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SACHSEN-ANHALT/338: ZwischenRuf 3-2018 - Das Magazin des Landtages


ZwischenRuf 3/2018
Das Magazin des Landtages von Sachsen-Anhalt

Innere Sicherheit




INHALT

AUS DEM PLENUM

Finanzminister setzt auf "schwarze Null"
Erneuter Haushaltsrekord: 11,5 Milliarden Euro sind als Einnahmen und Ausgaben für das Jahr 2019 vorgesehen.

Angriffe auf die Demokratie
Der Landtag reagierte auf die Ereignisse von Köthen und verurteilte in einer Erklärung jede Form von Gewalt.

Identitätsanker mit besserer Förderung
Die Theater und Orchester prägen die kulturelle Identität des Landes Sachsen-Anhalt maßgeblich. Deren Zukunftsfähigkeit sollte mithilfe einer Großen Anfrage geklärt werden.

Vier neue Gesetzentwürfe
Der Landtag hat sich im September neben dem Haushaltsgesetz noch mit vier weiteren Gesetzentwürfen beschäftigt: zu dienstrechtlichen Vorschriften, zur Kinderbetreuung, zum Informationszugang und zu den Krankenhäusern im Land.

Friederike und die Folgen
Der Orkan Friederike hat im Januar erheblichen Schaden in den Wäldern Sachsen-Anhalts angerichtet. Das Land soll bei der Behebung der Schäden Unterstützung leisten.

Digitalisierung zum Wohle des Menschen
Der Landesbeauftragte für den Datenschutz in Sachsen-Anhalt hat seinen XIII. und XIV. Tätigkeitsbericht übergeben.

IM BLICKPUNKT

Heimat über Grenzen hinweg
Europa - mehr als ein bloßer Kontinent, gar die Heimat von mehr als 500 Millionen Menschen? Dieser Fragestellung ging die dritte Auflage des Forums "Landtag im Dialog" nach.

Respekt unter politischen Gegnern
Erstmals nach den freien Wahlen im Jahr 1990 steht seit 2016 eine Frau an der Spitze des Landtags von Sachsen-Anhalt. Gabriele Brakebusch blickt auf zwei Jahre zurück.

RÜCKLBLICK

Ein Staat mit demokratischer Verfassung
Von der Fürstenherrschaft "von Gottes Gnaden" zu "alle Gewalten gehen vom Volke aus" - 170 Jahre Revolution und demokratisches Verfassungsrecht in Anhalt.

WEITBLICK

Lesetipps aus der Landtagsbibliothek
Neuerscheinungen gibt es beispielsweise zum Kampf der Frauenbewegung und zu den Ministerien im geteilten Deutschland.

EINBLICK

Hochwasserschutz in den Niederlanden
Der Umweltausschuss des Landtags hat sich in den Niederlanden über aktuelle Entwicklungen im Hochwasserschutz informiert. Die einwöchige Reise führte die Abgeordneten unter anderem nach Den Haag, Delft und Nimwegen.

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IMMER GUT INFORMIERT

Aktuelle Publikationen des Landtags

Aktuelles aus dem Plenum und den Ausschüssen?
Was gehört zu den Aufgaben des Landtags?
Wann und wie kann ich eine Petition einreichen?

Ein umfangreiches Informationsangebot finden Sie im
Internet und in den Printpublikationen des Landtags.
Diese können kostenfrei abonniert oder einzeln
bestellt werden.

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Landtag von Sachsen-Anhalt
Domplatz 6 - 9 | 39104 Magdeburg
Telefon: 0391 560 1226 | Fax: 0391 560 1123
E-Mail: landtag@lt.sachsen-anhalt.de

DAS MAGAZIN DES LANDTAGS VON SACHSEN-ANHALT

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Landtag gedenkt seines früheren Vizepräsidenten

Walter Remmers 17.10.1933 - 14.9.2018

Der erste Justizminister Sachsen-Anhalts nach der politischen Wende, Walter Remmers, ist tot. Der 84-Jährige starb am 14. September 2018 in seiner Heimatstadt Papenburg. 1990 war er aus Niedersachsen in die sachsen-anhaltische Landesregierung gewechselt, war bis 1994 Justizminister, zeitweise parallel auch Innenminister. Von 1994 bis 2002 gehörte er dem Landtag als Abgeordneter an. Hier war er unter anderem Vorsitzender des Ausschusses für Recht und Verfassung und Vizepräsident des Parlaments. Remmers stand in den ersten Jahren des wiedergegründeten Sachsen-Anhalts vor der schwierigen Aufgabe, einen komplett neuen Justizapparat im Land aufzubauen. Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch würdigte Walter Remmers als Mann der ersten Stunde, der entschieden zum Aufbau der demokratischen Strukturen unseres Bundeslandes beitrug. Der vierfache Familienvater erhielt 1987 das Große Bundesverdienstkreuz, später den Ehrendoktortitel der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und 2008 den Verdienstorden des Landes Sachsen-Anhalt.

Dr. Stefan Müller


Enquete-Kommission zur Gesundheitsversorgung

Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat die Einsetzung einer Enquete-Kommission zum Thema "Die Gesundheitsversorgung und Pflege in Sachsen-Anhalt konsequent und nachhaltig absichern und weiterentwickeln" beschlossen. Grundlage dafür ist ein Antrag der Fraktion DIE LINKE, der nach Beratung im Ausschuss noch leicht verändert worden war. Die Enquete-Kommission soll dem Landtag Vorschläge unterbreiten, "wie die Gesundheitsversorgung im Land Sachsen-Anhalt künftig personell, sächlich, finanziell, flächendeckend, qualitativ hochwertig, barrierefrei und sektorenübergreifend realisiert werden kann". Dazu gehört beispielsweise eine umfassende Bestandsaufnahme und Bedarfsermittlung der notwendigen Investitionen, der Fachkräftesituation und der Situation der Hebammen und Entbindungsstationen im Land. Außerdem sollen die Strukturen von ambulanten und stationären Angeboten geprüft werden. Die Kommission besteht aus zwölf Mitgliedern des Landtags an. Jede Fraktion kann bis zu zwei ständige Ersatzmitglieder benennen. Ferner gehören der Kommission auch Sachverständige an, die keine Mitglieder des Landtags sein müssen. Jede Fraktion kann eine/n Sachverständige/n benennen.

Stefanie Böhme

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EDITORIAL

Liebe Leserinnen und Leser,

Schal raus, Handschuhe raus, Mütze raus - der Herbst hat uns fest in der Hand. Damit er uns aber nicht allzu kühl um die Nase wird, stürzen wir uns mit diesem ZwischenRuf einfach mittenrein ins Landtagsgeschehen und lassen uns einen - sicherlich auch hitzigen - debattenreichen Herbst bescheren. Mit dabei: Die 87 Abgeordneten des Landtags, die es an Worten nicht haben mangeln lassen während der beiden Sitzungstage im September. Und denen - es kann als Versprechen gewertet werden - werden noch eine ganze Menge im letzten Drittel des Jahres folgen.

Bevor wir uns aber jetzt schon zu vorfristig auf die geruhsame Jahresendstimmung einstellen, wagen wir lieber noch einen Blick auf die vergangenen Wochen im Parlamentsgeschehen. Haushalt, Ärzte, Demokratie, Wald und innere Sicherheit waren nur wenige der Stichworte, die die September-Sitzungsperiode ausgemacht haben. Auf den Seiten 6 bis 14 lassen wir einige wichtige Tagesordnungspunkte noch einmal Revue passieren.

Die aktuelle Veranstaltung von "Landtag im Dialog" in Naumburg dürfte mit Erscheinen des aktuellen ZwischenRufs gerade vergangen sein, während sich die nächste in Halle (Saale) im November bereits ankündigt. Auch der letzten dieser Art haben wir einen Besuch abgestattet, als Bürger/innen und Abgeordnete gemeinsam in Magdeburg über das weite Themenspektrum "Europa" diskutiert haben.

Europa ist indes ein gutes Stichwort für die Ausschüsse des Landtags: Sie begeben sich dann und wann auf einen Vor-Ort-Austausch mit europäischen Parlamentskollegen. So hat sich beispielsweise der Umweltausschuss des Landtags in den Niederlanden über aktuelle Entwicklungen im Hochwasserschutz informiert. Derzeit zwar kein Thema - in Magdeburg hatte die Elbe zuletzt einen Pegelstand von 45 Zentimetern -, aber wir wissen ja aus eigener Erfahrung, wie schnell und in welchen Massen das Wasser zurückkommen kann.

Universeller als europäisch schafft es in diesem Heft eigentlich nur das Regionalfenster zu sein: Unsere Außenkorrespondentin und Sachsen-Anhalt-Reisende Gudrun Oelze hat sich nämlich nach Ströbeck begeben. Und was könnte kulturell universeller sein als Schach? Die ganze Gemeinde geht in diesem Spiel/Sport/Spaß auf und darf ganz verdient den Titel Schachdorf tragen.

In gleich drei Weisen beweisen wir, dass ein Blick zurück auch oft zugleich ein Blick nach vorn sein kann: Mit den Literaturtipps schauen wir auf zurückliegende Neuerscheinungen, die auf ihre Leserinnen und Leser warten. Die Revolution von 1848/49 (170. Jubiläum) ist Thema einer historischen Retrospektive; so viel vorab: die Rufe nach Demokratie, Liberalität und Einheit sind bis heute erhalten geblieben. Zuletzt noch lassen wir die erste Hälfte der 7. Wahlperiode des Landtags Revue passieren. Es äußern sich die Landtagspräsidentin und die Fraktionsvorsitzenden. Viel Spaß beim Schmökern!

Ihre ZwischenRuf - Redaktion

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AUS DEM PLENUM

Finanzminister setzt auf "schwarze Null"

Erneuter Haushaltsrekord für Sachsen-Anhalt: 11,5 Milliarden Euro sind als Einnahmen und Ausgaben für das Jahr 2019 vorgesehen. Im September-Plenum brachte die Landesregierung den Entwurf ein; er wird nun in den Ausschüssen beraten.


Das Haushaltsvolumen für 2019 umfasst 11,5 Milliarden Euro, das seien 662 Millionen Euro mehr als 2017, konstatierte Finanzminister André Schröder (CDU) bei der Einbringung des Haushaltsplans 2019. "Die Landesregierung legt sehr viel Geld auf den Tisch, um unser Land voranzubringen." Dies erfolge im bekannten Dreiklang von "Stabilität, Investitionen und Nachhaltigkeit", dabei werde rund ein Drittel für Personalaufgaben ausgegeben, ein zweites Drittel gehe an die Kommunen.

Die Ausgabenplanung spiegle die Ziele der Landesregierung wider, so wolle man zuallererst "mehr Sicherheit" und müsse in der Lage sein, das Gewaltmonopol auszuüben, sagte Schröder. Ein weiterer Schwerpunkt sei die Gewährleistung der Unterrichtsversorgung durch die Einstellung von mehr Lehrern. Mit dem Haushalt werde zudem "die kommunalfreundliche Politik der Landesregierung fortgesetzt". Beispielsweise sei die erhöhte Finanzausgleichsmasse (FAG) für die nächsten Jahre festgeschrieben worden. Auch außerhalb des FAG seien die Ausgaben für die Kommunen deutlich angestiegen.

Der Haushaltsplan sehe daneben ein enormes Investitionsvolumen vor, betonte Finanzminister André Schröder. Dazu gehörten beispielsweise Baumaßnahmen, regionale Wirtschaftsförderung und EU-Projekte - auf diese Weise seien mehr als 1,77 Milliarden Euro des Haushalts für Investitionen geplant, das seien 44 Prozent mehr als noch 2017. Bei der Schuldentilgung will der Finanzminister den bekannten Weg fortsetzen und an der jährlichen Tilgungsrate von 100 Millionen Euro festhalten und auf neue Schulden verzichten. Positiv sei auch hervorzuheben, dass die Steuerdeckungsquote 2019 weiter wachsen werde. Dies bedeute, "dass wir immer mehr Geld, das wir ausgeben, auch selbst im Land erwirtschaften".

Robert Farle (AfD) kritisierte, dass bereits eine kurze Durchsicht des Haushaltsplans zeige, dass die Landesregierung erneut falsche Prioritäten setze. Daher werde sich die Lage Sachsen-Anhalts auch weiterhin nicht verbessern. Mit dem sogenannten "Gestaltungshaushalt" würden lediglich Stagnation und Mangelverwaltung fortgeschrieben. Farle kritisierte, dass die Investitionsquote im Vergleich zum Vorjahr leicht sinken werde. "Auch beim Schuldenabbau wird von der Kenia-Koalition nicht geklotzt, sondern gekleckert." So liege die Pro-Kopf-Verschuldung in Sachsen-Anhalt bei 9.200 Euro, nur im Saarland sei sie noch höher.

