selbstbewusst jene Frauen und Männer, die am 23. November 2012 im Plenarsaal des Landtags saßen. Sie kamen aus allen Kreisen zwischen Arendsee und Zeitz, wo sie ehrenamtlich "aktive Seniorenpolitik gestalten". Das war auch das Motto des siebenten Seniorenforums, zu dem der Landtag und die Landesseniorenvertretung gemeinsam eingeladen hatten.

Seit 1999 ist ein solches Forum Tradition in Sachsen-Anhalt. In der Regel alle zwei Jahre treffen sich Seniorinnen und Senioren im Parlamentsgebäude in Magdeburg mit Mitgliedern des Landtages und Vertretern der Landesregierung, um über Themen aus dem täglichen Leben der älteren Generation zu diskutieren. Nachdem 2009 "Alter und Gesundheit" im Mittelpunkt standen, ging es den Seniorenvertretern in diesem Jahr vor allem um bessere Rahmenbedingungen für ihre eigene ehrenamtliche Tätigkeit in den Landkreisen und Gemeinden.

Aktive Seniorenpolitik bedeutet die effektive Mitwirkung aktiver Senioren, aber auch die Berücksichtigung jener, die sich nicht beteiligen können - also die anwaltliche Vertretung der Schwächeren.
Prof. Dr. Jürgen Wolf, Hochschule Magdeburg-Stendal

Für Landtagspräsident Detlef Gürth, der die Veranstaltung eröffnete, standen an diesem Tag "spannende und für die Seniorinnen und Senioren sowie die gesamte Gesellschaft Sachsen-Anhalts wichtige Themen" auf der Tagesordnung im Landtagsgebäude, "der Herzkammer der Demokratie in unserem Land". Dass auf den Plätzen der Parlamentarier nun für einen Tag Delegierte aus Seniorenbeiräten und -vertretungen des Landes sitzen, zeige die hohe Wertschätzung, die man der Arbeit und dem Wirken dieser Gremien entgegenbringe. "Ein Gemeinwesen, eine Demokratie lebt vom Mitmachen aller. Sie sind unverzichtbar und vielleicht gelingt es uns auch, mit Ihnen als Beispiel und Vorbild die heranwachsende Generation zu ermutigen, ihren Beitrag in der jeweiligen Lebensphase zu leisten", so Gürth.


Ein Segen, alt und älter zu werden

Alt und älter zu werden sei ein Segen, betonte Arbeits- und Sozialminister Norbert Bischoff in seinem Grußwort. Leider aber werde aktive Seniorenpolitik angesichts des demografischen Wandels öffentlich weniger wahrgenommen als mit dem Alter verbundene Probleme wie Pflegebedürftigkeit und Demenz. Dabei würden jedoch auch in Zukunft 80 Prozent der Seniorinnen und Senioren nicht pflegebedürftig sein, erinnerte der Minister.

"Wir müssen deutlicher zeigen, dass wir da sind und gebraucht werden", ermunterte der Vorsitzende der Landesseniorenvertretung, Jochen Rechtenbach, seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter im Plenum. Das heutige Forum sei eine hervorragende Möglichkeit, "an unserer Zukunft zu bauen". An der Diskussion über die Gestaltung einer aktiven Seniorenpolitik beteiligten sich auch namhafte Vertreter aus der Wissenschaft. So erinnerte Prof. Dr. Jürgen Wolf, Professor für Alternswissenschaften an der Hochschule Magdeburg-Stendal, daran, dass Politik mit älteren Menschen nicht unbedingt Politik für ältere Menschen sein müsse, denn Seniorinnen und Senioren könnten durchaus auch bei Themen wie Umweltschutz oder Verkehr mitreden. "Aktive Seniorenpolitik bedeutet die effektive Mitwirkung aktiver Senioren, aber auch die Berücksichtigung jener, die sich nicht beteiligen können - also die anwaltliche Vertretung der Schwächeren." Insgesamt gehe es nicht nur um bessere Dienste im Gesundheits- und Pflegebereich, sondern darum, älteren Menschen als Mitgestalter eine Rolle einzuräumen.


Ehrenamtsarbeit soll wieder Spass machen

Dafür traten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Seniorenforums nach intensiven Beratungen in drei Arbeitsgruppen dann auch selbstbewusst ein. So forderten sie Parlament und Regierung auf, "für die Ermöglichung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben im ländlichen Raum die individuelle Mobilität älterer Menschen und die Mobilität von Einrichtungen, Vereinen und Verbänden ... sachlich und finanziell zu unterstützen". Aus einer anderen Arbeitsgruppe kam die im Plenum einstimmig beschlossene Forderung nach gesetzlichen Grundlagen für "die verpflichtende Einrichtung von Seniorenvertretungen in allen kommunalen Ebenen mit Rede- und Informationsrecht im Rat und in den Ausschüssen". Wenn das erreicht sei, werde Ehrenamtsarbeit im Seniorenbereich auch wieder Spaß machen und Nachfolger dafür zu finden sein, hieß es. Als Ergebnis der Diskussionen in einer dritten Arbeitsgruppe forderte das Forum die Entscheidungsgremien im Land auf, "die im seniorenpolitischen Programm des Landes Sachsen-Anhalt gewürdigten Seniorenvertretungen in den kommunalen Strukturen und auf Landesebene im Rahmen eines Seniorenvertretungsgesetzes zu unterstützen, um damit einem gesamtgesellschaftlichen Anliegen zu entsprechen".

