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AFRIKA/1294: Südsudan - Hungersnot und Gesetzlosigkeit (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 15. August 2014

Südsudan: Hungersnot und Gesetzlosigkeit

von Andrew Green


Bild: © Andrew Green/IPS

Frau in einem Lager für Vertriebene im Südsudan
Bild: © Andrew Green/IPS

Juba, Südsudan, 15. August (IPS) - Wieder ist eine Deadline der rivalisierenden Politiker im Südsudan erfolglos verstrichen. Am Mittwoch erklärte der britische UN-Gesandte Mark Lyall Grant für die UN-Vermittlungsmission, die Gespräche mit Präsident Salva Kiir und seinem Rivalen Riek Machar seien enttäuschend verlaufen. Für die Bevölkerung des tief kriegstraumatisierten Landes bedeutet das: Die Hungerkrise ist kaum noch abwendbar.

Am Sonntag sollten Kiir und sein ehemaliger Stellvertreter Machar, dem im Dezember vergangenen Jahres ein Putsch gegen Kiir misslungen war, einen gemeinsamen Vorschlag zur Bildung einer landesweiten Übergangsregierung vorlegen. Damit hätte der seit acht Monaten währende Konflikt zwischen den verfeindeten Politikern beigelegt werden sollen. Die Rivalen sprachen sich beide gegen eine militärische Lösung des Konflikts aus, ihre Meinungen gingen aber noch weit auseinander.

Trotz der Absage an eine militärische Lösung hielten die Kämpfe übers Wochenende an. Hilfsorganisationen kommen daher nicht an die Bevölkerung heran, die ihre Hilfe teils bitter nötig hat. Auch verschlechtert sich die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln. Internationale Vermittler haben mehrfach davor gewarnt, dass das Land spätestens im Dezember in eine tiefe Hungerkrise rutschen könne. Schon jetzt haben 1,1 Millionen Menschen unzureichenden Zugang zu Nahrungsmitteln.

Es macht nicht den Anschein, als würden die Kämpfe in Bälde eingestellt werden. Samantha Power, Botschafterin der Vereinigten Staaten bei den Vereinten Nationen, erklärte am Dienstag während eines Besuchs von Vertretern des UN-Sicherheitsrates im Südsudan, sie habe Informationen darüber, dass wieder mehr Waffen in das Land importiert würden, um den Kampf auf eine nächsthöhere Ebene zu heben.

Salva Kiir ist Chef der früheren Rebellenbewegung Sudanesische Volksbefreiungsbewegung (SPLM) und seit der Unabhängigkeit des Südsudans im Jahr 2011 erster Präsident des Landes. Mit Vizepräsident Riek Machar lag er im Clinch darüber, wer der SPLM-Partei vorsitzen sollte. Ein Putschversuch durch Machar misslang. Und nun bekämpfen sich Anhänger beider Politiker seit acht Monaten vor allem im Osten des Landes.


Bevölkerung zwischen allen Fronten

Die Bevölkerung sitzt zwischen allen Fronten. Zivile Opfer werden hingenommen, Plünderungen privaten Wohnbesitzes sind an der Tagesordnung. Rund 10.000 Menschen sollen in den vergangenen acht Monaten bereits umgekommen sein, 1,5 Millionen Menschen wurden vertrieben.

Und der Konflikt wuchert aus: Mittlerweile ist er auch im Bundesstaat Oberer Nil angekommen. Im County Maban sind Zehntausende Sudanesischer Flüchtlinge untergekommen. Bislang war Maban weitgehend unberührt vom Konflikt. Doch das hat sich nun geändert. Eine lokale Miliz namens Mabanesische Verteidigungsarmee, die augenscheinlich zu keiner der großen Konfliktparteien gehört, tötete Anfang August eine Gruppe von Zivilisten. Ihre Opfer soll die Miliz nach ethnischen Gesichtspunkten ausgewählt haben: Die sechs gehörten der Volksgruppe der Nuer an. Sie waren außerdem Mitarbeiter einer Hilfsorganisation.

Eine andere Miliz soll sich gerade formieren, um die Morde zu sühnen. Die UN-Mission im Südsudan fürchtet, dass Maban in die völlige Gesetzlosigkeit abrutscht. Die Gefahr bestehe außerdem, dass sich dieser Zustand ohne ein Friedensabkommen auch auf andere Regionen ausweite. Wenn es nicht bald zu einer Lösung auf höchster Ebene kommt, dann wird es immer schwieriger, die Situation wieder in den Griff zu bekommen, die langsam völlig außer Kontrolle gerät.

Die Menschen, die in den Konfliktregionen leben, vor allem aber die mehr als eine Million Vertriebenen, sind vollkommen abhängig von der UN und von Nichtregierungsorganisationen, um an Essen zu kommen oder ein Dach über dem Kopf zu erhalten. Nach Schätzungen der UN werden bis Ende des Jahres 1,8 Milliarden US-Dollar benötigt, um rund 3,8 Millionen Menschen mit Hilfsgütern zu erreichen. Bis jetzt konnte nur wenig mehr als die Hälfte der Gelder beschafft werden.


"Not ist erschreckend groß"

Noch kann die Situation im Südsudan nach offiziellen Kriterien nicht als Hungerkrise bezeichnet werden. Aber schon jetzt "ist die Not erschreckend groß", sagt Sue Lautze, Leiterin des Regionalbüros des Welternährungsprogramms FAO im Südsudan. Nachdem jetzt bereits Mitarbeiter von Hilfsorganisationen zur Zielscheibe geworden sind, wird sich die Not weiter verschärfen.

Jok Madut Jok, ein Analyst des 'Sudd Institutes', einem lokalen Thinktank, hofft, dass die sich zuspitzende Situation die Konfliktparteien doch noch dazu bringt, einen gemeinsamen Friedensplan auf den Weg zu bringen. Vielleicht zwingt sie dazu aber nicht die sich anbahnende humanitäre Katastrophe, sondern die von der internationalen Gemeinschaft angedrohten Wirtschaftssanktionen.

Allerdings hat die Drohung mit Sanktionen bisher nicht sonderlich viel erreicht. Die USA und die Europäische Union haben bereits Militärs auf beiden Seiten mit Sanktionen belegt. Bisher erfolglos. (Ende/IPS/jt/2014)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. August 2014