Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

AFRIKA/1105: Angola - Wenn die Generalsgattin befiehlt (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 1, Januar/Februar 2012

Wenn die Generalsgattin befiehlt

von Angelo Kapwatcha und Memoria Ekulica



In Angola sind selbst verdienstvolle Angehörige der Armee nicht dagegen gefeit, aus ihren Häusern vertrieben zu werden, wenn ehrgeizige Angehörige hoher Generäle ihr Eigeninteresse durchsetzen wollen. Anfang Dezember 2011 ordnete die Frau von General "Sukissa" das Landesgericht von Huambo an, die Häuser von Polizisten und Armeeangehörigen im Stadtteil Santo Antonio zu zerstören. Frau Sukissa meldete dort private Interessen an. Ein Hilferuf aus Angola.


Martinho Alfredo Molongongo wird unter Freunden nur "Molongongo" genannt. In der Landessprache Umbundu heißt das "Sohn des Leidens". Er ist Unterinspektor der nationalen Polizei und ehemaliger Offizier der Fapla, denen er sich im Jahre 1984 im Alter von 13 Jahren anschloss. Im gleichen Jahr trat auch Adão Alcãntara Paulo der Fapla bei. Er ist Lehrer und auch heute noch Offizier in der regulären Armee (FAA). Dort ist er dem Bataillon für Behinderte und Kriegsversehrte zugeordnet. Seit 1992 leben beide in direkter Nachbarschaft zu Militäreinheiten im Bezirk Santo Antonio von Huambo.

Molongongo wurde im Bürgerkrieg nach den Wahlen 1992 angeschossen und schwer verletzt. Bis heute lebt er mit 14 Splittern in seinem Körper und einer Kugel im Kopf. Auch Alcãntara lebt seit über 20 Jahren mit einer ähnlichen Behinderung von Bombensplittern in seinem Körper.

Im Jahr 1995 bauten sich beide in Nachbarschaft zu den Militäreinheiten auf Grundstücken, die der Armee von den lokalen Behörden zugewiesen worden waren, ihre Ziegelsteinhäuser, gründeten Familien und bekamen Söhne und Töchter. Weil es kaum Lebensmittel gab und die Löhne in der angolanischen Armee ebenso karg sind wie bei der Polizei, errichteten sie kleine Gemüsegärten in der Nähe ihrer Häuser, um die Ernährungslage ihrer Familien zu verbessern. Das für die Landzuteilung zuständige Amt in Huambo unter Leitung von Frau Arlete teilte den dort ansässigen Soldaten mit, Anträge an ihr Amt zu stellen, um ihren Wohnrechtsstatus auf den Grundstücken zu legalisieren, die sie seit den Kriegsjahren mit ihren Familien bewohnen. Das Amt hat allerdings nie auf die Anträge reagiert und auch keine Erklärung dazu abgegeben. Die Zeit verstrich, bis 2007 Ana da Conceição Ferreira dos Santos auftauchte und sich damit brüstete, Ehefrau von General "Sukissa" zu sein. Unter dessen militärischem Oberbefehl standen Molongongo und Alcãntara während des zermürbenden Rückzuges der FAA von Huambo nach Benguela nach 55 Tagen aufreibendem Kampf gegen die Rebellentruppen der Unita. Zwei Jahre nach der Besetzung durch die Unita hatten beide auch an der Schlacht für die erfolgreiche Wiedereroberung von Huambo durch die Armee teilgenommen. General "Sukissas" Frau, bekannt als "Dona São", ordnete die sofortige Räumung der seit den 1990er Jahren bewohnten Grundstücke an. Sie behauptete, das Land zu einem hohen Preis direkt von der Eigentümerin gekauft zu haben - nämlich von Dona Alerte, nicht zufällig Vertreterin der angolanischen Regierung als Leiterin der Landzuteilungsbehörde.