Außerdem beanstandete Farle die aus seiner Sicht zu hohen Ausgaben für die Asyl- und Flüchtlingspolitik. Der AfD-Abgeordnete errechnete aus den Zahlen im Haushaltsplan rund 280 Millionen Euro "zur Alimentierung von zum großen Teil Abschiebungspflichtigen". "Wir fordern, dass endlich Schluss sein muss, mit dieser inländerfeindlichen Politik." Dies sei mittlerweile "Rassismus gegen die eigene Bevölkerung", erklärte Farle und forderte, die Gelder stattdessen für die eigene Bevölkerung auszugeben. Außerdem sollten die im Haushalt geplanten "Maßnahmen gegen Rechtsextremismus" gekürzt und die Fördermittel für den Verein "Miteinander" ausgesetzt werden.

Die großen Linien des Haushalts seien durch die Koalition klar gezogen worden, erklärte Dr. Andreas Schmidt (SPD). Darunter fielen die 700 Polizeianwärter, die in 2019 neu eingestellt würden, sowie der vorfristige Anstieg der sogenannten Vollzeitäquivalente bei der Lehrerschaft auf 14.500. Darüber hinaus gehe es im Breitbandausbau voran, das neue Kinderförderungsgesetz sei auf dem Weg und werde zu Entlastungen für Eltern und Kommunen führen. Sachsen-Anhalt erwirtschafte 50 Prozent seines Bruttosozialprodukts durch den Export ins Ausland, erklärte Schmidt in Richtung AfD: "Wer da als Politiker sagt, offene Grenzen und Sozialstaat vertrügen einander nicht, der macht eine extrem dumme Aussage!"

Die SPD-Abgeordneten wollen bei den Haushaltsberatungen bei drei Schwerpunkten besonders hinschauen: In einigen Bereichen soll sich verstärkt für die Zahlung von Tariflöhnen mit entsprechenden Steigerungen eingesetzt werden. Zudem sollen die Investitionszuschüsse an die Kommunen erhöht werden, ebenso die Landesmittel für die Erfüllung der kommunalen Aufgaben und das Blindengeld. Das Azubiticket soll 2019 endlich Realität werden. Die Investitionen in die eigene Infrastruktur könnten sich laut Schmidt zwar sehen lassen, aber viel zu oft würden Fördermittel nicht abgefordert. Nicht abfließende Mittel im Baubereich sollen nach Möglichkeit zukünftig umgeschichtet und anderweitig genutzt werden.

Die Sicherung der staatlichen Aufgaben sei in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten nicht gelungen, kritisierte Thomas Lippmann (DIE LINKE). Auch 2019 bleibe der (zweite) Haushalt der derzeitigen Landesregierung hinter den Erforderlichkeiten des Landes zurück, er sei ein Zwergenhaushalt und kein Rekordhaushalt. Dabei habe sich gezeigt, dass sich die düsteren wirtschaftlichen Prognosen immer wieder als falsch erwiesen hätten. Dennoch: "In diesem Haushalt stecken einige ungedeckte Schecks", vermutete Lippmann. Vor allem die finanzielle Ausstattung der Kommunen müsse deutlich verbessert werden. Gleiches gelte für die Krankenhäuser, die Hochschulen, das Kinderförderungsgesetz und Weiteres mehr.

Es herrsche eine unfassbar ungerechte und ökonomisch unsinnige Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums. Es sei mehr als genug Geld vorhanden - auch für Sachsen-Anhalt, so Lippmann. Den hohen Staatsschulden stünden aktuell noch viel höhere Kapital- und Anlagevermögen gegenüber. Wollte man diese Schulden wirksam abbauen, gäbe es die Instrumente Vermögenssteuer, Finanztransaktionssteuer, Erbschaftssteuer und Spitzensteuersatz. Es gelte, in die Zukunft mit einer modernen Infrastruktur zu investieren und nicht Geld zurückzahlen zu wollen, das gerade gar keiner zurückwolle, sagte Lippmann.

"Finanziell ist die Ausgangslage in Sachsen-Anhalt so gut wie nie", konstatierte Olaf Meister (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Mit dem letzten Doppelhaushalt sei ein Paradigmenwechsel eingeleitet worden, die drastischen Kürzungen bei den Kommunen, der Polizei und den Schulen seien beendet worden. "Wir benötigen noch immer mehr Lehrkräfte und pädagogische Mitarbeiter im Land, aber die Versorgung mit Lehrern ist nun kein finanzielles Problem mehr."

Der Haushaltsentwurf für 2019 sei ein Spiegel der politischen Realitäten der Kenia-Koalition, er stehe für die Gestaltung eines zukunftsfesten, demokratischen und lebenswerten Sachsen-Anhalts, so Meister. Schwerpunkt des grünen Anteils am Haushalt sei freilich eine Vielzahl von umwelt- und klimaschützenden Maßnahmen. Eine grüne Handschrift trügen auch Maßnahmen zur Demokratie, zur Bildungsarbeit und zum Radwegebau. Kritisch sieht Meister auf die geplante Veräußerung landeseigener landwirtschaftlich nutzbarer Flächen. Noch mehr Energie müsse in die Digitalisierung gesteckt werden.

Der Finanzminister habe einen Haushaltsentwurf mit Rekordeinnahmen vorgelegt, mit dem jeder eigentlich erstmal zufrieden sein könnte; aber kein Haushalt verlasse den Landtag so, wie er eingebracht worden sei, sagte Daniel Szarata (CDU). Es sei gut, dass man den Haushalt ohne Entnahme aus den Rücklagen gestalte. Hohe Millionenbeträge seien für die Neueinstellung von Lehrern, pädagogischen Mitarbeitern, Polizeibeamten und die Übernahme von Polizeianwärtern vorgesehen. Das Kinderförderungsgesetz, die Opferberatung, die Frauenhäuser und das Umweltsofortprogramm würden ebenfalls mit hohen Mittelzuweisungen bedacht. Als Mittel für den kommunalen Straßenbau seien derzeit knapp 37 Millionen Euro veranschlagt.

Digitalisierung und flächendeckendes Breitband hätten sich bisher als Hemmschuh erwiesen. "Um einen digitalen Flickenteppich zu vermeiden, ist es notwendig, alle Schulen flächendeckend zu versorgen." 36 Millionen Euro flössen in die Theater- und Orchesterförderung, damit beteilige sich das Land an den Tariferhöhungen in diesen Einrichtungen. Ein Personal- und Mittelaufwuchs in der Forstwirtschaft sei dringend notwendig. Da es in den deutschen Anrainerstaaten (Belgien, Tschechische Republik) bereits zu Vorkommnissen gekommen sei, sei es auch angeraten, ausreichend finanzielle Mittel zur Vorsorge gegen die Afrikanische Schweinepest zur Verfügung zu stellen.

Im Anschluss an die Debatte wurde der Haushaltsentwurf 2019 in den Finanzausschuss (federführend) und in die übrigen Fachausschüsse (mitberatend) überwiesen.

Stefanie Böhme/Dr. Stefan Müller

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AUS DEM PLENUM

Angriffe auf die Demokratie

Der Landtag reagierte auf die Ereignisse von Köthen und verurteilte in einer Erklärung jede Form von Gewalt. Demnach sollte der Landtag dem Versuch Rechtsextremer widersprechen, Migrantinnen und Migranten pauschal als Tätergruppe zu diffamieren.


Die Geschehnisse um einen Todesfall in Köthen und die dadurch in Gang gesetzten "Trauermärsche" rückte die Fraktion DIE LINKE in den Fokus eines Antrags. Demnach sollte der Landtag dem Versuch Rechtsextremer widersprechen, Migrantinnen und Migranten pauschal als Tätergruppe zu diffamieren. Die Koalition brachte einen Alternativantrag mit einer "Erklärung des Landtags" ein, durch die der Landtag unter anderem den Versuch verurteilt, "den Tod eines Menschen und die Trauer von Angehörigen sowie Freundinnen und Freunden für rassistische Propaganda zu missbrauchen."

Es herrsche bei der extremen Rechten eine widerliche Lust, aus den Todesfällen in Köthen und Chemnitz politisches Kapital zu schlagen. "Mit Trauer hat das absolut nichts zu tun, es sind rechtsextreme Raumnahmen, um Macht zu demonstrieren", erklärte Henriette Quade (DIE LINKE). Sie warf der AfD vor, sich mit den rechtsextremen Demonstranten gemeinzumachen. Quade forderte die Zivilbevölkerung auf, sich stärker gegen Rechts zu positionieren und sich nicht wegzuducken.

Die beiden Anträge bewiesen einen breiten, parteiübergreifenden Konsenz: Das Bekenntnis zum Rechtsstaat und zur Unabhängigkeit der Justiz, erklärte Dr. Katja Pähle (SPD). Pähle, warf der AfD vor, den staatlichen Behörden gezielt Rechtsbeugung, Illoyalität und Dienstpflichtverletzung vorzuwerfen - so agierten Verschwörungstheoretiker und Rechtsextremisten.

Oliver Kirchner (AfD) bedankte sich zunächst bei den Teilnehmern in Köthen für das "würdevolle Gedenken". Angriffe auf die Demokratie müssten abgewehrt werden. Doch der eingebrachten Anträge bedürfe es dafür nicht. "Jeder Extremist auf einer Demonstration ist mir einer zu viel", betonte Kirchner. Eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit in der Öffentlichkeit sei aber für niemanden hinzunehmen. Kein Mensch habe es verdient, von völkischen und extremistischen Bewegungen politisch vereinnahmt zu werden, erklärte Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). "Alle friedlichen und gesetzeskonformen Arten, sich gegen den Rechtsruck in der Gesellschaft zu wenden, sind willkommen und werden von den Grünen unterstützt", so Lüddemann. "Die übergroße Mehrheit der Menschen in diesem Land ist tolerant und offen, sie sind nur leider etwas leise."

"Das Innenministerium hatte von der ersten Minute an die Lage in Köthen im Griff und hat ein zweites 'Chemnitz' in unserem Bundesland verhindert", lobte Siegfried Borgwardt (CDU). Wer dazu aufrufe, gegen den Staat und die Demokratie zu agieren, müsse hart bestraft werden.

Er riet dazu, die demokratischen Regeln einzuhalten und den Dialog mit den Menschen aufrechtzuerhalten. Jeder Einzelne sei aber dazu aufgefordert, genau abzuwägen, welchen Kräften er sich bei Demonstrationen anschließe.

Köthen sei durch einen Todesfall und den dadurch ausgelösten rechten und rechtsextremen Protest in die Schlagzeilen geraten, sagte Christina Buchheim (DIE LINKE). Sie stellte in Frage, ob es richtig sei, die Rollläden herunterzulassen und zuhause zu bleiben und dadurch die immer stärker gewaltbereiten Rechten ungehindert durch die Straßen Köthens marschieren zu lassen. Die Demokratie dürfe nicht ausgehöhlt werden, jeder müsse seine Form des legalen Protests finden. Im Anschluss an die Debatte wurde der Antrag der Fraktion DIE LINKE abgelehnt. Anschließend wurde der Alternativantrag mit den Stimmen der Koalition und der Linken angenommen, die AfD enthielt sich.

Dr. Stefan Müller

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AUS DEM PLENUM

Fußfessel kommt probeweise

Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung beschlossen. Ein Aspekt darin: Terroristische Gefährder können zukünftig per Fußfessel überwacht werden.


Mit dem Gesetz, dessen Entwurf die Landesregierung bereits im März vorlegte, werden im Wesentlichen zwei polizeiliche Instrumente weiterentwickelt: Die sogenannte Meldeauflage wird eine ausdrücklich geregelte polizeiliche Standardmaßnahme. Im Gesetzestext steht dazu: "Die Polizei kann gegenüber einer Person schriftlich anordnen, sich an bestimmten Tagen zu bestimmten Zeiten bei einer bestimmten Polizeidienststelle zu melden (Meldeauflage), wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person eine Straftat begehen wird".

Außerdem kann die Polizei ein Aufenthaltsverbot zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten im Hinblick auf terroristische Straftaten aussprechen. Dieses Verbot kann zukünftig probeweise durch das Landeskriminalamt mit einer elektronischen Fußfessel überwacht werden, sofern es Anzeichen gibt, dass die betroffene Person dem Aufenthaltsverbot zuwiderhandeln wird.

Während der zweiten Beratung im September-Plenum sagte Sebastian Striegel (Grüne), seine Fraktion würde das Projekt probeweise unterstützen. Denn: "Der demokratische Staat muss wehrhaft gegen seine Feinde sein", allerdings dürften dabei die Grenzen des Rechtsstaats nicht angetastet werden. Hagen Kohl (AfD) nannte die Fußfessel eine "Terrorabwehrscheinlösung", es sei realitätsfremd zu glauben, dass man terroristische Gefährder mit einer Fußfessel abhalten könnte, beispielsweise mit einem Auto in eine Menschenmenge zu rasen. Innenminister Holger Stahlknecht und die Abgeordneten Rüdiger Erben (SPD), Henriette Quade (DIE LINKE) und Chris Schulenburg (CDU) verzichteten auf ihr Rederecht.