Mögliche Skeptiker, die vielleicht an der Umsetzung ihrer Beschlüsse durch Landtag und Regierung Zweifel hegen, ermutigte die Abgeordnete Dagmar Zoschke: "Sie haben alles Recht der Welt, sich einzumischen, in der kleinen und in der großen Politik. Fragen Sie spätestens in zwei Jahren nach, was aus Ihren heutigen Beschlüssen geworden ist." Im demografischen Wandel sieht die Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Soziales nichts, vor dem man sich fürchten müsse. Vielmehr sollte man ihn als Chance verstehen, so Dagmar Zoschke.

Gudrun Oelze


Günter Haase,

Altmarkkreis Salzwedel
Ich habe schon an vier Seniorenforen teilgenommen, doch Reaktionen der Politik auf unsere Beschlüsse bisher vermisst. Im Kreismaßstab ist das vielerorts ähnlich. Bei uns ist der Seniorenbeirat aber ein berufenes Organ des Kreistages, wir haben Rederecht. Doch das ist noch nicht überall im Land so.

Ria Theil,
Burgenlandkreis
Wir brauchen für eine flächendeckende Seniorenarbeit auch rechtliche Rahmenbedingungen. Die Gemeindeordnung von Sachsen-Anhalt sieht bisher keine verbindliche Etablierung von Seniorenvertretungen vor. Den anwesenden Abgeordneten möchte ich nahelegen, sich für eine entsprechende Gesetzesänderung einzusetzen.

Winfried Viezens,
Landkreis Mansfeld-Südharz
Vor allem Wahrnehmung und Umsetzung der seniorenpolitischen Leitlinien halte ich für ein aktuelles Thema. Vom heutigen Seniorenforum verspreche ich mir Erfahrungsaustausch und auch Impulse, die in das Land hinausgehen.

Inge Hartleib,
Stadt Aschersleben
Unser Stadtseniorenrat trifft sich alle vier Wochen. Wir besuchen Pflegeeinrichtungen und spüren im Stadtgebiet "Stolperfallen" auf. Über diese Aktivitäten schreiben wir ein Protokoll, das auch die Stadtverwaltung erhält. Aber dort guckt wohl keiner rein, denn wir bekommen kaum ein Feedback.

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SACHSEN-ANHALT IN EUROPA

Europapolitik hautnah: Der Kongress der Gemeinden und Regionen

Neues Kongress-Mitglied aus Sachsen-Anhalt

Der Kongress der Gemeinden und Regionen Europas (KGRE) wurde 1994 als beratendes Gremium des Europarates eingerichtet. Damit erhielten die deutschen Bundesländer erstmals die Gelegenheit, sich an der Arbeit des Europarates zu beteiligen. Der KGRE vereint heute 318 benannte Mitglieder und eben soviel Stellvertreter aus den 47 Mitgliedstaaten des Europarates, die gewählte Vertreter von kommunalen oder regionalen Gebietskörperschaften sind. Deutschland entsendet 18 Mitglieder: neun Vertreter der kommunalen Ebene und neun der Länderebene. Hinzu kommen 18 Stellvertreter. Sachsen-Anhalt hat wie alle Länder in Deutschland ein ständiges Mandat, allerdings pro Amtsperiode entweder als Mitglied oder Stellvertreter. In der Julisitzung des Landtages wurde ein neues stellvertretendes Mitglied gewählt. Der CDU-Abgeordnete Jürgen Stadelmann hat auf Landesebene diese Aufgabe übernommen. Auf kommunaler Ebene ist es der Landrat des Salzlandkreises, Ulrich Gerstner (SPD).

"Das Wichtigste im Kongress der Gemeinden und Regionen ist die Überwachung und Sicherstellung der lokalen und regionalen Demokratie. Unsere Aufgabe ist, dass dies umgesetzt wird."

Der Kongress berät das Ministerkommitee und die Parlamentarische Versammlung des Europarates in Form von Stellungnahmen und Empfehlungen. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit gehören die Schaffung effizienter kommunaler und regionaler Regierungsstrukturen in allen Europastaaten sowie die Einführung von Maßnahmen zur Förderung einer effektiven Beteiligung der Bevölkerung an der Kommunal- und Regionaldemokratie. Ein weiteres Ziel ist die Berücksichtigung der Interessen der Kommunal- und Regionalbehörden bei der Gestaltung der europäischen Politik und die Förderung der regionalen und grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Hinblick auf Frieden, Toleranz und nachhaltige Entwicklung zum Schutze und zur Erhaltung der Regionen für kommende Generationen. Diese Schwerpunkte begegnen auch dem CDU-Abgeordneten und neuen stellvertretenden KGRE-Mitglied Jürgen Stadelmann: "Die Arbeit des KGRE ist enorm wichtig, da nicht nur EU-Staaten, sondern auch andere Staaten die für Europa eine bedeutsame Rolle spielen, Mitgliedsstaaten sind - wie zum Beispiel Russland". Eine große Aufgabe sei die Überwachung und Sicherstellung der lokalen und regionalen Demokratie. Schwierigkeiten gebe es da zum Beispiel bei den Balkanstaaten. "Auch das Thema Wahlbeobachtung spielt eine große Rolle. In den Staaten, wo der KGRE es als wichtig ansieht, engagiert er sich besonders stark", berichtet der Abgeordnete.


