Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → LANDESPARLAMENTE


SCHLESWIG-HOLSTEIN/2118: Harte Zeiten für Honigbienen - Pestizide am Pranger (Landtag)


Der Landtag - Nr. 03 / Oktober 2015
Die Parlamentszeitschrift für Schleswig-Holstein

Harte Zeiten für Honigbienen: Pestizide am Pranger


Forscher und Umweltschützer schlagen Alarm: Die Honigbiene ist bedroht. Laut dem Deutschen Imkerbund haben 225.000 der 750.000 Bienenvölker in Deutschland den vergangenen Winter nicht überlebt - eine dreimal höhere Todesrate als üblich. Das weltweite Phänomen wurde 2006 zuerst in Indien und Nordamerika beobachtet. Als Gründe gelten Monokulturen, fehlende Nahrungsquellen und Parasiten wie die Varroa-Milbe. Aber auch Pestizide in der Landwirtschaft. In der September-Tagung forderten SPD, Grüne, Piraten und SSW daher, bereits bestehende Auflagen für bienengefährliche Neonikotinoide zu verschärfen. CDU und FDP lehnten den Antrag ab: Nicht die Pflanzenschutzmittel seien das Problem, sondern der Umgang mit ihnen.


Hintergrund sind aktuelle Untersuchungen der Europäischen Lebensmittelbehörde (EFSA). Demnach stellen die Neonikotinoide ein hohes Risiko für Bienen dar. Die hochwirksamen, synthetisch hergestellten Insektizide wirken auf die Nervenzellen von Insekten. Sie stören das Orientierungsvermögen und das Gedächtnis der Bienen und schwächen ihr Immunsystem. Folge: Die Tiere finden nicht mehr zu ihrem Stock zurück und werden anfälliger für Krankheiten. Das kann zum Kollaps des ganzen Bienenvolkes führen.

Die Landesregierung soll sich deswegen nach Willen der Koalitionsfraktionen beim Bund und bei der EU dafür einsetzen, dass die Auswirkungen dieser Stoffe weiter erforscht werden - etwa auch auf Wildinsekten. In Europa ist der Einsatz des Pflanzenschutzmittels bereits seit zwei Jahren stark eingeschränkt. Zudem fordern die Antragssteller, dass Alternativen beim Pflanzenschutz, beim Anbau und in der Pflanzenzucht entwickelt werden, die einen dauerhaften Verzicht auf Neonikotinoide und andere bienengefährliche Pestizide möglich machen.

"In der Natur hängt alles immer mit allem zusammen. Vögel, die diese Insekten fressen, werden ebenfalls geschädigt. Wer am Ende der Nahrungskette steht, wissen wir", mahnte Marlies Fritzen (Grüne). Von einem Bienensterben sei die Landwirtschaft "massiv betroffen", warnte Flemming Meyer (SSW). Die Insektizide wirkten wie Drogen, führten zu einer geringeren Fortpflanzungsrate und zu einem frühen Tod der Königinnen. "Das Gift unterscheidet letztlich nicht zwischen Nützlingen und Schädlingen."

Kirsten Eickhoff-Weber (SPD) forderte die Agrarchemie auf, weniger toxische Mittel zu entwickeln. "In den Unternehmen scheinen nur die Wirkstoffe Umsatz und Gewinn zu zählen", argwöhnte sie. Angelika Beer (Piraten) verlangte, das Augenmerk auch auf Wildbienen und andere Insekten zu legen. Die Honigbiene erbringe "nur rund ein Drittel der für die Landwirtschaft so wichtigen Bestäubungsleistungen".

Das größte Problem beim Bienensterben seien "Imker, die es gut meinen, aber nicht richtig können", sagte dagegen Heiner Rickers (CDU). Als "Hauptfeind der Bienen" bezeichnete er die Varroa-Milbe, die "konsequent und regelmäßig" bekämpft werden müsse. Die CDU wolle zunächst weitere Forschungsergebnisse nach der anstehenden Ernte abwarten, bevor Verbote in Frage kämen. Ähnlich äußerte sich Oliver Kumbartzky (FDP). Neonikotinoide sollten als Pflanzenschutzmittel für die Beizung von Samen weiterhin unter Auflagen zur Verfügung stehen. "Dies ist besonders für den Rapsanbau in Schleswig-Holstein wichtig", sagte er.

Umweltminister Robert Habeck (Grüne) appellierte an die Landwirte, eine spätere Aussaat, den Verzicht auf Altflächen oder andere Fruchtfolgen ins Auge zu fassen, um ihre Pflanzen gegen Insekten zu wappnen - und nicht "auf eine abschließende Entscheidung der EU zu den Pflanzengiften zu pokern".

(Drucksache 18/3225)


KASTEN
 
Eine Welt ohne Bienen?

Studien zufolge bestäuben die fleißigen Insekten etwa 80 Prozent aller Nutzpflanzen. Ohne Bienen wäre der Tisch für die Menschen also bei Weitem nicht so reichlich gedeckt, es gäbe weniger Obst, Gemüse und Getreide. Doch seit Jahren beobachten Forscher ein weltweites Sterben der Tiere. Wären sie ausgerottet, würde das einer neuen Untersuchung zufolge zu jährlich 1,4 Millionen zusätzlichen Todesfällen in der Bevölkerung durch Ernteeinbußen führen. Weitere Folge wäre ein Mangel an Vitamin A und sogenannten Folaten, die vor allem für schwangere Frauen und Kinder wichtig sind. Außerdem wird eine Zunahme von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und einigen Krebsarten prognostiziert.

*

Quelle:
Der Landtag, Nr. 03 / Oktober 2015, S. 14
Mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers:
Der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages
Referat für Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungsmanagement L145,
Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel
Tobias Rischer (verantwortlich)
Telefon: 0431/988 1120
E-Mail: tobias.rischer@landtag.ltsh.de
Internet: www.sh-landtag.de
 
Abonnement und Versand sind kostenfrei.


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Dezember 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang