Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → SPD

INNEN/2490: Der Mauerbau in Zeiten des abnehmenden Lichts


Pressemitteilung der SPD-Bundestagsfraktion - 13. August 2013

Der Mauerbau in Zeiten des abnehmenden Lichts

Zum 52. Jahrestag des Mauerbaus am 13. August 1961 erklärt die Stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Dagmar Ziegler:



Die Eheleute Powileit sitzen im August 1961 in Ost-Berlin beim Frühstück. Wilhelm löffelt Haferflocken und kommentiert die Artikel auf Seite eins des Neuen Deutschland. "Ein Affentheater mit Westberlin", sagt Wilhelm. "Dann muss man die Staatsgrenze eben abriegeln." Dummes Zeug, denkt Charlotte. Von Außenpolitik und Viermächteabkommen hat Wilhelm keine Ahnung. Sie sagt: "Der Hausmeister ist auch weg." - "Der Wollmann?" - "Genau, der Wollmann." - "Zum Teufel mit Wollmann", sagte Wilhelm. "Aber die jungen Leute. Verstehst du: Studieren auf unsere Kosten, und dann hauen sie ab. Da muss man den Riegel vorschieben."[1]

Davon erzählt Eugen Ruge in seinem Roman "In Zeiten des abnehmenden Lichts". Es sind DDR-Episoden, geschrieben in Kenntnis vom Ende der DDR und was darauf folgte; ein Alltag aus Gurkenbrot und Blechorden, zwischen Abschnittsbevollmächtigtem und Wohnbezirksparteisekretär. Im Hintergrund rauscht die Geschichte, wie beiläufig wird im August 1961 die Berliner Mauer gebaut.

Die Fiktion ist der Forschung voraus, der Schriftsteller dem Historiker, wenn es um das Vergegenwärtigte, das Nachlauschen von Geschichte in der banalen Ausprägung von gelebtem Alltag geht. Der Bau der Berliner Mauer bleibt für immer ein Symbol der Unfreiheit, empörendes Eingeständnis politischer Hilflosigkeit und ein brutaler Akt der Repression gegen die eigene Bevölkerung. Um jedoch zu verstehen, wie es gewesen sein könnte, damals, im August vor 52 Jahren, wie auf das Empfinden das Begreifen folgte, als der Riegel tatsächlich vorgeschoben wurde, braucht es auch die Aufklärung durch die Kunst, durch Literatur.

Große Kunst ist es, wenn eine fiktive Geschichte, wie die der Eheleute Powileit exemplarisch aufzeigt, was bleibt, wenn Menschen sich in falsche Ideologien verrannt haben: Starrsinn, Enttäuschung und ein Weltbild, in dem sogar der Bau einer Mauer mitten durch die Stadt, mitten durch ein Land vierzig Jahre und länger verteidigungswürdig erscheint.


[1] Eugen Ruge, "In Zeiten des abnehmenden Lichts. Roman einer Familie" Copyright © 2011 Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

Copyright 2013 SPD-Bundestagsfraktion

*

Quelle:
Pressemitteilung Nr. 902 vom 13. August 2013
SPD-Bundestagsfraktion, Pressestelle
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: 030/227-5 22 82, Fax: 030/227-5 68 69
E-Mail: presse@spdfraktion.de
Internet: www.spdfraktion.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. August 2013