Geschichte und Struktur des KGRE

Der KGRE wurde in seiner jetzigen Form, als Nachfolgeinstitution der Ständigen Konferenz der Gemeinden und

Regionen Europas, im Januar 1994 gegründet. Doch schon weit vorher gab es Entwicklungen in der Lokal- und Regionaldemokratie. Die beratende Versammlung des Europarates beantragte im Jahr 1953 die Einberufung einer Europäischen Konferenz der Gemeinden. Sie orientierte sich an der Europäischen Charta der Gemeindefreiheiten vom Rat der Gemeinden Europas, eine Organisation die 1951 nach französischem Recht gegründet wurde. Während des ersten Gipfels des Europarates in Wien am 9. Oktober 1993 wurde entschieden, ein beratendes Organ zu schaffen, das die Gemeinden und Regionen Europas repräsentiert. Die Ständige Konferenz beantragte 1994 beim Ministerkomitee ihren Status zu stärken, und wurde daraufhin in den gegenwärtigen Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarates umgewandelt.

"Auch das Thema Wahlbeobachtung spielt eine große Rolle. In den Staaten, wo der KGRE es als wichtig ansieht, engagiert er sich besonders stark."

Der Kongress setzt sich aus den Repräsentanten der Mitgliedsstaaten zusammen, die in ein lokales oder regionales Amt gewählt wurden und mit einem Mandat ausgestattet sind. Sie werden für jeweils zwei Jahre gewählt und schließen sich in nationalen und politischen Gruppen zusammen.


Zwei Kammern, ein Kongress

Der Kongress besteht aus zwei Kammern, der Kammer der Gemeinden und der Kammer der Regionen. Die Plenarsitzungen des Kongresses werden in Straßburg abgehalten. Die Kammer der Gemeinden beschäftigt sich mit der Situation von lokaler Demokratie und Lokalwahlen. Sie beobachtet diese und führt ein Monitoring durch. Des Weiteren unterstützt sie die Zusammenschlüsse von europäischen Städten und befördert auch gesellschaftliche Themen, so zum Beispiel interkultureller Dialog, e-Demokratie oder Multikulturalismus. Auf der Grundlage der Treffen, die zweimal im Jahr während der Plenarsitzungen stattfinden, kann die Kammer der Gemeinden Empfehlungen, Resolutionen oder Bescheide verabschieden. Weiterhin hat sie die Aufgabe, relevante Fragen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, zu untersuchen und bei Bedarf Antrag auf eine Diskussion im Kongress zu stellen.

"Die große Chance, die der KGRE bietet, ist es Netzwerke zu bilden. Das ist natürlich gerade aus wirtschaftlicher Sicht auch für Sachsen-Anhalt interessant."

Die Kammer der Regionen besteht aus Repräsentanten die zwischen den Lokal- und der Zentralregierung agieren. Um sich für die Kammer der Regionen zu qualifizieren muss die jeweiligeRegion entweder sich selbst verwalten oder legislative bzw. staatenähnliche Kompetenzen besitzen. Zusätzlich haben die Gebietskörperschaften in jenen Ländern, in denen sie ein weitläufiges Territorium abdecken, das Recht der Kammer der Regionen beizutreten. Sie beobachtet unter anderem die Rolle der Regionen in den Mitgliedsstaaten des Kongresses sowie Themenfelder wie regionale Demokratie, Interregionale Zusammenarbeit oder regionale Wirtschaft.


Entscheidungen sind auch für Sachsen-Anhalt relevant

Bei all den genannten Aufgaben und Herausforderungen stellt sich die Frage, welchen Nutzen der KGRE für Sachsen-Anhalt hat. "Für Sachsen-Anhalt ist die Vorbereitung der nächsten Förderperiode ein wichtiges Thema in KGRE. Hier ist es wichtig, einen Schulterschluss mit dem Ausschuss der Regionen zu finden", erklärt Jürgen Stadelmann. Eine weitere Chance, die die Arbeit im Kongress biete, sei es Netzwerke zu bilden. Hierbei will Stadelmann in den nächsten Monaten Gespräche mit Ländervertretern, beispielsweise aus Bulgarien, führen.

"Für Sachsen-Anhalt ist die Vorbereitung der nächsten Förderperiode ein bedeutendes Thema im KGRE. Hier ist es wichtig, einen Schulterschluss mit dem Ausschuss der Regionen zu finden."