Stefanie Böhme

INFO
Stellungnahmen zur Fußfessel

Zur Begleitung der Gesetzesinitiative kam es zur Anhörung von mittelbar und unmittelbar vom Gesetz betroffenen Institutionen. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz Sachsen-Anhalt hält die elektronische Aufenthaltsermittlung mittels der sogenannten Fußfessel nicht für erforderlich. Zudem bezweifelt er, ob die Maßnahme geeignet sei, da die betroffene Person trotz Fußfessel weiterhin potenziell gefährdete Orte aufsuchen könnte. Gleichzeitig stelle die Maßnahme einen erheblichen Eingriff in die Lebensumstände der Person dar.

Für sich allein seien die neuen Befugnisse kein probates Mittel, um einer terroristischen Gefahr zu begegnen, argumentiert der Landesbezirk Sachsen-Anhalt der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Insbesondere der Einsatz der elektronischen Fußfessel suggeriere lediglich Sicherheit und könne nicht als Allheilmittel gesehen werden. Die GdP betonte, dass für die Veränderungen auch ein erheblicher Personalaufwand nötig sei sowie die technischen Voraussetzungen geschaffen werden müssten.

Der Landesverband Sachsen-Anhalt e.V. der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) bezweifelt ebenfalls, dass die Fußfessel geeignet sein kann, sicher zu erkennen, ob jemand Vorbereitungen für eine terroristische Straftat trifft und diesen dann davon abzuhalten. Zur Überwachung von Extremisten stelle die Verwendung einer Fußfessel keinen Ersatz für weitere polizeiliche Maßnahmen dar, wie beispielsweise die "Live-Beobachtung". Daher schlägt die DPolG vor, dass für den Haushalt 2020 weitere Personalstellen bei der Polizei eingeplant werden.

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AUS DEM PLENUM

Identitätsanker mit besserer Förderung

Die Theater und Orchester prägen die kulturelle Identität des Landes Sachsen-Anhalt maßgeblich. Deren Zukunftsfähigkeit sollte mithilfe einer Großen Anfrage geklärt werden. Die Ergebnisse wurden im September-Plenum diskutiert.


In den letzten Jahren wurden die Landesmittel für die Theater und Orchester erheblich gekürzt, was zu teils deutlichen strukturellen Veränderungen geführt hat. Vor diesem Hintergrund hatte die Fraktion DIE LINKE eine Große Anfrage an die Landesregierung gestellt, die sich mit der Zukunftsfähigkeit der Orchester- und Theaterlandschaft in Sachsen-Anhalt nach 2019 beschäftigte. Die Antworten der Landesregierung auf die 168 Fragen lagen nun vor und wurden im September-Plenum diskutiert.

Festzuhalten ist eine beachtliche Entwicklung der Theater und Orchester in Sachsen-Anhalt seit 1990 - trotz der wiederkehrenden massiven Einschnitte in die Theater- und Orchesterstruktur über die Jahre hinweg, die die Schließung ganzer Spielstätten sowie Spartenabbau und Fusionen nach sich zogen.

Die Antwort zur Großen Anfrage gebe Aufschluss über die aktuelle Situation und Leistungsfähigkeit in den Theatern des Landes, sie enthalte für Stefan Gebhardt (DIE LINKE) zwei zentrale Sätze: Die Landesregierung lobte darin die große künstlerisch-kulturelle Bedeutung der Theater für das Land. Es sollen, so die Landesregierung, keine weiteren strukturellen Einschnitte zugelassen werden, sondern Planungs- und Finanzierungssicherheit gegeben werden, um den gesetzten kulturellen Auftrag erfüllen zu können. "Wenn Sie das ernst meinen, haben Sie uns als Fraktion uneingeschränkt an Ihrer Seite", erklärte Gebhardt in Richtung Landesregierung. Gebhardt erinnerte in diesem Zusammenhang noch einmal an die haushaltsbedingten Mittelkürzungen für die Theater im Jahr 2014. Die Defizite in der Grundfinanzierung seien hier bis heute nicht korrigiert worden.

Laut Antwort der Landesregierung seien die Publikumszahlen konstant geblieben oder gar gestiegen. "Sachsen-Anhalt hat eine vielfältige und erfolgreiche Theaterlandschaft, inklusive freie Theater", lobte Gebhardt. Damit es dabei bleibe, müsse das Land noch mehr tun als in der letzten Förderperiode. Gebhardt vermisste im Haushaltsentwurf für 2019 beispielsweise noch die Weiterfinanzierung des theaterpädagogischen Programms, das von 2015 bis 2018 als Modellprojekt durchgeführt worden sei. Hier sollte sich der Landtag als verlässlicher Partner erweisen.

"Wir schätzen die Theater und Orchester sehr, sie sind Identitätsanker für unser Land", betonte Staats- und Kulturminister Rainer Robra (CDU). Die Landesregierung habe mit der Antwort zur Großen Anfrage Datenmaterial in unerschöpflicher Vielfalt vorgelegt. Das Land, die Kommunen und die Theater selbst müssten und würden ihren Beitrag für einen Erfolg der Einrichtungen leisten.

Die Basisfinanzierung für das Theater in Eisleben sei von Kulturwerk auf Theater umgestellt worden. Auch in Halle (Saale) und Dessau-Roßlau habe es positive Anpassungen bei der Finanzierung gegeben beziehungsweise seien vorgesehen. Die Theater müssten aber mit attraktiven Inszenierungen ihren Beitrag dazu leisten, mit dem eingespielten Ticketpreis ihren Eigenanteil an der Gesamtfinanzierung zu leisten. Die durchschnittlichen Besucherzahlen (insbesondere in Halle) seien hier und da einfach zu gering, wodurch selbst zu wenig Geld erwirtschaftet werde, so Robra.

Es sei eine unschätzbare Leistung, die in den Theatern und Orchestern des Landes erbracht werde, erklärte Prof. Dr. Angela Kolb-Janssen (SPD). Deren Erfolg lasse sich auch in der Besucherzahl messen: Mehr als eine Million Menschen würden jedes Jahr begrüßt. Rund 40 Millionen Euro seien für die Theater und Orchester im nächsten Haushalt vorgesehen, das seien acht Millionen Euro mehr als in der letzten Förderperiode.

Die Kürzungen von 2014 hätten zu strukturellen Änderungen geführt, rekapitulierte Kolb-Janssen. "Die waren ein Fehler: Sie haben nicht zu effizienteren Strukturen geführt, stattdessen sind die Arbeitsbedingungen für die Künstler und Beschäftigten in und hinter den Kulissen schlechter geworden." Dieser Fehler solle behoben werden. In Sachen Theaterpädagogik, die im Haushalt 2019 noch nicht zu finden sei, soll die zum Modellprojekt gehörige Evaluation abgewartet werden. Bei einer eventuellen Weiterförderung des Projekts solle jedoch stärker auf das Potenzial der freien Theater im Land zurückgegriffen werden.

Die Antwort zur Großen Anfrage bedeuteten "311 Seiten Beschäftigungstherapie", meinte Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD), sie trage nicht zur Überwindung der Bühnen-Krise bei. Aus der Großen Anfrage spreche ein "beschränkter Horizont und eine klaffende geistige Leere" der Fraktion DIE LINKE, zeigte sich Tillschneider überzeugt. Er erkenne in den Angeboten der Einrichtungen nur "Abseitiges und Bedeutungsloses". Tillschneider bemängelte, dass lediglich 8,33 Prozent der Stücke kanonische deutsche Stücke (Goethe, Schiller, Kleist) seien. Die Häuser lieferten vornehmlich "Theater für internationale Vagabunden, aber kein Theater für das deutsche Volk". Damit würde der Verfall der Theaterkultur noch beschleunigt. Das Theater von heute sei von Dekonstruktion, Nihilismus und Selbstverachtung gekennzeichnet. Tillschneider forderte deshalb eine "kulturpolitische Wende um 180 Grad".

"Wir befinden uns in einer Zeit, in der man sich mehr denn je für Offenheit und ein Miteinander einsetzen muss", erklärte Wolfgang Aldag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sein Verständnis von Kunst und Kultur im Land. Für die Grünen sei es wichtig, eine lebendige und vielfältige Theater- und Orchesterlandschaft vorzuhalten. Das bundesweit einzigartige Modellprojekt "Theaterpädagogik" sei als Erfolg zu bewerten. Im Haushalt 2019 sei es aber nicht mehr berücksichtigt - "das halte ich für einen Fehler", kritisierte Aldag. Die Kürzungen am Budget der Einrichtungen würden damals wie heute für falsch befunden. Aber: "Fehler einzugestehen und sie zu korrigieren, ist derzeit hip - hier bietet sich eine neue Gelegenheit dazu."

"Theater und Orchester sind entscheidende Träger der deutschen Hochkultur", nirgends sei deren Dichte so hoch wie in Deutschland, betonte Andreas Schumann (CDU). Die Entwicklung der Theater und Orchester seien über die Jahrhunderte hinweg im europäischen Kontext zu sehen, die thematische Orientierung zolle dem Tribut, erklärte Schumann in Richtung des Abgeordneten Tillschneider. Die Finanzierung der Theater werde weiterhin verlässlich weitergeführt, die Häuser würden allerdings angehalten, ihre Einnahmen zu erhöhen, beispielsweise indem sie ihre Preisstruktur verändern. "In Eisleben und Schönebeck klemmt die Säge der Finanzierung noch, aber nach einer Lösung wird bereits gesucht", so Schumann. "Die Theater sind ein Ort der Bildung, des Kunstgenusses und ein gesellschaftlicher Spiegel." Insgesamt würden die Theater gut angenommen, dies mache sich in den Besucherzahlen, bei den Puppentheatern besonders, deutlich. Marketing, Öffentlichkeitsarbeit und Theaterpädagogik spielten eine wichtige Rolle bei der Gestaltung des Programms und der Wahrnehmung der Einrichtungen.

Beschlüsse wurden am Ende der Aussprache zur Großen Anfrage nicht gefasst.

Dr. Stefan Müller

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AUS DEM PLENUM

Anerkennung von Ärzten

Derzeit arbeiten etwa 1200 ausländische Ärzte in Sachsen-Anhalt, Tendenz steigend. Über das Anerkennungsverfahren für deren unterschiedliche Abschlüsse diskutierten die Abgeordneten im September-Plenum.


Zur Gewährleistung der Qualität der ärztlichen Versorgung nach deutschen Standards wollte die AfD-Fraktion die Landesregierung auffordern, Maßnahmen zur Feststellung der fachlichen Eignung ausländischer Ärzte aus Nicht-EU-Ländern zu ergreifen, die hierzulande arbeiten möchten. Sie schlug vor, eine dem medizinischen Staatsexamen vergleichbare Prüfung einzuführen. Die Fraktion die DIE LINKE und die Koalitionsfraktionen legten jeweils einen Alternativantrag vor.

Die Ministerin für Arbeit, Soziales und Integration, Petra Grimm-Benne (SPD), erklärte, auch die sachsen-anhaltische Ärztekammer habe sich für eine Prüfung ähnlich des deutschen Staatsexamens ausgesprochen. Grimm-Benne unterstütze daher den Alternativantrag der Koalitionsfraktionen. Dieser sieht vor, zukünftig eine generelle und nicht nur eine punktuelle Kenntnisprüfung in einem bundesweit einheitlichen Verfahren einzuführen. Dafür müsste jedoch die Bundesärzteordnung geändert werden.

Das derzeitig existierende Verfahren habe sich bewährt, sagte Dagmar Zoschke (DIE LINKE). Gleichzeitig sei es sicher sinnvoll, die Maßstäbe dieser Eignungsüberprüfung ständig fortzuschreiben. Für eine langfristigste Lösung des Ärztemangels müssten mehr Ärzte in Sachsen-Anhalt ausgebildet werden, heißt es im Alternativantrag ihrer Fraktion.

Tobias Krull (CDU) betonte, Sachsen-Anhalt sei auf die ausländischen Ärzte angewiesen. Es sei allerdings auch eine Selbstverständlichkeit, dass jede Person, die in Deutschland als Arzt arbeiten möchte, den fachlich hohen Qualitätsansprüchen genügen müsse. Darüber hinaus unterstützte er die Aussagen der Gesundheitsministerin.

