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AFRIKA/1173: Kenia - Unzuverlässige Umfrageergebnisse vor den Wahlen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. Februar 2013

Kenia: Unzuverlässige Umfrageergebnisse vor den Wahlen - Meinungsforschungsinstitute düpieren Bevölkerung

von Miriam Gathigah


Bild: © Miriam Gathigah

Steve Bonuke, Vorsitzender der Jugendgruppe 'Trans Youth Group' in der Provinz Rift Valley
Bild: © Miriam Gathigah

Nairobi, 28. Februar (IPS) - Als die einzige Präsidentschaftskandidatin in Kenia, Martha Karua, die Zuverlässigkeit von Meinungsumfragen in Zweifel zog, war die Öffentlichkeit der Ansicht, sie sei wegen des schlechten Ergebnisses beleidigt. Ihr hatte man nur ein Prozent der Wählerstimmen vorausgesagt.

Doch ihre Bedenken waren nicht aus der Luft gegriffen. Denn die Vorgehensweise der Meinungsforschungsinstitute in dem ostafrikanischen Land sorgt im Vorfeld der Wahlen am 4. März durchaus für Beunruhigung.

"Die Meinungsforschungsinstitute befragen Mobiltelefoniekunden und berücksichtigen nicht die Liste der registrierten Wähler der unabhängigen Wahlkommission IEBC", meint etwa der Statistikexperte Charles Onyango. Jüngste Umfragen ergaben, dass 95 Prozent der Befragten von sich behauptet hatten, im Wählerverzeichnis zu stehen. In Wirklichkeit war dies aber nur bei zwei Dritteln der Fall.

Die Ergebnisse von Umfragen der drei größten kenianischen Meinungsforschungsinstitute 'Infotrack', 'Ipsos Synovate' und 'Strategic Research' werden von den Medien viel beachtet. Doch politische Analysten werfen ihnen immer wieder vor, nicht die Ansichten der Bevölkerung zu reflektieren sondern das Wählerverhalten zu beeinflussen und damit Gewalt zu schüren.

2007 wollten die Anhänger des heute amtierenden Regierungschefs Raila Odinga seine Wahlniederlage nicht anerkennen, weil die Umfragen vor den Präsidentschaftswahlen seinen Sieg prognostiziert hatten. "Viele Menschen verstehen nicht, dass eine Meinungsumfrage keine Hochrechnung ist", warnt Paul Muigai, ein Politikexperte aus Nairobi. Er macht dieses Missverständnis weitgehend für die Gewalt nach den umstrittenen Wahlen 2007/2008 verantwortlich, die beinahe einen Bürgerkrieg ausgelöst hätte.


Umfragen werten Quellen nicht richtig aus

Nach der ersten Debatte im Präsidentschaftswahlkampf am 11. Februar erklärten die Meinungsforscher, dass der Präsidentschaftskandidat und stellvertretende Premierminister Uhuru Kenyatta die Umfragen anführen würde. Wilson Ugangu vom 'Multimedia University College of Kenya' zufolge gibt eine solche Einschätzung keineswegs ein realistisches Bild von aktuellen Wahltrends ab. "Die Institute unterschätzen nicht zuletzt den Einfluss von Radio und Fernsehen auf die Wählermeinung."

"Dieses Land hat noch keine verlässlichen Meinungsforschungsinstitute, denn diese halten wesentliche Informationen zurück", sagt Steve Bonuke, der Vorsitzende der 'Trans Youth Group', die in der Provinz Rift Valley für Frieden und politische Toleranz eintritt. "Die Ergebnisse schüren Spannungen und rufen Gewalt hervor, wie bereits bei den Wahlen 2007/2008. Die Verlierer glaubten damals mehr den Meinungsumfragen als den Wahlbehörden."

Bonuke verweist auf Meinungsumfragen, die vor Kurzem von zwei großen Instituten in etwa zeitgleich durchgeführt wurden. Sie bezogen sich auf Landkreise, die Ähnlichkeiten aufweisen, kamen aber zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen. "Es hat sich gezeigt, was wir schon immer vermutet haben: Die Umfragen sind weder wissenschaftlich fundiert noch objektiv."

Politische Analysten gehen derweil davon aus, dass die Umfragen einen erheblichen Einfluss auf den Ausgang der Wahlen haben werden. Werden sie nicht sorgfältig durchgeführt und ausgewertet, entstehen falsche Hoffnungen. Das kann dazu führen, dass Wahlergebnisse angefochten werden. Das hat den IEBC-Vorsitzenden Isaack Hassan zu dem Vorschlag veranlasst, die Veröffentlichung von Umfrageergebnisse drei Monate vor der Stimmabgabe zu verbieten. Aus der Politik kommt dafür jedoch kaum Unterstützung.


Widerstand im Parlament gegen gesetzliche Kontrollen von Umfragen

Als der ehemalige Abgeordnete Bonny Khalwale 2011 ein Gesetz zur Veröffentlichung von Meinungsumfragen vor Wahlen ins Parlament einbrachte, wehrten sich diejenigen, die bisher von den Umfragen profitiert hatten. Der Entwurf zielte darauf ab, die Umfragen nach internationalen Standards auszurichten. "Odinga leistete vehementen Widerstand, weil er in den Meinungsumfragen immer gut wegkam", sagt Muigai.

Beobachter monieren, dass die Untersuchungskriterien der Meinungsforschungsinstitute nicht nachvollziehbar seien. Die Umfrageergebnisse in der Hochburg eines Kandidaten seien ebenso wenig aussagekräftig, was die Gesamtheit der Wähler angehe, wie die angebliche Meinung von Mitgliedern einer Ethnie. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://iebc.or.ke/
http://www.ipsnews.net/2013/02/kenyas-electoral-opinion-polling-marred-by-suspicion/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. März 2013