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SACHSEN-ANHALT/327: ZwischenRuf 4-2015 - Das Magazin des Landtages


ZwischenRuf 4/2015
DAS MAGAZIN DES LANDTAGES VON SACHSEN-ANHALT

"Das Leben steht im Zeichen der Hoffnung"
Gedenken an die Terror-Opfer von Paris am Volkstrauertag


INHALT

IM BLICKPUNKT

"Ich gehe nicht im Groll"
Detlef Gürth erklärt seinen Rücktritt vom Amt des Präsidenten des Landtags von Sachsen-Anhalt.

Im Zeichen der Hoffnung
"Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart." Richard von Weizsäckers Sinnspruch war das Motto der Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag.

Ein Aufbruch in die Freiheit
Festakte zu den 25. Jahrestagen der Deutschen Einheit und des Landtags.

25 JAHRE SACHSEN-ANHALT

Landtagsarbeit in Zahlen
Zahlen und Fakten aus den vergangenen 25 Jahren Arbeit im Landtag von Sachsen-Anhalt.

"Wir waren wirklich echte Exoten"
Interview mit Ulrich Petzold über seine Anfänge als Abgeordneter und wie sich die Parlamentsarbeit verändert hat.

IM BLICKPUNKT

Resümee eines Jahres
Die Vorsitzenden der vier Landtagsfraktionen haben auf das Jahr zurückgeblickt und Bilanz gezogen.

Eine Perle im Burgenlandkreis
Zeitz lädt zu einer Zeitreise über und unter der Erde ein.

AUS DEM PLENUM

DDR-Unrecht aufarbeiten
Die Aufgaben für die Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen werden umfassend umgestaltet.

Klimaschutz gelungen?
Im Vorfeld der UN-Klimakonferenz in Paris diskutierte der Landtag über das Klimaschutzprogramm der Landesregierung.

Resozialisierung ist das "A und O"
Der Landtag hat ein Gesetz zur Weiterentwicklung des Justizvollzugs beschlossen.

"Grüne Berufe" sichern
CDU und SPD wollen die Ausbildung hochqualifizierter Berufsschullehrer für landwirtschaftliche Berufe sichern.

Gewalt ist kein Mittel der politischen Arbeit
Angriffe auf Flüchtlinge und deren Unterstützer häufen sich.

RÜCKBLICK

Versorgung stärken

Der Ausschuss für Angelegenheiten der psychiatrischen
Krankenversorgung hat
seinen 22. Bericht vorgelegt.

Empfehlungen für die Verwaltung
Nach drei Jahren Arbeit zieht die Enquete-Kommission zur zukunftsfähigen Gestaltung der öffentlichen Verwaltung Bilanz.

"Vertrauen in Europa gewinnen"
Die Europäische Bewegung Sachsen-Anhalt hat Anfang November ihr 20-jähriges Bestehen gefeiert.

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Neue Ausstellung im Landtag

Sachsen-Anhalt im Nationalsozialismus
Die Gleichschaltung der Jugend

Das NS-Regime beeinflusste die junge Generation intensiv durch die Erziehung in den Schulen. Der "Deutsche Gruß" und militärische Rituale hielten Einzug. Eine wichtige Rolle spielte außerdem die 1936 zur staatlichen Jugendorganisation erklärte Hitler-Jugend (HJ). Deren Ziel war es, einen möglichst umfassenden Einfluss auf die Kinder und Jugendlichen zu erlangen. Hervorgegangen aus einer Nachwuchsformation der NSDAP, erlebte die HJ einen rasanten Aufschwung. Ende 1932 waren hier etwa 108.000 Jugendliche organisiert, im Sommer 1933 bereits über 3,5 Millionen. Ab 1939 war die Mitgliedschaft Pflicht. Eine ähnliche Entwicklung nahm der Bund Deutscher Mädel (BDM), der als Zweig der HJ fungierte und 1944 mehr als vier Millionen Mitglieder im alter von 10 bis 18 Jahren zählte.

Zur Ausbildung einer Führungselite richtete die NSDAP seit 1933 "Nationalpolitische Erziehungsanstalten" (NPEA) ein, die im Volksmund "Napola" genannt wurden. Der Unterricht in diesen Schulen war auf körperliche Ertüchtigung und Erziehung zu blindem Gehorsam angelegt.

Jugendlichen, die sich der Gleichschaltung durch Hören verbotener Musik zu entziehen suchten oder als sozial auffällig galten, drohte die Einweisung in eines der Jugend-Konzentrationslager.

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Auf 24 großformatigen Tafeln informiert die Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt über die nationalsozialistische Diktatur in der Zeit von 1933 bis 1945 auf dem Territorium des heutigen Sachsen-Anhalts und deren Folgen. Viele zeitgeschichtliche Dokumente und erklärende Texte zeichnen das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte in Mitteldeutschland nach.

Der Betrachter begibt sich auf eine Zeitreise und erlebt, wie es zur Machtübernahme der NSDAP kommen und wie sich eine Gesellschaft bis hin zu ihrer Normierung wandeln konnte. Wie Bevölkerungsgruppen systematisch ausgegrenzt wurden, wie der Terror begann und wie eine Vernichtungsmaschinerie vor unserer Haustür installiert wurde.

Die aussagekräftigen und übersichtlich gestalteten Tafeln laden zum Nachdenken und zum Erinnern ein.

Die Ausstellung eignet sich gut für den Besuch von Schulklassen, zum Beispiel im Rahmen des Sozialkundeunterrichts und verbunden mit einem Rundgang durch das Landtagsgebäude. Ein Fahrtkostenzuschuss begrenzt die Reisekosten auf 2 Euro pro Person. Nähere Informationen und Terminabsprache:
www.landtag.sachsen-anhalt.de/Service; Tel. 0391 5601230.

Die Ausstellung wird im Landtagsgebäude vom 11. Januar bis zum 12. Februar 2016 gezeigt. Sie kann kostenfrei von Montag bis Freitag in der Zeit von 8 Uhr bis 18 Uhr besichtigt werden.

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Meile der Demokratie 2016

Kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Stadt Magdeburg am 16. Januar 1945 zerstört. Um Kundgebungen rechter Gesinnung an diesem Tag keinen Raum zu geben, beteiligt sich der Landtag von Sachsen-Anhalt erneut an der "Meile der Demokratie". Dabei wird aus dem Stadtzentrum rund um den Breiten Weg ein Erlebniszentrum. Alle Magdeburger und ihre Gäste sind eingeladen, mit vielfältigen Aktionen dem alljährlichen Nazi-Aufmarsch entgegenzutreten. Der Landtag wird am Standort Alter Markt mit einem breiten Informationsangebot und der Möglichkeit, mit Abgeordneten ins Gespräch zu kommen, präsent sein.

Ulrich Grimm


Gründe für die Wahlenthaltung

Wählen oder nicht wählen - das wird für alle Sachsen-Anhalter im kommenden März zur Frage aller Fragen. Warum viele Nichtwähler sind oder werden, zeigen die Ergebnisse des Sachsen-Anhalt-Monitors 2015. Er beschäftigt sich wenige Monate vor der Landtagswahl mit den Strukturmerkmalen und Motivlagen der Nichtwahl. Mit der Studie liegen nun aktuelle Erkenntnisse darüber vor, wie Nichtwählerinnen und Nichtwähler in Sachsen-Anhalt denken und agieren. Ein Hauptmotiv für die Nichtwahl ist der Studie zufolge die Unzufriedenheit darüber, wie Politik betrieben wird. Nichtwähler sind politisch durchaus interessiert und informiert, selbst wenn sie nicht abstimmen gehen. Hier müsse es laut Studie das Ziel sein, wieder Interesse zu wecken und die "Wähler im Wartestand" zu überzeugen, die Stimme abzugeben. Insgesamt sind für den Monitor 1590 Interviews im Zeitraum Juni und Juli 2015 geführt worden. Bei der letzten Landtagswahl 2011 lag die Wahlbeteiligung in Sachsen-Anhalt bei 51,2 Prozent. Der Landtag wird wieder am 13. März 2016 gewählt.

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EDITORIAL

Liebe Leserinnen und Leser,

es kommt sehr selten vor, dass wir kurz vor der Drucklegung noch einmal die fertig gesetzte Ausgabe verändern müssen. Diesmal ging es uns jedoch so, denn am 25. November 2015 hat Detlef Gürth erklärt, er werde als Landtagspräsident zurücktreten. Wir wollten und mussten natürlich darauf reagieren. Gleichzeitig sind wir uns bewusst, dass es bei Erscheinen dieses ZwischenRufs vermutlich schon einen neuen Landtagspräsidenten gibt, den wir Ihnen im nächsten Heft vorstellen werden.

Trotz dieser bewegten Zeiten gibt es auch sie, die weihnachtlichen Momente: Ein kleiner Weihnachtswichtel oder eine dezente Lichterkette schmücken das eine oder andere Büro, und im Innenhof steht traditionell eine Weihnachtstanne. Trotz Vorwahlkampfs freuen sich auch die Abgeordneten auf ein paar besinnliche Stunden zwischen den Jahren, vermutlich wird jedoch niemand von ihnen die drängenden Aufgaben vergessen können, die in unserem Land aktuell anstehen.

Einen kleinen Eindruck von diesen Herausforderungen bekommen Sie auf unseren Plenums-Seiten. In einer Aktuellen Debatte im November diskutierten die Abgeordneten beispielsweise über zunehmende Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte und demokratische Politiker in Sachsen-Anhalt. Zudem gab es einen Antrag, der die Unterbringungssituation von Flüchtlingen in Erstaufnahmeeinrichtungen verbessern soll. Im Vorfeld der UN-Klimakonferenz in Paris befasste sich der Landtag mit dem Klimaschutzprogramm der Landesregierung. Während die Koalition Erfolge betonte, kam von der Opposition deutliche Kritik.

Ganz im Zeichen der schrecklichen Attentate von Paris stand die diesjährige Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag im Landtag von Sachsen-Anhalt. "Der Frieden in unserer Zeit ist wieder gefährdet", sagte Alterspräsident Dieter Steinecke bei der Veranstaltung. Der Dezember-ZwischenRuf wirft aber auch einen Blick zurück auf die Festveranstaltung "25 Jahre Deutsche Einheit - 25 Jahre Sachsen-Anhalt", bei der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel als Festrednerin zu Gast war. Passend zum Jahresabschluss haben wir zudem Interviews mit den vier Fraktionsvorsitzenden im Landtag geführt. Ein Thema dabei war, ob die herkömmlichen Wahlkampfkonzepte noch ausreichen, um bei der Landtagswahl im März 2016 Nichtwähler und Demokratieskeptiker zu erreichen.

Schon zur guten alten Tradition im ZwischenRuf ist es geworden - ganz abseits politischer Fragen - regelmäßig einen Blick ins Land zu werfen. Und dieser schafft es immer wieder, die Einzigartigkeit und Schönheit Sachsen-Anhalts widerzuspiegeln, so auch in diesem Heft. Für das letzte "Regionalfenster" des Jahres 2015 waren wir in Zeitz unterwegs - auf den Spuren von Kurfürsten, Kinderwagen und Kasematten.

In diesem Sinne: Gönnen Sie sich zum vorweihnachtlichen ZwischenRuf eine Tüte Knusperflocken und bleiben Sie uns auch im nächsten Jahr als Leserinnen und Leser gewogen

Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr!

Ihr ZwischenRuf-Team

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IM BLICKPUNKT

"Ich gehe nicht im Groll"

Detlef Gürth erklärte am 25. November 2015 bei einer Pressekonferenz im Landtag, er werde als Landtagspräsident zurücktreten, da ihm eine "angemessene Amtsführung nicht mehr möglich" sei.


In seiner Erklärung sagte Detlef Gürth vor Journalisten: "Als Parlamentspräsident benötigt man für die Amtsführung mehr, als die einfache Mehrheit des Hauses, auch wenn es nur noch 4 Monate bis zur nächsten Wahl sind. Mir wäre eine angemessene Amtsführung nicht mehr möglich. Deswegen werde ich das Amt des Präsidenten des Landtages niederlegen. Mit der nächsten Landtagssitzung kann ein Nachfolger gewählt werden." Er ziehe damit die Konsequenz aus dem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren in Steuerangelegenheiten.

Er habe seinerzeit das Amt nicht angestrebt, es aber angenommen und alle Aufgaben mit ganzer Kraft angepackt. Stolz zeigte sich Gürth über die während seiner Amtszeit verabschiedete Parlamentsreform, die mehr Transparenz, Barrierefreiheit und die Verkleinerung des Parlaments zur Folge habe. "Ich gehe nicht im Groll", betonte Gürth, er suche die Verantwortung für seinen Rücktritt nicht bei anderen, sondern einzig bei sich selbst. "Ich stehe zu meinen Fehlern, bleibe ein politischer Mensch und werde mich auch weiterhin einbringen."

Es ist die Regel, dass der Landtagspräsident in der konstituierenden (ersten) Sitzung einer neuen Legislaturperiode für die Dauer der Wahlperiode gewählt wird. Vorschlagsberechtigt für das Präsidentenamt ist traditionell die stärkste Fraktion. Im Falle des Rücktritts von Präsident Gürth ist somit die Fraktion der CDU berechtigt, eine Abgeordnete oder einen Abgeordneten für das Präsidentenamt vorzuschlagen. Die Fraktion der CDU hat angekündigt, darüber beraten und mit den anderen Fraktionen ins Gespräch kommen zu wollen.

