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AFRIKA/1160: Sonne oder Kohle - Die südafrikanische Energiepolitik (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 5, September/Oktober 2012

Sonne oder Kohle

von Andreas Bohne und Armin Osmanovic



DIE SÜDAFRIKANISCHE ENERGIEPOLITIK steht vor einer großen Herausforderung: klimaschädliche CO2-Emissionen zu reduzieren und gleichzeitig eine bezahlbare Stromversorgung für alle Haushalte und Unternehmen bereitzustellen. Erneuerbare Energien sollen einen Beitrag zur Lösung der Herausforderung leisten. Die Bemühungen der südafrikanischen Politik sind jedoch bisher von Widersprüchen geprägt.


Ende letzten Jahres eröffnete Staatspräsident Jacob Zuma feierlich das Solarkraftwerk in Hazelmere in KwaZulu-Natal. Während der UN-Klimaverhandlungen in Durban 2011 (COP 17) diente es als Nachweis für die Anstrengungen im Bereich der erneuerbaren Energien in Südafrika. Diese ist auch dringend notwendig, denn weltweit gehört Südafrika zu den größten Emittenten des klimaschädlichen CO2. Pro Kopf liegt der Ausstoß höher als in Deutschland. Ursache ist die Kohleverstromung. Fast 90 Prozent des Stroms wird in Südafrika aus Stein- und Braunkohle hergestellt.

Neben der Abkehr von der klimaschädlichen Kohle steht Südafrikas Energiepolitik vor der Herausforderung, mehr Strom produzieren zu müssen. Erst 80 Prozent der Bevölkerung sind an das Stromnetz angeschlossen. Ausgeschlossen sind insbesondere arme rurale und urbane Gemeinschaften. Gleichzeitig wächst der Bedarf in vielen privaten Haushalten mit dem steigenden Lebensstandard. Darüber hinaus fragt die Bergbauwirtschaft hohe Energiemengen nach. Schon jetzt muss der staatliche Strommonopolist ESKOM, der 95 Prozent der Stromversorgung bereit stellt, wegen Lastproblemen Unternehmen hohe Summen bezahlen. Zu Spitzenlastzeiten, vor allem am frühen Abend in den Wintermonaten, wenn die privaten Haushalte ihre Heizung anstellen und kochen, sollen Unternehmen ihre Produktion herunterfahren. Im Winter 2008 kam es denn auch zu größeren Stromausfällen, so dass auch Unternehmen ihre Produktion stoppen mussten. ESKOM investiert deshalb seit einigen Jahren in den Neu- und Ausbau von Kraftwerksanlagen, setzt aber trotz Protesten im Land weiter sehr stark auf die reichlich vorhandene heimische Kohle, die Tausende von Bergarbeitern einen Arbeitsplatz gibt. Zur Finanzierung des Kraftwerk- und Netzausbaus steigen seit Jahren die in der Vergangenheit äußerst günstigen Strompreise in zweistelliger Höhe. Der einst billige Strom hat dazu geführt, dass auch die Warmwasseraufbereitung und das Heizen mit Strom unternommen werden. Dies ist wenig energieeffizient. So verbraucht denn auch ein Mittelklasse-Haushalt in Südafrika mit 10.000 KWh deutlich mehr als ein solcher Haushalt in Deutschland, dessen Verbrauch bei 3500 KWh liegt.


Potenziale sind vorhanden, Widersprüche ebenso

Die erneuerbaren Energiequellen, Solar-, Wind- und Bioenergie sowie Erdwärme, spielten in Südafrika bislang fast gar keine Rolle. Allein Wasser hat mit fünf Prozent an der gesamten Energieversorgung einen merklichen Anteil. Die natürlichen Voraussetzungen für erneuerbare Energien in Südafrika sind sehr gut - da sind sich Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft einig. Das gilt insbesondere für die Solarenergie. Vor allem die Provinz Nordkap besitzt hier eines der höchsten Potenziale weltweit. Ebenso hoch ist die Eignung für Windenergie einzuschätzen, insbesondere entlang der Küstenstreifen oder in den Bergregionen KwaZulu-Natals. Schlechter sind dagegen die Voraussetzungen für Hydroenergie, nur wenige Flüsse kommen infrage. Hier ist es für Südafrika preiswerter, entsprechenden Strom aus Mosambik oder der Demokratischen Republik Kongo zu importieren. Die Produktion von Biomasse ist sowohl auf Haushaltsebene - z.B. in der Nutzung von Brennholz - als auch für Industrien relevant. Biomasseanbau kann jedoch in Konkurrenz zum Nahrungsmittelanbau stehen oder ökologische Probleme wie Abholzung verschärfen.