Bei der Anerkennung der Abschlüsse wurde bereits nachgesteuert, erläuterte Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). So müssten ausländische Ärzte bereits jetzt die zweithöchste Sprachkompetenz (C1) erfüllen. In Anlehnung an den Marburger Bund erklärte sie, es sei nicht verhältnismäßig, die Qualifikation ausländischer Ärzte grundsätzlich in Frage zu stellen. Die meisten ausländischen Ärzte kämen derzeit aus der Europäischen Union, ergänzte Dr. Verena Späthe (SPD), die wenigsten aus Nicht-EU-Ländern. Der Antrag der AfD unterstelle allen ausländischen Medizinern fehlende Fachkenntnisse, das sei nicht der Fall.

Dagegen betonte Ulrich Siegmund (AfD) nicht jeder medizinische Abschluss aus einem Drittstaat könne zweifelsfrei anerkennt werden. Natürlich wisse die AfD-Fraktion, dass ein Abschluss aus den USA nicht mit einem Abschluss aus dem Irak vergleichbar sei. Aber selbst die Ärztekammer habe festgestellt, dass es einen "Anerkennungstourismus" gebe, daher dürfe es auch keine pauschale Anerkennung geben und die fachliche Prüfung müsse weit über die derzeit existierende 60-minütige Kenntnisprüfung hinausgehen, forderte Siegmund abschließend. Am Ende der Debatte wurde der Alternativantrag der Fraktionen von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen.

Stefanie Böhme

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AUS DEM PLENUM

Vier neue Gesetzentwürfe

Der Landtag hat sich im September neben dem Haushaltsgesetz noch mit vier weiteren Gesetzentwürfen beschäftigt: zu dienstrechtlichen Vorschriften, zur Kinderbetreuung, zum Informationszugang und zu den Krankenhäusern im Land.


Die Landesregierung legte den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vor. Damit soll dem bereits sichtbaren Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst - unter anderem durch neue Regelungen im Landesbesoldungsgesetz - entgegengewirkt werden. Mit einer Änderung des Landesbesoldungsgesetzes sollen finanzielle Anreize geschaffen werden, damit Mitarbeiter später in den Ruhestand gehen und ausreichend Personal für bestimmte Mangelbereiche gefunden werden kann. Der Gesetzentwurf (Drucksache 7/3373 - alle Drucksachen können auf der Internetseite des Landtags durch Eingabe der genannten Nummer eingesehen werden) wurde im Anschluss an die Debatte in den Ausschuss für Finanzen überwiesen.

Ein weiterer Gesetzentwurf der Landesregierung zielt auf die Verbesserung der Kinderförderung in Sachsen-Anhalt ab. Eltern sollen entlastet, Gemeinden und Verbandsgemeinden sowie pädagogische Fachkräfte unterstützt werden. Daher setzt die Novellierung des Kinderförderungsgesetzes unter anderem auf ein neues, transparenteres Finanzierungssystem und auf bessere Bedingungen für das pädagogische Personal der Kindertageseinrichtungen. Der Gesetzentwurf (Drucksache 7/3381) wurde nach der Debatte in den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration (federführend) sowie in die Ausschüsse für Finanzen und für Inneres und Sport (mitberatend) überwiesen.

Der Landtag hatte vor mehr als einem Jahr beschlossen, dass im Landesportal Sachsen-Anhalt ein Informationsregister installiert werden soll. Über diesen zentralen Zugang sollen Bürger nutzerfreundlich und unbürokratisch auf öffentliche Daten zugreifen können. Die Umsetzung des Informationsregisters ist ein direktes Ziel der digitalen Agenda Sachsen-Anhalts. Das Portal soll am 1. Januar 2019 in Betrieb gehen, nun hat die Landesregierung einen Gesetzentwurf vorgelegt. Der Gesetzentwurf (Drucksache 7/3373) wurde nach der Debatte in den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration (federführend) sowie in die Ausschüsse für Finanzen und für Inneres und Sport (mitberatend) überwiesen.

Auf Basis eines Gesetzentwurfs der Landesregierung sollen Änderungen in verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens vorgenommen werden. Zum einen geht es um eine Änderung des Krankenhausgesetzes und des Rettungsdienstgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt. Zum anderen soll auch das Gesetz über die Gutachterstelle für freiwillige Kastrationen und andere Behandlungsmethoden geändert werden.

Im Anschluss an die Erste Beratung wurde der Gesetzentwurf (Drucksache 7/3383) in den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration (federführend) sowie in den Ausschuss für Inneres und Sport (mitberatend) überwiesen.

Dr. Stefan Müller

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AUS DEM PLENUM

Friederike und die Folgen

Der Orkan Friederike hat im Januar erheblichen Schaden in den Wäldern Sachsen-Anhalts angerichtet. Durch einen Antrag wird die Landesregierung nun aufgefordert, bei der Behebung der Schäden Unterstützung zu leisten.


Besonders in den Regionen Harz und Anhalt erreichten die Orkanböen von "Friederike" (18. Januar 2018) erhebliche Stärken. Neben den Schäden im urbanen und öffentlichen Raum sind in den Wäldern des Landes schwere Schäden zu verzeichnen. Für den Gesamtwald werden nach einer ersten Einschätzung circa 2,5 Millionen Festmeter veranschlagt. Die Schäden im Wald konzentrieren sich im Wesentlichen auf Einzelwürfe und Einzelbrüche. Damit kann von einem Gesamt-Schadholzanfall im Land Sachsen-Anhalt ausgegangen werden, der in der Größenordnung eines Gesamtjahreseinschlags des Landes liegt.

Deshalb sollte die Landesregierung im Mai 2018 per Antrag der Fraktion DIE LINKE aufgefordert werden, eine zügige und sorgfältige Aufarbeitung der Schäden in den betroffenen Wäldern mit ausreichend personeller, finanzieller und materieller Ausstattung vorzunehmen. Die Koalitionsfraktionen hatten einen Alternativantrag eingebracht.

Nach eingehender Beratung hatte der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten dem Landtag eine einstimmig verabschiedete Beschlussempfehlung vorgelegt, die auch im Plenum eine Mehrheit gefunden hat.

Durch diese wird nun die Landesregierung gebeten, die Waldbesitzer aller Eigentumsarten bei der Bewältigung der Sturmschäden finanziell zu unterstützen. Bei der Ermittlung des Personalbedarfs für die Forstverwaltung soll künftig die Zunahme von Schäden durch Extremwetterereignisse angemessen berücksichtigt werden.

Die Forstwirtschaft soll bei der Handhabung der Herausforderungen durch den Klimawandel, die Zunahme von Schäden durch Extremwetterereignisse sowie von Schädlingen vorausschauend unterstützt werden. Gegebenenfalls sollen umgehend Maßnahmen zur Schädlingsbekämpfung ergriffen werden. Außerdem müsse der Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln in Schutzgebieten geprüft werden.

Das vorhandene Schädlingsmonitoring in den betroffenen Gebieten sei zu verstärken und zu verdichten. Bekämpfungsmaßnahmen von holzbrütenden Borkenkäfern sollen prioritär sein, das heißt, dort, wo ein Befall durch Borkenkäfer erfolgt ist, soll die Unterstützung bei der integrierten Bekämpfung unmittelbar und ohne bürokratischen Aufwand (von den betroffenen Landkreisen) angefordert und genehmigt werden. Dies betreffe insbesondere Schutzgebiete, in denen eine Behandlung des Holzes mit Pflanzenschutzmitteln eingeschränkt sei.

Die Landesregierung hat zudem die Aufgabe erhalten, zum aktuellen Sachstand im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu berichten. Dabei soll sie insbesondere darlegen, was zur Beseitigung der Schäden bisher getan worden sei und welche Maßnahmen noch geplant seien. Der genannte Ausschuss kommt noch ein weiteres Mal zum Zuge: Die Landesregierung soll hier nämlich noch einmal detailliert erläutern, wie sie die aus den Schadereignissen der letzten Jahre gezogenen Erkenntnisse in die zukünftigen Strategien des Landes einfließen lassen will.

Dr. Stefan Müller

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AUS DEM PLENUM

Digitalisierung zum Wohle des Menschen

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz in Sachsen-Anhalt, Dr. Harald von Bose, hat am Dienstag, 25. September 2018, seinen XIII. und XIV. Tätigkeitsbericht an Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch übergeben.


Die Berichte sind die letzten nach alter Rechtslage. Nach der Entscheidung des Landesgesetzgebers nimmt der Landesbeauftragte die neuen Aufgaben gemäß der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) seit 6. Mai 2018 wahr. Die Folgeberichte werden auf der neuen Rechtsgrundlage der DSGVO zukünftig jährlich erstellt. Der XIII. Tätigkeitsbericht umfasst den Zeitraum vom 1. April 2015 bis 31. März 2017, der XIV. Tätigkeitsbericht den vom 1. April 2017 bis 5. Mai 2018. Der Text für diesen Gesamtzeitraum liegt auch als Landtagsdrucksache 7/3361 vor.

Der genannte Gesamtzeitraum sei in besonderer Weise und in großem Umfang durch die Vorbereitung auf das neue seit Mai 2018 geltende europäische Recht geprägt gewesen, betonte von Bose. Als Landesbeauftragter habe er vielfältig als Berater für die Landesregierung, für Behörden, Unternehmen und Vereine, aber auch für die Menschen als Einzelne im Land an der Einführung mitgewirkt. "Die Herausforderungen des neuen Rechts betrafen sowohl rechtspolitische Fragestellungen als auch rechtspraktische Anwendungsaspekte", so der Datenschützer. Insbesondere bei Themen aus dem Bereich der Wirtschaft werden im Bericht auch Hinweise auf die neue Rechtslage nach DSGVO gegeben.

Schwerpunkte der Beratungstätigkeiten der Behörde des Landesbeauftragten betrafen im Berichtszeitraum - neben den europarechtlichen Auswirkungen - unter anderem Novellen des Landespolizeigesetzes und die Errichtung des gemeinsamen Kompetenz- und Dienstleistungszentrums für polizeiliche Telekommunikationsüberwachung, das Schulgesetz und das Bildungsmanagementsystem, den Gesetzentwurf zum Klinischen Landeskrebsregister sowie Prüfvorgänge im Bereich von Webshops bei Apotheken und der Videoüberwachung in Bäckereien. Neben den Aufgaben als Aufsichtsbehörde nach europäischem Recht begleitete der Landesbeauftragte auch die Entwicklungen und Vorhaben im Bereich der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft, etwa bei der Schulbildung. Die Vermittlung von Medienkompetenz sei hierbei Daueraufgabe und wurde vom Landesbeauftragten erneut angemahnt.

"Menschenwürde und informationelle Selbstbestimmung bleiben zentrale Maßstäbe im digitalen Zeitalter", erklärte der Landesbeauftragte. Datenschutz stelle hier kein Hindernis für die Digitalisierung dar, sondern sei vielmehr wesentliche Voraussetzung für deren Gelingen. "Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern dienendes Mittel zum Wohle des Menschen. Dabei kommt einem Datenschutz durch Technikgestaltung, Datenschutzfolgenabschätzungen und Verschlüsselungskonzepten besondere Bedeutung zu."

Die Landesverwaltung sei noch nicht digital modern aufgestellt, schätzte von Bose ein. Der Landesbeauftragte fordert daher: " Sachsen-Anhalt braucht schnell eine aktuelle E-Government-Strategie." Als Fazit des Berichts stellte der Landesbeauftragte fest: "Eine starke unabhängige Aufsichtsbehörde ist Garant und Impulsgeber für einen wirksamen Datenschutz im Ausgleich unterschiedlicher Interessen bei der Fortentwicklung der digitalen Gesellschaft."

Dr. Stefan Müller

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IM BLICKPUNKT

Heimat über Grenzen hinweg


Europa - mehr als ein bloßer Kontinent, gar die Heimat von mehr als 500 Millionen Menschen? Dieser Fragestellung ging die dritte Auflage des Forums "Landtag im Dialog" am 22. August 2018 nach, diesmal in Magdeburg. Auf Einladung von Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch diskutierten fünf Abgeordnete (siehe unten) mit Schülerinnen und Schülern und anderen Gästen - passend im Magdeburger Hegel-Gymnasium, einer Europaschule. "Das Thema Europa ist in Magdeburg sehr gut aufgehoben", zeigte sich Gabriele Brakebusch überzeugt.

Dass die Europäische Union speziell auch für Sachsen-Anhalt eine wichtige wirtschaftliche Rolle spielt, zeigt sich unter anderem darin, dass 70 Prozent der Exporte aus Sachsen-Anhalt in die Länder der EU fließen. Somit war es wenig verwunderlich, dass Chancengleichheit, wirtschaftliche Gerechtigkeit (Stichworte Griechenlandhilfe, Steuerflucht, deutscher Exportüberschuss), die Aufnahme von Flüchtlingen, ein Einwanderungsgesetz, Klimaschutzziele, EU-Fördermittel, der kulturelle Austausch und das Verbundenheitsgefühl der mannigfaltigen Nationen wesentliche Eckpunkte der abendlichen Diskussion waren.