Detlef Gürth ist einer der wenigen noch im Landtag vertretenen Abgeordneten der ersten Stunde, die seit 1990 im wiedergegründeten Landesparlament sitzen. Nachdem der gelernte Klempner, Lehrausbilder und selbständige Kaufmann der ersten freigewählten DDR-Volkskammer angehörte, wechselte er im Oktober 1990 in die Landespolitik. Seitdem gehört der 53-Jährige ununterbrochen dem Landtag von Sachsen-Anhalt an und wurde 2011 zum Landtagspräsidenten gewählt. Bei der nächsten Landtagswahl will Gürth nach eigener Aussage noch einmal antreten.

Stefanie Böhme


Hintergrund

Als "Erster unter Gleichen" nimmt der Landtagspräsident eine besondere Stellung unter den Abgeordneten ein. Er ist aus ihren Reihen gewählt, leitet die Sitzungen des Landtags und des Ältestenrats und zeichnet somit für die korrekte Behandlung aller parlamentarischen Initiativen verantwortlich. Er ist der oberste Repräsentant des Parlaments und der ranghöchste Politiker des Landes. In dieser Funktion kommt es ihm zu, beschlossene Gesetze auszufertigen. Ausfertigen bedeutet in diesem Fall, dass er als unabhängige Instanz prüft, ob das Gesetz auf der Grundlage der Verfassung zustande gekommen ist.


Redaktionsschluss für diesen Artikel war der 25. November 2015. Aktuelle Informationen über die Nachfolgerin oder den Nachfolger von Detlef Gürth finden Sie auf der Internetseite des Landtags:
www.landtag.sachsen-anhalt.de

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IM BLICKPUNKT

Im Zeichen der Hoffnung

"Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart." Dieser Sinnspruch Richard von Weizsäckers wurde zum Motto der diesjährigen Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag im Landtag von Sachsen-Anhalt.


Die Gedanken und das Gedenken kreisen in diesem Jahr insbesondere um die Opfer des feigen Attentats in Paris, erklärte Dieter Steinecke, Mitglied des Landtags und Vorstandsvorsitzender des Landesverbandes im Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V., der zur Veranstaltung in den Magdeburger Plenarsaal eingeladen hatte. Frieden und Freiheit seien nicht nur bloße Worte, sagte Steinecke, sie seien vielmehr Erinnerung und Mahnung, wie sich die moderne Welt sowohl in der Vergangenheit als auch dieser Tage selbst in den Abgrund zu führen vermag. Der Frieden in unserer Zeit ist wieder gefährdet, deswegen solle man gegen Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit aufstehen und den vor Krieg, Zerstörung und Hunger Flüchtenden die Hand reichen.

Sich der Realität des Todes stellen

Altbischof Leo Nowak hielt in diesem Jahr die Ansprache zum Volkstrauertag. Schöne Sonntagsreden reichen nicht und man könne im Angesicht von Gewalt und Tod auch nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, betonte Nowak mit Blick auf die Geschehnisse in Paris. Man müsse sich der Realität des Todes und des Schreckens stellen und nicht vor lauter Ohnmacht den Kopf in den Sand stecken. "Wer sich der Grausamkeit stellt, wird auch zum Einsatz für den Frieden bereit sein", zeigte sich Nowak überzeugt.

"Wird es denn immer so weitergehen", fragte der Altbischof, "oder werden wir endlich aus der Geschichte lernen?" Die Menschheit habe ob ihrer Geschichte sehr viel Grund für einen pessimistischen Blick auf die Zukunft. "Kein Glück der Welt macht das Leid der Mütter und Väter wieder gut, die um ihre Kinder weinen. Und was ist mit den Millionen Toten, mit jedem einzelnen Toten selbst: Soll ihr Leben völlig umsonst einfach so hingeworfen sein?"

Man sei Brutalität und Gewalt hilflos ausgeliefert und lege Blumen und Kränze nieder, entzünde Kerzen und spreche ein Gebet. Ob dies nicht nur Zeichen der eigenen Ohnmacht seien, fragte Leo Nowak. Aber was seien Blumen denn anderes als ein Symbol für das Leben, die Kerzen ein Symbol für Licht und Hoffnung, die alle Menschen auf der Welt verstünden? "Denn die Sehnsucht nach Leben ist ganz tief in jedem von uns verankert, und es ist die Hoffnung, die es immer wieder schürt", versicherte Leo Nowak abschließend.

Der Vokalkreis des Telemann-Konservatoriums Magdeburg unter der Leitung von Lothar Hennig sowie Jugendliche des Jugendarbeitskreises vom Landesverband Sachsen-Anhalt trugen mit Musik und Rezitationen zur Gestaltung der Gedenkstunde bei. Im Anschluss wurde auf dem Magdeburger Westfriedhof noch einmal mit dem Niederlegen von Kränzen und Blumen gedacht.

Dr. Stefan Müller


Holocaustgedenktag

Der Landtag erinnert mit einer Gedenkstunde im Plenarsaal am 27. Januar 2016, dem internationalen Holocaustgedenktag, an die Opfer des Nationalsozialismus. Als Gäste und Redner werden die israelische Künstlerin und Zeitzeugin Sara Atzmon und Dr. Frank Bajohr, wissenschaftlicher Leiter des Zentrums für Holocaust-Studien im Institut für Zeitgeschichte München-Berlin, erwartet.

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25 JAHRE SACHSEN-ANHALT

"Ein Aufbruch in die Freiheit!"

Bei den beiden Festakten zu den 25. Jahrestagen der Deutschen Einheit und der Konstituierung des Landtags von Sachsen-Anhalt im Oktober 1990 wurde ausführlich Bilanz gezogen.


Was ist aus den blühenden Landschaften geworden, die den Ostdeutschen im Zuge der Deutschen Einheit 1990 versprochen worden waren? Ein Vierteljahrhundert nach der Wiedervereinigung ging man beim Festakt "25 Jahre Deutsche Einheit - 25 Jahre Sachsen-Anhalt" am 1. Oktober in Halle/Saale diesen Spuren nach.

Festrednerin war Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel: Damals sei das Tor zur Freiheit aufgestoßen worden, hin zu wirtschaftlichem Aufschwung. Der konsequente Strukturwandel im Land sei unumgänglich gewesen. Haben viele vor 25 Jahren ihre Arbeit verloren und tiefe Einschnitte in die eigene Biographie hinnehmen müssen, so glänze Sachsen-Anhalt heute mit einem industriellen Kern, erfolgreichen Unternehmen und unvergleichbarer Natur. "In Sachsen-Anhalt lässt es sich genauso gut leben wie in anderen Teilen der Republik", lobte die Bundeskanzlerin. Die noch vor uns stehenden Aufgaben könnten nur gemeinsam bewältigt werden. National, europäisch, global - nur im Zusammenwirken dieser Kräfte könnten die Fragen von heute beantwortet werden.

Durch das von der letzten Volkskammer verabschiedete Länderwiedereinführungsgesetz sei 1990 der Weg für föderale Strukturen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR frei gemacht worden, erinnerte Landtagspräsident Detlef Gürth. Die hermetisch abgeriegelte Grenze sei im Herbst 1989 durch viele mutige Menschen eingerissen worden: "Aus dem Herbst '89 wurde ein Frühling, ein Aufbruch in die Freiheit." Gürth versicherte: "Wir können auf das Erreichte stolz sein, aber für eine gerechte Welt ist immer noch viel zu tun."

Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Landes- und Bundesfinale von "Jugend debattiert" steuerten ihre Wünsche für die Zukunft des Landes bei: Es solle ein Mehrgenerationenhaus werden, das allen Altersgruppen gerecht werde, seine Potenziale für zukunftsorientierte Arbeitsplätze ausschöpfen, es soll weltoffen und hilfsbereit sein, Umwelt, Wirtschaft und Bildung voranbringen.

"Einheit und Freiheit - am 3. Oktober 1990 sind sie Wirklichkeit geworden, der Verfassungsauftrag von 1949 konnte endlich umgesetzt werden", sagte Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff. Seitdem sei eine enorme Aufbauleistung vollbracht worden. Dank der solidarischen Hilfe durch die westlichen Bundesländer und der Europäischen Union seien großartige Fortschritte gemacht worden. Sachsen-Anhalt habe seine zweite Chance genutzt und soll zukünftig ein Zugpferd unter den deutschen Ländern werden - "dafür lohnt es sich zu arbeiten!"

Festakt zur Wiedergründung des Landtags von Sachsen-Anhalt

Der Landtag von Sachsen-Anhalt erinnerte mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Gesellschaft bei einem Festakt am 27. Oktober in Magdeburg an den Jahrestag seiner Wiedergründung. Nicht im Mag­deburger Plenarsaal (denn den gab es seinerzeit noch gar nicht), sondern in der Johann-Philipp-Becker-Kaserne in Dessau konstituierte er sich erstmals wieder am 28. Oktober 1990.

Wenige hätten geahnt oder gar gewusst, was auf sie zukommen würde, aber mit bestem Wissen und Gewissen hätten sich die Menschen ohne Rückversicherung an den Aufbau des Landes gewagt, blickte Landtagspräsident Detlef Gürth zurück. "Wie oft haben wir nächtelang gesessen und beratschlagt, ob wir auf dem richtigen Weg sind oder ob es Alternativen gibt", sagte Gürth. "Auch heute müssen wir mutig anpacken: Die demokratischen Grundrechte müssten für alle Bürger gesichert werden.

Als zentrale Rednerin sprach Prof. Dr. Suzanne S. Schüttemeyer vom Lehrstuhl für Regierungslehre und Policyforschung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Der Titel ihrer Rede lautete "Reden, Handeln, Demokratie vermitteln! Zur Zukunft des Landesparlamentarismus". Seit anderthalb Jahrhunderten würden demokratische Parlamente für unverzichtbar erachtet, erklärte die Politikwissenschaftlerin. Sie zeichneten verantwortlich für die Berücksichtigung der wachsenden Vielfalt der Gesellschaft, für die Wahrung des Gemeinwohls und die Lösung anstehender Probleme.

Nach Ansicht Schüttemeyers gebe es drei Bereiche, in denen die Landtage heute ganz besonders aktiv sein müssten: (a) Die enge Kooperation zwischen Bund und Ländern bei der Gesetzgebung. (b) Die Landtagsabgeordneten müssten bei EU-Themen stärker in die Pflicht genommen und bessere Vermittler zwischen den Bürgern und der EU werden. (c) Das Vertrauen in Parlament und Abgeordnete müsse verbessert werden, um das Funktionieren der parlamentarischen Demokratie zu stärken. Die Parlamente müssten sich noch stärker als zuvor auf ihre Kontrolltätigkeiten konzentrieren. Es bedürfe ferner Menschen, die sich als Abgeordnete in den Landtag wählen ließen und Politik mitgestalteten. Nur so könne gezeigt werden, dass Parlamentarismus und Demokratie ohne Alternative seien.

Auch die Vorsitzenden der vier im Landtag vertretenen Fraktionen gehörten zu den Gratulanten beim Festakt zum Landtagsgeburtstag. Parlamentsarbeit bedeute vor allem, Verantwortung zu übernehmen, konstatierte André Schröder (CDU). Daher gelte sein Dank und Respekt all jenen, die an der Wiedergeburt des Landes und im "parlamentarischen Maschinenraum" mitgewirkt hätten. Handlungsfähiges Regieren sei ohne Parlament nicht möglich, so der CDU-Politiker.

Der Landtag sei das Kern- und Herzstück der parlamentarischen Demokratie, dieses Selbstbewusstsein sollten alle Abgeordneten jeden Tag stolz demonstrieren, erklärte Wulf Gallert (DIE LINKE). Die geringe Wahlbeteiligung bedeute eine Entfremdung von der Demokratie. Es müsse gelingen, das Vertrauen in die Gestaltungsmacht von Parlamenten wiederherzustellen.

1989/1990 sei der Startpunkt gewesen, in Freiheit aufzuwachsen und viele neue Chancen zu nutzen, sagte Katrin Budde (SPD). Nicht wenige hätten heute Zukunftsängste, seien unzufrieden und gingen nicht mehr wählen. Das gefährde die Demokratie an sich. "Niemand hat uns damals versprochen, dass Demokratie leicht sei", erinnerte sich Katrin Budde. Man dürfe keine Angst vor einer Aufgabe und vor Entscheidungen haben und brauche Mut zur Entscheidung.

Vieles, was sich positiv auf die Entwicklung des Landes ausgewirkt habe, trage eine grüne Handschrift, so Prof. Dr. Claudia Dalbert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Sie zeigte sich davon überzeugt, dass das Land den ankommenden Asylsuchenden Schutz bieten und ein dauerhaftes Zuhause schaffen könne. "Das wird Geld und Zeit und Personal brauchen, und keiner sagt, dass es einfach wird", so Dalbert. "In unserer Demokratie ist kein Platz für Hetze und Gewalt! Lassen Sie uns auch diese Herausforderung gemeinsam meistern."