Nun dämmerte es auch Alcãntara und Molongongo, dass die Verzögerungen bei der Ausstellung der Zulassungsdokumente allein dem Bestreben der Amtsleiterin geschuldet war, Land und Wohnhäuser dieser zwei Offiziere und ihrer Familien zu verkaufen. Sie erfuhren auch, dass Dona Arlete höchstpersönlich General "Sukissas" Ehefrau als Käuferin ermutigte, eine gerichtliche Räumungsanordnung zu erwirken. Alerte hatte nie die Absicht, ein Wohnrechtsdokument ausstellen zu lassen. Die Anträge waren längst in der Schublade verschwunden, um den Weg für Geschäftsdeals frei zu machen.

Mit dieser Rückendeckung reichte die Generalsgattin vor den Wahlen im Jahr 2008 Klage bei der Militärstaatsanwaltschaft von Huambo ein. Die Anklage gegen Molongongo und Alcãntara lautete: illegale Besetzung von Privateigentum von Frau "Sukissa". Das zuständige Militärgericht verwies die Angelegenheit an die Stadtverwaltung von Huambo weiter. Diese fand eine für beide Seiten annehmbaren Vergleich: Die Generalsgattin bekam ein anderes, größeres Stück Land im Bezirk Cavongue zugewiesen. Dona São akzeptierte und der Fall geriet schnell in Vergessenheit.

Doch ermutigt durch Frau Arlete brachte die Generalsgattin noch im Jahr 2008 den Fall vor das Landgericht von Huambo mit der Begründung, die Landbehörde hätte ihr mit entsprechend ausgestellten Dokumenten voll und ganz Recht gegeben. Deshalb käme kein anderes Ersatzland in Frage, da sie eine Menge Geld für das Grundstück ausgegeben hätte.

Bei der Gerichtsverhandlung glänzte Frau "Sukissa" als Klägerin durch Abwesenheit, sie ließ alles per Telefon erledigen. Die ganze Verhandlung führte der Richter telefonisch und ließ sich von Dona São Anweisungen aus der Ferne erteilten. Zum Ende dieses sonderlichen Gerichtsprozesses verkündete Richter kurz und knapp sein Urteil: Die beiden Angeklagten (Molongongo und Alcãntara) sowie ihre Familien müssten das Land sofort verlassen. Er ordnete zugleich den Abriss aller Häuser an.

Die Angeklagten wandten sich darauf hin an den Provinzgouverneur Antonio Paulo Kassoma, der persönlich das Erscheinen der Generalsgattin wie von Frau Arlete vor Gericht forderte, um die Sachlage im Sinne der Angeklagten zu klären. Die beiden Frauen ignorierten jedoch jeglichen Anruf, von wem auch immer. Die Angelegenheit schien erledigt und auf dem besagten Land ging das geregelte Leben weiter.

Im Jahr 2009 rief Frau Sukissa wieder das Gericht an. Doch diesmal besorgten sich Molongongo und Alcãntara einen Anwalt, Dr. Gabriel David Saquenha. Da dieser zugleich Direktor der Justizbehörde in der Provinz Huambo ist, hofften sie, "zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen" zu können.

Als die Angeklagten jedoch den Gerichtssaal betraten, bestand der Richter erneut darauf, die Generalsgattin ans Telefon zu bekommen, denn Dona São beliebt es nun mal nicht, persönlich vor Gericht zu erschienen. Der Strafverteidiger und seine Mandanten waren zum Schweigen verurteilt, damit der Richter die Gerichtsverhandlung per Telefon führen konnte. Alle Anwesenden konnten nun via Privatanbieter Unitel hören, warum die Generalsgattin als Klägerin nicht an dem Prozess teilnimmt und stattdessen dem Richter lieber über ihr Handy per Flatrate von irgendeinem unbekannten Ort der Welt Anweisungen gibt. Der Richter bemühte sich erst gar nicht zu fragen, wo sich die Generalsfrau befand, um den ganzen Justizapparat an der Nase herumzuführen.