Das Diskussionsformat "Landtag im Dialog" ging am 17. Oktober 2018 in die vierte Runde. In Naumburg diskutierten die Abgeordneten mit den Gästen über das Thema "Mehr Ärzte aufs Land!", also über die medizinische Versorgung im ländlichen Raum.


"Assimilieren und zuhause fühlen reicht nicht, es muss sich bei den Menschen um denselben Kulturkreis handeln."
TOBIAS RAUSCH | AFD
über seine Vorstellung, was unter Europa und Europäern zu verstehen sei.

"Wenn man in einem Grenzkreis aufgewachsen ist und im eigenen Land Schlagbäume passieren musste, sieht man jede Grenze mit anderen Augen."
RONALD MORMANN | SPD
der sich glücklich über die offenen Grenzen in Europa zeigte.

"Ich verstehe Europa heute als Heimat, doch der Heimatbegriff wird problematisch, wenn er ausgrenzend wirkt."
WULF GALLERT | DIE LINKE
über seine Ansichten zu Heimat und Europa.

"Die große Zusammengehörigkeit habe ich nach den Anschlägen vom 11. September 2001 erlebt, als ich zunächst mit anderen Europäern in den USA festgesessen habe."
DOROTHEA FREDERKING | BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
über ihr intensivstes Europa-Erlebnis.

"Das Europäersein ist für mich schon zur Selbstverständlichkeit geworden."
FLORIAN PHILIPP | CDU
über seinen eigenen Heimatbegriff.


Dr. Stefan Müller

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Halbzeit in der 7. Wahlperiode

Was wurde in zweieinhalb Jahren erreicht und was steht noch auf der Agenda der Abgeordneten?

Im September 2018 ist rechnerisch die Halbzeit in der aktuellen Wahlperiode des Landtags erreicht. Die über 1,8 Millionen Wahlberechtigten in Sachsen-Anhalt wählten am 13. März 2016 zum siebten Mal seit 1990 ihr Landesparlament. Anders als zum Beispiel im Deutschen Bundestag, der für vier Jahre gewählt wird, dauert in Sachsen-Anhalt eine Wahlperiode fünf Jahre. In dieser vertreten insgesamt 87 Abgeordnete die Interessen der rund 2,2 Millionen Einwohner. Die nach Mandaten stärkste Kraft ist die CDU (31), gefolgt von AfD (22), Die LINKE (16), SPD (11) und BÜNDNIS 90/DIE GÜNEN (5). Zwei Abgeordnete haben den Status fraktionsloser Parlamentarier. Die Fraktionen von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GÜNEN haben eine Koalition gebildet und stützen die Regierung um Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff.

In dieser Wahlperiode trafen sich die Abgeordneten bisher zu 56 Landtagssitzungen im Plenum. Viele Gesetzentwürfe, Anträge und Anfragen wurden diskutiert. In der Natur der Sache liegend, fällt die Bilanz nach zweieinhalb Jahren Arbeit sehr unterschiedlich aus. Die ZwischenRuf-Redaktion hat aus diesem Anlass unterschiedliche Blickwinkel und Sichtweisen zusammengetragen.

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IM BLICKPUNKT

Respekt unter politischen Gegnern

Erstmals nach den freien Wahlen im Jahr 1990 steht seit 2016 eine Frau an der Spitze des Landtags von Sachsen-Anhalt. Gabriele Brakebusch blickt im ZwischenRuf-Interview zwei Jahre zurück.


Sie sind die erste Frau in diesem Amt in Sachsen-Anhalt. Wie fühlt es sich an?

Es fühlt sich gut an. Als Landtagsabgeordnete bin ich bereits seit 2002 Mitglied dieses Hauses, also des landesweiten Schauplatzes des demokratischen Geschehens in Sachsen-Anhalt und des einzigen Verfassungsorgans, das auf einer unmittelbaren Legitimation durch unsere Bürgerinnen und Bürger basiert. Die Beschlüsse des Landtags bestimmen wesentlich das Regierungshandeln des Kabinetts und der einzelnen Ministerien. Somit darf der Landtag für sich in Anspruch nehmen, das höchste politische Gremium unseres Landes zu sein. Daher ist mir die durchaus schwierige Rolle als Frau in einem Umfeld, das von einem hohen Maß an Einflussnahme und Meinungshoheit geprägt ist, vertraut. Viele Frauen versuchen, männliche Verhaltensmuster anzunehmen. Das habe ich nie getan. Männer und Frauen sind von Natur aus verschieden. Und das finde ich auch gut. Für mich sind weibliche Eigenschaften zu großen Teilen an der Spitze einer Institution, in der gesprochen, gestritten und gehandelt wird, durchaus von Vorteil.

Was war an diesem Amt tatsächlich neu für Sie?

Wirklich neu für mich sind die ureigenen Aufgaben als Präsidentin des Hohen Hauses. Dabei denke ich an die Leitung der Sitzungen des Landtags, sodass dieses Verfassungsorgan seinen Aufgaben zum Wohle der Menschen in Sachsen-Anhalt nachkommen kann. Dabei denke ich ebenfalls an die Wahrung der Rechte und Beziehungen des Landtags, seiner einzelnen Mitglieder sowie der parlamentarischen Opposition gegenüber der Landesregierung. Mit großem Verantwortungsbewusstsein habe ich ebenso die Führung der 130 Frauen und Männer, die in der Landtagsverwaltung unverzichtbare parlamentsnahe Dienstleistungen erbringen, übernommen.

Was hat der Landtag in den vergangenen zwei Jahren unternommen, um einer sogenannten Politikverdrossenheit entgegenzuwirken?

Für mich ist es immer wichtig, direkt im Gespräch mit den Menschen zu bleiben. Dafür habe ich die Veranstaltungsreihe "Landtag im Dialog" ins Leben gerufen, um aus direkten Diskussionen mit den Menschen unseres Landes Argumente mit in die Landtagsdebatten zu nehmen. Veranstaltungen wie das Forum der Generationen und das Jugendparlament werden mit sehr viel Engagement und Erfolg im Landtag fortgeführt und ausgebaut. Umfangreiche und ausführliche digitale Informationen sind längst selbstverständlich.

Sie verstehen sich als Präsidentin aller Fraktionen. Wie sieht das in Ihrem Alltag genau aus?

Das Neutralitätsgebot, welches das Amt stets mit sich bringt, macht es zu einer Selbstverständlichkeit, Präsidentin aller im Landtag vertretenen Fraktionen und somit aller Abgeordneten zu sein. Ich bin ein Mensch, der grundsätzlich zu Kompromissen bereit ist. Ich bin offen und unvoreingenommen gegenüber anderen. Diese grundsätzliche Bereitschaft fordere ich auch von den Abgeordneten ein.

Wie hat sich die Debattenkultur seit der letzten Landtagswahl 2016 verändert und welche Möglichkeiten haben Sie als Präsidentin, darauf einzuwirken?

Die Debattenkultur ist in den letzten Jahren in der Tat rauer geworden. Das liegt keinesfalls allein an dem Einzug einer neuen Partei in den Landtag. Generell hat sich der Respekt der Menschen untereinander verändert. Er gilt wohl nicht mehr als Tugend. Parlamentsarbeit ist Menschenwerk. Auch deshalb ist die parlamentarische Demokratie unvollkommen. Darüber, aber auch über unsere politischen Grundüberzeugungen und über unsere Vorstellungen davon, was für das Land wichtig ist, dürfen, ja müssen wir leidenschaftlich und klar in Haltung und Sprache miteinander streiten. Wir sollten allerdings den notwendigen politischen Streit so führen, dass auch unser Gegenüber sein Gesicht wahren kann und nicht verlieren muss. Ich sage immer: Respekt ist das unsichtbare Luftpolster zwischen politischen Gegnern. Genau dafür werbe ich in vielen Einzelgesprächen, in kleinen und großen Diskussionsrunden und vor allem, wenn ich die Debatten während der Plenarsitzung leite.

Wie fällt ihre eigene Bilanz als Landtagspräsidentin nach zwei Jahren aus?

Um eine Bilanz zu ziehen, ist es aus meiner Sicht zu früh. Mein Ziel ist es, neben der Pflege einer Debattenkultur von hohem demokratischem Wert, nach wie vor, den Landtag als Schauplatz der Demokratie und oberstes Verfassungsorgan den Menschen präsent zu machen. Dafür reise ich selber bewusst durch unser Land, baue neue Kontakte auf, pflege die alten und führe somit viele Gespräche. Von daher bleibe ich am Ball.


7. WAHLPERIODE - ANSICHTEN ZUR HALBZEIT
CDU - Siegfried Borgwardt

Es ist Halbzeit in der Kenia-Koalition. Als CDU-Fraktion sind wir angetreten, die dynamische Landesentwicklung fortzusetzen. Der Gestaltungswille hat sich im Doppelhaushalt 2017/2018 gezeigt und wird im kommenden Haushalt mit einem Investitionsimpuls fortgeführt. Mit der Meistergründungsprämie und den geplanten Praktikumsgutscheinen setzen wir ein deutliches Zeichen für die heimische Wirtschaft und treten dem Fachkräftemangel entgegen.

Die Innere Sicherheit stärken wir durch die deutliche Aufstockung des Vollzugspersonals und der Einstellung von Polizeianwärtern.

Verlässlichkeit bei den Kinderbetreuungs- und den Schulstrukturen hat bei uns Priorität. Mit dem noch zu verabschiedenden KiFöG entlasten wir Eltern und Kommunen. Durch die Einstellung von beinahe 2000 Lehrern treten wir dem Lehrermangel entschieden entgegen.

Mit dem Funklochfinder machen wir auf die schlechte Versorgung mit Mobilfunknetzen aufmerksam. Ziel ist es, besonders viele der geplanten Funkmasten in unser Land zu holen. Mehr dazu auf www.funklochfinder.de.


SPD - Dr. Katja Pähle

Am Anfang dachte ich oft: Das kann nicht klappen - eine auf elf Mitglieder geschrumpfte SPD-Fraktion; eine nie erprobte Koalition mit CDU und Grünen; eine AfD, für die der Landtag bloß Propagandabühne ist. Heute weiß ich: Ja, manches ist unendlich kompliziert, aber wir bringen zugleich sehr viel zu einem guten Ende.

Unser Rezept? Wir konzentrieren uns auf die wichtigsten Themen; das, wofür die SPD gebraucht wird. Deshalb steht das KiFöG so im Mittelpunkt, das jetzt beraten wird. Die Arbeitsmarktpolitik. Gute Arbeit auch durch neue Regeln bei Investitionen und Vergaben. Und Druck für mehr Lehrer und gute Schulen.

Wir hören uns ungefiltert an, was Menschen denken - vor Ort in unseren offenen Bürgergesprächen.

Und: Wir zeigen Haltung und klare Kante. Wir sagen, wofür wir stehen, auch wenn wir Kompromisse schließen. Und erheben unsere Stimme gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit im Landtag.

Das braucht viel Geduld und Energie, auch in der zweiten Hälfte dieser außergewöhnlichen Wahlperiode.


BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Cornelia Lüddemann

Vor zweieinhalb Jahren sind wir Grünen mit hohen Erwartungen und einem Vertrauensvorschuss in die Kenia-Koalition gegangen. Seitdem arbeiten wir Tag für Tag daran, Sachsen-Anhalt zu stärken. Wir haben schon viel umgesetzt: Das Umweltsofortprogramm mit 139 Projekten für Natur- und Umweltschutz; die kleinsten Zellen des Demokratie-Erlebens, die Kommunen, bekommen mehr Geld und das neue Kita-Gesetz bringt Entlastungen für Eltern und einen Einstieg in eine bessere Qualität. Der Hochwasserschutz ist deutlich gestärkt, der Ökolandbau ausgeweitet und die Meistergründungsprämie eingeführt.

Entscheidender Aspekt unserer Politik ist, klare Kante gegen Nazis zu zeigen - in und außerhalb des Parlaments. Wir stehen für ein weltoffenes Klima in Sachsen-Anhalt. Klar ist auch: Wir können ein zukunftsfestes Sachsen-Anhalt nur schaffen, wenn die Infrastruktur verbessert wird. Wir werden uns weiterhin für mehr Mobilität mit und ohne Auto, für mehr Qualität in allen Bildungseinrichtungen und für mehr Digitalisierung einsetzen.


AfD - Oliver Kirchner

Am 13. März 2016 wählten die Bürger unseres Landes mehrheitlich konservativ. Dieses klare Votum wurde im Zuge der Regierungsbildung leider gänzlich ignoriert. Sodann sah und sieht es die AfD-Fraktion als ihre vornehmste Aufgabe, der schwarz-rot-grünen Landespolitik ein bürgerlich-konservatives Korrektiv entgegenzustellen.