Dr. Stefan Müller

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25 JAHRE SACHSEN-ANHALT

25 Jahre Landtagsarbeit in Zahlen

Anlässlich des Jubiläums "25 Jahre Sachsen-Anhalt - 25 Jahre Landtag" wurde in den vergangenen Monaten schon oft Bilanz gezogen und ein Blick nach vorn gewagt. Mit unserem bunten Zahlen-Potpourri bieten wir einen Rückblick der etwas anderen Art. Stichtag für die Auswertung war der 31. August 2015.


TOP 10 der Berufsgruppen der Abgeordneten

1 Koch
1 Oberförster
1 Medizinische Kosmetikerin
1 Damenmaßschneider
1 Zoologischer Präparator
7 Studenten
9 Landwirte/Agraringenieure
20 Juristen
28 (Diplom-) Lehrer
85 (Diplom-) Ingenieure

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750 Gesetze
Seit der Konstituierung des Landtags 1990 beschlossen die Abgeordneten 750 Gesetze, durchschnittlich 30 pro Jahr und 2,5 pro Monat.

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192.825 Petitionen
sind in den vergangenen 25 Jahren beim Landtag eingegangen. Laut Artikel 19 der Verfassung des Landes hat jeder das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an den Landtag zu wenden.

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273.058 Besucher
Konnten nach dem Aufbau des Besucherdienstes 1990/91 erstmals 1648 Gäste gezählt werden, ist das Interesse kontinuierlich gestiegen. Heute kommen im Durchschnitt eines Jahres 13.000 Besucher in den Landtag.

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Rekorde in Sachsen-Anhalt
Sachsen-Anhalt ist das Bundesland mit der höchsten Dichte an UNESCO-Welterbestätten in Deutschland.
Die größte Hallorenkugel der Welt - an der man nicht knabbern darf - wird im Schokoladenmuseum Halle aufbewahrt.
Sachsen-Anhalt ist bundesweit Spitzenreiter bei der Erzeugung von Strom durch Windkraft.

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Präsidenten des Landtags
Dr. Klaus Keitel (CDU, 1990 - 1998)
Wolfgang Schaefer (SPD, 1998 - 2002)
Adolf Spotka (CDU, 2002 - 2006)
Dieter Steinecke (CDU, 2006 - 2011)
Detlef Gürth (CDU, 2011 - 2015)

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Die jüngsten Abgeordneten
1. WP: Antje Tietz 21
2. WP: Matthias Gärtner 21
3. WP: Mirko Mokry 19
4. WP: Judith Röder 24
5. WP: Daniel Sturm 29
6. WP: Jan Wagner 25
WP = Wahlperiode; Alter bei WP-Beginn

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Die ältesten Abgeordneten
und damit Alterspräsidenten
1. WP: Heinz Hildebrandt *1921 - †2003
2. WP: Hans-Jochen Tschiche *1929 - †2015
3. WP: Rudi Wiechmann *1929 - †2007
4. WP: Curt Becker *1936
5. WP: Dr. Rüdiger Fikentscher *1941
6. WP: Dieter Steinecke *1944

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5916 Anträge
wurden in den letzten sechs Wahlperioden zur Diskussion ins Plenum eingebracht. Darunter waren 1042 Gesetzentwürfe.

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94/235 Frauen und Männer
Seit der Wiedergründung des Landes und damit des Landtags wurden insgesamt 94 Frauen und 235 Männer als Abgeordnete gewählt. Ihr Durchschnittsalter lag bei 52,85 Jahren.

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703 Anhörungen
Im Gesetzgebungsverfahren werden oft Experten, Interessenvertreter und Betroffene angehört, sodass in ein Gesetzesvorhaben konstruktive Kritik einfließen kann. Seit der Konstituierung 1990 hat es 703 solcher öffentlichen Anhörungen gegeben.

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25 JAHRE SACHSEN-ANHALT

"Wir waren wirklich echte Exoten"

1990 war ein Superwahljahr - insgesamt vier Mal wurden die Menschen zwischen Havelberg und Rottleberode an die Wahlurnen gebeten: Im März zur Volkskammer-, im Mai zur Kommunal-, im Oktober zur Landtagswahl und am 2. Dezember dann zur ersten gesamtdeutschen Bundestagwahl. Einer, der den Wahlkampf hautnah miterlebte, ist Ulrich Petzold. Der damals 39-Jährige gewann für die CDU das Direktmandat im Wahlkreis Wittenberg-Gräfenhainichen-Jessen-Roßlau-Zerbst. Im Interview mit Stefanie Böhme blickt er auf seine Anfänge als Abgeordneter zurück und spricht darüber, wie sich Parlamentsarbeit und Wahlkampf seither verändert haben.

Sie waren 1990 ein kompletter Politikneuling - warum haben Sie gleich für den Bundestag kandidiert?

Ulrich Petzold: Die Nominierung zum Bundestag war eine Art Betriebsunfall. Ich war 1989 in die CDU eingetreten, weil ich mich aktiv an der Umgestaltung des Landes beteiligen wollte. Bei der Nominierung als Bundestagskandidat kam ich aber aus dem kleinsten Mitgliederverband (Gräfenhainichen) und hatte mir keine großen Chancen ausgerechnet. Dann wurde ich aber überraschend nominiert und fuhr "mit hängenden Ohren" nach Hause, weil ich meiner Frau gar nichts davon erzählt hatte. Das gab ziemlichen Ärger, sie fürchtete, dass wir alle nach Bonn umziehen müssten.

Welche Erinnerungen haben Sie an den Bundestagswahlkampf 1990?

Ich erinnere mich, da kamen plötzlich viele schlaue Leute mit großen Autos und jeder Menge Kugelschreibern, Plakaten und anderen Wahlkampfutensilien. Diese Art von Wahlkampf war uns DDR-Bürgern völlig fremd. Meiner war eher zurückhaltend. Es gab beispielsweise keine großen Reden, eher Veranstaltungen im kleinen Kreis. Ich habe versucht, auf die Menschen zuzugehen und habe mir ihre Sorgen und Ängste angehört. Gerade in unserer Chemieregion hatten die Menschen Angst, ihre Arbeit zu verlieren. Wir versuchten, ihnen dann zu erklären, dass sie auch bei Arbeitslosigkeit nicht ins "Bergfreie" fallen, sondern dass es soziale Sicherungssysteme gebe.

Wie hat sich Ihr Leben als Bundestagsabgeordneter verändert?

Sie müssen sich vorstellen, dass es 1990/91 keine direkte Flugverbindung zwischen Halle/Leipzig und Bonn gab, wenn, dann musste man über Prag und Frankfurt fliegen. Das habe ich schnell gelassen und stattdessen nächtelang im Zug gesessen. Außerdem hatten wir zuhause in den ersten zwei Jahren meines Mandats kein Telefon, sodass ich für meine Frau und Kinder oft tagelang nicht zu erreichen war. Also für das familiäre Zusammenleben war es eine große Umstellung und ich bin meiner Frau heute noch dankbar, dass sie das auf sich genommen hat.

Was war ihre schwierigste Lektion, die Sie als junger Abgeordneter lernen mussten?

Wir waren wirklich echte Exoten im Bonner Bundestag. Aber ich hatte das Glück, damals eine sehr patente Sekretärin an meiner Seite zu haben. Als Ingenieur war ich bisher gewohnt, nach dem Prinzip "ersten-zweitens-drittens-fertig" zu arbeiten, also sehr strukturiert. Wenn ich meine Ideen so in Ausschüssen und im Plenum vorgetragen habe, waren manche Abgeordnete am Ende meiner Rede gerade aufgewacht. Es war ein ganz anderer Arbeitsstil im Parlament: Diese ausführliche Diskussion, das Beleuchten von Themen unter allen Aspekten kannte ich so nicht. Am schwierigsten war, zu lernen, dass man auch um die Aufmerksamkeit für sein Thema kämpfen muss.

Wie hat sich die Parlamentsarbeit in den vergangenen 25 Jahren verändert?

Die Geschwindigkeit der Arbeit hat deutlich zugenommen und das ausführliche Erörtern von Themen ist weitestgehend verschwunden. Heute gibt es in den Ausschüssen nur noch drei Minuten Redezeit, früher waren es bis zu 15 Minuten. Früher habe ich zwei, drei Stunden einen anständigen Brief am Computer geschrieben, heute beantworte ich Fragen kurz in zehn Minuten per E-Mail. Das bedeutet natürlich auch, dass ich als Abgeordneter viel stärker in meinem Fachgebiet Bescheid wissen muss. Außerdem gibt es deutlich mehr Einladungen von Lobbyisten. Ich kann täglich zwischen 20 Einladungen auswählen, von denen ich maximal zwei wahrnehmen kann.

Und wie hat sich der Wahlkampf verändert?

Der Bundestagswahlkampf 1990 hat mich rund 5.000 D-Mark gekostet, mein letzter kostete 30.000 Euro. Das macht deutlich, wie sehr es vor allem eine Materialschlacht geworden ist und ich glaube nicht, dass die Bürger/innen das wirklich gut finden. Natürlich machen wir heute auch Großveranstaltungen, gehen auf Marktplätze und stehen in Einkaufsstraßen. Was wir uns aber bewahrt haben - und das kommt auch gut an -, ist, dass wir zum Beispiel auch einem kleinen Kaninchenzüchterverein einfach für ein Gespräch zur Verfügung stehen.

Wenn Sie auf Ihre Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter zurückblicken, worauf sind Sie besonders stolz?

Zum Beispiel darauf, dass wir eine Abteilung des Bundesumweltamtes nach Dessau holen und dass wir trotz aller Widrigkeiten den Chemiepark Piesteritz erhalten konnten. Und wenn wir auf die nächsten Jubiläen (2017 und 2019) vorausblicken, ist es auch wunderbar zu sehen, wie sich die Weltkulturerbestätten entwickelt haben.

Was wünschen Sie Sachsen-Anhalt für die nächsten 25 Jahre?

Ich wünsche dem Land, dass es seine alte Position im Rahmen der Wirtschaft Deutschlands wieder einnehmen kann. Gerade durch seine Lage im Herzen Europas und das sehr gute Verständnis für osteuropäische Kulturen hat das Land viel Potenzial und gute Chancen, sich wirtschaftlich weiter positiv zu entwickeln.


Zur Person

Ulrich Petzold wurde am 23. September 1951 in Wittenberg geboren. Er ist evangelisch, verheiratet und hat zwei Kinder.

Nach der Berufsausbildung mit Abitur zum Schlosser absolvierte er ein Technologie-Studium der Metallverarbeitung an der Technischen Hochschule in Magdeburg mit Abschluss als Diplom-Ingenieur. Danach war er in der Chemie- und Braunkohleindustrie in der technischen Überwachung tätig. Seit 1999 ist Ulrich Petzold Fachreferent der DEKRA Automobil GmbH.

Im Oktober 1989 trat er der CDU bei, seit Februar 1990 ist er Kreisvorstandsmitglied der CDU in Gräfenhainichen und Wittenberg und seit 1998 Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes Wittenberg.

In der Zeit von 1990 bis 1998 und seit 2002 ist er Mitglied des Bundestags.


Das Einheitsjahr 1990 zum Durchklicken

Ein Jahr lang haben wir Ihnen an dieser Stelle spannende Geschichten aus dem Einheitsjahr vorgestellt, den Blick wollten wir dabei auf die besonderen Menschen und die außergewöhnlichen Ereignisse aus dem Jahr 1990 richten. Was hat sich binnen eines Jahres in den Bezirken Magdeburg und Halle geändert und wie sind die Menschen mit den Veränderungen umgegangen?

Die Bandbreite in unserer Rubrik "Zwölf Monate und zwölf Geschichten" reichte dabei vom ersten DDR-Playmate über den ersten Supermarkt in Haldensleben, die Währungsunion im Juli, bis hin zum Streik der Bergleute in Rottleberode und die erste Landtagswahl im Oktober 1990. Den November widmeten wir den vielen Verbänden und Vereinen, die sich nach der Wiedervereinigung neugegründet haben, darunter zum Beispiel der Landestanzsportverband Sachsen-Anhalt, die Historische Kommission sowie der Blinden- und Sehbehindertenverband des Landes. Sie alle kamen im November 1990 erstmals zusammen. Welche Entwicklung sie seither genommen haben und welche Erfolge sie feiern konnten, lesen Sie auf unserer Internetseite.

Dort finden Sie auch alle anderen bereits veröffentlichten Geschichten aus dem Jahr 1990. Ebenfalls zu empfehlen ist das Kalenderblatt, in dem Sie knapp 60 bewegende Momente und Ereignisse des Jahres 1990 noch einmal Revue passieren lassen können.

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IM BLICKPUNKT

Mit Augenmaß handeln

Bilanzziehen ist eine der Aufgaben, die man vorzugsweise am Jahresende erledigt. Die Vorsitzenden der vier Landtagsfraktionen haben ein kleines politisches Resümee für das Jahr 2015 gezogen. André Schröder (CDU) stellte sich den ZwischenRuf-Fragen.

Welche sind die drei wichtigsten politischen Entscheidungen des Landtags 2015 aus Sicht Ihrer Fraktion und warum?