In aller Seelenruhe legte er sein Luxus-Handy auf dem Tisch und verkündete das Urteil auf Grundlage des Telefongesprächs: Die Angeklagten seien nichts anderes als Illegale. Sie hätten ihre Sachen zu packen und müssten sich einen anderen Platz zum Leben suchen. Der Anwalt hatte nicht mal ein Sekunde Zeit für auch nur den geringsten Laut der Empörung und verließ mit seinen Mandanten gedemütigt den Gerichtssaal, um irgendwo draußen einen Drink zu holen, sich auszuruhen und auf den endgültigen Schlag zu warten. Doch der blieb aus und noch einmal geriet der Fall in Vergessenheit, zum Wohle eines gedeihlichen Aufwachsens der Kinder.

Nach Jahren der Ruhe bekamen Polizist Molongongo und Armeeangehöriger Alcãntara am 1. Dezember 2011 gegen 17 Uhr einen überraschenden Anruf von einem Beamten des Landesgerichts von Huambo mit der Aufforderung, zu später Stunde außerhalb der normalen Dienstzeit vor Gericht zu erscheinen. Dort erhielten sie Order, unverzüglich ihre Häuser zu verlassen und innerhalb von 12 Stunden auch ihre Familien nachzuholen. Die Vorladung war so spät gewählt, dass die Betroffenen Haus und Grundstück auf Veranlassung von Frau Sukissa noch in der Nacht hätten aufgeben müssen. Zudem ordnete die Generalsgattin das Gericht von Huambo an, unverzüglich ein Vollstreckungsbefehl für die Zerstörung aller Häuser zu erlassen, das Gericht habe allen per Handy erteilten Anweisungen zu gehorchen und bedingungslos auszuführen. Die Angeklagten versuchten vergeblich, ihren Anwalt telefonisch zu erreichen, der hatte sein Handy ausgeschaltet.

Verzweifelt griffen Martinho Alfredo Molongongo und Adão Alcãntara Paulo zum Letzten und drohten dem Landgericht damit, dass sie unverzüglich ihre eigenen Kinder töten und ihre Ehefrauen zu Ehren des ungerechten Justizsystems Angolas opfern und die Überreste dem ehrenwerten Richter zu seiner Erbauung überbringen würden. Sie drohten zudem, dass jeden das gleiche Schicksal ereilen würde, der ihren Häusern nahe zu kommen versuche, selbst wenn es ein General mit 1000‍ ‍Sternen wäre. Man wisse sehr wohl, dass ein General ohne seine Soldaten nichts zählt, die alles gegeben haben für seine Krönung, insbesondere in einem Krieg, der so schmerzhafte Folgen im Kopf von Molongongo zurückgelassen hat. Derart eingeschüchtert und unschlüssig verschob der Richter den geplanten Abriss der Häuser um weitere 45 Tage.

Was ist das für ein Land, in dem Soldaten wie Molongongo und sein Kollege Alcãntara für die Verteidigung der angolanischen Heimat mit Granatsplittern und Kugeln im Körper zahlen mussten und dann nicht einmal mit zumindest einer anständigen Wohnung entschädigt wurden? Nutznießer des Bürgerkrieges waren allein die Generäle und ihre Ehefrauen, die sich wie Königinnen in ihren Villen am Strand von Benfica in Luanda von der Sonne grillen lassen oder auf der Sandbank in Lobito im Restaurant Kanawa ihr Eis schlürfen. Die Soldaten aber, die für sie gekämpft haben in einem bestialischen Krieg, den sie selber nicht zu verantworten hatten, werden heute unterdrückt und müssen befürchten, mit ihren Familien und Kindern bald kein Zuhause mehr zu haben.


Weitere Artikel in afrika süd Nr. 1, Januar/Februar 2012

FEIERN GEGEN DIE KATERSTIMMUNG
Kommentar von Hein Möllers zu 100 Jahren Afrikanischer Nationalkongress.

