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AFRIKA/1016: Burkina Faso - Neue Fragen nach Thomas Sankaras Tod, Frankreichs Geheimdienste im Visier (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. August 2011

Afrika: Neue Fragen nach Thomas Sankaras Tod - Frankreichs Geheimdienste im Visier

Von Brahima Ouédraogo


Ouagadougou, 2. August (IPS) - Am 15. Oktober 1987 kam Burkina Fasos damaliger Staatspräsident Thomas Sankara bei einem Militärputsch ums Leben. Der Initiator des Staatsstreichs, Sankaras Freund und Waffenbruder Blaise Compaoré, trat seine Nachfolge als Staatspräsident des westafrikanischen Landes an und ist bis heute im Amt. Mehrfache Versuche von politischen Anhängern Sankaras, eine juristische Untersuchung der Hintergründe und Umstände von Sankaras Tod durchzusetzen, blieben erfolglos. Jetzt fordern oppositionelle Parlamentarier von der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich Einblick in die Archive der französischen Geheimdienste.

Anführer der jüngsten Initiative zur Aufklärung von Sankaras Tod ist der lediglich namensverwandte Anwalt und Abgeordnete Stanislas Benewindé Sankara. "In anderen Ländern gibt es Hinweise auf eine Verwicklung Frankreichs in Sankaras Ermordung durch das Militär", erklärte der burkinische Oppositionspolitiker kürzlich auf einer Pressekonferenz. Gemeinsam mit elf weiteren Abgeordneten der parlamentarischen Opposition hatte er im April in einem Brief die französische Nationalversammlung gebeten, eine Untersuchung der Ermordung Sankaras einzuleiten. Er appellierte an die "demokratischen Werte Frankreichs und die Kooperation beider Länder."

Unterstützt von zahlreichen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) hatte eine international besetzte Juristengruppe im Dezember 2009 eine unabhängige Untersuchung von Sankaras Tod verlangt. Sie hofften, Informationen aus französischen Archiven könnten Licht in verborgene Machenschaften der französischen Regierungspolitik des ebenso bewährten wie berüchtigten so genannten 'Françafrique' bringen, einer Verquickung von Kolonialgehabe und Partnerschaft auf dem afrikanischen Kontinent.

Weil im eigenen Land keine Aufklärung zu erwarten war, hatten sich Familienangehörige und Anhänger schon früher an die Justiz anderer Länder gewandt. Doch niemand außerhalb der Landesgrenzen fühlte sich zuständig für Vorgänge, die sich zwischen Militärs auf einem burkinischen Militärstützpunkt zugetragen hatten.

Auch der UN-Menschenrechtsausschuss verwarf 2008 einen von der Juristengruppe gestellten Antrag auf Untersuchung der Angelegenheit Sankara. Nach dieser Entscheidung könne niemand Burkina Fasos Regierung zur Eröffnung einer Untersuchung zwingen, meinte ein auf Anonymität bestehender Jurist, der die Sache Sankaras von Anfang an beobachtet hat. Auch werde sich kein internationales Gericht jetzt noch des Falls annehmen, betonte der Experte gegenüber IPS.


Solidarität von französischen Abgeordneten

In Frankreich unterstützen inzwischen 20 der erforderlichen 30 Abgeordneten die von 6.600 Menschen unterschriebene Forderung nach einer Untersuchung.

Im Juli hatte Simon Compaoré, der Generalsekretär der regierenden Kongresspartei für Demokratie und Fortschritt, die Initiative von Oppositionspolitikern zur Aufklärung von Sankaras Tod als reine Zeitverschwendung kritisiert.

Die Integrität der burkinischen Justiz wird von Politikern wie Burkina Fasos ehemaligem Außenminister Ablassé Ouédraogo längst in Frage gestellt. "Die Menschen haben kein Vertrauen in das Justizsystem. In Burkina Faso gibt es keine Gerechtigkeit", erklärte er und erinnerte an den Studenten Justin Zongo, der in Polizeigewahrsam zu Tode geprügelt worden war. Zunächst hieß es, der jungen Mann sei an Meningitis gestorben. Diese Aussage wurde erst auf Druck der Öffentlichkeit korrigiert. Inzwischen wurden fünf beteiligte Polizisten wegen Todschlags verklagt.

Auch der Diplomat Arba Diallo, der der Regierung Sankara als Außenminister angehört hatte, hält das Versagen der Justiz für eine wesentliche Ursache der andauernden politischen Krise in Burkina Faso. "Sie wird erst enden, wenn mit der herrschenden Straflosigkeit im Land Schluss ist", sagte er. (Ende/IPS/mp/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. August 2011