Der Haushalt, als in Zahlen gegossene Politik, gehört immer zu den Höhenpunkten der Parlamentsarbeit. Mit dem Nachtragshaushalt haben wir die Voraussetzungen dafür geschaffen, die Flüchtlingskrise zu bewältigen und die Kommunen darüber hinaus deutlich zu entlasten. Gleichzeitig wissen wir, dass der Prozess schwierig bleibt, weil sich die Zahlen ständig verändern. Eine Nachsteuerung im kommenden Jahr ist daher im Interesse der Kommunen. Das beschlossene Landesentwicklungsgesetz nach Jahren der Diskussion und moderne verfassungsgemäße Polizeibefugnisse waren ebenfalls für uns besonders wichtige Entscheidungen.

Wie sollten Sachsen-Anhalt und Deutschland im nächsten Jahr der drängenden Flüchtlingsproblematik begegnen?

Alle Parteien im Landtag sind sich einig, dass Sachsen-Anhalt mittels gesteuerter Zuwanderung vor allem Chancen hat, sich erfolgreich weiterzuentwickeln. Auch die Sicherstellung einer menschenwürdigen Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen ist Konsens im Land. Politik braucht aber nicht nur Optimismus, sondern auch Realitätssinn und Augenmaß. Niemand darf von Deutschland erwarten, dass es dauerhaft mehr Menschen aufnimmt, als es integrieren kann. Hier liegen die Unterschiede zwischen den Parteien. Ausländerhass und rechte Gewalt, aber auch linke Utopien einer Multi-Kulti-Gesellschaft, die alle Türen öffnet, geben falsche Antworten auf die jetzigen Probleme.

Die CDU unterstützt das Unterbringungskonzept der Landesregierung und will künftig weniger Flüchtlinge und Asylbewerber auf die Kommunen verteilen. Kürzere Bearbeitungs- und Gerichtsverfahren, zentrale, durch das Land koordinierte Abschiebungen ohne Vorankündigung, sowie verstärkte Integrationsangebote für Menschen mit Bleibeperspektive, bleiben unsere Ziele. Insgesamt muss Deutschland die Kontrolle über Einreisen in das Land gewährleisten. Dafür ist eine europäisch abgestimmte Asyl- und Flüchtlingspolitik ebenso wichtig, wie die Einführung grenznaher Verfahren zur Statusklärung bereits vor der Einreise.

Reichen die herkömmlichen Wahlkampfkonzepte und fröhliches Händeschütteln noch aus, um im März 2016 Nichtwähler und Demokratieskeptiker zu erreichen?

Politik war und bleibt immer mehr, als fröhliches Händeschütteln! Wenn Wahlkämpfe erfolgreich Menschen mobilisieren konnten, waren immer drei Faktoren entscheidend: 1. Gute und überzeugende Kandidaten, 2. Geschlossenheit und Erkennbarkeit im Auftritt, sowie 3. die klare Profilierung bei bestimmten Themen, die die Menschen gelöst haben wollen. Natürlich muss Politik gut erklärt werden, die Landespolitik bleibt gut beraten, Kommunikation und politische Bildung zu fördern. Das Wichtigste bleibt aber, dass sich Reden und Handeln nicht entkoppeln und die Bürger merken, dass wir die Herausforderungen tatsächlich lösen.

Abseits vom politische Alltag: Bringen Weihnachten und Jahreswechsel die gewünschte Entspannung oder sind sie nur die Ruhe vor dem Sturm?

Weihnachten und Silvester gehören der Familie. Auch gute Freunde, die man viel zu lange nicht gesehen hat, will ich treffen. So kurz vor einer Wahl, ist die Situation aber eine besondere. Termine und Absprachen für die "heiße Phase" des Wahlkampfes stören notwendigerweise die Lebkuchen-Eintracht. Es ist also wohl eher die Ruhe vor dem Sturm.

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IM BLICKPUNKT

Demokratie muss Probleme lösen

Die Vorsitzenden der vier Landtagsfraktionen haben sich am Jahresende den Fragen der ZwischenRuf-Redaktion gestellt und ziehen ein politisches Resümee für das Jahr 2015. Katrin Budde (SPD) äußert sich im Magazin-Interview.

Welche sind die drei wichtigsten politischen Entscheidungen des Landtags 2015 aus Sicht Ihrer Fraktion und warum?

Am wichtigsten war der Nachtragshaushalt, mit dem wir nicht nur die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen abgesichert haben, sondern auch die Kostenerstattung für die Kommunen. Die Botschaft dieses Nachtragshaushalts ist: Niemand muss befürchten, dass wegen der Aufnahme von Flüchtlingen andere Aufgaben unerledigt bleiben.

Große Bedeutung hat auch der neue Auftrag zur Aufarbeitung der SED-Diktatur für die bisherige Landesbeauftragte für Stasi-Unterlagen. Wir sichern damit, dass die Aufarbeitung von DDR-Geschichte auch mit der nachwachsenden Generation fortgeführt wird.

Eine dritte Entscheidung hätten wir gerne getroffen: die Zustimmung zur Ehe für alle. Aber bei unserem Koalitionspartner CDU waren die Vorbehalte gegen Homosexuelle zu groß; diese Partei konnte nicht über ihren Schatten springen. Ich bin aber sicher, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis wir alle Paare gleich behandeln.

Wie sollten Sachsen-Anhalt und Deutschland im kommenden Jahr der drängenden Flüchtlingsproblematik begegnen?

Mit einer ruhigen Erledigung der Aufgaben bei der Unterbringung, mit der Offenheit zur Integration der Menschen in unsere Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt und mit der finanziellen Absicherung auch aller anderen Aufgaben von Land und Kommunen. Die deutsche und europäische Außenpolitik sollte alle Kraft in einen echten Friedensprozess für die Herkunftsländer stecken. Solange Krieg und Terror herrschen, werden Menschen weiter alles daran setzen, sich und ihre Familien in Sicherheit zu bringen.

Reichen die herkömmlichen Wahlkampfkonzepte und fröhliches Händeschütteln noch aus, um im März 2016 Nichtwähler und Demokratieskeptiker zu erreichen?

Nein, aber es gibt auch kein Patentrezept dafür. In der Krise muss die Demokratie vor allem zeigen, dass sie Probleme lösen kann.

Der Landtag hat auf meine Initiative das Programm "Demokratie stärken" auf den Weg gebracht, mit dem wir Menschen aus allen Bevölkerungsgruppen für aktive Mitwirkung zu gewinnen versuchen.

Man muss aber auch an die Verantwortung von Menschen appellieren, die nicht wählen. Wer in einem demokratischen Rechtsstaat leben möchte - und das möchten fast alle -, der muss auch die Demokratie am Leben erhalten. Wählen gehen gehört dazu. Und wer mit dem Angebot an Kandidatinnen und Kandidaten nicht zufrieden ist, der soll sich selbst engagieren.

Abseits vom politische Alltag: Bringen Weihnachten und Jahreswechsel die gewünschte Entspannung oder sind sie nur die Ruhe vor dem Sturm?

Über den Jahreswechsel wird hoffentlich bei allen etwas Ruhe einkehren. Und danach gibt es keinen Sturm, aber politische Debatten. Die sind notwendig, denn es geht um die Frage: Welche ist die richtige Richtung für unser Land?

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IM BLICKPUNKT

Die Ruhe vor dem Sturm

Welche waren die Erfolge und Rückschläge im politischen Alltag in 2015? Die Vorsitzenden der vier Landtagsfraktionen zogen eine kleine Bilanz und stellten sich den ZwischenRuf-Fragen.

Hier: Prof. Dr. Claudia Dalbert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN).

Welche sind die drei wichtigsten politischen Entscheidungen Landtags 2015 aus Sicht Ihrer Fraktion und warum?

Die Landesregierung von Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff zeichnet sich bei Zukunftsaufgaben eher durch Nicht-Entscheidungen aus.

Thema Artenvielfalt: Wir erleben ein dramatisches Artensterben - auch in Sachsen-Anhalt. Wir tragen beispielsweise eine besondere Verantwortung für den Rotmilan. Sein Bestand ist jedoch in den letzten 20 Jahren dramatisch eingebrochen, nämlich um 50 Prozent. Hier sehe ich keinerlei Aktivitäten der Landesregierung. So können wir die Erde für unsere Enkel nicht erhalten.

Thema Unterrichtsausfall an den Schulen: Hier verweigert sich die Landesregierung der Realität. Sie muss sich endgültig vom Personalentwicklungskonzept verabschieden und die tatsächlichen Bedarfe decken.

Thema Ehe für alle: Hier beweist die Landesregierung immer wieder, wie rückwärtsgewandt sie denkt und hat sich der Bundesratsinitiative dazu verweigert. Hier ist die Bevölkerung schon längst einen Schritt weiter und sagt "Gleiche Liebe verdient Gleichbehandlung".

Wie sollten Sachsen-Anhalt und Deutschland im kommenden Jahr der drängenden Flüchtlingsproblematik begegnen?

Das Asylrecht kennt keine Obergrenzen. Menschen, die zu uns kommen und hier mit uns Zukunft gestalten wollen, sind eine Chance für Sachsen-Anhalt. Natürlich ist es auch eine Herausforderung. Aus diesem Grund erwarten wir von der Bundesregierung, dass sie hier den Kommunen ausreichend Geld zur Verfügung stellt, denn sie müssen die Menschen unterbringen. Außerdem muss die Bundesregierung dafür sorgen, dass die Asylverfahren endlich beschleunigt werden.

Wir hier in Sachsen-Anhalt müssen die Kommunen dabei unterstützen, dass sie die Geflüchteten dezentral unterbringen. Wir brauchen darüber hinaus schon in den Zentralen Aufnahmestellen Deutschunterricht für alle - vom ersten Tag an. Wichtig ist auch, dass wir zusammen mit der Agentur für Arbeit die Berufsabschlüsse der Geflüchteten so schnell wie möglich anerkennen.

Reichen die herkömmlichen Wahlkampfkonzepte und fröhliches Händeschütteln noch aus, um im März 2016 Nichtwähler und Demokratieskeptiker zu erreichen?

Herkömmlicher Wahlkampf und fröhliches Händeschütteln reichen nicht aus. Die Frage ist, warum gibt es Nichtwähler und Demokratieskeptiker? Ich denke, die gibt es, weil sich immer mehr der Eindruck von "Die da oben und wir hier unten" verfestigt. Die da oben machen ihr Ding, und das hat gar nichts mit uns zu tun. Diese Kluft gilt es zu überwinden. Von daher machen Wahlkampfstände nur Sinn, wenn da auch die Kandidaten stehen und mit den Menschen sprechen. Genau dieses Miteinanderreden - das ist authentisch. Wir brauchen den direkten Kontakt. Aus diesem Grund müssen wir Politiker aber auch auf andere Weise den Kontakt zu den Menschen suchen. Ich mache da zum Beispiel Wohnzimmertouren und lade zum Kaffeeklatsch ein.

Abseits vom politische Alltag: Bringen Weihnachten und Jahreswechsel die gewünschte Entspannung oder sind sie nur die Ruhe vor dem Sturm?

Natürlich werde ich Zeit mit meiner Mutter verbringen. Wir werden auch besinnliche Weihnachtstage haben, aber faktisch ist es die Ruhe vor dem Sturm ...

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IM BLICKPUNKT

Wichtigste Fragen sind unbeantwortet

Die Vorsitzenden der vier Landtagsfraktionen ziehen im letzten ZwischenRuf-Interview des Jahres ein kleines politisches Resümee für 2015. Wulf Gallert (DIE LINKE) stellte sich den Fragen der Redaktion.

Welche sind die drei wichtigsten politischen Entscheidungen des Landtags 2015 aus Sicht Ihrer Fraktion und warum?

Die wichtigsten politischen Entscheidungen sind leider jene, die nicht getroffen wurden. Erstens: Der Landtag fand nicht die Kraft, das Personalkonzept der Landesregierung zu beerdigen, die Folgen sind nicht nur bei Schule und Polizei offenkundig, und der Kurs des Personalabbaus soll fortgesetzt werden. Zweitens: Der Landtag war nicht in der Lage, eine auskömmliche Finanzierung der Kommunen durchzusetzen. In der Folge sind immer weitere Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge gefährdet. Drittens: Dem Landtag fehlte die Entschlusskraft, rechtzeitig Vorsorge für die Aufnahme Geflüchteter verbindlich einzufordern. Vorherrschend bleiben Aktionismus und das Stopfen von Löchern, und das alles geschieht auf dem Rücken der Geflüchteten selbst, aber auch der vielen haupt- und ehrenamtlichen Unterstützer/innen. Jetzt rächt sich zudem der Abbau, den die Landesregierung seit Jahren vielerorts und in vielen Bereichen betrieben hat.

Ergänzend zu allen drei Punkten ist zu betonen: Die Mehrheiten im Landtag sind bekannt, sie tragen die Verantwortung für all diese Unterlassungen.

Wie sollten Sachsen-Anhalt und Deutschland im kommenden Jahr der drängenden Flüchtlingsproblematik begegnen?