Als zweitgrößte Fraktion und Oppositionsführer hatten wir dazu bereits mehrfach und erfolgreich Gelegenheit. So ermöglichte meine Fraktion u.a. drei parlamentarische Untersuchungsausschüsse und zwei Enquete-Kommissionen. Die dabei zu behandelnden Untersuchungsgegenstände belegen ausdrücklich, dass die AfD keine "Ein-Themen-Fraktion" ist.

Wir haben immer genau jene Fragen im Blick, welche dem Bürger unter den Nägeln brennen. Und ich kann versichern, dass wir unseren klaren parlamentarischen Kurs auch in der zweiten Hälfte der Legislatur nicht verlassen werden. Es gibt noch viel zu tun, denn zu vieles liegt im Argen. Mein Versprechen: Wir bleiben dran!


DIE LINKE - Thomas Lippmann

Für DIE LINKE ist es wichtig, Parlamentsarbeit mit außerparlamentarischem Engagement zu verbinden. Beispielhaft ist die Unterstützung der Volksinitiative für mehr Lehrerinnen und Lehrer, deren Forderungen wir mit zahlreichen Initiativen ins Parlament getragen haben.

Wir sind Teil des "Netzwerks gegen Kinderarmut". Für die Verbesserung der Kinderbetreuung und die vollständige Gebührenbefreiung der Eltern haben wir einen Gesetzentwurf vorgelegt. Ein Thema, das viele bewegt, ist die Zukunft der Gesundheitsversorgung im Land. Auf unsere Initiative wurde eine entsprechende Enquete-Kommission eingesetzt.

Beim Kampf gegen Rechtsextremismus unterstützen wir zivilgesellschaftliche Initiativen mit großem Engagement - im Parlament und auf der Straße.

Auch zur Verbesserung der Einflussmöglichkeiten der Bevölkerung auf die Landespolitik haben wir Gesetzentwürfe eingebracht. Als einzelne Abgeordnete, aber auch mit unserer gesamten Fraktion treten wir regelmäßig mit den Menschen vor Ort in den Dialog.

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REGIONALFENSTER

Ströbeck - Ein ganzes Dorf spielt Schach

Halle, Spergau, Ströbeck - so unterschiedlich in Größe und territorialer Lage diese Orte auch sind - gemeinsam ist ihnen, dass dort Bräuche und Traditionen gepflegt werden, die deutschlandweit von der kulturellen Vielfalt und dem großen immateriellen Erbe Sachsen-Anhalts künden. In Ströbeck bei Halberstadt zum Beispiel wird die Kunst des Schachspielens von Generation zu Generation weitergegeben - und das seit mehr als tausend Jahren schon.


Wer in Ströbeck heiratet, muss nach altem Brauch seine Braut "erspielen" - nämlich zum Schach gegen den Bürgermeister antreten. Setzt der Bräutigam den gegnerischen König matt, gewinnt er seine Braut, verliert er die Partie, hat er ein "Strafgeld" zu zahlen. Diese Tradition des "Ströbecker Hochzeitsrechts" ist bis ins 18. Jahrhundert belegt und immer wieder neu belebt worden. Jens Müller, Ortsbürgermeister des 1150-Seelen-Dorfs, erinnert sich noch gut an eine Partie im Jahr des 1000. Schachjubiläums in Ströbeck. Damals verfolgten Hochzeitsgäste auf dem Hof des Schachmuseums unter freiem Himmel das königliche Spiel zwischen dem künftigen Ehemann und dem Bürgermeister. Dieser lädt auch andere schachbegeisterte Heiratslustige zur Hochzeit nach Ströbeck ein, wo es im Schachmuseum ein separates Trauzimmer gibt. Dass man im heutigen Ortsteil von Halberstadt, der schon am Ortseingangsschild als "Schachdorf Ströbeck" zum Rundgang einlädt, stolz ist auf ein Jahrtausend alte Schach-Traditionen, verhehlen die Bewohner nicht. So fallen an vielen Hausfassaden Schachmotive auf, tragen sowohl das Dorf selbst wie auch Vereine und Firmen ein Schachbrett im Wappen, steht in einem Vorgarten die Miniaturausgabe jenes Turms, von dem die Ströbecker Schach-Manie ausging, und wird an einer Giebelwand das Spiel eines vornehmen Herrn mit einem Bauern dargestellt. Diese Partie soll es der Legende nach tatsächlich gegeben haben, als der Bischof von Halberstadt im Jahre 1011 im Ströbecker Wehrturm den Markgrafen Guncelin gefangen hielt. Dieser lehrte seine ortsansässigen Bewacher das Schachspiel. Seither grassiert in Ströbeck die Schach-Manie. Die Geschichte und Geschichtchen um das hiesige Schach-Fieber erzählten die Ströbecker 2006, als sie Gastgeber für die Kulturdörfer Europas waren, mit dem eigens für sie entstandenen Musical "Ströpker Zeitsprünge" und fünf Jahre später, anlässlich des tausendjährigen Schachjubiläums ihres Dorfes, erneut in "Guncelin 2011 - So könnte es gewesen sein", berichtet Kathrin Baltzer.

Als Leiterin des einzigen öffentlichen Schachmuseums in Deutschland kennt sie die Regeln des königlichen Spiels aus dem ff, doch mangele es ihr an der Strategie, gesteht sie. Dafür weiß sie unheimlich viel über die Schach-Geschichte, von der sie Besuchern des Regionalmuseums im ehemaligen Ströbecker Rathaus am "Platz am Schachspiel" gern berichtet.

Der Ort selbst wurde 995 erstmals urkundlich erwähnt. Über die Jahrhunderte hinweg war die Landwirtschaft auf den fruchtbaren Böden des Harzvorlandes der Haupterwerbszweig der Ströbecker. Überregional bekannt aber wurden sie durch ihr "Schach-Fieber". Es gibt mehrere Legenden darüber, wie es im Dorf ausgebrochen sein soll, doch keine kann eindeutig belegt werden, weiß Kathrin Baltzer nach umfangreicher Quellensuche. Sicher ist indes, dass im Dorf seit Jahrhunderten Schach gespielt wird, erstmals schriftlich dokumentiert im Jahre 1515. Als Herzog August d. J. von Braunschweig-Lüneburg 1616 Ströbeck besuchte, staunte er jedoch über die dort herrschenden Regeln, denen er in dem von ihm verfassten ersten deutschsprachigen Schachbuch ein eigenes Kapitel widmete. Darin beschrieb er unter anderem das Ströbecker Courierspiel auf Brettern mit jeweils 96 statt der üblichen 64 Felder und mit acht Steinen mehr als gewöhnlich, darunter der Courier und ein Narr der Königin, welcher "Schleich" heißt. Mit seinem Buch machte er Ströbeck und seine Einwohner, "die seit undenklichen Zeiten den Ruf geschickter Schachspieler behaupten", berühmt. Daraufhin besuchten Anhänger des Spiels, das lange nur dem Adel und dem Klerus vorbehalten war, da nur die oberen Gesellschaftsschichten über genug Freizeit, Muße und Geld für das teure und wertvolle Zubehör verfügten, das kleine Dorf, in dem selbst einfache Bauern und ihre Kinder das Luxusspiel beherrschten.

Der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der zu seiner Zeit als ein Meister des Schachspiels galt, brachte 1651 den Ströbeckern als Geschenk ein kunstvoll gearbeitetes Schachbrett mit wertvollen Intarsien und Inschrift auf der Vorderseite und Courierfeldern auf der Rückseite sowie einen Satz silberner und einen geschnitzter hölzerner Figuren mit. "Die gingen aber leider verloren", bedauert Kathrin Baltzer. Doch das Brett des Kurfürsten kann nach wie vor im Schachmuseum bewundert werden. Auf dessen Inventarliste stehen neben zahlreichen geschichtsträchtigen und auch neuzeitlichen Brettern an die 450 Spielsätze aus vieler Herren Länder mit Figuren verschiedenster Formen und Materialien.

Doch kein Spiel ist so spektakulär und publikumswirksam wie das mit menschlichen Figuren. Lebendige Schachpartien soll es in Ströbeck schon zum Ausgang des 17. Jahrhunderts gegeben haben. Historisch sicher belegt ist dies aber erst seit 1908, als anlässlich eines Schachkongresses der Saal im Gasthaus "Zum Schachspiel" Parkett mit einem eingelegten Schachbrett bekam und darauf Ströbecker in Kostümen des Halberstädter Theaters spielten, berichtet Museumsleiterin Baltzer. Seit 1982 kann Lebendschach auch auf einem gepflasterten Schachbrett auf Ströbecks Schachplatz gespielt werden. Im Laufe der Zeit änderten sich die Kostüme der menschlichen Schachfiguren - von regionalen Volkstrachten über üppige Barockroben bis zu schlichter schwarzweißer Garderobe. Seit 2006 tritt das Lebendschachensemble in Kostümen auf, die die typische Kleidung der Dorfbewohner um 1850 widerspiegeln.

Waren es vor einigen Jahren noch ausschließlich Schülerinnen und Schüler, die Bauern, Läufer, Springer, Turm sowie König und Königin darstellten, komplettieren inzwischen wieder Erwachsene das Lebendschachensemble. Doch nicht etwa, weil diese die Regeln besser kennen als Jüngere - denn Schach spielen kann in Ströbeck jedes Kind.

Seit beinahe hundert Jahren nämlich ist das Brettspiel ein Prüfungsfach an der dortigen Schule. Von Anfang an - also seit 1823 - wetteifern Schüler alljährlich um ein spezielles Ströbecker Schachbrett und Figuren, wovon häufig Schachsymbole mit Jahreszahlen an Häusern der Gewinner künden. Inzwischen gibt es nur noch eine Grundschule in Ströbeck, doch Schach ist weiterhin Pflichtfach für die Zweit- bis Viertklässler.

Beim traditionellen "Familienschach" jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit treten Kinder und Jugendliche im Schulhaus gegen ein Familienmitglied an und zeigen ihr Können. 2018 findet es am 24. November in der Aula der Grundschule statt, die den Namen des bislang einzigen deutschen Schachweltmeisters Dr. Emanuel Lasker trägt und von der Deutschen Schachjugend als "Deutsche Schachschule" geehrt wurde.

Die in Ströbeck nach wie vor gelebten Schachtraditionen des Ortes, in dem 1883 der "Ströbecker Schachverein" und drei Jahre später der erste Frauenschachverein Deutschlands gegründet wurde, wo seit etwa jener Zeit auch nach internationalen Regeln gespielt wird, wo seit 1960 alljährlich das internationale Mai-Schachturnier mit rund 200 Teilnehmern stattfindet, wo das Lebendschachensemble mit einstudierten und freien Partien, Schachtänzen und Rezitationen von dieser besonderen, bis ins Mittelalter zurückreichenden Geschichte des Dorfes kündet und wo wieder nach überliefertem Hochzeitsrecht geheiratet werden kann, sind von der deutschen UNESCO-Kommission als Immaterielles Kulturerbe anerkannt worden.

Dieses bundesweite Verzeichnis mit bisher 79 Einträgen zeigt exemplarisch, welche lebendigen kulturellen Traditionen und Ausdrucksformen in Deutschland praktiziert und weitergegeben werden. Aus Sachsen-Anhalt wurden außer dem Schachdorf Ströbeck bisher das Finkenmanöver im Harz, die Salzwirker-Brüderschaft Halle sowie die Spergauer Lichtmeß in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen.

Weltweit unterstützt die UNESCO den Erhalt von Kulturformen, die auf menschlichem Wissen und Können beruhen und von Generation zu Generation weitergegeben werden. Zu den in ihren Listen bislang verzeichneten Bräuchen, Darstellungskünsten, Handwerkstechniken und Naturwissen aus allen Kontinenten gehören unter anderem die Genossenschaftsidee und -praxis sowie Orgelbau und Orgelmusik aus Deutschland.

Gudrun Oelze

INFO

Mit seinen einzigartigen Schachtraditionen wurde Ströbeck auch Gründungsmitglied des Netzwerkes "Kulturdörfer Europas". 1999 von dem niederländischen Dorf Wijk aan Zee initiiert, ist es Ziel dieser Vereinigung, gemeinsam dörfliche Kultur und Leben in allen kleinen Orten Europas zu schützen und zu erhalten. Zu dem Netzwerk gehören elf Dörfer aus elf europäischen Ländern.

Ströbeck war 2006 Gastgeber für das Treffen der Partnerkommunen und legte damals auf dem Gelände eines ehemaligen Bauernhofes einen Europapark in Form einer Landkarte des Kontinents an. An der Position jedes Teilnehmerlandes der "Kulturdörfer" wächst seither ein landestypischer Baum.