Spannende Arbeit, vielseitige Themen

Die letzte Plenartagung des KGRE fand im Oktober statt. "Dort wurden vor allem konstitutionelle Fragen geklärt", so Stadelmann. Generell würden momentan aber vier Schwerpunkte im Vordergrund stehen: Die Beziehungen zu Nachbarstaaten, die Reformen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die Frage des EU-Beitritts zur Europäischen Menschenrechtskommission und Menschenrechte/Minderheiten. "Diese Vielseitigkeit ist es, die die Arbeit im Kongress so spannend macht. Ich freue mich auf die nächsten Aufgaben", so der CDU-Abgeordnete abschließend.

Katrin Wurm


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Jürgen Stadelmann (CDU) ist erneut Mitglied des Kongresses der Gemeinden und Regionen Europas
- Eine Sitzung der KGRE-Mitglieder im September: Die Abgeordneten tagen immer in Straßburg.

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VORGESTELLT

Ein Blick hinter die Kulissen

Praktikum im Landtag

Wie alle Studenten konnte auch ich die Semesterferienzeit nicht nur für Urlaubsausflüge, zum Feiern oder einfach nur zur Entspannung nutzen, denn diese Zeit ist zugleich auch Praktikumszeit. Im Herbst 2012 nutzte ich die Semesterferien daher für ein achtwöchiges Praktikum in der Verwaltung des Landtages von Sachsen-Anhalt.

Während meiner Zeit konnte ich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Referates für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Besucherdienst und Protokoll bei ihrer Arbeit unterstützen. Dabei erhielt ich nicht nur einen einmaligen Einblick in ihre speziellen Aufgabenfelder, sondern lernte auch die verschiedenen Bereiche der Landtagsverwaltung sowie die Arbeit der politischen Entscheidungsträger kennen.

Im Studium befasse ich mich u. a. mit den unterschiedlichsten Aspekten von Politik und Sozialwissenschaften. Dies beinhaltet zwangsläufig viele theoretische Erklärungen und Zusammenhänge. Doch wie sieht es in der Praxis aus? Wie arbeitet ein modernes Parlament? Was bestimmt die täglichen Arbeitsabläufe der Abgeordneten sowie der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und wie ist überhaupt das Zusammenspiel von Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit? Diesen Fragen wollte ich in meinem Praktikum einmal auf den Grund gehen.

Das erste Highlight ließ nicht lange auf sich warten, denn der Antrittsbesuch von Bundespräsident Joachim Gauck in Sachsen-Anhalt fiel genau in meine erste Praktikumswoche. Ein echter Glücksfall für mich, denn ich konnte den Empfang im Landtag unmittelbar miterleben. Dass ich dem Bundespräsidenten nur ein paar Meter entfernt gegenüberstehen werde, hatte ich mir nicht vorstellen können.

Der Besuch des Bundespräsidenten beschäftigte mich aber auch noch weiterhin, da ich für die vorherige Ausgabe des ZwischenRufs einen Artikel über dessen Besuch in Sachsen-Anhalt schreiben konnte. Ebenso verfasste ich eine kleine Zusammenfassung über den Besuch von ehemaligen Abgeordneten des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern, welche ich bei ihrem Besuch im Parlament begleitet habe. Allerdings habe ich nicht nur Artikel selbst verfasst, sondern lernte dabei zugleich die konzeptionellen und organisatorischen Abläufe der Redaktion für das Landtagsmagazin kennen. Ich konnte dabei alle Produktionsschritte des ZwischenRufs mit verfolgen und bekam so einen Einblick in die gesamte redaktionelle Arbeit.

Ein weiterer Schwerpunkt waren die Vorbereitungen für das Jugendparlament, welches am 03. Dezember 2012 stattfinden wird und an dem ich über mein Praktikum hinaus mitarbeiten werde. Dafür nahm ich auch an einem vorbereitenden Workshop mit den beteiligten Jugendlichen teil.

Neben Veranstaltungen, die im Landtagsgebäude stattfinden, gibt es auch solche, die an anderen Orten in Magdeburg oder Sachsen-Anhalt durchgeführt werden. So begleitete ich z. B. die Kolleginnen und Kollegen des Referats nach Ballenstedt im Harz, zur Festveranstaltung des Landtages anlässlich des Tages der Deutschen Einheit. Dabei kam ich nicht nur in den Genuss eines erstklassigen Konzerts sondern konnte dort auch den Landtags- und den Ministerpräsidenten begrüßen.

Einen ganz besonderen Einblick in die grundsätzlichen Fragestellungen der Öffentlichkeitsarbeit eines Parlaments bot mir die Einbeziehung in die Workshops zur Neukonzeption des Internetangebotes des Landtages.

Von Zeit zu Zeit sind auch ausländische Diplomaten zu Gast im Landtag. So besuchte z. B. eine Delegation aus Myanmar Sachsen-Anhalt, um sich über die Arbeit und den Aufbau eines modernen Parlaments zu informieren. Für diesen Besuch stellte ich einige Hintergrundinformationen über Myanmar zusammen und konnte ebenfalls beim Empfang der Delegation beim Direktor des Landtages zugegen sein.