Wir brauchen Weltoffenheit, wir brauchen ein kluges und flexibles Management, Entscheidungen müssen mit den Menschen vor Ort gemeinsam vorbereitet werden. Widerstand bleibt angesagt gegen billigen Populismus, gegen die Stigmatisierung Geflüchteter, vor allem aber gegen Rassismus, Hass und Gewalt. Weder Deutschland noch Sachsen-Anhalt stehen angesichts der zu uns Flüchtenden vor einer Katastrophe, die Aufgaben sind lösbar. Mit Entschiedenheit muss endlich gegen die Fluchtursachen angegangen werden, für die auch Deutschland Verantwortung trägt.

Reichen die herkömmlichen Wahlkampfkonzepte und fröhliches Händeschütteln noch aus, um im März 2016 Nichtwähler und Demokratieskeptiker zu erreichen?

Das hat noch nie gereicht. Wahlenthaltung und Demokratieskepsis erwachsen vielmehr aus der Differenz zwischen den Erwartungen an Politik beziehungsweise Parteien und deren konkreten Leistungen. Diese Schere muss sich schließen, ansonsten wird sich die Situation wenig verändern. Das Problem sind nicht die Wahlen, eher schon der Umstand, dass viele Menschen das durchaus berechtigte Gefühl haben, einfach nicht gefragt zu sein. Da gibt es großen Veränderungsbedarf.

Abseits vom politische Alltag: Bringen Weihnachten und Jahreswechsel die gewünschte Entspannung oder sind sie nur die Ruhe vor dem Sturm?

Na ja - beides ist zutreffend.

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REGIONALFENSTER

Eine Perle im Burgenlandkreis

Zu einer Zeit(z)reise über und unter der Erde lädt das geschichtsträchtige Zeitz ganz im Süden Sachsen-Anhalts ein. Obwohl schon lange kein "Geheimtipp" mehr, überrascht die Kleinstadt immer wieder ihre Besucher mit einer Vielfalt aus Geschichte und Kultur. Zeitz hat mehr zu bieten, als sich auf den ersten Blick vermuten lässt.


Ganz im Süden Sachsen-Anhalts, unweit der Landesgrenzen zu Sachsen und Thüringen, putzt sich eine alte Bischofs- und Residenzstadt allmählich wieder heraus. Zeitz, von Kaiser Otto I. im 10. Jahrhundert zum Bischofssitz bestimmt und im 17. Jahrhundert Metropole des Herzogtums Sachsen-Zeitz, bereitet sich nach industriellem Aufschwung im 19. Jahrhundert und sichtbarem Verfall im 20. Jahrhundert auf ein glanzvolles Jubiläum im Jahr 2017 vor. Dann nämlich wird der Ort im Tal der Weißen Elster 1050 Jahre alt.

Schon König Heinrich I. ließ dort eine Burg errichten, sein Sohn Otto der Große gründete 967 das Bistum Zeitz. Sechs Jahrhunderte lang regierten und residierten in Zeitz Kirchenfürsten, 70 Jahre danach waren es die Herzöge. Geistliche wie weltliche Herren hinterließen in der Stadt ebenso ihre sichtbaren Spuren wie später Handwerker und Industrielle, die das einstige Ackerbürgerstädtchen zu einem wichtigen Wirtschaftsstandort Mitteldeutschlands machten, sowie 40 Jahre sozialistische Planwirtschaft, in denen viel Bausubstanz dem Verfall preisgegeben war. Der wurde nach 1990 gestoppt. Sachsen-Anhalts erste Landesgartenschau 2004 bereitete in Zeitz fruchtbaren Boden für die weitere Entwicklung zu einer erneut erblühenden Kleinstadt, die mehr zu bieten hat, als sich auf den ersten Blick vermuten lässt.

So kann ein Bummel durch Sachsen-Anhalts südlichste Stadt zu einer Zeit(z)-Reise durch mehr als 1050 Jahre Geschichte werden. Da, wo im 6. Jahrhundert Slawen siedelten, hoch über der Weißen Elster ihre Wallburg errichteten und später auf einem vorspringenden Geländesporn die Königsburg Heinrichs I. entstand, erstreckt sich der ehemalige Dombezirk. Etwa zeitgleich wurden die einstige Königsburg zum Wohnsitz der Bischöfe um- und in unmittelbarer Nähe die den Aposteln Peter und Paul geweihte Zeitzer Domkirche gebaut.

An ihrer Stelle steht heute eine im 15. Jahrhundert errichtete spätgotische Hallenkirche, in der Reste der ursprünglichen Anlage des 10. Jahrhunderts in Form der ottonischen Krypta erhalten blieben. Die Stiftskirche wurde von den Herzögen von Sachsen-Zeitz barock umgestaltet und mit einer Fürstenloge ausgestattet, die das Schloss mit dem Dom verband. Mit dem Ende des herzöglichen Geschlechts verlor die prunkvoll eingerichtete Kirche immer mehr an Bedeutung, war vorübergehend gar Lazarett, Pferdestall oder Gefängniskirche. Seit 1945 wird der Dom von der katholischen Gemeinde St. Peter und Paul zu Zeitz genutzt. Die hatte Glück im Unglück, als 1982 - nachts und nicht während eines Gottesdienstes - der südliche Vierungspfeiler einstürzte und große Teile des Dachstuhls, des Gewölbes und der Orgelempore zerstörte. Durch eine aufwendige Sanierung erhielt der Dom nach 1990 sein jetziges Aussehen und ist heute eine wichtige Station auf der "Straße der Romanik".

Von der spätmittelalterlichen Schlossanlage, die bis 1564 den Naumburger Bischöfen als Residenz diente, blieben nur unbedeutende Reste erhalten. An ihrer Stelle entstand ab 1657 die barocke, festungsähnliche Residenz der Herzöge von Sachsen-Zeitz.

Doch nur wenige Jahrzehnte konnten das Schloss und seine prächtige Ausstattung als fürstlicher Hof glänzen, dann zogen nacheinander Verwaltungsbehörden, eine Krankenanstalt, das Polizeigefängnis, eine Volksküche und das Arbeitsamt ein. Im Zweiten Weltkrieg bewohnten Fremdarbeiter und danach Heimatvertriebene das Schloss Moritzburg. Nach umfangreicher Sanierung beeindruckt die Moritzburg jetzt aber wieder als imposante Dreiflügelanlage mit einem Turm in der Mitte des Hauptflügels, großem Ehrenhof und einem Befestigungsring mit kasemattierten Schanzen zwischen einem monumentalen Torhaus.

Im Zeitzer Schloss hat das Deutsche Kinderwagenmuseum sein Domizil. Es erzählt nicht nur die Geschichte von Kinder- und Puppenwagen, sondern auch von deren "Erfindung" durch findige Zeitzer Unternehmer. Der Stellmacher Ernst Albert Naether war es, der als Erster einen ausschließlich für Säuglinge bestimmten Ziehwagen herstellte und dank steigender Nachfrage des städtischen Bürgertums den Grundstock für die bald weltweit bekannte Zeitzer Kinderwagenproduktion legte.

Nirgendwo sonst in Deutschland waren Hersteller und Zulieferer für "Baby-Kutschen" so konzentriert wie an der Weißen Elster. Von 26 Fabriken in ganz Deutschland im Jahre 1926 waren allein zwölf in Zeitz ansässig. Zu DDR-Zeiten firmierten die verstaatlichten Betriebe unter dem Logo ZEitzerKInderWAgen. Mütter in ganz Osteuropa und Kundinnen des westdeutschen Quelle-Versandhandels fuhren ihren Nachwuchs in Zekiwa-Modellen aus.

Zum 150. Jubiläum des Zeitzer Kinderwagens wurde 1996 im Schloss Moritzburg eine Dauerausstellung eröffnet. Durch Ankauf erweiterte sich der Bestand weit über den Zeitzer Kinderwagenbau hinaus. Heute gehören mehr als 600 Kinder-, Sport- und Puppenwagen zur Sammlung, in der Besucher nicht selten solche Wagen erkennen, in denen sie ihre eigenen Kinder und Enkel ausfuhren, oder jene, nur von Fotos bekannten, in denen sie, die Eltern oder gar Großeltern einst saßen. Derzeit wird die Ausstellung komplett neu gestaltet und soll ab Mitte 2016 im modernen Outfit eine Zeit(z)reise durch dann viele Jahre der Zeitzer Kinderwagengeschichte ermöglichen.

Eine ähnlich lange Tradition hat in Zeitz die Herstellung von Süßem. Friedrich August Oehler gründete 1831 eine Kolonialwarenhandlung, aus der später die Schokoladenfabrik hervorging, die nach dem Zweiten Weltkrieg als Basis für eine der bekanntesten DDR-Süßwarenmarken - Zetti - diente. Nach der Wende übernahm die Goldeck Süßwaren GmbH die Rechte und die Produktionsanlagen und vertreibt seit 1995 unter dem Markennamen Zetti wieder rund 40 Leckereien, darunter Zetti-Knusperflocken und Bambina-Schokolade.

Das süße Geschäft brauchte von Anfang an Zucker, der seit 150 Jahren auch direkt in Zeitz gewonnen wird. Damit zählt die Stadt zu den traditionsreichsten Plätzen der deutschen Zuckerindustrie. Ein 1858 erbautes Werk wurde 1993 durch einen Neubau der Südzucker AG ersetzt, in dem während der Kampagne täglich an die 12 Tonnen Rüben verarbeitet werden - nach Unternehmensangaben mehr, als der Traditionsbetrieb in einem ganzen Jahr geschafft hatte.

Ob Kinderwagen, Schokolade oder Zucker - die Produktionsstätten mussten beheizt werden. Briketts für Fabriken und Haushalte kamen aus der Zeitzer Brikettfabrik, deren Grundstein der Zuckerwerk-Direktor Richard Herrmann auf der Suche nach günstigen Brennstoffen in der Nähe legte. Nach ihm wurde die Brikettfabrik benannt, die schon zu Betriebszeiten ein Technikmuseum war. Bis zur letzten Schicht am 31. Dezember 1959 liefen dort Brikettpressen und Tellertrockner der Baureihen 1883 bis 1895. Fast die gesamte Ausstattung befand sich daher bei Stilllegung der Fabrik noch im Originalzustand, sodass das Brikettwerk Herrmannschacht als weltweit älteste erhaltene Brikettfabrik gilt, als Industriedenkmal ein letzter Zeuge der einstigen Braunkohlenveredelung in Mitteldeutschland ist und zur Europäischen Route der Industriekultur gehört.

Bereits seit 1961 steht die Anlage unter Denkmalschutz. Nach Gründung des Vereins "Mitteldeutscher Umwelt- und Technologiepark e.V." (MUT) erfolgte ab 1996 die schrittweise Rekonstruktion. Besucher können sich dort über die Braunkohlegeschichte Mitteldeutschlands, die vor etwa 45 Millionen Jahren begann, informieren. Ein Lehrpfad zeigt Pflanzen und Prozesse jener mächtigen Moorwälder, aus denen die Kohle entstand.

Ein Rundgang durch die Fabrik veranschaulicht dann die Weiterverarbeitung der Kohle und die einzelnen Arbeitsschritte der Brikettproduktion. Mit ihrem gut erhaltenen Maschinenpark lässt die Fabrik noch heute den Geruch von Kohlenstaub und Öl, den Klang der Kolben und Räder erahnen. Einblicke in den Alltag der Menschen gewährt das Ofenmuseum mit einer Sammlung historischer Öfen und veranschaulicht, wie vor noch gar nicht so langer Zeit mit Kohle geheizt und auch gekocht wurde.

Tief gegraben haben Zeitzer Bürger schon im Mittelalter. In den Buntsandstein unter ihren Häusern trieben sie lange Gänge und formten tonnenartige Gewölbe - um darin Bier zu lagern. Das war einst nämlich ein Grundnahrungsmittel und wichtigste Zutat für die tägliche Biersuppe. Es gab in der Stadt rund 300 Häuser mit Braurecht und jedes hatte ein eigenes unterirdisches Gangsystem, manchmal bis zu drei Etagen und bis zu elf Meter tief, wo das Gebräu bei gleichbleibenden Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit lange frisch blieb.

7000 bis 9000 Meter lang schätzt man die "Unterwelt" von Zeitz, die in Vergessenheit geriet, als es Bier aus industriellen Brauereien gab. Die Gänge wurden mit Müll und Schutt verfüllt, im Zweiten Weltkrieg zum Teil als Luftschutzbunker genutzt, was 80 Einwohnern der Stadt bei einem Bombenangriff das Leben gerettet hat.

Der 1990 gegründete Verein "Unterirdisches Zeitz" hat einen Teil des verzweigten Gangsystems freigelegt und zu einer besonderen Touristenattraktion der Stadt gemacht. 320.000 Besucher haben seither die Zeitzer Unterwelt besucht und das unterirdische Labyrinth bestaunt.

Voller Schutt war viele Jahre lang auch das Innere der Kirche des Franziskanerklosters, in der Martin Luther am 22. Januar 1542 über "Die große Macht und Kraft des Wortes Gottes" predigte. Wie an diesem nun zur Kulturkirche der Stadt umgewidmeten Gotteshaus verfügt Zeitz über zwei weitere "Luther war hier"-Orte.

Auch am Dom sowie am Schloss Moritzburg weisen Plaketten mit dem Bildnis des Reformators darauf hin, dass dieser mehrfach in der Stadt weilte und hier auch den ersten evangelischen Bischof Nikolaus von Amsdorf ins Amt einführte, der fortan in Zeitz residierte.