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RÜCKBLICK

Ein Staat mit demokratischer Verfassung

"Anhalt ... ist der erste Staat Deutschlands, der eine echt demokratische Verfassung erhält": Von der Fürstenherrschaft "von Gottes Gnaden" zu "alle Gewalten gehen vom Volke aus" - 170 Jahre Revolution und demokratisches Verfassungsrecht in Anhalt.


Nimmt man die Standardwerke zur Revolution von 1848/49 in Deutschland zur Hand, haben darin die Ereignisse in Anhalt völlig zu Unrecht nur vereinzelt Spuren hinterlassen. Im Blickfeld liegen zumeist die beiden Großmächte Preußen und Österreich sowie die deutschen Mittelmächte Bayern und Württemberg, das in besonderer Weise revolutionsbewegte Baden, auch die hessischen Staaten, Sachsen und Hannover. Den drei anhaltischen Fürstentümern kam angesichts ihrer geringen Größe und ihrer Rolle als preußische Satellitenstaaten, als "Vorhöfe" Preußens (Zit. Mathias Tullner) kein nennenswertes Gewicht im Ringen der Schwergewichte um die Zukunft Deutschlands zu.

Auch hinsichtlich der Wurzeln des demokratischen Parlamentarismus und Verfassungsrechts fällt der Blick zumeist nicht nach Anhalt, sondern oft auf die deutsche Nationalversammlung: Am 18. Mai 1848 trat sie in einem ehemaligen Gotteshaus in Frankfurt am Main, in der Paulskirche, erstmals zusammen. Das "Professorenparlament", als das sie oft bezeichnet wurde, war sie angesichts der 49 Universitätsprofessoren unter ihren 585 Mitgliedern gewiss nicht.

Sicher war sie aber eine Versammlung des gebildeten deutschen Bürgertums, die dennoch in der Herkunft, den Mentalitäten und Temperamenten ihrer Mitglieder so kontrastreich war, dass sie in ihrer Leibhaftigkeit manchem erst bewusst machte, welches Deutschland da geeint werden sollte (Zit. Wolfram Siemann). Die Hauptaufgaben der Nationalversammlung: die Ausarbeitung einer deutschen Verfassung und eines Grundrechtskatalogs, die Errichtung eines deutschen Nationalstaats und die Klärung der Machtverhältnisse. Erreicht worden sind weder die Einheit noch die Freiheit.

Rückblende: Die gesellschaftlichen wie die persönlichen Lebensverhältnisse auch der in Anhalt lebenden Menschen unterlagen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Folge der Ablösung der feudalen Abhängigkeiten auf dem Lande und der industriellen Revolution, die sich in Mitteldeutschland in enger Wechselwirkung zur Landwirtschaft und dem Bergbau vollzog, einem bis dahin in Tiefe wie Tempo beispiellosen Wandel. Bürgerlich-liberale, auch soziale Bewegungen entstanden. So engagierten sich etwa in der Köthener freisinnigen "Kellergesellschaft" Persönlichkeiten, die später als Anführer der 1848er Revolution in Anhalt bekannt wurden: Enno Sander, Moritz Vierthaler, Adolf Wolter und die Gebrüder von Behr (siehe zeitgenössische Darstellung).

Einflüsse entfalteten auch Konflikte der innerkirchlichen Opposition mit der Staatskirche. Die Lichtfreunde-Bewegung (Verein der Protestantischen Freunde) entstand. Auch staatliche Restriktionen gegen diese vorrevolutionären Zusammenschlüsse führten zunehmend zu ihrer Politisierung. Regelmäßige Zusammenkünfte, Tumulte und Volksversammlungen mit Hunderten, ja gelegentlich Tausenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern waren die Folge.

In an die Fürsten gerichteten Adressen wurden Erwartungen ("Märzforderungen") formuliert - so auch durch die Dessauer Volksversammlung. Als der Herzog auf Zeit spielte, weil er zunächst die Entwicklung in Preußen und Sachsen abwarten wollte, kamen für das kleine Land am 14. März 1848 beachtliche 8000 Menschen zusammen. Ein "Märzministerium" unter dem Leitenden Minister August Habicht (Jurist; Rat am Oberappellationsgericht) wurde eingesetzt, ein beispiellos demokratisches Landeswahlrecht mit direktem Wahlmodus unter Verzicht auf die Voraussetzung der Selbstständigkeit erlassen, Landtage mit starken demokratischen Mehrheiten gewählt, die Arbeiten an Verfassungen kamen in Gang.

Das im Vortext wiedergegebene ambitionierte Zitat des "Märzministers" August Habicht weist darauf hin, dass die Verfassung für die beiden Herzogtümer Anhalt-Dessau und Anhalt-Köthen, die am 28. Oktober 1848 durch den Landtag beschlossen und am 29. Oktober 1848 vom Herzog sanktioniert worden war, bereits durch Zeitgenossen als im positiven Sinne Beispiel gebend empfunden worden ist. Aber auch im negativen, meinte doch die konservative "Allgemeine Preußische Zeitung" vom 24. März 1849, das "Dessauer Ländchen" wegen seiner "ruchlosen Verfassung" als "Harlequin der deutschen Revolution" zeihen zu müssen. Heute gilt: Wegen ihrer ungewöhnlich weit gehenden demokratischen Rechte zählt die Dessau-Köthen'sche Verfassung zu den herausragenden deutschen Verfassungsbeispielen der Revolutionszeit von 1848/1849 (Zit. Mathias Tullner).

Warum ist das so? Die Regierungsform wurde als "democratisch-monarchische" festgelegt. Alle Gewalten sollten vom Volke ausgehen. Folgerichtig erhielt der Landtag - die Volksvertretung - eine überaus starke Stellung. Dem Herzog wuchs gegenüber Landtagsbeschlüssen lediglich ein suspensives Veto zu. Bestätigte der Landtag nach eingelegtem Veto den Beschluss, konnte der Fürst die Bestätigung nicht mehr verweigern. Erging sie dennoch nicht, wurde sie durch die Verfassung fingiert, indem der Beschluss des Landtages "von selbst gesetzliche Kraft" erhalten sollte.

Noch volkssouveräner waren die Bestimmungen zur Verfassungsänderung: War die Änderung durch zwei aufeinanderfolgende Landtage beschlossen worden, ohne die Zustimmung des Herzogs zu finden, war hierüber ein Volksentscheid abzuhalten. Das Volk sollte als übergeordnete Schiedsinstanz (Zit. Ernst Gottfried Mahrenholz) zwischen Landtag und Herzog fungieren. Dem Landtag wuchsen die Finanz-, Steuer- und Abgabenhoheit zu. Er erhielt das Recht, zu ihm vorliegenden Akten "zweckdienliche Aufklärungen" von der Exekutive einzuholen. Ein Misstrauensvotum des Landtages gegen das "Gesammtministerium" wurde eingeführt. Die Ministeranklage war statthaft.

Der Landtag genoss ein bedingtes Selbstversammlungsrecht. Seine Mitglieder waren Vertreter des ganzen Volkes und genossen ein freies Mandat ("... nicht gehalten, von ihren Kommittenten Instruktionen anzunehmen ..."), waren durch die Privilegien von Immunität (bis hin zur Entscheidung über die Entlassung aus der Haft) und Indemnität ("... wenn nicht der Fall unter den Gesichtspunkt einer Injurie, Verleumdung oder eines in den Gesetzen mit Strafe bedrohten sonstigen Vergehens fällt ...") geschützt. Die Verfassung enthielt zudem einen breiten Grundrechtskatalog, der zum Teil radikaler und auch detaillierter gefasst war als die "Frankfurter Reichsverfassung" vom 28. März 1848 oder die "Grundrechte des Deutschen Volkes" vom 27. Dezember 1848.

Standesunterschiede wurden nicht nur aufgehoben, sondern der Adel selbst abgeschafft. Orden durften weder angenommen noch von Staats wegen verliehen werden. Die Todesstrafe war ohne jede Ausnahme abgeschafft. Abschlägige Behördenantworten waren zu begründen. Es war zudem ein Beschwerderecht an den Landtag bei gesetzwidrigem Verwaltungshandeln im Falle eingeräumt. Justiz und Verwaltung wurden separiert. Staat und Kirche sollten strikt getrennt werden. Die Schule wurde "Staatsanstalt" und von der Aufsicht der Kirche befreit. Schulgeldfreiheit wurde gewährt. Vor der Verabschiedung von die Landwirtschaft betreffenden Gesetzen waren künftig "tüchtige und erprobte Landwirte aller Klassen" anzuhören. Und: Den Kommunen wurde auferlegt, unter Zuziehung qualifizierter Arbeiter eine Kommission zu bilden, welche sich ausschließlich mit der Beratung "derjenigen Maßregeln beschäftigt, die das Wohl der arbeitenden Klassen zu befördern im Stande sind" - eine sozialstaatliche Regelung, die im deutschen Verfassungsrecht bis dahin ohne Entsprechung war.

Das Schicksal der Revolution besiegelte auch das Schicksal des radikaldemokratischen anhaltischen Verfassungsrechts vom Oktober 1848.

Dr. Torsten Gruß


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Die Köthener Ratskellergesellschaft in den 1840er Jahren. In dieser freisinnigen Gesellschaft bildeten sich politische Führer der 1848er Revolution in Anhalt heran. In der Mitte (mit erhobenen Gläsern) der Assessor Adolf Wolter (l.), 1848 Präsident des Köthener Landtags und des Vereinigten Landtags von Anhalt-Dessau-Köthen, daneben Dr. med. Alfred von Behr, 1848-50 Journalist. Links hinten mit Perücke Musikdirektor Eduard Thiele, der das Deutschlandlied vertonte und auf dem Köthener Marktplatz singen ließ. Rechts neben ihm (mit Mütze) der Naturforscher und Weltreisende Dr. Hans Hermann Behr, Begründer der Akademie der Wissenschaften San Francisco. Rechts hinten mit Pfeife Ottmar von Behr, Emissär des "wahren Sozialismus", 1848 Vertreter des Weitling'schen "Befreiungsbundes" in den USA, Begründer einer Emigrantensiedlung in Texas.

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WEITBLICK

Facettenreiches Panorama

Das Buch "1919 - Das Jahr der Frauen" nimmt den Leser mit auf eine faszinierende Zeitreise in das Jahr 1919.

Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs ist die Geschichte von Männern geprägt. Philipp Scheidemann ruft die Deutsche Republik aus, Walter Gropius gründet das Bauhaus und Magnus Hirschfeld gründet in Berlin das erste Institut für Sexualwissenschaft.

Doch die Zeit nach dem Krieg wird vor allem eine weibliche Zeit, meint die Autorin Unda Hörner. Nicht nur in der Wissenschaft und Kunst mit Marie Curie und Coco Chanel setzen Frauen Zeichen. Vor allem politisch bedeutet das Jahr 1919 eine Zeitenwende für Frauen. Sie erhalten das Wahlrecht und im Februar spricht zum ersten Mal eine Frau, Marie Juchacz, im Parlament. Sie ist es auch, die im Dezember die Arbeiterwohlfahrt gründet, bis heute einer der wichtigsten Wohlfahrtsvereine. Die Frauenrechtlerin Anita Augspurg warnt das erste Mal vor einem "gewissen Adolf Hitler" nach dessen erster parteipolitischer Rede in München. Unda Hörner erzählt in zwölf Kapiteln und Monaten lebendig über historische Ereignisse und Lebenswege, die von Frauen geprägt waren. Die Spanne reicht von Rosa Luxemburg und Käthe Kollwitz bis zur Tennisspielerin Suzanne Lenglen und der Buchhändlerin Sylvia Beach, die in Paris eine Leihbücherei eröffnet. Die Autorin verbindet Ereignisse aus Kunst, Kultur, Gesellschaft und Politik mit Privatem zu einem kurzweiligen und facettenreichen zeitgeschichtlichen Panorama.

Unda Hörner: 1919 - Das Jahr der Frauen.
Berlin: Ebersbach & Simon, 2018.


Repräsentationsdefizit der Demokratie

Politik- und Parteienverdrossenheit, sinkende Wahlbeteiligungen und das Aufkommen neuer Parteien weisen auf Probleme der gegenwärtigen politischen und wahlrechtlichen Strukturen hin. Der Autor der Untersuchung stellt einen Zusammenhang zwischen diesen krisenhaften Symptomen und einem sogenannten Repräsentationsdefizit der bundesdeutschen parlamentarischen Demokratie her. Ausgehend von vielfältigen gesellschaftlichen Veränderungsprozessen fällt es den politischen Lagern und damit den parlamentarisch vertretenen Parteien zunehmend schwer, diese Interessen- und Wertevielfalt programmatisch aufzufangen. Der Verfasser der Studie entwickelt eine grundlegende Alternative, die eine Anpassung des politischen Systems an diese Entwicklung vorsieht, um die divergierenden gesellschaftlichen Interessen parlamentarisch besser vertreten zu können. Diese Lösung wird als "themenspezifisches Parlamentssystem" bezeichnet, deren Voraussetzungen und Umsetzungschancen er unter Einbeziehung relevanter Wahltheorien umfassend beschreibt.