AKTUELL

DR KONGO
DAS SYSTEM KABILA SETZT SICH FORT
Nach den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen vom November 2011 geht es in der DR Kongo weiter wie bisher. Staatspräsident Kabila lässt sich von Vorwürfen der Wahlfälschung nicht vom Kurs abbringen, meinen Reinhard J. Voss und Heinz Werner Wessler.

ENGAGEMENT FÜR MENSCHENRECHTE
Der kongolesische Menschenrechtsaktivist Fernandez Murhola leitet den Dachverband der Menschenrechtsorganisationen seines Landes. afrika süd sprach mit ihm über die Zivilgesellschaft und die Lage im Kongo nach den Wahlen.

SIMBABWE
DÜSTERE AUSSICHTEN FÜR DEMOKRATISCHE REFORMEN
Robert Mugabe wurde auf dem Parteitag der Zanu-PF im Dezember als Spitzenkandidat für die kommenden Präsidentschaftswahlen in Simbabwe bestätigt. Christian von Soest und Maxi Domke sehen mit Mugabe kaum Aussichten auf Veränderung.

SWASILAND
STEVE BIKO UND DIE SWASISCHE ZIVILGESELLSCHAFT
Die swasische Zivilgesellschaft greift heute gerne die Ideen von Steve Biko auf. Der Vordenker der Bewegung des Schwarzen Selbstbewusstseins wurde 1976 vom Apartheidregime in Südafrika ermordet. Von Peter Kenworthy.

SÜDAFRIKA: 100 JAHRE ANC
1912‍ ‍ANC 2012

A LUTA CONTINUA
Der ANC hat viel versprochen, aber seine eigenen Machtinteressen verfolgt. Trotz seiner ruhmreichen Geschichte könnte er eine Bewegung von gestern werden, meint John Saul.

LEHRJAHRE IM EXIL
Der ANC wurde in beachtlichem Maß vom Exil geprägt, das bei der Frage nach den historischen Wurzeln der heutigen Regierungspartei wieder stärker in den Blickpunkt rückt. Von Hans-Georg Schleicher.

WERTE, ETHIK UND SOZIALE GERECHTIGKEIT
Ein Auszug aus einem Buchbeitrag von William Gumede
"Befreiungsbewegungen an der Macht".

SEKWANELE! GENOEG! ENOUGH!
Der 100. Jahrestag der Gründung des ANC mag überall auf der Welt gefeiert werden, für die im Dunkeln gibt es nichts zu feiern. Ayanda Kota, Vorsitzender der Bewegung der Arbeitslosen, hat die Repression der ANC-Regierung am eigenen Leibe erfahren.

ANGOLA
WENN DIE GENERALSGATTIN BEFIEHLT
In Huambo hat die Ehefrau des einflussreichen Generals "Sukissa" aus Eigennutz verdienstvolle Armeeangehörige aus ihren Häusern vertreiben lassen und droht mit deren Zerstörung. Ein Hilferuf von Angelo Kapwatcha und Memoria Ekulica.

AFRIKA
DIE TÜRKEI ENTDECKT AFRIKA
Gut 80 Jahre hat der nach-osmanische Staat Afrika südlich der Sahara nicht zur Kenntnis genommen. Nun weiten sich die Beziehungen rasant aus. Treibende Kraft sind die "anatolischen Tiger". Von Hein Möllers.

AUS DER SZENE
"ES GEHT UM SEHR VIEL"
Interview mit Emanuel Matondo zu der Veranstaltungsreihe "Waffenexporte ins südliche Afrika: Ein Geschäft mit dem Tod".

SERVICE
Rezensionen, Leserbriefe

*

Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
41.‍ ‍Jahrgang, Nr. 1, Januar/Februar 2012, S. 32 - 33
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
Königswinterer Straße 116, 53227 Bonn
Tel.: 0228 / 46 43 69, Fax: 0228 / 46 81 77
E-Mail: issa@comlink.org
Internet: www.issa-bonn.org
 
"afrika süd" erscheint mit 6 Heften im Jahr
Jahresabonnement Euro 35,-


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. April 2012