Dem Potenzial stehen die widersprüchlichen Aktivitäten der südafrikanischen Regierung und eine zögerliche praktische Umsetzung gegenüber. So wird das 2003 im "White Paper on Renewable Energy" ausgegebene Ziel, ab 2013 jährlich 10.000 Gigawattstunden bzw. 1.700 MW aus erneuerbaren Energien zur Versorgung bereitzustellen, nach Meinung von Alan Brent, Professor an der Universität von Stellenbosch, nicht erreicht. Der 2011 veröffentlichte Plan ("Integrated Resource Plan") des Department of Energy sieht vor, in den nächsten 20 Jahren insgesamt 17.800 MW an erneuerbarer Energie zu schaffen. Damit sollen bis 2030 die erneuerbaren Energien insgesamt 14 Prozent des gesamten Energiebedarfs decken (davon entfallen weiter 14 Prozent auf Wasserkraft). Im Vergleich: In Deutschland werden gegenwärtig jedes Jahr allein durch Solarkraft 15.000 MW erneuerbare Energie ans Netz gebracht.

Umweltschutzgruppen und zivilgesellschaftliche Gruppen kritisieren die Energiepläne der Regierung. Denn unter anderem sollen bis 2030 sechs neue Atomkraftwerke gebaut werden, die rund eine Billion Rand (100 Mrd. Euro) kosten werden.

Energiesparende Maßnahmen sind auch geplant. So schreibt die 2008 überarbeitete "Energy Efficiency Strategy" eine Reduzierung des Energiebedarfs um 12 Prozent bis zum Jahr 2015 fest, gemessen an dem für dieses Jahr prognostizierten Energieverbrauch. Unter anderem besteht ein Programm, Ampelanlagen und Straßenlaternen mit kleinen Solarpanelen auszustatten und zu versorgen. ESKOM selbst, hat aus betriebswirtschaftlichen Gründen weniger Interesse am Energiesparen. Nur um die Spitzenlastzeiten sorgt man sich. Eine Abkehr von Strom als Energiequelle, etwa hin zu Gas oder Holzpellets für eine dezentrale Warmwasseraufbereitung, kommt ESKOM natürlich nicht gelegen.


Lösen sich die Widersprüche langsam auf?

Für eine wahre Energiewende sind die Bemühungen bei weitem nicht ausreichend. Aber neue Schritte wurden eingeleitet.

Mit Bezug auf den "Integrated Resource Plan" erfolgten im August 2011 die ersten Ausschreibungen unter dem "Independent Power Producer Procurement Programme for Renewable Energy". Die südafrikanische Regierung regt damit zunehmend private Investoren an, in diesen Sektor zu investieren. Sie sollen den Energiemix vorantreiben und für einen deutlich höheren Anteil im Stromnetz ab 2014 sorgen. Nach einer Pressemitteilung soll ferner die Wirtschaft angekurbelt und Arbeitsplätze geschaffen werden.

Aber die Unternehmen sollen auch die notwendigen Anfangsinvestitionen und Risiken tragen. Im Rahmen der Ausschreibungen müssen sich Unternehmen mit Hilfe verschiedener Finanz-, Umwelt- und Rechtskriterien zuerst für eine zweite Phase qualifizieren, in der aufgrund von Gebühren und wirtschaftlichen Kriterien eine Entscheidung fällt.

In der ersten Runde wurden insgesamt 28 Vorhaben mit einer Leistung von 1.451 MW genehmigt. Im Mai 2012 wurden weitere 19 Gewinner in der zweiten Runde ausgewählt. Weitere drei Ausschreibungsrunden sollen bis August 2013 folgen. Die Bieter besitzen komplizierte Strukturen, wobei internationale Unternehmen aufgrund der Ausschreibungsmodalitäten mit nationalen Firmen kooperieren müssen. Schließlich sollen 40 bis 60 Prozent der lokalen Wertschöpfung in Südafrika erfolgen.

Fraglich ist aber, wie das überalterte und überlastete Stromnetz auf die vielfältigen neuen Stromanbieter und deren Einspeisung reagieren wird. In vielen ländlichen Gebieten ist es denn auch nach Meinung von Dieter Seifried, Energieexperte, der Anfang des Jahres Südafrikas Gewerkschaftsdachverband Cosatu beriet, sinnvoller, auf netzunabhängige regenerative Energiequellen zu setzen. "Solar-Home-Systeme sind hier der Weg", so Seifried.