Über die Aufgaben der Landtagsverwaltung hinaus lernte ich die parlamentarischen Strukturen im Parlament kennen. Ich nahm an verschiedenen Ausschusssitzungen teil und konnte so einen unmittelbaren Einblick in einen wichtigen Arbeitsbereich der Abgeordneten gewinnen. Spannend war es ebenfalls, die Debatten in den ca. alle vier Wochen stattfindenden Landtagssitzungen mit zu verfolgen. An diesen Tagen ist der Besucherdienst ebenfalls in voller Aktion zur erleben.

Insgesamt kann ich auf ein vielseitiges und ereignisreiches Praktikum zurückblicken. Die Aufgaben des Referats für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Besucherdienst und Protokoll sind sehr unterschiedlich und vor allem abwechslungsreich. Es gibt immer neue Veranstaltungen und öffentlichkeitswirksame Termine des Landtagspräsidenten, die vorbereitet und betreut werden müssen. Das Praktikum bot zudem eine umfangreiche Palette von Möglichkeiten, die parlamentarischen Abläufe kennenzulernen. Ich konnte selbstständig arbeiten, habe dabei recherchiert, Artikel verfasst, Aktualisierungen von Datenbeständen vorgenommen sowie Veranstaltungen mit vorbereitet und betreut. Dabei konnte ich die Landtagsverwaltung quasi als Dienstleister für die Politik kennenlernen.

Philipp Lohe


Praktikum im Landtag

Studentinnen und Studenten die sich für ein mindestens sechs- bis achtwöchiges Praktikum in einer Landtagsfraktion oder im Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Besucherdienst und Protokoll des Landtages von Sachsen-Anhalt interessieren, sollten über ein Grundlagenwissen zum Staatsaufbau Deutschlands, insbesondere zur Stellung und Rolle der Landesparlamente verfügen. Die Bewerbung sollte neben dem Lebenslauf auch einen Überblick über bereits absolvierte Lehrveranstaltungen, abgelegte Prüfungen, Angaben zur Zielsetzung des Praktikums und zur eigenen Erwartungshaltung beinhalten.

Hinweis Baumassnahme
Aufgrund von Baumaßnahmen und den damit einhergehenden Einschränkungen für die Landtagsverwaltung können 2013 leider keine Praktikumsstellen angeboten werden.

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UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSS

Wurden Fördermittel vergeudet?

Untersuchungsausschuss will Sachlage aufklären

Die Abgeordneten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben mit ihrem Mitte Oktober in den Landtag eingebrachten Antrag die Einberufung eines weiteren Parlamentarischen Untersuchungsausschusses bewirkt, der sich mit vermutlichen Verstößen bei der Vergabe oder Gewährung von Fördermitteln hauptsächlich im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft (ehemals Wirtschaft und Arbeit) im Zeitraum von 2004 bis 2012 beschäftigt. In der sechsten Wahlperiode erhöhte sich damit die Zahl der Parlamentarischen Untersuchungsausschüsse (PUA) seit 1990 auf insgesamt dreizehn.

Zwar lägen die zu behandelnden Vorgänge Jahre zurück, dennoch hätten sie bis heute Auswirkungen, so Dr. Frank Thiel (DIE LINKE), denn es gehe um Fördermittel von mehreren Millionen Euro. Die bisherigen Erklärungen und Ausführungen seitens der Landesregierung hätten das Interesse der Öffentlichkeit bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausreichend aufklären können. Der Untersuchungsausschuss soll klären, inwieweit durch Agieren und Nichtagieren seitens der Landesregierung Fördermittel nicht rechtskonform gewährt worden sind. "Es ist an der Zeit, alle Schwachstellen aufzuspüren, die einen Missbrauch von Fördermitteln begünstigen", schloss Thiel und warb für die Arbeit im Ausschuss.

Die SPD sicherte ihre konstruktive Mitarbeit im Ausschuss zu, enthielt sich jedoch bei dessen Einberufung. Es gelte, Licht in die Angelegenheit um die Verwendung von Fördermitteln und deren Vergabe zu bringen. "Transparenz ist das oberste Gebot, alle Fakten müssen auf den Tisch", sagte Rüdiger Erben (SPD). Schon einmal sei im Landtag über die vermeintlich missbräuchliche Fördermittelvergabe diskutiert worden, es seien aber nach wie vor viele Fragen offengeblieben, erklärte Christoph Erdmenger von den Grünen. Daher habe sich seine Fraktion dazu entschlossen, den Einsetzungsbeschluss mit den Linken zu erarbeiten.


