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SCHLESWIG-HOLSTEIN/2020: Der SSW - Oftmals ein Zünglein an der Waage (Landtag)


Der Landtag Schleswig-Holstein
Parlamentszeitung Nr. 08 - Oktober 2013

Der SSW: Oftmals ein Zünglein an der Waage



Die Befreiung des SSW von der Sperrklausel hat deutsch-dänische Streitigkeiten beseitigt - aber auch für politischen und juristischen Zwist im Lande gesorgt. Ein Rückblick:


Seinen Sonderstatus im Wahlrecht hat der SSW seit den Bonn-Kopenhagener Erklärungen aus dem Jahr 1955. Zuvor hatte Dänemark sein Veto gegen den bundesdeutschen NATO-Beitritt eingelegt und dies mit der aus Kopenhagener Sicht unbefriedigenden Situation der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein begründet. Hintergrund war, dass der SSW bei der Landtagswahl 1954 an der Fünf-Prozent-Klausel gescheitert war. Deutsch-dänische Verhandlungen führten schließlich zu den Erklärungen, mit denen die Nachbarländer die Eigenständigkeit ihrer jeweiligen Minderheit garantierten.

Die Folge: Am 23. Mai 1955 entband der Landtag die Partei der dänischen Minderheit von der Fünf-Prozent-Hürde - einstimmig. Um im Landtag vertreten zu sein, muss der SSW dennoch eine Schwelle überwinden. Er muss so viele Stimmen erringen, wie nach dem Verteilungsschlüssel für ein einziges Mandat nötig sind. Eine ähnliche Regelung gilt für die Partei der deutschen Minderheit nördlich der Grenze, die Schleswigsche Partei (SP). Sie hat eine privilegierte Stellung im dänischen Kommunalwahlrecht.

Seit der Wahl 1958 ist der SSW durchgehend im Landtag vertreten. Zwischen 1962 und 1996 hatte die Partei lediglich einen Sitz; ihr Stimmenanteil lag bei unter zwei Prozent. Seit den 1990ern hat der SSW jedoch fast durchgängig zugelegt. Eine Ursache: Die Einführung des Zweistimmen-Wahlrechts zur Landtagswahl 2000. Seitdem können auch Wähler im Süden des Landes die Liste des SSW ankreuzen. Zuvor war dies nur im Landesteil Schleswig möglich, wo die Partei mit Direktkandidaten antrat.

Obwohl der SSW stets die kleinste Partei im Landtag war, kam ihr mehrmals eine bedeutsame Rolle zu. So scheiterte 1979 ein Regierungswechsel von der CDU zu einem möglichen SPD/FDP/SSW-Bündnis nur an rund 1.000 fehlenden Stimmen. Die Union setzte daraufhin durch, dass der Landtag künftig eine gerade Anzahl Sitze haben sollte: Das SSW-Mandat sollte nicht mehr das Zünglein an der Waage sein. Mit dieser Regelung kam es 1987 zum Patt zwischen den gleich starken Lagern von CDU/FDP und SPD/SSW. Eine Regierungsbildung war nicht möglich, nach nur einem halben Jahr gab es Neuwahlen.


Im Brennpunkt: 1979, 1887, 2005

2005 entschlossen sich die beiden SSW-Vertreter, eine rotgrüne Minderheitsregierung zu tolerieren. Die Konstellation scheiterte aber an einer fehlenden Stimme bei der Ministerpräsidentenwahl - begleitet von einer heftigen, bundesweiten Debatte über Rolle und Bedeutung der Minderheitenpartei.

Die Befreiung des SSW von der Sperrklausel hat mehrfach die Gerichte beschäftigt, auch schon vor dem jetzigen Spruch des Landesverfassungsgerichts. So war das Oberverwaltungsgericht Schleswig nach der Wahl 2000 der Ansicht, dass der SSW nur in seinen klassischen Gebieten im Norden des Landes von der Fünf-Prozent-Hürde ausgenommen sein sollte - nicht aber im Landesteil Holstein. Das Bundesverfassungsgericht wies dies 2005 aber zurück.

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Quelle:
Der Landtag Schleswig-Holstein, Nr. 08 im Oktober 2013, S. 8-9
Mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers:
Der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages
Referat für Öffentlichkeitsarbeit, Düsterbrooker Weg 70, 24105 Kiel
Tobias Rischer, Referatsleiter
Telefon: 0431/988-11 16
E-Mail: tobias.rischer@landtag-ltsh.de
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Oktober 2013