Zudem nennt sich Zeitz stolz "Stadt der Luthernachkommen", haben doch alle männlichen Nachfahren des Reformators hier gewirkt. Johann Ernst, ein Enkel Luthers, heiratete 1610 in der Michaeliskirche die Bürgermeistertochter Martha Blumstengel und begründete mit ihren acht Kindern die Zeitzer Lutherlinie. Diese geschichtliche Verbundenheit veranlasste die Familienvereinigung der Lutheriden e.V. ihren Sitz und ihre wertvolle Bibliothek von Hamburg nach Zeitz zu verlegen. Eine umfangreiche Sammlung wertvoller Bücher und Dokumente, die Luthers Nachfahren zusammentrugen, ist im Torhaus von Schloss Moritzburg zu sehen.

Dort haben auch die Bibliothek und das Archiv des zu den vereinigten Domstiftern gehörenden Kollegialstifts ihr Domizil. Mit den kostbaren Büchersammlungen der in Zeitz residierenden Naumburger Bischöfe und der Zeitzer Domherren zählt die Stiftsbibliothek zu den bedeutendsten mittelalterlichen Handschriften- und Inkunabelbeständen Deutschlands. Die über 1000 Bände umfassende Gelehrtenbibliothek des letzten Naumburger Bischofs Julius von Pflug stellt zudem eine der größten Privatsammlungen der Reformationszeit in Mitteldeutschland dar. Zu den Glanzstücken der Bibliothek gehören die Fragmente der sogenannten Zeitzer Ostertafeln, einer Pergamenthandschrift aus dem Jahr 447, und die Zeitzer Weltkarte aus der Mitte des 15. Jahrhunderts.

Zudem verfügt Zeitz über einen originalen Plakatdruck der 95 Luther-Thesen von 1517, eine ganz besondere Rarität unter den Originalquellen der Reformationszeit, welcher im Kirchencafé der Gemeinde St. Michael besichtigt werden kann.

Das aufwändig sanierte Torhaus der Moritzburg bewahrt aber nicht nur alte Schriften und Dokumente, sondern ist häufig mit Leben und Kinderlachen erfüllt. Im Kunst- und Museumspädagogischen Zentrum Johannes Lebek, benannt nach einem Zeitzer Grafiker und Holzschneider, können Kinder, Erwachsene, Studierende und Künstler eine Druckwerkstatt mit historischen Handpressen nutzen sowie an Holzschnittkursen und Grafikworkshops teilnehmen. Daneben gibt es im Lebek-Zentrum museumspädagogische Angebote zur Stadt- und Schlossgeschichte.

Einen beeindruckenden Blick auf Zeitz, die Moritzburg und die liebevoll sanierte Altstadt bietet sich Besuchern, die den 52 Meter hohen Turm des Rathauses erklimmen. Rund um den Altmarkt zeugen Gebäude aus mehreren Jahrhunderten, wie das 1438 erstmals erwähnte Gewandhaus oder auch die Michaeliskirche von der wechselvollen Geschichte. Vor dieser ältesten Stadtkirche erinnert die Brüsewitz-Säule an die Selbstverbrennung des Pfarrers Oskar Brüsewitz, der sich dort am 18. August 1976 aus Protest gegen die Kirchenpolitik in der DDR mit Benzin übergossen und angezündet hatte.

Seit der deutschen Wiedervereinigung hat sich an Zeitz' Antlitz schon viel verändert. Mehr als 90 Millionen Euro sind in die Stadtsanierung geflossen, kündet eine Tafel vor der Michaeliskirche; sie informiert aber auch darüber, dass einige Grundstückseigentümer leider keine Bereitschaft zur Mitwirkung zeigten und daher wissentlich den Verfall bedeutender Baudenkmäler und städtebaulicher Strukturen förderten.

Gudrun Oelze

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AUS DEM PLENUM

DDR-Unrecht aufarbeiten

Die DDR-Aufarbeitung allein auf die Stasi zu beschränken, werde den vielen Einzelschicksalen mit anderem Unrecht in der DDR nicht gerecht. Daher kommt es nun zur Aufgabenumgestaltung für die Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen.


Das im November verabschiedete Aufarbeitungsbeauftragtengesetz bedeutet eine Neuausrichtung der Institution der Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen. Nicht mehr nur das von der Stasi zu verantwortende Unrecht soll aufgearbeitet werden, sondern das gesamte System staatlicher Repression unter der kommunistischen Diktatur in der DDR sowie der Verfolgung in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ).

Die Aufarbeitung des SED-Unrechts gehe weit über die Grenzen der Stasi-Aufarbeitung hinaus, erklärte Sozialminister Norbert Bischoff (SPD) kurz vor der Annahme des Gesetzes im Landtag. Er betonte, es sei der Aufgabe angemessen, das Amt des/der Landesbeauftragten beim Landtag anzusiedeln, so wie es das Gesetz vorsieht.

Die Linken halten die Aufarbeitung der Geschichte in der SBZ und der DDR für unabdingbar, gleichwohl kritisieren sie einige zentrale Inhalte des Gesetzes. Wichtigster Kritikpunkt sei, dass die Aufarbeitung außerhalb der Wissenschaftsstrukturen des Landes geleistet werden soll. "Wir lehnen die Ausweitung der Befugnisse der Landesbeauftragten ab, die Auseinandersetzung wird an anderer Stelle (Universitäten, Vereine, Verbände) schon richtig geleistet", so Eva von Angern (DIE LINKE), es bedürfe keiner staatlichen Stelle. Die Einrichtung eines wissenschaftlichen Aufarbeitungsinstituts wäre sinnvoller und ein wichtiges Signal an die Hochschulen des Landes gewesen. Aus politischen und fachlichen Gründen wäre es richtiger, mit der Neuausrichtung auch eine personelle Neubesetzung zu ermöglichen, so von Angern. Dies ist nicht der Fall, Landesbeauftragte bleibt Birgit Neumann-Becker.

Die SPD-Fraktion begrüße ausdrücklich die Annahme des Gesetzentwurfs, erklärte Silke Schindler (SPD). Die Opfer der Gewaltherrschaft von Diktaturen müssen immer noch erst erkannt und anerkannt werden. Der neuen Landesbeauftragten werde diese Aufgabe - insbesondere für die Zeit der SBZ und der DDR - konkret zugewiesen. Neue Erkenntnisse sollen erfasst, die Öffentlichkeit informiert werden. Es herrsche schon eine gelebte Zusammenarbeit zwischen den Institutionen, lobte Schindler.

Auch 26 Jahre nach der Friedlichen Revolution seien noch viele Fragen hinsichtlich der kommunistischen Diktatur unbeantwortet, noch viele Täter unbehelligt, erklärte Sören Herbst (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Herbst zeigte sich zufrieden, dass nicht an einem Schlussstrich, sondern an einer weiteren Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit gearbeitet werde. Um das Ausmaß systematischen Unrechts kenntlich zu machen, bedürfe es des Blickes über die Grenzen der Stasi hinaus. Mag die Stasi auch vielfach verantwortlich für die Auswahl der Opfer gewesen sein, so hätten die Rechtsverletzungen doch andere Stellen ausgeführt.

Die Stasi habe dem autoritären Führungsanspruch der SED Genüge geleistet, die Unrechtserfahrungen gingen aber weit über die Stasi hinaus, so Ralf Wunschinski (CDU). "Wir stehen an der Seite der Opfer des Regimes", versicherte er und lobte die schon 20 Jahre währende enorm wichtige Arbeit der Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen. Die Institution sei eine verlässliche Ansprechpartnerin für alle, die unter dem Unrechtsregime der SED gelitten hätten. Es habe sich gezeigt, dass die Opferberatung noch immer notwendig sei, dass auch heute noch neue Unrechtsfälle bekannt würden. Das Gesetz wurde mit den Stimmen von CDU, SPD und Grünen angenommen.

Dr. Stefan Müller

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AUS DEM PLENUM

Klimaschutz gelungen?

Im Vorfeld der UN-Klimakonferenz vom 30. November bis 11. Dezember in Paris diskutierte der Landtag über das Klimaschutzprogramm der Landesregierung. Ausgangspunkt war eine Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Während die Koalition Erfolge betonte, kam von der Opposition heftige Kritik.


Beim Klimaschutz gehe es um nicht weniger als den Erhalt der Lebensgrundlagen und wie wir unseren Kindern die Welt überlassen, betonte Prof. Dr. Claudia Dalbert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Generell hält sie das Klimaschutzprogramm des Landes für gut, allerdings fehle es an konkreten Zielen und Maßnahmen zur Minderung der CO2-Emission sowie der Nennung von Kosten und Zeiträumen, in denen die konkreten Maßnahmen umgesetzt werden sollen. Dalbert nannte dazu Beispiele, wie die Kraft-Wärme-Kopplung, das Eco-Driving, die Erhöhung des öffentlichen Personennahverkehrs oder den Ausbau von Fahrradhaltepunkten. Ein Entschließungsantrag ihrer Fraktion sollte dazu beitragen, diese und andere Unzulänglichkeiten des Klimaschutzprogramms zu verbessern.

Dr. Hermann Onko Aeikens, Minister für Landwirtschaft und Umwelt, erklärte Sachsen-Anhalt hätte in puncto Klimaschutz bereits viel erreicht, die Maßnahmen des Klimaschutzprogramms wurden und werden auch in Zukunft gezielt umgesetzt. Zudem werde es von einem breiten gesellschaftlichen Aktionsbündnis unterstützt. Für die Zukunft seien wichtig: Die Verbesserung der Energieeffizienz und die Verankerung von Klimaschutzzielen im kommunalen Bereich sowie der weitere Ausbau von erneuerbaren Energien.

Ralf Bergmann (SPD) sieht großes Potenzial in der Forschung und Entwicklung von Speichertechnologien, hierbei sollte man sich auf die Power-to-Gas-Variante konzentrieren. In einem gemeinsamen Entschließungsantrag von CDU und SPD sollte die Landesregierung gebeten werden, ausgehend von der Halbzeitbilanz zum Klimaschutzprogramm, Empfehlungen für verschiedene Handlungsfelder zu erarbeiten, die zu einer effizienten Minderung der CO2-Emission beitrügen. Außerdem wäre es wünschenswert, wenn der Landtag der 7. Wahlperiode entsprechende Schlussfolgerungen daraus ableiten würde.

André Lüderitz (DIE LINKE) erklärte, "so richtig mit Herzblut und Engagement stellt sich diese Landesregierung dem Klimaschutz nicht" - das machten die Antworten auf die Große Anfrage deutlich. Lüderitz kritisierte beispielsweise das Vergabegesetz, das keine ökologischen Anforderungen berücksichtige. Anstatt auf den Schienenverkehr zu setzen, hätte das Verkehrsministerium zudem die Ausdünnung von Haltestellen und die Abbestellung von Strecken veranlasst. Dies alles führe nicht zu einer Reduzierung der CO2-Emission.

Thomas Leimbach (CDU) sagte: "Die Grünen mäkeln, nörgeln und kritisieren, ohne inhaltlich irgendetwas konkret zu sagen." Die CDU wolle niemandem vorschreiben, was er zu essen hat und wie er sich fortbewegen soll. Ziel sei es, die Menschen zum Mitmachen zu engagieren und die Verantwortung jedes Einzelnen zu fördern. Außerdem kritisierte Leimbach, dass eine Umsetzung des Entschließungsantrags der Grünen bis zum Ende der Legislaturperiode gar nicht mehr möglich sei. Seiner Ansicht nach gelinge Klimaschutz nur auf verschiedenen Ebenen und müsse nachhaltig und langfristig gedacht werden. Der Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU und SPD sei daher wesentlich besser geeignet. Diesem stimmte die Mehrheit der Abgeordneten zu. Der Entschließungsantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wurde abgelehnt.

Stefanie Böhme

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AUS DEM PLENUM

Resozialisierung ist das "A und O"

Der Landtag hat ein Gesetz zur Weiterentwicklung des Justizvollzugs beschlossen. Damit wird zum ersten Mal ein einheitliches und konzeptionell neu ausgerichtetes Landesgesetz den Strafvollzug in Sachsen-Anhalt regeln.


Mit dem Gesetz hat das Justizministerium alle Regelungen zum Vollzug der Freiheitsstrafe, der Jugendstrafe und der Untersuchungshaft zusammengefasst. Es beinhaltet die notwendigen Regelungen für Straf- und Jugendstrafgefangene mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung. Ferner sieht das Gesetz vor, die Arbeitspflicht für Gefangene in sachsen-anhaltischen Gefängnissen beizubehalten und bis 2024 den Anspruch auf eine Einzelunterbringung zu erfüllen. Was die inhaltliche Ausgestaltung des Strafvollzugs angeht, setzt das Justizministerium auf noch mehr Behandlung und noch mehr Therapie.

Als Vorsitzender des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung erläuterte Ralf Wunschinski (CDU) den Weg des Gesetzes bis zur Zweiten Beratung im Parlament und die Positionen der Angehörten während der öffentlichen Anhörung. Demnach hätten die meisten Anzuhörenden den Gesetzentwurf der Landesregierung begrüßt.