Tobias Blicker: Interessenvielfalt und Demokratie
Ein neues Parlamentssystem zur Lösung von Repräsentationsdefiziten.
Baden-Baden: Tectum, 2018.


Die Erfahrung von Bruch und Neuanfang

Die Beiträge dieses Bandes spiegeln einen neuen Blick der Geschichtswissenschaft auf personelle und institutionelle Kontinuitäten im Deutschland der Nachkriegszeit wider.

Mittlerweile richtet sich das Forschungsinteresse nicht mehr vorrangig auf die junge Bundesrepublik, sondern auch auf die Entwicklungen in der DDR. Eine deutlich verbesserte Zugänglichkeit der erforderlichen Quellen erlaubt mittlerweile eine vergleichende deutschdeutsche Betrachtung, die sich im vorliegenden Band auf vier zentrale Bereiche staatlichen Handelns konzentriert: Justiz, Wirtschaft, Inneres und Sicherheit. Im Rahmen einer den Sammelband abschließenden Zwischenbilanz werden neben den Befunden personeller und mentaler Kontinuitäten und Diskontinuitäten auch Fragen nach der psychologischen Prägung der handelnden Personen durch die Erfahrung von Bruch und Neuanfang gestellt.

Stefan Creuzberger, Dominik Geppert (Hrsg.):
Die Ämter und ihre Vergangenheit,
Ministerien und Behörden im geteilten Deutschland

1949-1972. Paderborn: Schöningh, 2017.


Der Kampf der Frauenbewegung

Am 30. November 1918 wurde das aktive und passive Wahlrecht für alle Bürgerinnen und Bürger in der Verordnung über die Wahl zur verfassungsgebenden deutschen Nationalversammlung verankert. Ein jahrzehntelanger Kampf hatte damit ein Ende gefunden.

Im Januar 1919 fand die erste nationale Wahl unter Beteiligung der weiblichen Bevölkerung statt - mit einer Wahlbeteiligung von 83 Prozent. Der Nationalversammlung gehörten dann 37 weibliche Abgeordnete an. Der Kampf der Frauenbewegung sorgte für ein gesellschaftliches Umdenken. Aber auch nach der Einführung des Frauenwahlrechts stellten sich Fragen nach Gleichheit und Gleichberechtigung der Geschlechter. In diesem Band des Verlages des Instituts für Sozialforschung in Hamburg wird die Demokratiegeschichte als Geschichte des Frauenwahlrechts aus verschiedenen Perspektiven dargestellt und aufgezeigt, wie international die Geschichte der Demokratisierung ist. Die Zeitspanne reicht dabei vom Kampf der Sufragetten für die Gleichberechtigung der Frauen um 1900 bis zum Einfluss des Frauenwahlrechts auf die niederländische Wahlkultur im 20. Jahrhundert. Im 100. Jahr der Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland sind diese knapp 300 Seiten eine interessante Lektüre für politisch Interessierte.

Hedwig Richter, Kerstin Wolff (Hrsg.): Frauenwahlrecht,
Demokratisierung der Demokratie in Deutschland und Europa.

Hamburg: Hamburger Edition, 2018.


Die Landtagsbibliothek ...

­... ist eine wissenschaftliche Spezialbibliothek, die auch für Bürgerinnen und Bürger nutzbar ist. Die Sammelschwerpunkte umfassen die Bereiche Recht, Politik, Parlamentarismus, Sozialwissenschaften, Geschichte und Landeskunde.
Neben dem umfangreichen Literatur- und Zeitschriftenbestand stehen komfortable Arbeitsmöglichkeiten im Lesesaal zur Verfügung.

Öffnungszeiten (nicht an Feiertagen)
Mo. bis Do., 8-16.30 Uhr, Fr. 8-15 Uhr
Kontakt
Telefon: 0391 560 1135
E-Mail: bibliothek@lt.sachsen-anhalt.de

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EINBLICK

Hochwasserschutz in den Niederlanden

Der Umweltausschuss des Landtags hat sich in den Niederlanden über aktuelle Entwicklungen im Hochwasserschutz informiert. Die einwöchige Reise führte die Abgeordneten unter anderem nach Den Haag, Delft und Nimwegen.

Auf ihrer Reise in die Niederlande vom 3. bis 7. September 2018 besichtigten die Abgeordneten unter anderem das architekturpreisgekrönte Projekt "Raum für Waal" in Nimwegen. Dort wurde am Nordufer der Stadt ein neuer Seitenarm in den Fluss Waal gegraben und der bestehende Deich weiter ins Hinterland verlegt, erklärt Ausschussvorsitzender Jürgen Barth (SPD). Das Projekt sei beispielhaft für ein Umdenken im Hochwasserschutz: "Der Trend geht in den Niederlanden ganz deutlich weg von immer höheren Deichen, hin zu mehr Raum für die Flüsse." An der Technischen Universität in Delft erhielten die Abgeordneten einen spannenden Einblick in eine Flutsimulationsanlage ebenso wie praktische Verbesserungshinweise für den Hochwasserfall. "Anstatt Sandsäcken kann man beispielsweise auch ein Schlauchsystem nutzen, das sich selbst mit Wasser füllt. Das spart im Notfall nicht nur Zeit, sondern auch Ressourcen", so Barth.

Beim Besuch des Bovenkerpolders lernten die Abgeordneten zudem neue Möglichkeiten für die Umsetzung kollektiver Agrarumweltmaßnahmen kennen. Anders als in Deutschland haben Landwirte in den Niederlanden in den letzten Jahren Naturvereine gegründet, die sich nach gemeinsamer Zielsetzung mit der Verwaltung selbstständig um die Abwicklung verschiedenster Umwelt- und Naturschutzthemen kümmern, erläuterte Barth. - Nur eine von vielen Anregungen, die der Umweltausschuss von seiner Reise mit nach Hause gebracht hat.

Stefanie Böhme


Schottisches Petitionswesen im Fokus

In Edinburgh erhielt der Petitionsausschuss des Landtags einen Einblick in das schottische Petitionswesen, das vor allem durch seine hohe Transparenz besticht.

Im "Mutterland der öffentlichen Petitionen" haben die Bürger vielfältige Möglichkeiten für Bitten und Beschwerden. Zum einen gibt es den Petitionsausschuss des Schottischen Parlaments, der vor allem für Gesetzgebungen zuständig ist. Zum anderen eine Ombudsfrau - eine Art "Bürgerbeauftragter" für Beschwerden über Behörden und Organisationen, erklärt Christina Buchheim, Vorsitzende des Petitionsausschusses. Die Ombudsfrau verfüge sogar über einen Fonds, aus dem sie nach Prüfung der Beschwerde Entschädigungen auszahlen könne. "Grundsätzlich hat die Ombudsfrau des schottischen Parlaments viel mehr Möglichkeiten als unser Petitionsausschuss", stellte Buchheim fest.

Besonders auffällig am schottischen Petitionsverfahren sei zudem die hohe Transparenz. Dort sind alle Petitionssitzungen öffentlich, können per Video im Internet übertragen werden, die Bürger können die Petition im Internet mitzeichnen und in einem Forum darüber diskutieren.

Außerdem informierten sich die Abgeordneten über eine vom Parlament unabhängige Kommission, die sich um alle Beschwerden gegen Rechtsanwälte kümmert, sowie über den Petitionsausschuss der Stadt Edinburgh.

Stefanie Böhme

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AUSSTELLUNGEN IM LANDTAG
VON OKTOBER BIS DEZEMBER 2018

WASSER IST FÜR UNS ...
TERMIN: VOM 2. BIS 26. OKTOBER 2018

Der Kreativwettbewerb "Wasser ist für uns ..." ist Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit zur Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie. Er fand bundesweit bereits zum achten Mal statt. In Sachsen-Anhalt setzten sich Schülerinnen und Schüler aus den Klassenstufen eins bis vier künstlerisch mit dem Thema Wasser auseinander. Die Galerieausstellung mit ausgewählten Beiträgen zeigt unter anderem Modelle zum Wasserkreislauf, Landschaftsgestaltungen mit "Brockenblick" aus Knetmasse, Regenschirm, Spiele und viele andere kreativ gestaltete Zeichnungen sowie einen "Kreativbaum", der vor der Preisverleihung von den Preisträgern gestaltet worden ist.


ÜBER VERBRECHEN IM NAMEN DES DEUTSCHEN VOLKES
TERMIN: VOM 5. BIS 23. NOVEMBER 2018

Die Ausstellung stellt das Justizsystem zur Zeit des Nationalsozialismus dem Rechtsstaat in der Demokratie gegenüber. Sie klärt auf und leistet einen Beitrag zur gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Justizgeschichte in Sachsen-Anhalt. Den Besuchern wird vor Augen geführt, zu welchen Exzessen die Justiz in einem totalitären System fähig sein kann. Im Mittelpunkt steht die Beteiligung der NS-Justiz an der Verfolgung der jüdischen Bevölkerung auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes Sachsen-Anhalt. Thematisiert wird insbesondere das Vorgehen der Justiz und der Verwaltung bei Vorgängen im Rahmen von "Arisierungen" und sogenannten Rasseschande-Fällen.


GOTT. MACHT. ZUKUNFT.
Errichtung des Erzbistums Magdeburg vor 1050 Jahren

TERMIN: VOM 28. NOVEMBER BIS 21. DEZEMBER 2018

Die Exposition informiert über die Gründung des Erzbistums Magdeburg vor 1 050 Jahren. Sie stellt neben großen Persönlichkeiten der Kirchengeschichte die wesentlichen historischen Entwicklungen bis in die Gegenwart dar. Ein wesentliches Augenmerk wird auf die religiösen und kirchlichen Institutionen im Erzbistum Magdeburg und in seinen Nachfolgegebieten gelegt, deren Existenz und Wirkkraft bis in die heutige Zeit andauern.


MÜTTER DES GRUNDGESETZES

TERMIN: VOM 3. DEZEMBER BIS 7. JANUAR 2019

"Mütter des Grundgesetzes" zeigt die Lebensbilder von Frieda Nadig, Elisabeth Selbert, Helene Weber und Helene Wessel - vier Politikerinnen, die durch ihre unmittelbare Mitwirkung am Grundgesetz und an der verfassungsrechtlichen Verankerung der Gleichberechtigung von Frauen vor 70 Jahren die Basis für dieses heute selbstverständliche Prinzip schufen.

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Informativ, transparent und modern
Politik in Sachsen-Anhalt online erleben

www.landtag.sachsen-anhalt.de

Auf der Internetseite des Landtags finden Sie nicht nur Berichte über die Arbeit der Abgeordneten, sondern gewinnen auch einen Einblick hinter die Kulissen des Landesparlaments: beispielsweise Wahlergebnisse, Abgeordnetenbiografien sowie Informationen zu den Fraktionen und Ausschüssen.

Durch den integrierten Terminkalender können Interessierte stets erfahren, welche Sitzungen und Veranstaltungen ins Haus stehen, die hinterlegten Tagesordnungen gewähren einen Einblick in die Plenums- und Ausschusssitzungen, und durch die Abrufbarkeit aller öffentlicher Drucksachen sind Sie mittendrin im Parlamentsgeschehen.

Über die Abgeordnetenprofile kann zudem Kontakt zu jeder/m Abgeordneten aufgenommen werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, Besuchergruppen online anzumelden.

Und wer vom Landtag nicht genug bekommen kann, der sollte uns über @Landtag_LSA bei Twitter folgen.

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Das IMPRESSUM des Zwischenruf 3/2018 siehe unter:
https://www.landtag.sachsen-anhalt.de/fileadmin/Downloads/Zwischenruf/ZR03.2018_web.pdf

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Quelle:
ZwischenRuf 3/2018
Das Magazin des Landtages von Sachsen-Anhalt
Herausgeber: Die Präsidentin des Landtages von Sachsen-Anhalt
Redaktion/Bestelladresse:
Landtag von Sachsen-Anhalt
Ref. Medien- und Öffentlichkeitsarbeit,
Besucherdienst und Protokoll
Domplatz 6-9, 39104 Magdeburg
Telefon: 0391 / 560 0; Fax: 0391 / 560 1123
E-Mail: landtag@lt.sachsen-anhalt.de
Internet: www.landtag.sachsen-anhalt.de
 
Der ZwischenRuf erscheint vierteljährlich.
Das Magazin dient der Öffentlichkeitsarbeit
des Landtages von Sachsen-Anhalt.
Es wird kostenfrei verteilt.


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. November 2018

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