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AFRIKA/1353: Südafrika - Armut und Fremdenhaß, Plünderungswelle in Kleinstadt Grahamstown (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. Oktober 2015

Südafrika: Wo Armut auf Fremdenhass trifft - Plünderungswelle in Kleinstadt Grahamstown


Bild: © Tim Giddings via Wikimedia Commons

Die südafrikanische Stadt Grahamstown
Bild: © Tim Giddings via Wikimedia Commons

NEW YORK/GRAHAMSTOWN/BERLIN (IPS) - Die südafrikanische Kleinstadt Grahamstown kam erst kürzlich in die Schlagzeilen, als Studenten die Eingänge der Universität blockierten, um einen massiven Anstieg der Studiengebühren zu verhindern. Nach Protesten an 15 Universitäten, bei denen es zu gewaltsamen Zusammenstößen mit der Polizei kam, machte Staatspräsident Jakob Zuma die geplante zehnprozentige Gebührenerhöhung für das Jahr 2016 rückgängig.

Mit ihren Aktionen wollten die Studenten auch die Diskriminierung Schwarzer an den von Weißen dominierten Hochschulen anprangern. In Grahamstown, einer Kleinstadt, deren Bevölkerung mehrheitlich schwarz ist, sucht sich der Frust unterdessen weitere Ventile. Dort kommt es zu fremdenfeindlichen Ausschreitungen gegen Händler, die aus anderen Ländern Afrikas oder aus Asien eingewandert sind. Beobachter werfen der Polizei vor, die Opfer unzureichend zu schützen und Plünderungen sogar Vorschub zu leisten.

Wie das südafrikanische Online-Medium 'Daily Maverick' berichtet, sind etwa 500 Menschen bei den Angriffen auf Ausländer in Grahamstown zu Schaden gekommen. Viele Männer seien inzwischen aus Sicherheitsgründen aus der Stadt gebracht worden, heißt es in der Zeitung. Ihre zurückgebliebenen Frauen und Kinder hätten weder Essen noch Geld.


Politiker schüren Ressentiments gegen Ausländer

Das Vorgehen mancher Polizisten und fremdenfeindliche Äußerungen von Politikern tragen zu einer weiteren Verschärfung der Lage bei. Die Eigentümer der Geschäfte, gegen die sich der Zorn der Bevölkerung entlädt, stammen unter anderem aus Bangladesch, Pakistan, Äthiopien, Somalia, Nigeria, Malawi und Simbabwe, oder es handelt sich um Palästinenser. Die meisten von ihnen sind Muslime.

Nachdem Gerüchte die Runde gemacht hatten, wonach "ein arabischer Mann mit Bart" in den vergangenen Monaten mehrere bestialische Morde begangen haben soll, wurden etwa 300 Geschäfte vollständig geplündert und ihre mutmaßlich muslimischen Eigentümer vertrieben. Die Händler und ihre Familien besitzen nur noch das, was sie am Leibe tragen, und werden weiterhin bedroht.

Angesichts der Gefahrenlage verbreitete die südafrikanische Polizeibehörde SAPS am 26. Oktober eine öffentliche Mitteilung, laut der es "in Grahamstown keine Serienmörder gibt" und "keine verstümmelten Leichen gefunden worden sind". Es gebe zudem keinerlei Hinweise darauf, dass in Grahamstown lebende Ausländer mit momentan untersuchten gewaltsamen Todesfällen in der Stadt in Zusammenhang stünden.

Den in der Stadt gebliebenen Familien der Händler sei alles gestohlen worden, sogar ihre Pässe, heißt es in dem Medienbericht. Während der Bürgermeister und andere Vertreter der Stadtverwaltung eine rasche Beilegung der Krise zusicherten, warteten die betroffenen Menschen noch auf Lebensmittelspenden und ein Ende der Plünderungen.

Ein Stadtrat, der der größten Oppositionspartei 'Democratic Alliance' angehört, erklärte, dass Geschäfte in der Stadt künftig vor allem von Einheimischen geführt werden sollten. Ein Vertreter des regierenden Afrikanischen Nationalkongresses kündigte an, dass die 'Ausländer' die Stadt verlassen würden. Beide Politiker rechtfertigten somit indirekt die fremdenfeindlichen Übergriffe.


Scharfe Kritik an Vorgehen der Polizei

Mehrere Polizisten sollen laut Aussagen von Augenzeugen sogar explizit Plünderungen gestattet haben, nachdem sie bedrohte Ladenbesitzer in Sicherheit gebracht hätten. Aus einem Geschäft habe die Polizei sogar Waren hinausgetragen und auf der Straße stehen lassen.

Bereits im vergangenen April hätten sich Sicherheitskräfte in der Stadt Durban an fremdenfeindlicher Gewalt beteiligt, als sie Gummigeschosse auf Teilnehmer eines Marsches gegen Ausländerhass abfeuerte, berichtete die Zeitung. Im Juli seien Polizei und Armee auf der Suche nach Ausländern in Häuser eingedrungen.

Bürgeraktivisten in Grahamstown versuchen unterdessen, den sozialen Zusammenhalt zu retten. Vertreter der Arbeitslosenbewegung UPM, der Bewegung der Menschen in ländlichen Gebieten und der unabhängigen Organisation Masifunde traten fremdenfeindlichen Gerüchten entgegen und organisierten Essen und andere Versorgungsgüter für die betroffenen Familien. UPM-Mitglieder verteilten Hunderte Flugblätter, auf denen sie sowohl die Morde in der Stadt als auch die Plünderungen verurteilten. Die so genannten 'Ausländer', von denen viele die südafrikanische Staatsbürgerschaft besäßen, seien ein wichtiger Teil der Gemeinschaft, erklärten sie.

Die fremdenfeindliche Gewalt in Grahamstown, einer Stadt mit großen sozialen Problemen und hoher Arbeitslosigkeit, wird teils auf den Frust der Bevölkerung über die Korruption in der Stadtregierung zurückgeführt. Die Haltung der Behörden und die Äußerungen mehrerer Politiker hätten in den vergangenen Tagen die Lage weiter verschärft. Sofortige Hilfe für die Geschädigten und Maßnahmen gegen die politische Krise innerhalb der Stadtverwaltung erscheinen dringend notwendig. Wie eine durch die Plünderungen geschädigte Frau erklärte, dürften Menschen nicht länger so behandelt werden, als seien sie "wertloser als eine Packung Kartoffelchips". (Ende/IPS/ck/28.10.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/10/south-african-students-win-fight-against-rising-school-fees/
http://www.dailymaverick.co.za/article/2015-10-27-where-poverty-meets-xenophobia-grahamstown-a-city-in-crisis/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 28. Oktober 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Oktober 2015

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