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AFRIKA/1181: D. R. Kongo - Rebellen setzen sich nach Ruanda ab (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. März 2013

D. R. Kongo: Nach Kapitulation des 'Terminators' - Auch andere Rebellen setzen sich nach Ruanda ab

von Taylor Toeka Kakala


Bild: © William Lloyd-George/IPS

Viele von der kongolesischen Regierung gesuchte Soldaten haben sich nach Ruanda abgesetzt
Bild: © William Lloyd-George/IPS

Goma, D. R. Kongo, 22. März (IPS) - Nach der Zusicherung der ruandischen Regierung, für eine möglichst rasche Überstellung des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Bosco Ntaganda an den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) zu sorgen, bemühen sich nun auch etliche Ntaganda-Getreue in Ruanda um Asyl.

General Ntaganda alias der 'Terminator' war am 18. März in der US-Botschaft in der ruandischen Hauptstadt Kigali erschienen, um seine eigene Überstellung an das internationale Tribunal zu fordern. Vom ICC wird der Rebellenchef wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Demokratischen Republik Kongo (DRC) gesucht. Dass er sich selbst ausgeliefert hat, wird mit dem Bruderkrieg innerhalb der kongolesischen Rebellengruppe M23 in Verbindung gebracht.

Der ICC hatte Ntaganda erstmals 2006 im Zusammenhang mit Verbrechen, die er in den Jahren 2002 bis 2003 in Ituri im Osten der DRC begangen haben soll, zur Fahndung ausgeschrieben. Ntaganda war damals Kommandant von Laurent Nkundas 'Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes' (CNDP). Die Miliz hat sich inzwischen als reguläre kongolesische Partei etabliert.

Doch ist der Terminator nicht der einzige M23-Kämpfer, der die kongolesisch-ruandische Grenze überschritten hat. Viele der ihm treu ergebenen Soldaten sind ihm gefolgt. Auch sie werden in der DRC wegen ihrer Rolle bei dem Aufstand gegen die kongolesische Armee steckbrieflich gesucht.

Einer von ihnen ist der 32-jährige M23-Soldat, der sich selbst Mutunzi nennt. Zwei Jahre lang hatte er in Masisi, einer Gebirgsregion in Nord-Kivu im Osten der DRC, gekämpft.

Dass Ntaganda wegen der Rekrutierung von Kindersoldaten, Vergewaltigung und anderer Vergehen gesucht wird, hat seinem Ansehen innerhalb der M23 offenbar nicht geschadet. "Seit einigen Monaten wissen die meisten von uns, dass General Ntaganda vom ICC wegen Kriegsverbrechen gesucht wird. Doch gehört er auch weiterhin zu den meist geachtetsten Führern", so Mutunzi.

Am 16. März, nur wenige Wochen nach der Spaltung der Rebellengruppe in die Fraktion der Ntaganda-Getreuen unter Führung von Jean-Marie Runiga und der Anhänger von General Sultani Makenga, wurden die Kämpfer nach wochenlangen heftigen Kämpfen von ihren Anführern zurückbeordert. "Die Munition ist uns ausgegangen", begründete Mutunzi die Entscheidung seines Kommandeurs im IPS-Gespräch in Kigali, wo er zusammen mit anderen M23-Kämpfern um Asyl ansucht.

Bevor sich die M23-Runiga-Milizionäre ergaben, waren sie im Nkarmira-Camp stationiert, einem Übergangslager für kongolesische Flüchtlinge im Westen Ruandas. Insgesamt handelte es sich um etwa 640 Soldaten, Offiziere und Oberbefehlshaber einschließlich Runiga und dessen Stabschef General Baudouin Ngaruye.

Auch die M23-Makenga-Fraktion hat inzwischen das Ende ihrer Militäroperation bekanntgegeben.

Wie Rubens Mikindo, Vorsitzender von Etienne Tshikedis größter Oppositionspartei, der Union für demokratischen und sozialen Fortschritt, gegenüber IPS erklärte, sollte Ntaganda besser nicht darauf hoffen, dass ihm der ICC mildernde Umstände gewähren wird.

"Bosco Ntaganda hat beiden Regimen (DRC und Ruanda) gedient. Was immer er auch vor dem ICC aussagen wird, bleibt, wie im Fall von Thomas Lubanga geschehen, für ihn selbst folgenlos", betonte Mikindo. Der ICC hatte Lubanga, einem Verbündeten des Terminators, im vergangenen Juli zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt. Überstellt worden war er dem internationalen Strafgericht 2006, nachdem ihn UN-Blauhelme 2005 aufgegriffen hatten.

Ntaganda stammt ursprünglich aus Ruanda, floh jedoch als Heranwachsender vor Kämpfen verfeindeter Tutsi in die DRC. 1994 kehrte er nach Ruanda zurück, um dort unter Paul Kagame den Völkermord an den Tutsis und moderaten Hutus zu beenden. Später zog es ihn erneut in die DRC, wo er eine Vielzahl von Aufständen anführte und schließlich - als Zugeständnis an das Friedensabkommen vom 23. März 2009 - in die kongolesische Armee aufgenommen wurde.

Ntaganda ist auch der Drahtzieher des M23-Aufstands im April 2012. Die meisten ehemaligen CNDP-Kämpfer erhoben sich aus Unzufriedenheit über die miserablen Zustände in der Armee gegen die kongolesische Regierung und nahmen im November desselben Jahres Goma ein, die Hauptstadt von Nord-Kivu.

"Der Wunsch nach Frieden hat die DRC veranlasst, mit Ntaganda zusammenzuarbeiten. Als er dann aber seine Machtbefugnisse überschritt, blieb dem Staatschef nichts anderes übrig, als mit ihm zu brechen", berichtete Gaston Musemena, ein Vertrauter von DRC-Präsident Joseph Kabila und Mitglied der Nationalversammlung. "Was immer Ntaganda auch aussagen wird - es wird ihm nicht gelingen, unser Land zu spalten."

Chrysostome Kwede, ein Anwalt aus Kisangani, einer Stadt im Nordosten der DRC, ist anderer Meinung. Seiner Meinung nach werden sich einige Mitglieder der kongolesischen Regierung, die an seinen Verbrechen beteiligt waren, sogar sehr große Sorgen machen müssen. Ntaganda wird auf einige mächtige Personen in Kinshasa und Goma zeigen", versicherte er gegenüber IPS.

Godefroid Kä Mana, Ko-Autor eines offenen Briefes an den UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, der von 20 einflussreichen Persönlichkeiten unterzeichnet wurde, warnte davor, sich nur auf eine Rebellengruppe zu fokussieren. Dadurch werde die Rolle anderer Milizen verschleiert.

"Es ist hinreichend bekannt, dass Kinshasa für die Verbreitung von Waffen in Kivu mitverantwortlich ist", fügte er hinzu. "Eine bewaffnete Gruppe kann tagsüber als negative Kraft betrachtet werden, des Nachts jedoch, wenn sie der Regierung behilflich ist, zur positiven Kraft werden. Mit einer guten Regierungsführung ließe sich der Krieg rasch beenden, weil damit den Aufständischen der Boden entzogen würde." (Ende/IPS/kb/2013)


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http://www.ipsnews.net/2013/03/more-rebels-seek-asylum-after-war-crimes-suspects-surrender/

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IPS-Tagesdienst vom 22. März 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. März 2013