Die Ministerin für Justiz und Gleichstellung, Prof. Dr. Angela Kolb, zeigte sich überzeugt, dass der Strafvollzug mit dem neuen Gesetz moderner und zu mehr Sicherheit und Rechtsfrieden im Land beitragen werde. Der Strafvollzug werde von Anfang an darauf ausgerichtet, dass der Gefangene nach der Haft in der Lage ist, sich wieder in die Gesellschaft zu integrieren. An der Arbeitspflicht solle festgehalten werden, um den Vollzugsalltag am normalen Leben zu orientieren.

Ein Blick auf Bundesländer wie Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg beweise, dass auch ohne Arbeitspflicht eine hohe freiwillige Arbeitsquote erreicht werden könne, wenn von Anfang an auf Resozialisierung gesetzt werde, erklärte Eva von Angern (DIE LINKE). Ihre Fraktion konnte daher dem Gesetzentwurf nicht zustimmen und brachte stattdessen einen Änderungsantrag ein. Eine weitere Fehlentwicklung sah von Angern darin, "vollzugsöffnende Maßnahmen durch den Einsatz von elektronischen Fußfesseln in ihrer Anwendung zu erhöhen". Dies halte sie für unsinnig.

Der Justizvollzug im Land werde mit dem Gesetzentwurf auf ein neues Fundament gestellt und konsequent auf Resozialisierung ausgerichtet, konstatierte Dr. Ronald Brachmann (SPD). Dies sei zugleich ein konsequenter Opferschutz. Zukünftig müssten die Gefangenen so gefördert werden, dass sie in der Lage seien, nach Haftende ein Leben ohne weitere Straftaten zu führen. Der Rechtsexperte der SPD mahnte jedoch an, dass für die Umsetzung des Gesetzes die derzeitigen sachlichen und personellen Ressourcen nicht ausreichten.

Dem schloss sich Sören Herbst (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) an: "Das Gesetz bietet zwar einen Werkzeugkoffer voller Angebote, aber man ist weiterhin mit zu wenig Personal auf der Baustelle." Als positiv bezeichnete er, dass die Rechtsstellung der Strafgefangenen grundsätzlich gestärkt worden sei und sie eine Chance bekämen, an ihrer eigenen Resozialisierung mitzuwirken. Auch die Grünen wollen an der Arbeitspflicht festhalten, allerdings müsste auch in Haftanstalten der Mindestlohn gelten.

Siegfried Borgwardt (CDU) hob in seinem Redebeitrag hervor, dass die Einzelunterbringung als Standard im Gesetz festgehalten worden sei. Zudem war er zufrieden, dass durch den Änderungsantrag von CDU und SPD die elektronische Aufenthaltsüberwachung von Freigängern als Mittel des Anstaltsleiters beibehalten werden kann und der Paragraph zum Überflugverbot von Strafanstalten angepasst wurde.

Der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE zur Aufhebung der Arbeitspflicht wurde abgelehnt. Der Beschlussempfehlung des Ausschusses wurde mit mündlichen Änderungen zugestimmt. Das Gesetz wurde in der so geänderten Fassung beschlossen.

Stefanie Böhme

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AUS DEM PLENUM

"Grüne Berufe" sichern

Egal ob Land- oder Pferdewirt, Gärtnerin oder Winzerin - die Ausbildung in "grünen Berufen" ist sehr anspruchsvoll und gelingt nur mit hochqualifizierten Berufsschullehrern. Diese sind hierzulande rar gesät, ein Antrag von CDU und SPD will Abhilfe schaffen.


Zwar sei das Ausbildungsniveau in Sachsen-Anhalt im bundesdeutschen Vergleich sehr hoch, allerdings seien auch die Anforderungen enorm gestiegen, sagte Corinna Reinecke (SPD) und nannte als Beispiel das Stallmanagement. Um Fachkräfte vorzubereiten, benötige man sehr viel Spezialwissen, das "normale" Berufsschullehrer nicht mitbringen könnten. Daher sprach sich ihre Fraktion in einem Antrag dafür aus, Diplom- und Masterstudenten den Einstieg an Berufsschulen zu erleichtern und als Regelzugang zu ermöglichen. Darüber hinaus müssten an den Hochschulen die notwendigen Kapazitäten für die berufsbegleitende pädagogische und didaktische Qualifizierung bereitgestellt sowie die Bezahlung der Quereinsteiger verbessert werden.

Dr. Hermann Onko Aeikens, Minister für Landwirtschaft und Umwelt, erklärte, "grüne Berufe" hätten Zukunft, seien erfüllend und wichtig für unsere Gesellschaft. Allerdings werde von im Agrarbereich Beschäftigten auch viel erwartet. Um dem gerecht zu werden, sei eine fundierte Aus- und Fortbildung erforderlich. Die schulische Bildung müsse mit der rasanten technischen Entwicklung in der Landwirtschaft mithalten können, so der Minister. Deswegen erhielt der Antrag seine ausdrückliche Unterstützung. Studenten, die ein für diesen Bereich fachspezifisches Studium abgeschlossen hätten, könnten das notwendige pädagogische Rüstzeug auch während des Referendariats berufsbegleitend erlangen.

Das Anliegen der Koalitionsfraktionen wurde von Dorothea Frederking (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) grundsätzlich begrüßt. Unklar lasse der Antrag jedoch, wie die Zusatzangebote an den Hochschulen bereitgestellt werden sollen und ob alle Berufsschullehreranwärter ein zweites Fach bräuchten. Ihre Fraktion wolle in jedem Fall vermeiden, dass es für "grüne Berufe" eine Ausnahmeregelung gibt.

Brigitte Take (CDU) zeigte sich überzeugt, die aktuell hohen Anforderungen seien mit einem herkömmlichen Lehramtsstudium nicht mehr zu leisten. Hochqualifizierte Fachlehrer seien zudem nötig, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. In den nächsten Jahren müssten altersbedingt viele Neueinstellungen an Berufsschulen vorgenommen werden, dies sei eine große Chance, um gut ausgebildete Fachleute von der Hochschule zu gewinnen und im eigenen Land zu halten.

"Ich habe Probleme mit dem Aktionismus des Antrags", sagte Harry Czeke (DIE LINKE). Die vorgebrachten Erkenntnisse und Gründe seien schon lange abzusehen gewesen, sodass er sich wunderte, warum die Koalitionsfraktionen erst jetzt handelten. Kritik übte er außerdem an der Überlegung, dass für land- und forstwirtschaftliche Berufsschullehrer ein Fach genügen könnte. "Das wäre ein schlimmes Signal". Der Antrag der Fraktionen von CDU und SPD wurde angenommen.

Stefanie Böhme

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AUS DEM PLENUM

Gewalt ist kein Mittel der politischen Arbeit

Während die einen über die Unterbringung und den Schutz Geflüchteter sprechen, häufen sich die Angriffe auf Flüchtlinge und deren Unterstützer. In einem Antrag und einer Aktuellen Debatte wurde sich der Themen angenommen.


Die Fraktion DIE LINKE hatte vor dem Hintergrund der zunehmenden Angriffe auf Flüchtlinge und deren Unterstützer für die November-Sitzungsperiode eine Aktuelle Debatte initiiert. Rassismus und Gewalt in Wort und Tat seien in einer demokratischen Gesellschaft nicht hinnehmbar, so der Wortlaut der Begründung. Einheitlicher Tenor aller Fraktionen war, dass Gewalt zur Durchsetzung von politischen Zielen - ob von links oder rechts oder aus der bürgerlichen Mitte - zu keiner Zeit zu tolerieren sei.

"Wir haben es in den letzten Jahren mit einem gewaltigen Anstieg von rassistischer und rechtsextremer Gewalt zu tun", konstatierte Wulf Gallert (DIE LINKE). Die Bilanz der Verfolgung solcher Straftaten sei allerdings unbefriedigend. Der neue Skandal und das neue Problem lägen darin, dass die Akzeptanz dieser Gewalt bis in die Mitte der Gesellschaft zunehme. Rassistische Hetze müsse umso lauter von allen Demokraten gestoppt werden.

"Die Herausforderungen sind größer geworden als vermutet", räumte Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff ein. Man dürfe aber nicht undifferenziert aus jeder geäußerten Kritik eine rechte Gesinnung machen. Jedoch gebe es eine Grenze, die nicht überschritten werden dürfe. "Extremistische Gewalt darf nicht toleriert werden!", machte der Ministerpräsident klar. Er wendete sich auch entschieden gegen die verbale Hetze, die im Internet stattfindet.

Noch vor Kurzem hatte Deutschland sein weltoffenes Gesicht gezeigt, heute sehe man immer mehr panische Gesichter und Menschen, die den Reden von Volksverhetzern folgten, sagte Katrin Budde (SPD). "Dem müssen wir entschieden entgegentreten", denn es handle sich um nichts anderes als den Verfall der Sitten, die gerade von denen eingefordert würden, die sie störten. Es werde nicht reichen, allein mit verbalen Verurteilungen die Straftaten und die Hetze zu verhindern. Was dem entgegengesetzt werden könne: "Ein funktionierender Staat mit praktischer Handlungsfähigkeit und eine klare Haltung", betonte Katrin Budde. In wenigen Monaten werde sich entscheiden, ob wieder Feinde der Demokratie in den Landtag einziehen, so Budde. Die SPD mache schon jetzt klar, dass es zu keiner Zusammenarbeit mit der AfD, der NPD oder anderen Parteien dieser Couleur kommen werde.

"Wir müssen uns mit einer Situation auseinandersetzen, die sogar noch die Ereignisse am Anfang der 1990er Jahre übertreffen", konstatierte Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Fremdenfeindlichkeit sei längst kein Privileg der Dummen mehr, sondern fände auch Nachhall in hochgebildeten Schichten. Rassistische Gewalt werde nicht durch Flüchtlinge ausgelöst, sondern durch die Aktionen von Rassisten und Neonazis, machte Striegel klar. Die Pegida-Bewegung habe in der AfD eine Heimstatt gefunden; mit diesem Zulauf stehe die Bundesrepublik vor der Herausbildung eines festen rechtspopulistischen Blocks. Die Hetze im Internet und auf der Straße steige ungehindert, hier bedürfe es des Zugriffs durch Polizei und Staatsschutz.

Die Debatte werde immer undifferenzierter und damit ungerechter und falscher, resümierte André Schröder (CDU). Die Aufnahme von Flüchtlingen und Asylsuchenden sei auf ein Maß zu beschränken, das die gesellschaftliche Akzeptanz nicht übersteige. Mögliche Fehlanreize seien abzubauen, außerdem bedürfe es eines einheitlichen europäischen Standards bei der medizinischen Versorgung der Flüchtlinge. "Aber es darf keine Entschuldigung und kein Verständnis für Gewalt geben", sagte Schröder. Übergriffe auf Unterstützer, Politiker und Unterkünfte seien unentschuldbare Rechtsverstöße. "Die AfD ist nicht wirklich eine Alternative für Deutschland, das wissen wir", so Schröder. Die parlamentarische Demokratie müsse hier klar Flagge zeigen.

Unterbringungskonzept wird weiterentwickelt

Der Landtag beschäftigte sich im November-Plenum auf Antrag der Linken noch einmal ausführlich mit der Unterbringung von Geflüchteten. 90 Prozent der derzeit ankommenden Flüchtlinge hätten eine gute bis sichere Bleibeprognose, erklärte Henriette Quade (DIE LINKE). Sie hätte Verständnis dafür, dass bei der Aufnahme nicht immer alles rund laufe, es könne jedoch nicht zur Regel werden, dass Landkreise und Kommunen nicht wüssten, welche Flüchtlinge wann zu ihnen kämen. Ihre Fraktion spricht sich für die Einsetzung eines zeitweiligen Ausschusses für die Aufnahme und Unterbringung Asylsuchender und Geflüchteter aus.

Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) betonte, dass im Zeitraum von Januar bis Oktober 2015 bundesweit etwa 60 Prozent aller Asylsuchenden einen abschlägigen Asylbescheid erhalten hätten und zur Ausreise verpflichtet seien. Es werde angestrebt, die Unterbringung in (beheizten) Zelten in der ZASt Halberstadt zu beenden. Weitere Unterkünfte für den Winter würden derzeit geschaffen. Durch die Erhöhung der Zahl von Erstaufnahmeunterkünften des Landes würden die Landkreise und Kommunen entlastet.

Zwar hätten die meisten Flüchtlinge eine gute Bleibeperspektive, es gebe aber auch Menschen, die geduldet seien und Kapazitäten in Erstaufnahmeeinrichtungen belegten, so Silke Schindler (SPD). Sie stimmte den Linken zu, dass die Kommunikation zwischen allen Beteiligten weiter verbessert werden müsse. Die Einsetzung eines zeitweiligen Ausschusses hielt Schindler für ebenso unnötig wie sie ablehnte, die Quotenregelung für die Unterbringung in den Landkreisen kurzfristig auszusetzen. Die Belastung sollte gleichmäßig auf alle Kommunen verteilt werden, dies werde ihrer Ansicht nach auch vor Ort akzeptiert.

Auch wenn es natürlich nicht die beste Lösung sei, Flüchtlinge in einem Bundeswehrzelt unterzubringen, sei dies doch für einige Tage auszuhalten, so Sören Herbst (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Vergleiche man die Situation in der ZASt in Halberstadt heute mit der vor drei Monaten, müsse man anerkennen, dass sich dort wirklich viel getan habe. Die Aussetzung der Quotenregelung für Kommunen lehnte Herbst ebenfalls ab.