"Alle Vorwürfe werden sich als unhaltbar erweisen"

Ulrich Thomas (CDU) zeigte sich sehr froh, dass im Landtag die Möglichkeit besteht, solche Ausschüsse einzuberufen. Doch im Fall der womöglich fälschlich in Anspruch genommenen Fördermittel (beispielsweise über die IHK Halle-Dessau) gebe es seit der ersten Debatte über das Thema "nichts Neues". Thomas verwehrte sich ausdrücklich gegen eine allgemeine Verdächtigung bezüglich CDU-Parteispenden, die Linken versuchten, das gesamte System zu diskreditieren und "uns in Sippenhaft zu nehmen". Den Untersuchungsausschuss einzuberufen, bevor die Unterlagen im Fachausschuss geprüft worden seien, hielt Ulrich Thomas für unnötig. "Alle Vorwürfe werden sich im Ergebnis des Ausschusses als unhaltbar erweisen", versicherte Thomas.

Mit der Einberufung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses wurden auch dessen Mitglieder bestimmt. Diese sind: Uwe Harms, Eduard Jantos, Dietmar Krause, Peter Rotter und Ulrich Thomas (alle CDU), Eva von Angern, André Lüderitz, Dr. Frank Thiel und Gudrun Tiedge (alle DIE LINKE), Rüdiger Erben, Nadine Hampel und Andreas Steppuhn (alle SPD) sowie Christoph Erdmenger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Als Vorsitzender des Gremiums wurde Peter Rotter bestimmt.


Abgeordnete forcieren unabhängige Aufklärung

Untersuchungsausschüsse spielen seit der Landeswiedergründung im Jahr 1990 eine wichtige Rolle im parlamentarischen Alltag von Sachsen-Anhalt. Hier wie in den anderen Bundesländern und auf Bundesebene hat das Parlament die Aufgabe, unabhängig und selbstständig Sachverhalte zu prüfen, die von besonderem öffentlichem Interesse sind. Dies sind zumeist Angelegenheiten, die in den Zuständigkeitsbereich der Landesregierung beziehungsweise ihr untergeordnete Behörden gehören.

Dem Untersuchungsausschuss kommt in der parlamentarischen Demokratie eine wichtige Rolle zu. Er ist mit besonderen Rechten ausgestattet, die es ihm ermöglichen, die Vorlage von Akten zu verlangen und eigene Zeugen zu vernehmen. Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss wird traditionell als "scharfes Schwert der Opposition" bezeichnet, da es nicht vordergründig um die Erlangung von Mehrheiten geht, sondern die sich in der Minderheit befindliche Opposition im Grunde gleichberechtigt an der Arbeit des Ausschusses mitwirken kann.


Untersuchungsausschüsse in Sachsen-Anhalt

In der ersten Wahlperiode des Landtages von Sachsen-Anhalt wurden drei Untersuchungsausschüsse eingesetzt, jeweils einer in 1991, 1992 und 1993. Ging es 1991 um die "Aufhellung der Stellenbesetzung an den allgemeinbildenden Schulen und der Lehrerentlassungen im Land", sollte 1992 zur Klärung der Sammlung von Informationen über einen Minister und des Umgangs mit Informationen über Mitglieder der damaligen Landesregierung durch den Verfassungsschutz beigetragen werden. Ein Jahr später stand die Arbeitsweise der "Treuhand" im Mittelpunkt der Untersuchungen: Hatte es Unregelmäßigkeiten bei der Privatisierung und Veräußerung von Grundstücken und Wohnungen gegeben? Untersuchungsausschüsse müssen am Ende einer Legislaturperiode abgeschlossen werden. So kam es in der zweiten Legislaturperiode zu einem weiteren PUA zum Thema "Treuhand". Hinzu kamen Ausschüsse zur Fördermittelvergabe im Abwasserklärbereich, zur Untersuchung von Begünstigungsvorwürfen in den Ministerien für Landwirtschaft sowie für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr.

Auch die dritte Legislaturperiode hatte ihren eigenen Untersuchungsausschuss. Hierin ging es um den Kauf der Landesvertretung von Sachsen-Anhalt in Berlin (in der "Möwe"). Im vierten Parlament drehten sich die Untersuchungen um Amtspflichtverletzungen im Ministerium der Justiz sowie um die Klärung der Vergabe von Beraterverträgen durch die Staatskanzlei und andere Ministerien. Die fünfte Legislaturperiode stand zweimal im Zeichen von Versäumnissen bei den Polizeibehörden sowie der als "Müllskandal" bekannt gewordenen Abfallentsorgung beziehungsweise Lagerung in dafür nicht vorgesehenen Tongruben und Abfallanlagen.

Dr. Stefan Müller

HINTERGRÜNDE

Parlamentarische Untersuchungsausschüsse haben in Europa eine weit zurückreichende Tradition, in England beispielsweise bis ins 14. Jahrhundert. Deutschland ist in diesem Zusammenhang ein echter Spätzünder, denn die Möglichkeit der parlamentarischen Untersuchung wurde erst in der Weimarer Verfassung 1919 verankert. Ein wirkliches Instrument wurde der Parlamentarische Untersuchungsausschuss aber erst mit Gründung der Bundesrepublik 1949.

