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AFRIKA/1146: Komplizierte Nachbarn - Ruanda, Uganda und die Demokratische Republik Kongo (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 4, Juli/August 2012

Komplizierte Nachbarn
Ruanda, Uganda und der Osten der Demokratischen Republik Kongo.

von Antoine Roger Lokongo



Für die Bevölkerung im Osten der DR Kongo gehört das Blutvergießen zum grausamen Alltag. Angesichts der anhaltenden Menschenrechtsverletzungen in der Krisenregion Nord-Kivu spricht die kongolesische Tageszeitung Le Potentiel denn auch vom "vergessenen Genozid" vor den Augen der internationalen Gemeinschaft.


Seit dem Start der UN-Friedenssicherungsmission vor mehr als einem Jahrzehnt ist die internationale Gemeinschaft Zeuge von Gräueltaten im Ostkongo, die von bewaffneten Gruppen ruandischer Hutu- und Tutsi-Milizen im Osten der DR Kongo begangen wurden. Großbritannien, die USA und die Europäische Union können nicht länger die Augen vor der Mittäterschaft Ruandas und Ugandas verschließen. Beide haben den Tutsi-Rebellenführer Bosco Ntaganda - der genau wie seine Vorgänger vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag bereits angeklagt wurde - mit Waffen und Soldaten unterstützt. Ebenso wenig kann in London, Washington und Brüssel die Behauptung aufrecht erhalten werden, man habe von den Aktivitäten und Plänen Ugandas und Ruandas - die durch die Erfahrungen im Sudan ermutigte Annektierung des Ost-Kongo - nichts mitbekommen.


Ruanda und die Annektierung Ostkongos

Nach Berichten der UN-Friedensmission bewegen sich erneut ruandische Truppen an der Frontlinie im Osten der DR Kongo. Gleiches wird vom britischen Fernsehsender BBC, von Human Rights Watch sowie der Regierung in Kinshasa gemeldet. Dem kongolesischen Informationsminister Lambert Mende Omalanga zufolge sind in Ruanda circa 200-300 Rebellen rekrutiert worden, um in die DR Kongo zu infiltrieren. Diese sollen zuvor ein kurzes militärisches Training absolviert haben, bevor sie in den Einsatz gegen die bewaffneten Truppen der kongolesischen Armee entsannt wurden.

Für die Bevölkerung Kongos ist dies ohnehin nichts neues. Ein Jahr bevor Ruanda im November 2009 in den Commonwealth of Nations aufgenommen wurde, hatte die britische Tageszeitung The Telegraph (die der konservativen Partei Englands und somit auch der englischen Krone nahesteht) aufgedeckt, dass der kongolesische Tutsi-Rebellenführer General Laurent Nkunda von der ruandischen Armee rekrutiert wurde. Berichten aus erster Hand und Beweisen, die vom The Telegraph gesammelt wurden, zufolge scheint Ruanda somit seine Territorien als Rekrutierungsraum für die Rebellenbewegungen zur Verfügung zu stellen, die hinter dem Blutvergießen in der DR Kongo stecken.

Ein 27-jähriger Kämpfer in Nkundas Rebellengruppe CNPD (Congrès national pour la dèfense du people), der zuvor in Ruandas Armee als Truppenkommandant gedient haben will, berichtet: "Es gibt viele ehemalige ruandische Soldaten, die sich der CNPD angeschlossen haben. Als ich noch in der ruandischen Armee war, stand ich in Kontakt zu ihnen. Sie wollten, dass ich mich der CNPD anschließe. Ich habe mich entschieden, mich ihnen anzuschließen, denn für die CNPD zu kämpfen bedeutet, für Ruanda zu kämpfen."

Der Internetdienst AfroAmerica Network berichtete am 8. Juni, dass das US-Außenministerium eine eindeutige Erklärung abgegeben haben soll, wonach Regierungen davor gewarnt werden, Rebellen und andere meuternde Gruppen zu unterstützen, die im Osten des Kongo operieren; allerdings ohne Ruanda namentlich zu erwähnen. In einem Statement vom 6. Juni 2012 erklärte der Sprecher des US-Außenministeriums Mark C. Toner: "Die Verneigten Staaten sind besorgt über die anhaltende Meuterei von Offizieren und Soldaten, die in die bewaffneten Streitkräfte der DR Kongo eingegliedert waren und nun in der Nord-Kivu-Provinz als eine bewaffnete Gruppe unter dem Namen M23 operieren. Besorgt machen uns auch jüngste Berichte über eine Unterstützung von M23 von Außen."