Natürlich wolle niemand Flüchtlinge im Winter in Zelten unterbringen, daher arbeite die Landesregierung fortlaufend an ihrem Unterbringungskonzept, versicherte Jens Kolze (CDU). Von Seiten des Innenministeriums werde viel getan, um die Flüchtlinge sicher und warm unterzubringen. Dennoch sei es notwendig, eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen einzuführen und den Familiennachzug zu begrenzen, um die Akzeptanz in der Bevölkerung nicht zu gefährden und die Integration der Ankommenden gewährleisten zu können. Ein Bleiberecht für alle - wie von den Linken gefordert - halte er für nicht realistisch. Das Papier wurde vorläufig zur weiteren Beratung in den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen.

Dr. Stefan Müller


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Schmiererei an einem Kaffeehaus in der Magdeburger Innenstadt. Die Attacke richtete sich gegen den Landtagsabgeordneten Sören Herbst (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Kein Einzelfall in den vergangenen Wochen.

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RÜCKBLICK

Versorgung stärken

Der Ausschuss für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung des Landes Sachsen-Anhalt übergab im Rahmen einer Pressekonferenz seinen 22. Tätigkeitsbericht dem Landtag.


Der Ausschuss für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung des Landes Sachsen-Anhalt übergab Landtagspräsident Detlef Gürth und Sozialminister Norbert Bischoff Anfang November seinen 22.Tätigkeitsbericht. Im Fokus steht in diesem Jahr die nach Ansicht der Experten notwendige Novellierung des Gesetzes über die Hilfen für psychisch Kranke und Schutzmaßnahmen.

Der Ausschuss setzt sich nachdrücklich dafür ein, einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, der eine moderne, strikt auf die Wahrung der Patientenrechte ausgerichtete psychiatrische Versorgung ermöglicht und die Teilhabe stärkt. Es könne nicht nur darum gehen, die Regelungen zu Zwangsmaßnahmen an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts anzupassen. Im Vordergrund soll die Vermeidung von Zwang stehen, so Dr. med. Bernd Langer, der Vorsitzende des Ausschusses. Dazu sei es erforderlich, überall im Land die gemeindenahe psychiatrische Versorgung zu stärken, damit unabhängig von Herkunft und Wohnsitz der rechtzeitige Zugang gewährleistet werden könne.

Weitere Themen im Tätigkeitsbericht sind der anhaltend hohe Anteil von Menschen, die wegen einer geistigen oder seelischen Behinderung in Heimen leben, und die personelle Ausstattung der ambulanten Eingliederungshilfe.

Bundesweit erhielten Ende 2013 im Durchschnitt rund 2,6 pro 1000 Einwohner stationäre Leistungen der Eingliederungshilfe, in Sachsen-Anhalt dagegen 4,3 pro 1000 Einwohner. Das ist im Bundesvergleich der höchste Wert. "Sachsen-Anhalt gehört zu den Bundesländern mit der ungünstigsten Personalausstattung für den Personenkreis der Menschen mit seelischen Behinderungen, obwohl jährlich enorme Summen für die Eingliederungshilfe aufgewendet werden", monierte Langer.

Schließlich wird im Bericht auf den unbefriedigenden Ausgang jahrelanger Diskussionen über die Unterrichtsversorgung in den Kliniken und Tageskliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie hingewiesen. Jenseits von Ereignissen der Tagespolitik bleibe die Situation von Menschen mit psychischen Erkrankungen, geistigen und seelischen Behinderungen ein Thema, das dauerhafte Aufmerksamkeit erfordere.

Dr. Stefan Müller


Hintergrund: Psychiatrie-Ausschuss

Der Ausschuss für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung nahm am 1. Mai 1993 seine Arbeit auf. Die Entscheidung, einen solchen Ausschuss einzurichten, fußte auf den 1990 vorgefundenen Versorgungs- und Behandlungsbedingungen für psychisch kranke Menschen in den Krankenhäusern und Heimen in Sachsen-Anhalt und die mit der Schaffung der deutschen Einheit gegebene Chance, die Forderungen der Psychiatrie-Enquete auch in Sachsen-Anhalt umzusetzen. Die Mitglieder des Ausschusses arbeiten ehrenamtlich, unabhängig und sind nicht an Weisungen gebunden.

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RÜCKBLICK

Empfehlungen für die Verwaltung

In den letzten drei Jahren beschäftigte sich eine Enquete-Kommission des Landtags mit der zukunftsfähigen Gestaltung der öffentlichen Verwaltung. Deren Vorsitzende Angela Gorr zieht am Ende der Arbeit ein Resümee.


Die Verwaltung in Sachsen-Anhalt steht - wie alle öffentlichen Verwaltungen - aufgrund der demografischen Entwicklung und sich ändernder Rahmenbedingungen vor neuen Herausforderungen. Zunehmend komplexere Aufgaben müssen in immer kürzeren Zeitintervallen bewältigt werden.

Die Enquete-Kommission "Öffentliche Verwaltung konsequent voranbringen - bürgernah und zukunftsfähig gestalten" hat in den zurückliegenden drei Jahren intensiv über notwendige Veränderungsprozesse diskutiert und nun ihren Abschlussbericht vorgelegt.

Vor dem Hintergrund der erforderlichen Haushaltskonsolidierung kommt den in der Enquete-Kommission diskutierten Schwerpunkten eine große Bedeutung zu. Insbesondere das strategisch qualitative Personalmanagement in der öffentlichen Verwaltung, das Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befähigt und motiviert, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten zu erhalten, auszubauen und sich neuen Herausforderungen zu stellen, wird für die Zukunftsfähigkeit des Landes Sachsen-Anhalt eine herausragende Rolle spielen. Ein Augenmerk gilt dabei den Führungskräften auf allen Verwaltungsebenen.

Entscheidend wird bei der Bewältigung neuer Anforderungen sein, dass ein Aufgabenwandel mit entsprechender Personalausstattung auf der zuständigen Ebene einhergeht; dieses gilt vor allem auch für von der EU oder vom Bund initiierte Aufgaben.

Darüber hinaus besteht bei allen Fraktionen Einigkeit darüber, dass Sachsen-Anhalt zukünftig eine Open-Government-Strategie benötigt. In diesem Zusammenhang sind die Adressatenorientierung und Nutzerfreundlichkeit durch Vereinheitlichung mithilfe von IT-Standards zu erhöhen sowie die Anforderungen an Barrierefreiheit zu berücksichtigen.

Die intensive und kontinuierliche Diskussion mit dem federführenden Ministerium für Inneres und Sport, dem Ministerium für Finanzen und der Staatskanzlei, mit den kommunalen Spitzenverbänden als ständigen Gästen und vor allem auch mit den angehörten Expertinnen und Experten hat für alle Beteiligten zahlreiche Anregungen hervorgebracht, die teilweise schon im Laufe der Enquete-Kommission Eingang in das Handeln gefunden haben, teilweise auch parallel auf den Weg gebracht wurden.

Mit Blick auf den nunmehr vorliegenden Abschlussbericht ist hervorzuheben, dass alle Entscheidungen für den Verlauf der Kommission einvernehmlich getroffen wurden und dass zahlreiche Empfehlungen für die zukunftsfähige Gestaltung des öffentlichen Dienstes von allen Fraktionen gleichermaßen aufgegriffen wurden. Die abweichenden Empfehlungen und Standpunkte der Landtagsfraktionen sind in einem separaten Kapitel des Berichts aufgeführt. Sein umfangreicher Anhang vermittelt einen Eindruck von den oben erwähnten Umsetzungsprozessen in der öffentlichen Verwaltung des Landes Sachsen-Anhalt während der drei Jahre des Berichtszeitraums.

Angela Gorr

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RÜCKBLICK

"Vertrauen in Europa gewinnen"

Die Europäische Bewegung Sachsen-Anhalt hat Anfang November ihr 20-jähriges Bestehen gefeiert. Zum Festakt im Magdeburger Palais am Fürstenwall wurden zahlreiche Gäste aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft begrüßt.


Wenn es nach der EU-Kommission geht, brauchen Almkühe bald Windeln" - das ist nur eines von zahlreichen Gerüchten und Mythen, mit denen die Europäische Union und ihre Institutionen immer wieder konfrontiert werden. Beliebte Attribute sind zudem: zu bürokratisch, zu bürgerfern und zu bevormundend. Ein gutes Jahrzehnt nach der Einführung des Euros und der ersten großen Osterweiterung scheint die Euphorie der Europäer dahin. Ganz anders sehen das die Mitstreiter und Freunde der Europäischen Bewegung Sachsen-Anhalt. Im Rahmen ihres 20-jährigen Jubiläums betonten sie die Vorzüge eines vereinten Europas.

"Europa verdient ambitionierte Unterstützung, interessierte Bürger sowie europäisch denkende und handelnde Institutionen", sagte Detlef Gürth, der Präsident der Europäischen Bewegung in Sachsen-Anhalt ist. Die wichtigste Aufgabe der Bewegung sieht er darin, das Vertrauen der Menschen in die europäischen Institutionen zu gewinnen und der jungen Generation die vielen Chancen und Möglichkeiten zu vermitteln, die ein vereintes Europa bietet. Gürth zeigte sich besorgt über den aktuellen Zustand der EU, die derzeit nicht den Eindruck einer Wertegemeinschaft vermittle. Es sei wichtig, "mehr statt weniger Europa zu wagen" und die europäischen Werte auch zu leben.

Richard Kühnel, Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland, dankte in seinem Grußwort der Europäischen Bewegung für ihr 20-jähriges Engagement und bat die Mitglieder, mit diesem Engagement fortzufahren. Gerade in Zeiten, in denen Populisten immer mehr Zulauf fänden, sei es keine Selbstverständlichkeit, sich für Europa einzusetzen. Kühnel erinnerte daran, dass die Gemeinschaft in ihrer langen Geschichte auch aus Tiefen und Krisen immer gestärkt hervorgegangen sei.

Zwar sei Europa nicht so, wie wir es uns wünschten, aber wir könnten es gemeinsam ändern, erklärte Andris Gobins, Präsident der Europäischen Bewegung Lettland. Seiner Ansicht nach müsste beispielsweise der zivilgesellschaftliche Dialog zwischen Politik und Bürgern intensiviert werden. Daneben bräuchte es mehr Menschen, die mittel- und langfristig denken, so wie die Gründungsväter Europas.

Den Ostdeutschen und Osteuropäern sprach er eine besondere Rolle innerhalb eines europäischen Veränderungsprozesses zu, da sie während der politischen Wende schon einmal bewiesen hätten, dass sie Politik aktiv gestalten können.

In seiner zentralen Festansprache unterstrich Prof. Dr. Jörg Hacker, Präsident der Leopoldina, Nationale Akademie der Wissenschaften in Halle, welchen Beitrag die Wissenschaft zur Lösung der derzeitigen Herausforderungen leisten könne. So sollten Analysen und Debatten weder von Ängsten noch Träumereien geleitet sein, sondern von einem rationalen - wissenschaftlichen - Blick auf das Problem.

Dieser Meinung schloss sich auch Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff an. Bei allen Überlegungen und Entscheidungen, die derzeit in Europa getroffen würden, müssten "Maß und Mitte" gewahrt werden. Einerseits dürfte Menschen, die die Demokratie destabilisieren wollen, kein Raum gegeben werden. Andererseits müsse ausgewogen argumentiert werden, um auch Menschen mitzunehmen, die noch nicht - anders als die beim Festakt anwesenden - in Europa angekommen seien. Haseloff warnte davor, sich selbst zu überfordern und schutzlos innerhalb der Welt zu bewegen. Stattdessen brauche es eine wehrhafte Demokratie, die unsere Werte hochhalte.

Stefanie Böhme

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www.sachsen-anhalt-wahl-2016.de

Auf dieser Website finden Sie ab Mitte Januar alles Wissenwerte rund um die Landtagswahl am 13. März 2016.

Die bedienerfreundliche Navigation leitet zu den unterschiedlichen Themen - von der Frage, wer überhaupt zur Wahl steht, über den Wahlabend bis hin zur Konstituierung des neuen Landtags. Erleben Sie Politik online - egal ob zuhause oder unterwegs.

www.sachsen-anhalt-wahl-2016.de

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Was ist Weihnachten denn anderes als das sichtbare Zeichen von etwas Wunderbarem in rauen, herausfordernden Zeiten?
Ein Zeichen von Zuflucht und Geborgenheit, von Verständnis und Vertrauen, ja, von Liebe, Glück und Menschlichkeit?

Schließen wir die Menschen allerorten in unsere Gedanken zur Weihnacht ein. Feiern wir ein Fest der Güte und Barmherzigkeit, ein Fest des Lebens.

Wir wünschen Ihnen zu Weihnachten und für das neue Jahr alles erdenklich Gute!

Ihr Landtag von Sachsen-Anhalt

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IMPRESSUM

Herausgeber: Der Präsident des Landtages von Sachsen-Anhalt

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Redaktionsschluss: 25.11.2015

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Januar 2016

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