In Sachsen-Anhalt ist das Recht auf die Einberufung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses in der Landesverfassung verankert. Mindestens ein Viertel der Abgeordneten muss sich für dessen Einsetzung aussprechen, es handelt sich folglich um ein Minderheitenrecht. Ziel des Ausschusses ist es, zur Aufklärung von Sachverhalten beizutragen, die in öffentlichem Interesse stehen. Die Landesregierung und ihr untergeordnete Behörden sind verpflichtet, an der Klärung der offenstehenden Fragen mitzuarbeiten. In Sachsen-Anhalt haben Parlamentarische Untersuchungsausschüsse heute jeweils 13 Mitglieder und ebenso viele Stellvertreter. Nach Abschluss seiner Tätigkeit legt er dem Landtag einen schriftlichen Bericht vor.

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SACHSEN-ANHALT

Zukunft mit Genuss!

Siebente Aktionswoche "7 Tage Zukunft"

Bereits zum siebenten Mal beteiligten sich unterschiedlichste Akteure in Sachsen-Anhalt an der Aktionswoche "7 Tage Zukunft". Gemeinsam boten sie vom 12. bis 19. November ein breites Spektrum an Bildungsveranstaltungen und Aktivitäten an, in denen das Jahresthema Ernährung der UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung im Vordergrund stand. Unter dem Motto "Zukunft mit Genuss!" ging es von der ökologischen Weinprobe über die Zubereitung klimafreundlicher Burger bis zum Fachgespräch über öko-faire Beschaffungsmöglichkeiten für Kantinen und Cafeterien. Die Auftaktveranstaltung fand als Workshoptreffen im Landtag von Sachsen-Anhalt statt.

Die Akteure hätten sich in diesem Jahr ein wirkliches "Überlebensthema" gewählt, zeigte sich Landtagspräsident Detlef Gürth von der vom Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt e.V. gestalteten Projektwoche beeindruckt. Mittlerweile gebe es sieben Milliarden Menschen auf der Welt; während in den Industrienationen jeden Tag viele Tonnen Lebensmittel weggeworfen würden, stürben in den armen Ländern der Erde täglich unzählige Menschen an den Folgen des Hungers. "Ich bin sehr dankbar, dass sich die Akteure dieses Thema ausgewählt haben, um auf die besondere Schieflage bei der Nachhaltigkeit der Ernährungswirtschaft aufmerksam zu machen", erklärte Gürth. "Wir werden diese Veranstaltung nachbereiten und Ihre Ideen und Impulse in den Landtag tragen. Viele Gesetze haben einmal mit einer Idee und einem Workshop angefangen, es ist an uns, diese dann weiterzutragen." Besonders freute sich Gürth über die Einbindung des Handwerks - insbesondere des Bäckerhandwerks -, von dem er hoffe, dass es die nachhaltige Zukunftsentwicklung mitgestalten und voranbringen werde.


Workshops zum Thema Nachhaltigkeit

Beim Thema Ernährung waren die Bäcker-Auszubildenden aus Weißenfels, Mansfeld-Südharz und Stendal während der eigens für sie zugeschnittenen Auftaktveranstaltung schon echte Experten. "7 Tage Zukunft" bot den jungen Damen und Herren aus dem zweiten und dritten Lehrjahr die Möglichkeit, sich mit dem Bereich Nachhaltigkeit in der Ernährungsbranche zu beschäftigen. In zwei großen Workshops setzten sich die Auszubildenden mit den Bereichen "Essen im Eimer" und "Getreide weltweit" auseinander. Ersterer spricht schon im Titel ganz für sich: Was macht man mit den Nahrungsmitteln, die täglich in der Tonne landen? Wieder- und Weiterverwertung gibt es auch beim Bäcker, so ein erstes Fazit. Ob Weitergabe an die Tafeln, an Obdachlose oder als Futterstoffe - das Brot von heute ist morgen zwar schon "alt", sollte aber auf jeden Fall eine weitere und vor allem sinnvolle Verwendung finden.

"Jeden Tag begegnen uns Dinge, die wir gar nicht weiter hinterfragen, doch tatsächlich gibt es eine richtige Kette von Menschen, die mit ihnen verknüpft sind", sagte Workshopleiter François Tedeng vom EPIZ Berlin (Entwicklungspolitisches Bildungs- und Informationszentrum e.V.) im Workshop "Getreide weltweit". Dies gelte auch für das Getreide, das in Deutschland verarbeitet werde. Gemeinsam untersuchten die jungen Leute die Auswirkungen des Getreidepreises weltweit und stellten Überlegungen darüber an, wie das Zusammenwirken aller an der Produktion und am Vertrieb Beteiligten sozial gerechter gestaltet werden könne. Die Bäcker-Azubis nutzten den Aktionstag zudem für Gespräche mit Landespolitikern und einen Rundgang durch den Landtag von Sachsen-Anhalt.