Auch die EU ist laut Catherine Ashton, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission und EU-Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik, "stark besorgt" über eine Meuterei im Osten der DR Kongo. "Die EU macht sich große Sorgen über die jüngsten Entwicklungen in den Kivu-Provinzen und die damit einhergehende Verschlechterung der Sicherheitslage. Die aktuellen Entwicklungen erfordern die Aufmerksamkeit aller Länder in der Region. Die jüngste Zusammenarbeit zwischen Ruanda und der DR Kongo diesbezüglich ist notwendig und positiv. Die EU ist beunruhigt über Informationen, wonach diese Dynamik gefährdet sein könnte", sagte Ashton in einer Stellungnahme.


Kein Ende der Tränen in Sicht

Genug der Krokodilstränen! Solange der Westen seine Rohstoffe aus dieser Region bezieht, wird Ruanda einmal mehr davon kommen und auch morgen unbehelligt weiter machen können. Kagame (Ruanda), Museveni (Uganda) und ihre Hintermänner aus dem Westen sind entlarvt, alle Welt weiß mittlerweile, wer die treibenden Kräfte hinter dem Konflikt sind. Nach Ansicht von Jacqueline Umurungi (in Inyenyerii News, 28.5.2012) gehören Bill Clinton, Tony Blair sowie der Starbucks-Magnat Howard Schulz zu den größten Bewunderern Kagames. Der US-amerikanische Evangelist Rick Warren bezeichnet Kagame als eine Quelle der Inspiration und selbst Bill Gates hat in die "afrikanische Erfolgsstory", wie Ruanda einst bezeichnet wurde, Geld investiert. Ja richtig! Westliche Liberale, reaktionäre Evangelikale und kapitalistische Opportunisten preisen Paul Kagame gleichermaßen als Vorboten eines neuen afrikanischen Erfolges an. Allein England subventioniert jährlich etwa 50 Prozent des ruandischen Staatshaushaltes. Mit diesen Informationen im Hinterkopf fällt es leichter zu verstehen, weshalb in dem ressourcenreichen Osten des Kongo kein Frieden möglich scheint, oder, um es in den verblümten Worten der BBC (11.5.2012) zu sagen: "Kein Ende der Tränen im Kongo in Sicht."

Die Regierung in Kinshasa hat einfach alle kongolesischen Tutsi in die nationale Armee integriert, selbst diejenigen, die aufgrund von Verbrechen gegen die Menschlichkeit vom Internationalen Strafgerichtshof ICC gesucht wurden, wie General Bosco Ntaganda, der laut BBC in Ruanda geboren wurde, wo er mit den Tutsi-Rebellen kämpfte, die den aktuellen Präsidenten Paul Kagame zur Macht verholfen und den Genozid von 1994 beendet hatten. Die Rebellenbewegung CNDP wurde in eine politische Partei umgewandelt und in Präsident Kabilas Koalition eingegliedert. Kabila beauftragte sie mit militärischen Einsätzen gegen Hutu-Milizien, die beschuldigt wurden, am Genozid in Ruanda 1994 beteiligt gewesen zu sein. Die Regierung in Kinshasa traf sogar eine Übereinkunft mit Kigali, die es der ruandischen Armee erlaubte, in den Kongo einzudringen, um Hutu-Milizien zu jagen. Die Menschen im Kongo begannen zu ahnen, dass die Tutsi den Krieg gegen die am Genozid beteiligten Hutu immer wieder als Vorwand nutzten, um an Konzessionen für Minen zu gelangen und diese systematisch auszubeuten. Das ist auch der Grund dafür, dass kongolesische Tutsi-Soldaten es kategorisch ablehnen, in andere Regionen des Landes versetzt zu werden, um dort zu dienen.

Als Präsident Kabila anordnete, dass zunächst alle Soldaten aus dem Osten des Landes abgezogen werden, um in anderen Regionen des Kongos ihren Dienst abzuleisten, ging das Gerücht herum, dass Ntaganda verhaftet und an den ICC überführt werden sollte (Kabila hatte gesagt, dass Ntaganda im Kongo vor Gericht gestellt werden soll). Dieser wiederum zettelte eine Meuterei, bekannt als Bewegung des 23. März (dem neuen Namen des CNDP), an. Diese Gruppe war der kongolesischen Armee im Rahmen eines Friedensabkommens am 23. März 2009 beigetreten, um sich später aufgrund "schlechter Behandlung" als M23 wieder abzusetzen.

Es reicht. Sollten die vom Westen gedeckten Regime von Ruanda und Uganda weiterhin ungehindert agieren können, wird sich die internationale Gemeinschaft erneut an der Verschwörung gegen den Kongo beteiligen. Der internationale Strafgerichtshof existiert für Charles Taylor oder Laurent Gbagbo, nicht aber für einen George W. Bush, Tony Blair, Yoweri Museveni oder Paul Kagame.

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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
41. Jahrgang, Nr. 4, Juli/August 2012, S. 25 - 26
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Oktober 2012