Die gesamte Diskussion um erneuerbare Energien in Südafrika ist Teil der Debatte um eine "Green Economy". Zum einen geht es um die effizientere Ressourcenausnutzung und geringeren -verbrauch sowie um den technologischen Wandel. Zum anderen geht es aber auch um den Aufbau neuer Industrien in "grünen" Wirtschaftsbereichen, der zwar Arbeitsschaffung und Qualifizierungsangebote ermöglicht, aber auch Möglichkeiten der Profitmaximierung für Kapitalanleger bietet.

Hier sehen sich natürlich auch die südafrikanische Zivilgesellschaft und Gewerkschaften in einem Spannungsfeld, wenn einerseits die Förderung begrüßt wird und Arbeitsplätze geschaffen werden sollen, andererseits aber auch sehr gut bezahlte Arbeitsplätze beim Strommonopolisten ESKOM bedroht sind. So bezog kürzlich mit Cedric Gina, Präsident der Metallarbeitergewerkschaft Numsa, ein hoher Gewerkschafter Stellung. Er betonte die Gefahr, dass die Neustrukturierung des Energiesektors lediglich neuen privaten Unternehmen nütze und eine soziale Zielrichtung verfehlen würde. Er fordert daher verschiedene Formen von Besitzstrukturen beim Aufbau der erneuerbaren Energie, in der der öffentlichen Hand, aber auch lokalen Gemeinschaften eine große Bedeutung zukommt.

Die Bergarbeitergewerkschaft NUM steht aus anderen Gründen den erneuerbaren Energien skeptisch gegenüber, denn selbstverständlich sehen sie die Bedrohung für die heimischen Kohlekumpel. Ob der mögliche Verlust von Arbeitsplätzen in den Minen durch den Ausbau erneuerbarer Energien - die oftmals qualifizierte und junge Arbeitnehmer benötigt - aufgefangen wird, erscheint vielen noch als zweifelhaft angesichts der schlechten Ausbildungssituation in Südafrika. Auch wenn die südafrikanische Regierung und Studien von NRO von einem Potenzial zwischen 150.000 bis 200.000 Arbeitsplätzen im Bereich der erneuerbaren Energien ausgehen. Mangel herrscht bei qualifiziertem Personal. Ausbildungs- und Qualifizierungsangebote in grünen Wirtschaftszweigen sind bisher wenig vorhanden.

Erneuerbare Energien bieten die Möglichkeiten, lokale Energieversorgung als soziales Recht sicherzustellen, wie NRO es fordern. Zu diesen Möglichkeiten zählen solare Wasseraufbereitung, Biogasanlagen in benachteiligten Regionen, Solarzellen auf städtischen Gebäuden sowie andere kleinteilige Lösungen. Umwelt- und zivilgesellschaftliche Gruppen sowie Gewerkschaften vermochten zwar bisher nicht, die Energiewende in Südafrika entscheidend durchzusetzen. Dennoch beginnt sich eine verstärkt kritische Opposition zu bilden. So hat sich auf Seiten der Zivilgesellschaft die Initiative "One Million Climate Jobs" gebildet und vereinigt Landrechtsbewegungen, Umweltorganisationen, Gewerkschaften und Universitäten. Diese Initiative, die anlässlich der UN-Klimaverhandlungen in Durban 2011 gegründet worden war, fordert eine Umkehr in der südafrikanischen Energiepolitik - weg von fossilen hin zu erneuerbaren Energien. So sollen innerhalb der nächsten zehn Jahre 50 Prozent des Stromes aus erneuerbaren Energien bereitgestellt werden. Ferner zielt die Allianz auf eine Schaffung klimafreundlicher Arbeitsplätze. Darunter versteht die Allianz Arbeitsplätze, die klimaschädliche Emissionen und damit die Wirkungen des Klimawandels reduzieren und gleichzeitig Basisdienste bereitstellen sollen, etwa durch kostengünstige energieeffiziente Häuser. Nach Berechnungen der Allianz würde ein solches Programm 92 Mrd. Rand kosten.

Kritiker der Initiative weisen aber darauf hin, dass viele dieser Arbeitsplätze nur mittels staatlicher Subventionen geschaffen und erhalten werden können. Die Diskussion um die Energiepolitik in Südafrika bleibt spannend. COP 17 hat bei aller internationalen Enttäuschung über nicht weitergehende bindende Vereinbarungen Südafrikas Zivilgesellschaften im Kampf gegen neue Kohlekraftwerke und die Atompläne der Regierung Auftrieb gegeben.


Andreas Bohne ist Projektmanager beim Solidaritätsdienst-international (SODI).
Armin Osmanovic ist Büroleiter der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Johannesburg.

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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
41. Jahrgang, Nr. 5, September/Oktober 2012, S. 33 - 35
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. November 2012