Dr. Stefan Müller

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27. Januar - Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus

Die zentrale Gedenkveranstaltung von Landtag und Landesregierung findet am 27. Januar 2013 um 11.30 Uhr in der Gardelegener Mahn- und Gedenkstätte "Isenschnibber Feldscheune" statt. Alljährlich gedenken die Landtagsabgeordneten gemeinsam mit den Mitgliedern der Landesregierung der Opfer des Holocaust. An der Kranzniederlegung nimmt auch die Präsidentin des Studien- und Forschungszentrums über die Internierungslager im Loir (CERCIL) aus der französischen Partnerregion Sachsen-Anhalts, Centre, teil. In dieser Eigenschaft wird sie während der sich anschließenden Gedenkveranstaltung im Geschwister-Scholl-Gymnasium Gardelegen sprechen.

Kurz vor Kriegsende wurden am 13. April 1945 in der Isenschnibber Feldscheune 1016 KZ-Häftlinge ermordet. Der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus wird seit 1996 in Deutschland begangen. 2005 bestimmte die Vollversammlung der Vereinten Nationen dieses Datum zum "International Day of Commemoration in Memory of the Victims of the Holocaust".

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TERMINVORSCHAU + TERMINVORSCHAU + TERMINVORSCHAU

13./14. Dezember 2012
SITZUNG DES LANDTAGES VON SACHSEN-ANHALT

19. Dezember 2012 - 5. Januar 2013
SCHULFERIEN IN SACHSEN-ANHALT

27. Januar 2013
TAG DES GEDENKENS AN DIE OPFER DES NATIONALSOZIALISMUS
Die Abgeordneten des Landtages von Sachsen-Anhalt und die Mitglieder der Landesregierung erinnern im Rahmen einer zentralen Gedenkveranstaltung an die Schrecken des Holocaust. 11.30 Uhr Gedenkstätte Isenschnibber Feldscheune Gardelegen.

1. bis 8. Februar 2013
SCHULFERIEN IN SACHSEN-ANHALT

20./21. und 22. Februar 2013
SITZUNG DES LANDTAGES VON SACHSEN-ANHALT

ACHTUNG: Änderung Sitzungsplan 2013
Die für den 17. und 18. Januar 2013 vorgesehene Sitzungsperiode des Landtages entfällt. Dafür tagt das Parlament am 20., 21. und 22. Februar 2013

Die aktuellen Termine finden Sie immer unter:
www.landtag.sachsen-anhalt.de

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Der Landtag im Internet

Der schnellste Weg zu aktuellen Informationen

Wahlergebnisse, Abgeordnetenbiografien, Fraktionen, Ausschüsse, Termine, Tagesordnungen, Drucksachen und vieles mehr kann beim Besuch des Landtages im Internet abgerufen werden unter:

www.landtag.sachsen-anhalt.de

Besuchergruppen können sich online anmelden, und über die integrierte Mailfunktion sind alle Abgeordneten erreichbar. Ebenso ist die Bestellung weiteren Informationsmaterials möglich.

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IMPRESSUM

Herausgeber: Der Präsident des Landtages von Sachsen-Anhalt

Auflage und Erscheinen: 10.000 Exemplare, vierteljährlich

Redaktion/Bestelladresse: Landtag von Sachsen-Anhalt
Ref. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Besucherdienst
und Protokoll
Domplatz 6-9, 39094 Magdeburg
Fon: 0391 / 560 0
Fax: 0391 / 560 1123
www.landtag.sachsen-anhalt.de
landtag@lt.sachsen-anhalt.de

Redaktion: Ursula Lüdkemeier (Ltg.),
Annekatrin Barth, Ulrich Grimm,
Dr. Stefan Müller, Gudrun Oelze,
Wolfgang Schulz, Katrin Wurm

Fotos: Titel Michael Bader, Investitionsund Marketinggesellschaft Sachsen-Anhalt mbH; U2 Ulrich Grimm; 1 Klapper Magdeburg; 4 Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt; 5 Adpic.de; 6 Wolfgang Schulz; 7 Erwin Wodicka/Shotshop.com; 8 Dr. Stefan Müller; 9 Adpic.de; 10-11 Adpic.de; 12-13 Katrin Wurm; 15 Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt; 16-17 Investitions- und Marketinggesellschaft Sachsen-Anhalt mbH; 18 matchka / pixelio.de 19 Annekatrin Barth; 20/21 Foto Fuchs, Magdeburg; 23 li Rayk Weber, re Congress of local and regional authorities; 24/25 Landtag von Sachsen Anhalt; 26 Adpic.de; 28 Dr. Stefan Müller; U4 Helmut Friedrich, Gardelegen

Gestaltung: signum Halle (Saale) www.agentursignum.de

Druck: Harzdruckerei GmbH. www.harzdruck.de

Redaktionsschluss: 23. November 2012

Dieses Magazin dient der Öffentlichkeitsarbeit des Landtages von Sachsen-Anhalt. Es wird kostenfrei verteilt. Es darf weder von Wahlbewerbern noch von Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden.

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Quelle:
ZwischenRuf 4/2012
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Der ZwischenRuf erscheint vierteljährlich.
Das Magazin dient der Öffentlichkeitsarbeit
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Januar 2013